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Typ-2-Diabetiker leiden häufig an diastolischer Herzinsuffizienz
Leading Opinions
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20.04.2017
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<p class="article-intro">Die Prognose von Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffi zienz ist ungünstig. Die Kombination mit SGLT2-Inhibitoren oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten hat in Studien einen Überlebensvorteil bei Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko gezeigt und wird von der SGED empfohlen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Weltweit und auch in Europa sind 30–50 % der Betroffenen mit einem Diabetes mellitus (DM) undiagnostiziert. Die dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel schädigen das Gefässendothel und führen zu Mikro- und Makroangiopathien. «Ungefähr die Hälfte der Betroffenen leidet bei der Diagnose bereits an mikrovaskulären Komplikationen», sagte Prof. Dr. med. Roger Lehmann, Zürich, am Update Refresher Innere Medizin in Zürich. Während die mikrovaskulären Folgen, beispielsweise an den Augen und Nieren, vor allem zu einer Zunahme der Morbidität führen, enden die makrovaskulären Komplikationen oft tödlich: «Rund 75 % der Diabetiker sterben an einer kardiovaskulären Ursache», so der Referent.<br /> Dass zwischen der Höhe des HbA<sub>1c</sub> und dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse ein linearer Zusammenhang besteht, hatten bereits die Ergebnisse der UKPDSStudie gezeigt, die vor mehr als 15 Jahren publiziert worden sind.<sup>1</sup> Zudem haben verschiedene Studien, darunter der «Diabetes Complications and Control Trial» (DCCT) bestätigt, dass mikro- und makrovaskuläre Komplikationen und die Mortalität durch eine intensive Diabetestherapie verzögert werden können.<sup>2</sup> Eine Ausnahme bildete die ACCORD-Studie, bei der es unter der intensiven Blutzuckerkontrolle zu einem Anstieg der Zahl der Todesfälle gekommen war.<sup>3</sup> Als Ursache dafür wurden gehäufte Hypoglykämien vermutet. Seither verlangt die US-amerikanische Zulassungsbehörde, FDA, Studien zum kardiovaskulären Outcome als Beweis der Sicherheit neuer Antidiabetika. Die neuen inkretinbasierten Therapien mit den DPP-4-Inhibitoren (DPP-4-I, Gliptine) Alogliptin (Vipidia<sup>®</sup>), Saxagliptin (Onglyza<sup>®</sup>) und Sitagliptin (Januvia <sup>®</sup>) und dem kurz wirksamen GLP-1-Rezeptor- Agonisten (GLP-1-RA) Lixisenatid waren bezüglich der untersuchten kardiovaskulären Endpunkte neutral.<sup>4-7</sup> «Mit Spannung waren daher die Ergebnisse der EMPA-REG-Studie mit dem SGLT2-Inhibitor (SGLT2-I) Empagliflozin (Jardiance<sup>®</sup>) sowie der LEADER-Studie mit dem GLP-1- RA Liraglutid (Victoza<sup>®</sup>) erwartet worden », sagte Lehmann.</p> <h2>Weniger herzinsuffizienzbedingte Hospitalisationen unter Empagliflozin</h2> <p>Die EMPA-REG-Studie schloss mehr als 7000 Patienten mit Typ-2-DM ein, von denen über 99 % ein hohes kardiovaskuläres Risiko hatten.<sup>8</sup> Diese erhielten zusätzlich zur Standardtherapie entweder Empagliflozin oder ein Placebo. In der LEADERStudie wurden über 9300 Patienten untersucht, von denen über 80 % ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufwiesen.<sup>9</sup> Primärer Endpunkt in beiden Studien war die Zeit bis zum Auftreten eines der folgenden Ereignisse: Tod aus kardiovaskulärer Ursache, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder Schlaganfall (3-Punkte-MACE). Wie die Ergebnisse zeigten, konnte der primäre Endpunkt in der EMPA-REG-Studie um 14 % (HR: 0,86; p=0,04) und in der LEADER- Studie um 13 % (HR: 0,87; p=0,01) und damit in beiden Studien signifikant reduziert werden. Das Mortalitätsrisiko wurde in der EMPA-REG-Studie um 32 % und in der LEADER-Studie um 15 % reduziert. Das relative Risiko einer progredienten Niereninsuffizienz (sekundärer Endpunkt) konnte im Vergleich zu Placebo mit Empagliflozin um 44 % und mit Liraglutid um 22 % gesenkt werden. Zudem wurden bei Patienten, die mit Empagliflozin behandelt worden waren, deutlich weniger Hospitalisationen infolge von Herzinsuffizienz und weniger kardiovaskuläre Todesfälle beobachtet als unter Placebo (HR: 0,66; p<0,001).<sup>10</sup> Dies galt sowohl für Patienten, die bei Studieneinschluss an einer Herzinsuffizienz litten, als auch für solche ohne Hinweise auf eine Herzinsuffizienz zu Studienbeginn.<br /> «Diabetes und Herzinsuffizienz sind zwei Entitäten, die häufig gemeinsam auftreten », sagte Lehmann. Schätzungsweise 25 % der Diabetiker über 65 Jahre leiden zusätzlich an einer Herzinsuffizienz. Zu den wesentlichen Ursachen der Herzinsuffizienz bei Diabetikern gehört neben der Hypertonie und der koronaren Herzerkrankung die diabetische Kardiomyopathie, die vor allem mit einer diastolischen Dysfunktion assoziiert ist. Die Ergebnisse einer holländischen Untersuchung deuten nun darauf hin, dass die Prävalenz noch höher liegen könnte. Für die Studie wurden rund 600 Diabetiker über 60 Jahre gescreent, die wegen einer Herzinsuffizienz allgemeinärztlich behandelt wurden.<sup>11</sup> Bei mehr als einem Viertel (27,7 % ) von ihnen wurde eine Herzinsuffizienz diagnostiziert, in den überwiegenden Fällen eine diastolische Herzinsuffizienz (Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion, HFpEF). Die Sterblichkeit von Diabetikern mit Herzinsuffizienz ist hoch. So zeigte die EXAMINE-Studie zur Untersuchung des DPP-4-Inhibitors Alogliptin, dass von den Diabetikern mit einer Herzinsuffizienz nach 2,5 Jahren ca. 45 % verstorben waren.<sup>4</sup></p> <h2>Medikamentenwahl richtet sich nach Patientenwünschen und Therapiezielen</h2> <p>Nachdem es über viele Jahre kaum Neuigkeiten in der medikamentösen DMBehandlung gegeben hat, stehen nunmehr neun Medikamentenklassen – jeweils mit mehreren Wirkstoffen und oft auch unterschiedlichen Applikationen – zur Verfügung.<br /> Mit dem Ziel, die Medikamentenwahl zu erleichtern, hat die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED) Wirkstoffe mit einem Marktanteil unter 5 % aus den aktuellen Empfehlungen für die Grundversorgung gestrichen (Stand Oktober 2016).<sup>12</sup> Dazu gehören Pioglitazon, Repaglinid und die Alpha-Glukosidase-Hemmer. Dagegen werden neu die SGLT2-I und GLP-1-RA in den Behandlungsempfehlungen berücksichtigt.<br /> Für die Medikamentenwahl sind die Patientenwünsche und die medizinischen Therapieziele entscheidend. «Stellen Sie sich die Frage, was bei der Therapie im Vordergrund steht», riet Lehmann. «Denken Sie in Wirkstoffklassen und entscheiden Sie sich innerhalb dieser Klassen für eine Substanz.»<br /> Bei Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung empfehlen die Leitlinien, eine frühe Kombination von Metformin und SGLT2-I oder GLP-1-RA einzusetzen. Diese Kombination geht mit einem geringen Hypoglykämierisiko einher und hat den Vorteil der Gewichtsreduktion. Wird das individuelle HbA<sub>1c</sub>-Ziel dabei nicht erreicht, kann zusätzlich ein DPP-4-I (bei SGLT2-I), Insulin oder Gliclazid (Diamicron<sup>®</sup>) eingesetzt werden (Abb. 1). Allerdings müssen bei diesen Kombinationen Kompromisse, entweder in Bezug auf das Hypoglykämierisiko, das Gewicht oder die Kostenübernahme, eingegangen werden. Am kleinsten ist die Auswahl bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD). Bei einer CKD mit einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) <30ml/min empfiehlt die SGED den dosisadaptierten Einsatz von DPP- 4-I. Wird das HbA<sub>1c</sub>-Ziel nicht erreicht, bleibt nur noch die Kombination mit Insulin. Neu ist, dass die Behandlung mit Metformin bei einer GFR >30ml/min, aber <45ml/min in halbierter Dosis fortgesetzt werden kann. Neueinstellungen sollten aber nicht mehr vorgenommen werden. Aufgrund der nephroprotektiven Eigenschaften kann zudem eine frühe Kombination mit SGLT2-I bei Patienten mit einer GFR >30ml/min und <45ml/ min und mit GLP-1-RA empfohlen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1702_Weblinks_s28_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="763" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Update Refresher Innere Medizin, 23. November 2016,
Zürich
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Stratton IM et al: Association of glycaemia with macrovascular and microvascular complications of type 2 diabetes (UKPDS 35): prospective observational study. BMJ 2000; 321: 405-12 <strong>2</strong> The Diabetes Control and Complications Trial Research Group: The effect of intensive treatment of diabetes on the development and progression of longterm complications in insulin-dependent diabetes mellitus. N Engl J Med 1993; 329: 977-86 <strong>3</strong> ACCORD Study Group: Long-term effects of intensive glucose lowering on cardiovascular outcomes. N Engl J Med 2011; 364: 818-28 <strong>4</strong> White WB et al: Alogliptin after acute coronary syndrome in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2013; 369: 1327-35 <strong>5</strong> Scirica BM et al: Saxagliptin and cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med 2013; 369: 1317-26 <strong>6</strong> Green JB et al: Effect of sitagliptin on cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 232-42 <strong>7</strong> Pfeffer MA et al: Lixisenatide in patients with type 2 diabetes and acute coronary syndrome. N Engl J Med 2015; 373: 2247-57 <strong>8</strong> Zinman B et al: Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117-28 <strong>9</strong> Marso SP et al: Liraglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 311- 22 <strong>10</strong> Fitchett D et al: Heart failure outcomes with empagliflozin in patients with type 2 diabetes at high cardiovascular risk: results of the EMPA-REG OUTCOME<sup>®</sup> trial. Eur Heart J 2016; 37: 1526-34 <strong>11</strong> Boonman-de Winter LJ et al: High prevalence of previously unknown heart failure and left ventricular dysfunction in patients with type 2 diabetes. Diabetologia 2012; 55: 2154-62 <strong>12</strong> www.sgedssed.ch <strong>13</strong> Ampudia-Blasco FJ et al: Following the results of the EMPA-REG OUTCOME trial with empagliflozin, is it possible to speak of a class effect? Int J Gen Med 2017; 10: 23-6</p>
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