
Mukoviszidose: Was leisten die neuen Therapien?
Autor:
Prof. Dr. Hartmut Grasemann, MD
Division of Respiratory Medicine
Department of Paediatrics
The Hospital for Sick Children Research InstituteToronto
E-Mail: hartmut.grasemann@sickkids.ca
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Die Behandlung der Mukoviszidose oder zystischen Fibrose (CF) wurde früher rein symptomatisch durchgeführt. Dank der Erforschung der zugrunde liegenden Mechanismen wurden in den vergangenen Jahrenspezifische CFTR-Modulatoren entwickelt, die eine kausale Therapie der Mukoviszidose ermöglichen.
Keypoints
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Aufgrund der verbesserten und frühen CF-Behandlung hat sich das Krankheitsbild vor allem im Erwachsenenalter maßgeblich verändert.
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Die effektiven CF-modulierenden Therapien bewirken eine Zunahme milder Lungenerkrankungen bei jungen Ewachsenen.
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Da das Fortschreiten der Lungenerkrankung trotz HEMT nicht immer aufgehalten werden kann, können durch die erhöhte Lebenserwartung mit sekundären altersbedingten Begleiterkrankungen vermehrt Lungentransplantationen nötig werden.
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Ein Therapie-Schwerpunkt betrifft unverändert typische chronische bakterielle Infektionen.
Die Mukoviszidose oder zystische Fibrose (CF) ist eine autosomal rezessive Erkrankung, die durch Mutationen im „cystic fibrosis transmembrane conductance regulator“(CFTR)-Gen verursacht wird. Bei dem CFTR-Protein handelt es sich um einen Ionenkanal, der den Salz-Wasser-Haushalt auf der Oberfläche zahlreicher Organsysteme reguliert. Zu diesen gehören die oberen und unteren Atemwege, Darm, Pankreas, Gallengänge, Vas deferens und Schweißdrüse. Die Inzidenz der CF liegt in Nordeuropa, Australien und Nordamerika bei ungefähr 1:3500–1:5000, mit erheblichen regionalen Unterschieden. Bis heute wurden mehr als 2200 CFTR-Varianten identifiziert, von denen F508del mit etwa 85% aller CF-Allele die häufigste ist.
Die Therapie der CF war früher ausschließlich symptomatischer Natur und diente in erster Linie einer verbesserten Verdauung durch hochkalorische, fettreiche Ernährung und Substitution von Verdauungsenzymen, der Reinigung der Luftwege von Atemwegssekreten sowie einer antibiotischen Therapie bei bakteriellen Infekten der Lunge. Ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen der CFTR-Defizienz hat in den letzten Jahren zur Entwicklung sogenannter CFTR-Modulatoren geführt, die eine kausale Therapie der CF erlauben.
Hocheffektive Modulatoren-Therapie (HEMT)
Die Wirksamkeit der hocheffektiven Modulatoren-Therapie (HEMT) wurde durch zahlreiche klinische Studien belegt. Zu diesen Medikamenten zählen Ivacaftor (Kalydeco®), für Patienten mit sogenannten CFTR-Gating-Mutationen (z.B. G551D), sowie das Kombinationspräparat Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor (Kaftrio® oder Trikafta®), das für die Therapie von CF-Patienten mit mindestens einer der häufigen F508del-Mutation indiziert ist. In manchen Ländern wie den USA ist Trikafta auch für einige seltene CFTR-Mutationen zugelassen, wenn diese in Zellkulturmodellen auf die neuen Wirkstoffe ansprechen. Die Dreifachtherapie hat eine deutlich bessere Wirksamkeit als die weniger effektiven Kombinationspräparate Lumacaftor/Ivacaftor (Orkambi®) und Tezacaftor/Ivacaftor (Symdeko®), die für Patienten mit zwei F508del-Mutationen zugelassen sind.
HEMT führt nicht nur zu einer deutlichenAbnahme der Frequenz infektbedingter pulmonaler Exazerbationen und einem deutlichen Anstieg der Lungenfunktion (von durchschnittlich über 10% des FEV1), sondern auch zu anderen positiven Effekten wie Gewichtszunahme und Verbesserung von Ernährungszustand (BMI) sowie Lebensqualität („cystic fibrosis questionnaire revised-respiratory domain“; CFQR-RD). Auch andere Symptome der Erkrankung, wie chronische Rhinosinusitis und nasale Polyposis, werden durch HEMT verbessert.
Schon vor Einführung von HEMT hat die Behandlung durch multidisziplinäre Teams in spezialisierten CF-Zentren zu einer deutlichen Verbesserung von Gesundheitszustand und Lebensqualität der Betroffenen geführt. Die durchschnittliche Lebenserwartung für Patienten mit CF liegt in vielen Ländern Europas bereits bei über 50 Jahren und wird weiter ansteigen. Da aber bisherige Therapieempfehlungen auf klinischen Studien und Erfahrungen aus der Zeit vor der Einführung von HEMT beruhen, ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig unklar, welche der herkömmlichen Therapien weiterhin empfohlen werden sollen bzw. ob und wann bestimmte symptomatische Therapien auch beendet werden können. Dies gilt besonders für inhalative Mukolytika wie Dornase alfa, vernebelte hypertone Kochsalzlösungen sowie für die Atemphysiotherapie.1
Klinische Studien wie PROMISE2 haben gezeigt, dass HEMT zu einer Abnahme der Dichte (2–3log) von CF-Keimen wie Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Stenotrophomonas maltophilia in den CF-Atemwegen führen kann; ob dieser Effekt allerdings langfristig anhält, ist derzeit noch nicht klar. HEMT führt allerdings bei einer Mehrzahl der Behandelten zu einer Abnahme der Sputumproduktion, was die herkömmliche mikrobiologische Diagnostik erschwert, da eine spontane Expektoration im Behandlungszimmer oft nicht mehr möglich ist. In Bezug auf Langzeiteffekte von HEMT auf den Ernährungszustand gilt zu beachten, das herkömmliche BMI-Ziele und Empfehlungen einer hochkalorischen und fettreichen Ernährung gegebenenfalls überdacht werden müssen. Auch ob HEMT zu einer anhaltenden Verbesserung der Glukosetoleranz und Abnahme der Häufigkeit von CF-Diabetes (CFRD) führt ist noch unklar.
Wie verändern effektive CFTR-Modulatoren die Diagnostik im ambulanten Follow-up?
Die Messung der Lungenfunktion bei Patienten mit CF erfolgt gewöhnlich mit der Spirometrie, wobei klinische Entscheidungen oft auf Veränderungen des FEV1 beruhen. Das FEV1 ist allerdings ungeeignet, eine frühe Krankheitsmanifestation oder geringgradige Veränderungen der CF-Lungenerkrankung zu erkennen. Daher bedarf es der Etablierung sensitiverer Methoden in der klinischen Praxis, mit deren Hilfe obstruktive Ventilationsstörungen auch bei normaler Spirometrie erkannt werden können. Zu diesen gehören zum Beispiel der „multiple breath washout“ (MBW) mit Berechnung des „lung clearance index“ (LCI) sowie bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) der Lunge und neue Magnetresonanztomografie(MRT)-Methoden wie das „ultrashort echo time“(UTE)-MRT oder das MRT nach Inhalation von hyperpolarisiertem Gas wie dem Xenon-129. Mithilfe neuer, sensitiver Verfahren werden wir auch lernen können, welche Manifestationen der Erkrankung potenziell reversibel sind und welche nicht.
Zusammenfassung
Mit verbesserter und früher Therapie von Personen mit CF hat sich das klassische Krankheitsbild vor allem im Erwachsenenalter maßgeblich verändert, was zu neuen Herausforderungen für die behandelnden medizinischen Teams führt. Einerseits führen die neuen, effektiven CF-modulierenden Therapien zu einer Zunahme junger Erwachsener mit milder Lungenerkrankung, andererseits wird es aber auch zu einer alternden Population kommen – mit erhöhter Lebenserwartung, sekundären altersbedingten Begleiterkrankungen und einem fortgeschrittenen Alter, in dem eine Lungentransplantation nötig werden kann, da das Fortschreiten der Lungenerkrankung trotz aller positiven Effekte von HEMT nach jetzigem Wissen nicht immer aufgehalten, sondern oft nur verlangsamt wird. Ein Fokus der Behandlung von Menschen mit CF wird unverändert auf der Therapie von typischen chronischen bakteriellen Infektionen liegen, da Erreger wie Staphylococcus aureus oder Pseudomonas aeruginosa von HEMT alleine in der Regel nicht erfolgreich eradiziert werden.
Literatur:
1 Mayer-Hamblett N et al.; SIMPLIFY Study Group: Discontinuation versus continuation of hypertonic saline or dornase alfa in modulator treated people with cystic fibrosis (SIMPLIFY): results from two parallel, multicentre, open-label, randomised, controlled, non-inferiority trials. Lancet Respir Med 2023; 11(4): 329-40 2 Nichols DP et al.;PROMISE Study group: Clinical effectiveness of elexacaftor/tezacaftor/ivacaftor in people with cystic fibrosis: a clinical trial. Am J Respir Crit Care Med 2022; 205(5): 529-39
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