Kleine Atemwege, große Wirkung: „small airways disease“
Autor:
Dr. Hazim Abozid
Ludwig Boltzmann Institut für Lungengesundheit
Klinik Penzing, Wien
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Die Erkrankung der kleinen Atemwege (SAD) spielt eine zentrale Rolle bei chronischen Lungenerkrankungen wie COPD und Asthma. Nicht nur die Diagnose, auch die Einschätzung der Prävalenz der SAD ist komplex und von der Krankheitsdefinition abhängig, wie Ergebnisse der großen österreichischen Lungengesundheitsstudie LEAD zeigen.
Keypoints
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Früherkennung ist entscheidend: Die Prävalenz von SAD in der Allgemeinbevölkerung ist bereits bei nichtobstruktiven Individuen relevant.
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Gezielte Therapieansätze: Angepasste Inhalationstherapien und Technologien ermöglichen eine gezielte Deposition der Wirkstoffe in den peripheren Arealen. Hierfür ist eine korrekte Inhalationstechnik Voraussetzung.
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Wichtigkeit und Bedarf standardisierter Definitionen: Unterschiedliche Definitionen beeinflussen die Prävalenzschätzung und das Risikoprofil.
Über die kleinen Atemwege
Der Begriff „small airways disease“ (SAD) wurde erstmals 1968 von Hogg und Kollegen geprägt, die die Rolle der kleinen Atemwege mithilfe der retrograden Kathetertechnik untersuchten. Bei den kleinen Atemwegen handelt es sich um Atemwege mit einem inneren Durchmesser von weniger als 2mm, die von der 8. Generation der Atemwege bis zu den Alveolen reichen. Aufgrund der Schwierigkeiten, diese zu erreichen und zu messen, sowie der Tatsache, dass sie nur einen kleinen Teil des gesamten Atemwegswiderstands ausmachen, werden sie im Englischen oft als „silent zone“ der Lunge bezeichnet. Der größte Teil des Atemwegswiderstands bei gesunden Personen liegt nämlich in den proximalen Atemwegen. Dennoch spielen diese kleinen Atemwege eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie chronischer Atemwegserkrankungen wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) und des Asthmas, wo sie der vorherrschende Ort des Atemwegswiderstands sind (Abb. 1). Heute gelten sie als Schlüsselkomponente in der Entwicklung und dem Fortschreiten dieser Erkrankungen und können als frühzeitiger Indikator dienen.
Abb. 1: Besonderheiten der kleinen Atemwege
SAD und chronische Lungenerkrankungen
Eine SAD liegt bei mindestens drei Vierteln der COPD-Patient:innen vor – eine Häufigkeit, die mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung steigt. Beim Asthma findet sich diese bei mindestens 50% der Betroffenen über alle Schweregrade der Erkrankung hinweg. Diese hohen Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit einer frühzeitigen Erkennung.
Bereits in den frühen Stadien der Entwicklung obstruktiver Erkrankungen sind die kleinen Atemwege betroffen, noch bevor Symptome auftreten oder Veränderungen in der Spirometrie und Bildgebung sichtbar werden.
Zu den wichtigsten pathophysiologischen Merkmalen gehören Umbauprozesse wie Schleimansammlungen und die Infiltration von Immunzellen. Die Verengung des Atemwegslumens tritt aufgrund einer Zunahme der Wanddicke der Atemwege auf, die durch verschiedene Einflüsse – allen voran zum Beispiel den Zigarettenrauch – ausgelöst wird. Dieser Rauch verringert zudem die mukoziliäre Clearance durch Verkürzung der Zilienlänge, wodurch das Lumen anfällig für Schleimansammlungen wird, was wiederum zu einer Obstruktion führt. Diese Ansammlungen dienen als Reservoir für pathogene Mikroorganismen, die zu Infektionen, Zellinfiltration, Gewebeschäden und weiteren Umbauprozessen führen können.
Diagnose und Management
Die Diagnose von SAD stellt aufgrund der Größe und Unzugänglichkeit eine große Herausforderung dar. Im Laufe der Jahre wurden mehrere Verfahren vorgeschlagen und angewendet, um diesen Bereich zu untersuchen, dennoch fehlt uns bisher ein Goldstandard. Die Spirometrie gilt als die am meisten genutzte Methodik zur Diagnose chronischer obstruktiver Atemwegserkrankungen, jedoch ist bekannt, dass das forcierte exspiratorische Volumen in 1 Sekunde (FEV1) kleine Atemwegsanomalien nicht angemessen widerspiegelt, sodass andere Lungenfunktionsparameter als Marker für die Funktion der kleinen Atemwege vorgeschlagen wurden. Unter diesen ist der forcierte exspiratorische Fluss zwischen 25% und 75% der forcierten Vitalkapazität (FEF25–75) der am häufigsten verwendete Parameter, welcher in der österreichischen Lungengesundheitsstudie, der LEAD-Studie, ebenso herangezogen wurde.
Neben der Rolle von Diagnostik und Früherkennung ist ein effektives Management im Rahmen einer obstruktiven Lungenerkrankung notwendig, um die Symptome zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Inhalative Therapien, wie inhalative Kortikosteroide (ICS), Langzeit-Beta-2-Agonisten (LABA) und Langzeit-Muskarin-Antagonisten (LAMA), spielen hierbei eine entscheidende Rolle und zielen darauf ab, die Deposition in den kleinen Atemwegen zu optimieren und so ihre Wirkung zu maximieren. Darüber hinaus wurden Technologien wie Soft-Mist-Inhaler und adaptive Aerosol-Delivery-Systeme entwickelt, um diese gezielte und effiziente Medikamentenabgabe (mittels extrafeiner Partikelgrößen <2µm) in die peripheren Lungenregionen zu ermöglichen. Dabei spielen Inhalationstechniken eine große Rolle. Schulungen zur richtigen Anwendung von Inhalatoren sind daher unerlässlich, da Fehler in der Handhabung die Deposition signifikant verringern.
Daten der österreichischen Lungengesundheitsstudie (LEAD-Studie)
Die LEAD(Lung, hEart, sociAl, boDy)-Studie ist eine groß angelegte Langzeitstudie, die sich mit der (Lungen-)Gesundheit der österreichischen Allgemeinbevölkerung befasst und verschiedene Faktoren zur Entstehung von chronischen Lungenerkrankungen untersucht. Auch verfolgt sie das Ziel, den Verlauf von diesen Erkrankungen besser zu verstehen und die Prävention sowie frühzeitige Diagnose und Behandlung zu verbessern ( www.leadstudy.at ; www.lunghealth.lbg.ac.at/forschung/the-austrian-lead-study ).
So wurde erstmals in Österreich die Prävalenz für SAD in einer allgemeinen Bevölkerungsgruppe erhoben. Von fast 7000 Erwachsenen (ab 18 Jahren) war das Ziel jedoch nicht nur die Prävalenz zu bestimmen, sondern auch die demografischen und klinischen Merkmale von Betroffenen zu analysieren. Eine Obstruktion in der Spirometrie (FEV1/FVC<LLN) galt hierbei als relevantes Ausschlusskriterium, um lediglich nichtobstruktive Proband:innen auf das Vorliegen von SAD zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten eine Prävalenz von 6,7% in der allgemeinen Bevölkerung ohne wesentliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Personen mit SAD waren im Durchschnitt älter und wiesen häufiger eine Raucheranamnese auf. Zudem lebten sie häufiger in ländlichen Gebieten und hatten ein niedrigeres Bildungsniveau. Diese Proband:innen berichten auch häufiger von Symptomen wie Atemnot und vermehrtem Sputum und leiden öfter an chronischem Husten und Asthma.
Weitere Analysen innerhalb der Studie beschäftigten sich mit der Methodologie hinsichtlich der spirometrischen Definition. Zwei verschiedene Definitionen von SAD wurden verglichen: zum einen die in der ersten Arbeit angewendete lungenvolumensadjustierte Definition FEF25–75/FVC<LLN, zum anderen die klassische Definition FEF25–75<LLN. Hintergründig für diese Adjustierung ist das Faktum, dass generell die Messungen von forcierten exspiratorischen Flüssen signifikanten Variationen unterliegen, welche vorrangig lungenvolumensabhängig sind. Im Vergleich gingen die Prävalenzdaten auseinander und variierten deutlich je nach angewandter Definition. So war die Prävalenz im Falle der Definition FEF25–75<LLN bei 1,9%deutlich niedriger. Personen, die nach der lungenvolumensadjustierten Definition FEF25–75/FVC<LLN identifiziert wurden, waren tendenziell älter und hatten häufiger Symptome oder eine Vorgeschichte von Asthma in der Familie.
Insgesamt deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass sich die Proband:innenprofile in mehreren Ebenen deutlich unterschieden und nach statistischen Reliabilitätsberechnungen auch wenig Übereinstimmung ergaben, sodass die Rolle der verwendeten Definition maßgeblich zur Identifikation von verschiedenen Risikoprofilen beiträgt.
Schlussfolgerung
Die Erkrankung der kleinen Atemwege ist ein zentraler Faktor in der Pathophysiologie von obstruktiven Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma. Bisher bleibendiese leider oftmals so lange unentdeckt, bis sie fortschreiten. Die Ergebnisse der Lungengesundheitsstudie LEAD zeigen, dass SAD in der allgemeinen Bevölkerung bedeutende Relevanz hat und dass die Prävalenz sowie die klinischen Merkmale stark von den angewandten Definitionskriterien abhängen. Eine frühzeitige Diagnostik und gezielte Behandlung sind daher entscheidend, um die Krankheitslast zu verringern und die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern.
Literatur:
● Knox-Brown B et al.: Spirometry parameters used to define small airways obstruction in population-based studies: systematic review. Respir Res2022;23(1):67 ● Lipworth B et al.: Unlocking the quiet zone: the small airway asthma phenotype. Lancet Respir Med 2014;2(6):497-506 ● Usmani OS et al.: Why we should target small airways disease in our management of chronic obstructive pulmonary disease. Mayo Clin Proc2021;96(9):2448-63 ● Bonini M, Usmani OS: The role of the small airways in the pathophysiology of asthma and chronic obstructive pulmonary disease. Ther Adv Respir Dis 2015;9(6):281-93
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