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PSA-Wert in der Prostatakarzinomvorsorge

Haben sexuelle Aktivität und Identität einen Einfluss auf den PSA-Wert?

<p class="article-intro">Unter Patienten wie auch unter Ärzten wird gelegentlich die Meinung vertreten, dass eine häufigere sexuelle Aktivität und bei Homosexuellen ein häufigerer passiver Analsex durch die Penetration der Prostata zu einem erhöhten PSA-Wert führen. So kann es im schlimmsten Fall zu verzögerten Prostatabiopsien und einem schlechteren krebsspezifischen Outcome kommen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Im Rahmen der Prostatakarzinomvorsorge wird in der S3-Leitlinie,<sup>1</sup> neben der digitalen rektalen Untersuchung, die Bestimmung des PSA-Wertes im Serum empfohlen, da ein best&auml;tigter erh&ouml;hter PSAWert auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms hinweisen kann. Es sind bereits einige Faktoren bekannt, die den PSA-Wert beeinflussen k&ouml;nnen. So f&uuml;hren z. B. eine benigne Prostatahyperplasie oder eine Prostatitis zu einem erh&ouml;hten PSA-Wert. Die Einnahme von 5&alpha;-Reduktase-Inhibitoren wie Finasterid oder Dutasterid kann dagegen zu einer Erniedrigung des PSA-Wertes um bis zu 50 % f&uuml;hren.<sup>2</sup> Um im Rahmen der Prostatakarzinomvorsorge den PSA-Wert bestm&ouml;glich zu interpretieren, sollten m&ouml;gliche Einflussfaktoren auf den PSA-Wert bekannt sein und genau untersucht und ber&uuml;cksichtigt werden.<br /> Der Einfluss des Sexuallebens auf den PSA-Wert wurde bisher nur selten in Studien untersucht. Dennoch besteht unter &Auml;rzten vereinzelt die Annahme, dass beispielsweise eine h&ouml;here sexuelle Aktivit&auml;t oder auch passiver Analsex, bei dem es zu einer Manipulation der Prostata kommt, zu einem h&ouml;heren PSA-Wert f&uuml;hren. Ziel dieser Arbeit war es daher, den Einfluss sexueller Aktivit&auml;t, sexueller Identit&auml;t und Analsex bei Homosexuellen auf den PSA-Wert bei 45-j&auml;hrigen M&auml;nnern in Deutschland zu untersuchen.</p> <h2>PROBASE &ndash; Studiendesign</h2> <p>Die Daten der vorliegenden Analyse wurden im Rahmen der PROBASE-Studie (&bdquo;risk-adapted prostate cancer early detection study based on a &sbquo;baseline&lsquo; PSA value in young men &ndash; a prospective multicenter randomized trial&ldquo;), einer Prostatakarzinom- Screening-Studie, zwischen April 2014 und April 2018 erhoben.<sup>3</sup> Zur PROBASE-Studie werden M&auml;nner im Alter von 45 Jahren per Post eingeladen, die rund um die vier Studienzentren M&uuml;nchen, Heidelberg, Hannover und D&uuml;sseldorf wohnen. Anschlie&szlig;end werden die M&auml;nner in zwei Studienarme randomisiert (1 : 1). In Arm A wird ein Basis- PSA-Wert im Alter von 45 Jahren bestimmt, in Arm B wird dieser f&uuml;nf Jahre sp&auml;ter im Alter von 50 Jahren bestimmt. Es finden ein Anamnesegespr&auml;ch sowie eine kurze k&ouml;rperliche Untersuchung durch einen Studienarzt statt. Dar&uuml;ber hinaus f&uuml;llen die Studienteilnehmer zum Gro&szlig;teil validierte Frageb&ouml;gen aus, die unter anderem Fragen &uuml;ber soziodemografische Charakteristika, Vorerkrankungen, Lifestyle-Faktoren, Sexualleben und psychologische Faktoren enthalten. Die untersuchten Aspekte des Sexuallebens waren: die sexuelle Aktivit&auml;t (in den letzten drei Monaten) sowie die sexuelle Identit&auml;t (heterosexuell und homosexuell) und der Analsex bei Homosexuellen (in den letzten drei Monaten).<br /> Um die Wahrscheinlichkeit eines durch Begleiterkrankungen oder Medikamente beeinflussten PSA-Wertes zu verringern, wurden M&auml;nner mit einem benignen Prostata Syndrom (International Prostate Symptom Score [IPSS] &gt; 7), einer Prostatitis, einem unbehandelten Hypogonadismus oder einer 5&alpha;-Reduktase-Inhibitoren- Einnahme zum Zeitpunkt der Befragung ausgeschlossen.</p> <h2>PROBASE &ndash; Studienergebnisse</h2> <p>Insgesamt konnten in die vorliegende Analyse 12 006 M&auml;nner eingeschlossen werden. Der mediane PSA-Wert des Studienkollektives lag bei 0,75 ng/ml (1. Quartile: 0,51 ng/ml; 3. Quartile: 1,08 ng/ml) (Abb. 1). Die Mehrheit der Teilnehmer identifizierte sich als heterosexuell (96,6 %) und lebte in einer Beziehung (87,7 %). 86,2 % der Teilnehmer waren in den letzten 3 Monaten sexuell aktiv. 61,4 % der Homosexuellen hatten in den letzten 3 Monaten Analsex. <br />Bei der Betrachtung der PSA-Wert-Verteilung bez&uuml;glich der sexuellen Aktivit&auml;t zeigte sich, dass M&auml;nner, die viermal pro Woche oder h&auml;ufiger sexuell aktiv waren, einen medianen PSA-Wert von 0,84 ng/ml hatten. M&auml;nner, die zwei- bis dreimal pro Woche sexuell aktiv waren, hatten einen medianen PSA-Wert von 0,77 ng/ml und M&auml;nner, die einmal oder seltener pro Woche bzw. &uuml;berhaupt nicht sexuell aktiv in den letzten drei Monaten waren, hatten die niedrigsten PSA-Werte von 0,74 bzw. 0,75 ng/ml (p &lt; 0,001) (Abb. 1). <br />M&auml;nner mit homosexueller Identit&auml;t hatten einen statistisch signifikant h&ouml;heren PSA-Wert als Heterosexuelle (0,79 ng/ ml vs. 0,75 ng/ml; p = 0,006). Bei ausschlie&szlig;licher Betrachtung der Homosexuellen bez&uuml;glich Analsex zeigte sich kein Unterschied in der H&ouml;he des medianen PSA-Wertes (0,82 ng/ml vs. 0,78 ng/ml; p = 0,127) (Abb. 2). Obwohl sich sowohl bei der sexuellen Aktivit&auml;t als auch bei der sexuellen Identit&auml;t statistisch signifikante Unterschiede zeigten, so sind die absoluten Unterschiede im PSA-Wert sehr gering und betragen maximal 0,1 ng/ml. Der Analsex, bei dem es in der passiven Form zu einer Manipulation der Prostata kommt, war nicht mit einem erh&ouml;hten PSA-Wert assoziiert. <br />Sowohl bez&uuml;glich sexueller Aktivit&auml;t als auch sexueller Identit&auml;t und Analsex bei Homosexuellen gibt es in der Literatur kaum Studien, die einen Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der H&ouml;he des PSA-Wertes untersucht haben. Umso wichtiger sind genaue Kenntnisse und die korrekte Einordung dieser m&ouml;glichen Einflussfaktoren. Nicht selten sind M&auml;nner, die sexuell aktiv sind, oder Homosexuelle bei einem best&auml;tigten erh&ouml;hten PSA-Wert verunsichert und schrecken vor einer Biopsie der Prostata zun&auml;chst zur&uuml;ck. Selbst unter &Auml;rzten ist die Ansicht teilweise vertreten, dass diese Faktoren urs&auml;chlich f&uuml;r einen erh&ouml;hten PSA-Wert sein k&ouml;nnten, und daher z&ouml;gern sie, gegebenenfalls eine klare Indikation zur Biopsie auszusprechen. Dies f&uuml;hrt wiederum im ung&uuml;nstigsten Fall zu verz&ouml;gerten Biopsien und einem schlechteren krebsspezifischen Outcome.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s24_abb1_meissner.jpg" alt="" width="1463" height="877" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s25_abb2_meissner.jpg" alt="" width="1463" height="877" /></p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es zwar zu kleinen Unterschieden bei den PSA-Werten bez&uuml;glich sexueller Aktivit&auml;t und sexueller Identit&auml;t kommt, jedoch stellen sich diese Unterschiede in der zweiten Nachkommastelle dar und zeigen somit keine klinische Relevanz. Somit sollten sowohl bei sexuell aktiven M&auml;nnern als auch bei Homosexuellen keine anderen Grenzwerte f&uuml;r die Indikation zur Biopsie gew&auml;hlt werden, als sie von den Leitlinien empfohlen werden. <br />Auf Basis der aktuellen Auswertung kann nat&uuml;rlich keine generelle Aussage &uuml;ber den Einfluss des Sexuallebens auf den PSA-Wert bei M&auml;nnern jeglichen Alters gemacht werden. Unsere Ergebnisse sind limitiert auf 45-j&auml;hrige M&auml;nner, die sich zu Beginn der Prostatakarzinomvorsorge befinden. Da es sich jedoch bei der PROBASE-Studie um eine L&auml;ngsschnittstudie handelt, in der die Teilnehmer bis zu einem Alter von 60 Jahren in regelm&auml;&szlig;igen Abst&auml;nden kommen, der PSA-Wert bestimmt und die Frageb&ouml;gen beantwortet werden, k&ouml;nnen Folgeauswertungen genau diese Zusammenh&auml;nge untersuchen und generelle Empfehlungen f&uuml;r die Zukunft liefern.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Interdisziplin&auml;re Leitlinie der Qualit&auml;t S3 zur Fr&uuml;herkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms, Langversion 5.1, 2019, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/ leitlinien/prostatakarzinom/ (abgerufen am: 27.06.2019) <strong>2</strong> Andriole GL et al.: Treatment with finasteride preserves usefulness of prostate-specific antigen in the detection of prostate cancer: results of a randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial. PLESS Study Group. Proscar Long-term Efficacy and Safety Study. Urology 1998; 52: 195 <strong>3</strong> Arsov C et al.: Prospective randomized evaluation of risk-adapted prostate-specific antigen screening in young men: the PROBASE trial. Eur Urol 2013; 64: 873</p> </div> </p>
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