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FGM und CGM

„Time in range“ als neues Behandlungsziel

<p class="article-intro">Hat HbA1c als Messlatte für die glykämische Kontrolle ausgedient? Vermutlich noch nicht ganz. Allerdings fordern Experten zunehmend die Berücksichtigung individueller Glukoseprofile in Studien und im klinischen Alltag.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Vor rund einem Vierteljahrhundert wurde HbA<sub>1c</sub> von der Diabetes Control and Complications Trial Research Group als wichtige Messgr&ouml;&szlig;e definiert&ldquo;, sagt Prof. Dr. Thomas Danne vom Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover. Die Gruppe konnte zeigen, dass das HbA<sub>1c</sub> signifikant sowohl mit dem Beginn als auch dem Verlauf einer diabetischen Retinopathie korreliert.<sup>1</sup> Allerdings habe man, so Danne, aus den Daten falsche Schl&uuml;sse gezogen, indem man ein therapeutisches Ziel zwischen bestm&ouml;glicher glyk&auml;mischer Kontrolle und erh&ouml;htem Hypoglyk&auml;mierisiko im Bereich von 7&ndash;7,5 % HbA<sub>1c</sub> definiert habe. Danne: &bdquo;Registerdaten zeigen, dass das HbA<sub>1c</sub> heute ohne erh&ouml;htes Hypoglyk&auml;mierisiko gesenkt werden kann.&ldquo; Daf&uuml;r sprechen Vergleichsdaten, die in den Jahren 2005 bis 2012 sowohl bei niedrigem als auch bei relativ hohem HbA<sub>1c</sub> eine deutliche Abnahme des Hypoglyk&auml;mierisikos zeigen.<sup>2</sup> Es gibt aber Zweifel an der Qualit&auml;t des Messwerts bei der Messung aus der Fingerbeere. Nach Sch&auml;tzungen sind bis zu 25 % aller HbA<sub>1c</sub>-Messungen irref&uuml;hrend, da eine ganze Reihe von Faktoren wie Medikamente oder Komorbidit&auml;ten das Ergebnis beeinflussen kann. Gleich hohes HbA<sub>1c</sub> kann bei v&ouml;llig unterschiedlichen Glukoseprofilen und damit bei v&ouml;llig unterschiedlicher glyk&auml;mischer Kontrolle gemessen werden.</p> <h2>Den Blutzucker kontinuierlich messen</h2> <p>Danne: &bdquo;In letzter Zeit wurde von &Auml;rzten, Forschern, Beh&ouml;rden und Patienten immer wieder gefordert, vom HbA<sub>1c</sub> als einzigem Marker f&uuml;r die glyk&auml;mische Kontrolle wegzukommen. HbA<sub>1c</sub> ist ein guter Messwert auf Populationsebene und bleibt ein guter Indikator f&uuml;r Hyperglyk&auml;mie als Risikofaktor f&uuml;r Diabeteskomplikationen &ndash; f&uuml;r eine personalisierte Diabetestherapie ist es jedoch nicht hilfreich.&ldquo; Mit &bdquo;continuous glucose monitoring&ldquo; (CGM) steht eine Technologie zur Verf&uuml;gung, die auch ein automatisches Monitoring von Blutzuckerprofilen &uuml;ber einen langen Zeitraum erm&ouml;glicht. Dies kann quasi in Echtzeit geschehen (&bdquo;real-time continuous glucose monitoring&ldquo;, rtCGM) oder durch periodische Ablesung (&bdquo;intermittently-viewed continuous glucose monitoring&ldquo;, iCGM, oder auch &bdquo;flash glucose monitoring&ldquo;, FGM).<br /> In zwei rezenten Dokumenten wird der Wert von CGM unterstrichen und ein Paradigmenwechsel im Diabetesmanagement gefordert. So schrieben Matthew Riddle, Hertzel Gerstein und William Cefalu in der Dezemberausgabe von &bdquo;Diabetes Care&ldquo; von einem Wendepunkt in der Diabetestherapie, der nun durch die Verf&uuml;gbarkeit von CGM erreicht worden sei.<sup>3</sup> Und Anfang 2018 ver&ouml;ffentlichte die amerikanische Diabetesgesellschaft ihre aktuellen Leitlinien, in denen sie festhielt, dass HbA<sub>1c</sub> keine Hinweise auf die glyk&auml;mische Variabilit&auml;t liefere und daher in Kombination mit dem Blutzuckerprofil bewertet werden solle.<sup>4</sup> Seitens der ATTD wurden ebenfalls 2017 Empfehlungen ver&ouml;ffentlicht, die auf die Limitationen von HbA<sub>1c</sub> hinweisen und dem CGM ebenso wie der Selbstmessung einen wichtigen Stellenwert im Diabetesmanagement zuweisen. Insgesamt listet das Dokument 15 Messgr&ouml;&szlig;en auf, die f&uuml;r die glyk&auml;mische Einstellung herangezogen werden k&ouml;nnen.<sup>5</sup></p> <h2>&bdquo;Time in range&ldquo; als neues Behandlungsziel</h2> <p>Ein wesentlicher Vorteil von CGM liegt, so Danne, auch in der Option der grafischen Aufbereitung der Messwerte, die die Zeit im Zielbereich f&uuml;r Behandler und Patienten sichtbar macht. Danne: &bdquo;Diese sogenannte &sbquo;time in range&lsquo; ist ein wichtiger neuer Outcome-Parameter.&ldquo; Gegenw&auml;rtig wird bei Patienten unter Insulintherapie der Bereich zwischen 70 und 180mg/dl als Zielbereich (&bdquo;Range&ldquo;) betrachtet. Als strengeres Kriterium kann auch der Bereich zwischen 70 und 140mg/dl herangezogen werden, oder es k&ouml;nnen individuelle Targets vereinbart werden, die einem physiologischen Zuckerprofil n&auml;herkommen. Nicht zuletzt unterstreicht Danne auch, dass CGM die Basis f&uuml;r jede automatisierte Insulinverabreichung im Sinne eines &bdquo;closed loop&ldquo; darstellt. Dass solche Systeme die &bdquo;time in range&ldquo; verl&auml;ngern, sei mittlerweile in Studien demonstriert worden. Danne weist auch darauf hin, dass viele Patienten die glyk&auml;mische Variabilit&auml;t sp&uuml;ren k&ouml;nnen und sich au&szlig;erhalb der Range unwohl f&uuml;hlen &ndash; auch wenn es nicht zu klinisch relevanten Events kommt.<br /> Der neue ATTD-Konsensus enth&auml;lt auch eine neue Definition von Hypoglyk&auml;mie auf Basis von CGM. Von einem Event wird nun gesprochen, wenn die Glukose f&uuml;r 15 Minuten unter einem definierten Grenzwert bleibt. Dieser betr&auml;gt z.B. f&uuml;r die klinisch signifikante Hypoglyk&auml;mie (Level 2) 54mg/dl. Wird der Grenzwert f&uuml;r mehr als zwei Stunden unterschritten, so spricht man von einer prolongierten Hypoglyk&auml;mie.<sup>5</sup></p> <h2>FGM: Real-World-Setting gut mit klinischem Ergebnis vergleichbar</h2> <p>Eine kosteng&uuml;nstige Option, ein Glukoseprofile zu erstellen, ist Flash Glucose Monitoring, bei dem Daten aktiv gescannt werden m&uuml;ssen und nicht automatisch und kontinuierlich an einen Reader &uuml;bertragen werden. Im Rahmen der IMPACT Studie wurden Ergebnisse und Scan-Gewohnheiten von Patienten mit dem Freestyle Libre&trade; System untersucht. In einem im Rahmen des ATTD 2018 vorgestellten Vergleich, wurden nun die Erfahrungen aus einer Real-World-Kohorte den Ergebnissen der klinischen Studie gegen&uuml;bergestellt. F&uuml;r die Auswertung herangezogen wurden Daten von 4793 Usern &uuml;ber sechs Monate, was 12 Sensoren pro User entspricht. Eingeschlossen wurden ausschlie&szlig;lich Probanden mit guter glyk&auml;mischer Kontrolle, entsprechend einem HbA<sub>1c</sub> unter 7,5 % . Die Studie zeigte zwischen Sensor 1 und Sensor 12 eine Reduktion der Zeit in Hypoglyk&auml;mie um 12 % . Das ist gut vergleichbar mit den in IMPACT beobachteten 11 % . Die Probanden f&uuml;hren in IMPACT durchschnittlich 15 Scans am Tag durch. In der Real-World- Kohorte waren es 12 Scans am Tag.<sup>6</sup></p> <h2>Aktuelle Daten zur Haltbarkeit von CGM-Sensoren</h2> <p>Im Rahmen des ATTD-Kongresses wurden auch aktuelle Daten zu verschiedenen bereits verf&uuml;gbaren Systemen zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring pr&auml;sentiert. So zum Beispiel zum implantierbaren Eversense<sup>&reg;</sup> CGM System, dessen Sensoren auf eine Haltbarkeit von 90 Tagen ausgelegt sind. Um Absto&szlig;ung zu verhindern enth&auml;lt der Sensor einen Ring, der geringe Mengen Dexamethason abgibt. K&uuml;rzlich wurde der Eversense<sup>&reg;</sup>-XL-Sensor mit einer Haltbarkeit von 90 Tagen vorgestellt. Im Rahmen einer prospektiven, einarmigen Studie wurde die tats&auml;chliche Haltbarkeit des Sensors &uuml;ber 180 Tage &uuml;berpr&uuml;ft. In die Studie wurden 30 p&auml;diatrische und sechs erwachsene Patienten aufgenommen, deren Eversense<sup>&reg;</sup>-XL-Sensoren alle 30 Tage hinsichtlich Sicherheit und Funktion evaluiert wurden. Die Studie ergab, dass nach 90, 120, 150 und 180 Tagen die Sensoren mit einer Wahrscheinlichkeit von 97 % , 94 % , 79 % und 75 % funktionsf&auml;hig waren.<sup>7</sup></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: ATTD 2018 – Conference on Advanced Technologie & Treatments for Diabetes, 14.–17. Februar 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Diabetes Control and Complications Trial Research Group: The effect of intensive treatment of diabetes on the development and progression of long-term complications in insulin-dependent diabetes mellitus. N Engl J Med 1993; 329(14): 977-8 <strong>2</strong> Karges B et al.: Hemoglobin A1c levels and risk of severe hypoglycemia in children and young adults with type 1 diabetes from Germany and Austria: a trend analysis in a cohort of 37,539 patients between 1995 and 2012. PLoS Med 2014; 11(10): e1001742 <strong>3</strong> Riddle MC et al.: Maturation of CGM and glycemic measurements beyond HbA1c--a turning point in research and clinical decisions. Diabetes Care 2017; 40(12): 1611-3 <strong>4</strong> American Diabetes Association: Standards of Medical Care in Diabetes 2018. Abridged for Primary Care Providers. Clin Diabetes 2018; 36(1): 14-37 <strong>5</strong> Danne T et al.: International Consensus on use of continuous glucose monitoring. Diabetes Care 2017; 40(12): 1631-40 <strong>6</strong> Bolinder J et al.: Comparison of flash glucose monitoring usage patterns and glycaemic outcomes in the real-world with those observed in a randomized controlled trial. ATTD 2018, ATTD8-0345 <strong>7</strong> Aronson R et al.: Longevity of an implantable CGM system during a 180 day study. ATTD 2018, ATTD8-0155</p> </div> </p>
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