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Haben sexuelle Aktivität und Identität einen Einfluss auf den PSA-Wert?
Urologik
Autor:
Dr. Valentin H. Meissner
Autor:
Prof. Dr. Kathleen Herkommer, MBA
<br>Technische Universität München<br> Fakultät für Medizin<br> Klinikum rechts der Isar<br> Klinik und Poliklinik für Urologie<br> E-Mail: valentin.meissner@tum.de
30
Min. Lesezeit
21.08.2019
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<p class="article-intro">Unter Patienten wie auch unter Ärzten wird gelegentlich die Meinung vertreten, dass eine häufigere sexuelle Aktivität und bei Homosexuellen ein häufigerer passiver Analsex durch die Penetration der Prostata zu einem erhöhten PSA-Wert führen. So kann es im schlimmsten Fall zu verzögerten Prostatabiopsien und einem schlechteren krebsspezifischen Outcome kommen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Im Rahmen der Prostatakarzinomvorsorge wird in der S3-Leitlinie,<sup>1</sup> neben der digitalen rektalen Untersuchung, die Bestimmung des PSA-Wertes im Serum empfohlen, da ein bestätigter erhöhter PSAWert auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms hinweisen kann. Es sind bereits einige Faktoren bekannt, die den PSA-Wert beeinflussen können. So führen z. B. eine benigne Prostatahyperplasie oder eine Prostatitis zu einem erhöhten PSA-Wert. Die Einnahme von 5α-Reduktase-Inhibitoren wie Finasterid oder Dutasterid kann dagegen zu einer Erniedrigung des PSA-Wertes um bis zu 50 % führen.<sup>2</sup> Um im Rahmen der Prostatakarzinomvorsorge den PSA-Wert bestmöglich zu interpretieren, sollten mögliche Einflussfaktoren auf den PSA-Wert bekannt sein und genau untersucht und berücksichtigt werden.<br /> Der Einfluss des Sexuallebens auf den PSA-Wert wurde bisher nur selten in Studien untersucht. Dennoch besteht unter Ärzten vereinzelt die Annahme, dass beispielsweise eine höhere sexuelle Aktivität oder auch passiver Analsex, bei dem es zu einer Manipulation der Prostata kommt, zu einem höheren PSA-Wert führen. Ziel dieser Arbeit war es daher, den Einfluss sexueller Aktivität, sexueller Identität und Analsex bei Homosexuellen auf den PSA-Wert bei 45-jährigen Männern in Deutschland zu untersuchen.</p> <h2>PROBASE – Studiendesign</h2> <p>Die Daten der vorliegenden Analyse wurden im Rahmen der PROBASE-Studie („risk-adapted prostate cancer early detection study based on a ‚baseline‘ PSA value in young men – a prospective multicenter randomized trial“), einer Prostatakarzinom- Screening-Studie, zwischen April 2014 und April 2018 erhoben.<sup>3</sup> Zur PROBASE-Studie werden Männer im Alter von 45 Jahren per Post eingeladen, die rund um die vier Studienzentren München, Heidelberg, Hannover und Düsseldorf wohnen. Anschließend werden die Männer in zwei Studienarme randomisiert (1 : 1). In Arm A wird ein Basis- PSA-Wert im Alter von 45 Jahren bestimmt, in Arm B wird dieser fünf Jahre später im Alter von 50 Jahren bestimmt. Es finden ein Anamnesegespräch sowie eine kurze körperliche Untersuchung durch einen Studienarzt statt. Darüber hinaus füllen die Studienteilnehmer zum Großteil validierte Fragebögen aus, die unter anderem Fragen über soziodemografische Charakteristika, Vorerkrankungen, Lifestyle-Faktoren, Sexualleben und psychologische Faktoren enthalten. Die untersuchten Aspekte des Sexuallebens waren: die sexuelle Aktivität (in den letzten drei Monaten) sowie die sexuelle Identität (heterosexuell und homosexuell) und der Analsex bei Homosexuellen (in den letzten drei Monaten).<br /> Um die Wahrscheinlichkeit eines durch Begleiterkrankungen oder Medikamente beeinflussten PSA-Wertes zu verringern, wurden Männer mit einem benignen Prostata Syndrom (International Prostate Symptom Score [IPSS] > 7), einer Prostatitis, einem unbehandelten Hypogonadismus oder einer 5α-Reduktase-Inhibitoren- Einnahme zum Zeitpunkt der Befragung ausgeschlossen.</p> <h2>PROBASE – Studienergebnisse</h2> <p>Insgesamt konnten in die vorliegende Analyse 12 006 Männer eingeschlossen werden. Der mediane PSA-Wert des Studienkollektives lag bei 0,75 ng/ml (1. Quartile: 0,51 ng/ml; 3. Quartile: 1,08 ng/ml) (Abb. 1). Die Mehrheit der Teilnehmer identifizierte sich als heterosexuell (96,6 %) und lebte in einer Beziehung (87,7 %). 86,2 % der Teilnehmer waren in den letzten 3 Monaten sexuell aktiv. 61,4 % der Homosexuellen hatten in den letzten 3 Monaten Analsex. <br />Bei der Betrachtung der PSA-Wert-Verteilung bezüglich der sexuellen Aktivität zeigte sich, dass Männer, die viermal pro Woche oder häufiger sexuell aktiv waren, einen medianen PSA-Wert von 0,84 ng/ml hatten. Männer, die zwei- bis dreimal pro Woche sexuell aktiv waren, hatten einen medianen PSA-Wert von 0,77 ng/ml und Männer, die einmal oder seltener pro Woche bzw. überhaupt nicht sexuell aktiv in den letzten drei Monaten waren, hatten die niedrigsten PSA-Werte von 0,74 bzw. 0,75 ng/ml (p < 0,001) (Abb. 1). <br />Männer mit homosexueller Identität hatten einen statistisch signifikant höheren PSA-Wert als Heterosexuelle (0,79 ng/ ml vs. 0,75 ng/ml; p = 0,006). Bei ausschließlicher Betrachtung der Homosexuellen bezüglich Analsex zeigte sich kein Unterschied in der Höhe des medianen PSA-Wertes (0,82 ng/ml vs. 0,78 ng/ml; p = 0,127) (Abb. 2). Obwohl sich sowohl bei der sexuellen Aktivität als auch bei der sexuellen Identität statistisch signifikante Unterschiede zeigten, so sind die absoluten Unterschiede im PSA-Wert sehr gering und betragen maximal 0,1 ng/ml. Der Analsex, bei dem es in der passiven Form zu einer Manipulation der Prostata kommt, war nicht mit einem erhöhten PSA-Wert assoziiert. <br />Sowohl bezüglich sexueller Aktivität als auch sexueller Identität und Analsex bei Homosexuellen gibt es in der Literatur kaum Studien, die einen Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der Höhe des PSA-Wertes untersucht haben. Umso wichtiger sind genaue Kenntnisse und die korrekte Einordung dieser möglichen Einflussfaktoren. Nicht selten sind Männer, die sexuell aktiv sind, oder Homosexuelle bei einem bestätigten erhöhten PSA-Wert verunsichert und schrecken vor einer Biopsie der Prostata zunächst zurück. Selbst unter Ärzten ist die Ansicht teilweise vertreten, dass diese Faktoren ursächlich für einen erhöhten PSA-Wert sein könnten, und daher zögern sie, gegebenenfalls eine klare Indikation zur Biopsie auszusprechen. Dies führt wiederum im ungünstigsten Fall zu verzögerten Biopsien und einem schlechteren krebsspezifischen Outcome.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s24_abb1_meissner.jpg" alt="" width="1463" height="877" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1903_Weblinks_uro_1903_s25_abb2_meissner.jpg" alt="" width="1463" height="877" /></p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es zwar zu kleinen Unterschieden bei den PSA-Werten bezüglich sexueller Aktivität und sexueller Identität kommt, jedoch stellen sich diese Unterschiede in der zweiten Nachkommastelle dar und zeigen somit keine klinische Relevanz. Somit sollten sowohl bei sexuell aktiven Männern als auch bei Homosexuellen keine anderen Grenzwerte für die Indikation zur Biopsie gewählt werden, als sie von den Leitlinien empfohlen werden. <br />Auf Basis der aktuellen Auswertung kann natürlich keine generelle Aussage über den Einfluss des Sexuallebens auf den PSA-Wert bei Männern jeglichen Alters gemacht werden. Unsere Ergebnisse sind limitiert auf 45-jährige Männer, die sich zu Beginn der Prostatakarzinomvorsorge befinden. Da es sich jedoch bei der PROBASE-Studie um eine Längsschnittstudie handelt, in der die Teilnehmer bis zu einem Alter von 60 Jahren in regelmäßigen Abständen kommen, der PSA-Wert bestimmt und die Fragebögen beantwortet werden, können Folgeauswertungen genau diese Zusammenhänge untersuchen und generelle Empfehlungen für die Zukunft liefern.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms, Langversion 5.1, 2019, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/ leitlinien/prostatakarzinom/ (abgerufen am: 27.06.2019) <strong>2</strong> Andriole GL et al.: Treatment with finasteride preserves usefulness of prostate-specific antigen in the detection of prostate cancer: results of a randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial. PLESS Study Group. Proscar Long-term Efficacy and Safety Study. Urology 1998; 52: 195 <strong>3</strong> Arsov C et al.: Prospective randomized evaluation of risk-adapted prostate-specific antigen screening in young men: the PROBASE trial. Eur Urol 2013; 64: 873</p>
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