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Praktische Bolusgabe, Möglichkeiten mit der Insulinpumpe
Jatros
Autor:
Monika Mayr
Freiberufliche Diätologin mit Sonderausbildung Diabetesberatung<br> Hallwang<br> E-Mail: monika.mayr71@gmx.at
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
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<p class="article-intro">Die Insulinpumpentherapie („continuous subcutaneous insulin infusion“, CSII) wurde in den 1970er-Jahren entwickelt und gehört zweifelsfrei zu den hochwertigsten, aber auch zu den teuersten Therapiemöglichkeiten bei Diabetes. Zwar muss der Blutzuckerspiegel vor und nach der Mahlzeit auch weiterhin gemessen, die Kohlenhydratmenge des Essens abgeschätzt und der jeweilige Bolus programmiert werden, aber die Zufuhr des Basalinsulins übernimmt die Pumpe. Sinnvollerweise beginnt man aber zuerst mit der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) und wechselt erst später auf die CSII.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Alkoholtupfer statt Desinfektionsmittel verwenden, damit die Pflaster sich nicht so rasch lösen.</li> <li>Bei jedem Infusionsset Entlastungsschleife kleben.</li> <li>Bereits eine Verzögerung von 2 Stunden bewirkt einen verbesserten Blutzucker nach 4 Stunden.</li> <li>3–4 IE für große Fett- oder Eiweißmengen in den verzögerten Bolus einberechnen.</li> <li>Bei fett- und eiweißreichen Mahlzeiten auf jeden Fall um 4–6 Stunden verzögerte ­Insulingabe wählen.</li> </ul> </div> <p>Die derzeitig am Markt befindlichen Pumpen sind handlich und kaum so groß wie ein Handy. Der Patient trägt sie unauffällig am Gürtel, in der Hosentasche, im BH, um den Hals oder direkt am Körper. Eine höhere Lebensqualität, Diskretion, größere Flexibilität und vor allem bessere Langzeitwerte sind somit die großen Vorteile, die für eine Insulinpumpe sprechen. In der Pumpe steuert ein Computer einen elektrischen Motor, welcher das Basisinsulin über ein Kathetersystem alle 2 Minuten in Minidosen ins Unterhautfettgewebe injiziert. Erfolgreich kann die Therapie mit einer Pumpe nur dann sein, wenn der Patient sich mit seiner Krankheit beschäftigt, er motiviert ist und die diabetologischen Zusammenhänge kennt und dementsprechend darauf reagiert. So muss z.B. in Ausnahmefällen, wie etwa bei einem Pumpendefekt oder einer Ketoazidose, rasch auf die ICT gewechselt werden können. Ein Nachteil der Therapie ist ihr Preis. Die Pumpe allein kostet zwischen 3.500 und 4.000 Euro. Hinzu kommen die täglichen Kos­ten für Zubehör wie Katheter, Schlauchsystem oder Ampullen.</p> <h2>Unterschiedliche Arten von Pumpen</h2> <p>Die konventionellen Insulinpumpen be­stehen aus dem Infusionsset, welches mit einem Pflaster auf der Haut angebracht wird, dem Verbindungsschlauch und der eigentlichen Pumpe mit dem jeweiligen Reservoir. Bedient wird die Pumpe über ein Display direkt oder über eine Fernbedienung.<br /> Eine Variante der herkömmlichen Pumpe sind sogenannte „Patch pumps“, bei denen die eigentliche Pumpe mit dem Infusionsset in einem Gehäuse kombiniert ist (sogenannter Pod). Diese Einheit wird direkt auf die Haut geklebt und alle drei Tage komplett ausgewechselt. Sie vereint somit Insulinreservoir, flexible Kanüle und Pumpe. Die Steuerung erfolgt ausschließlich über eine s­eparate Fernbedienung. Die Kanü­le wird automatisch und nahezu schmerzfrei gesetzt. Dies gewährleistet, dass stets mit gleicher Tiefe und gleichem Winkel eingeführt wird.</p> <h2>Rund um die Kanülen – Infusionssets</h2> <p>Ein Infusionsset bei der Insulinpumpentherapie ist ein Hilfsmittel zur kontinuierlichen subkutanen Insulininfusion. Der Katheter samt Kanüle muss alle zwei bis drei Tage gewechselt bzw. neu gelegt werden. Insulinkatheter werden in verschiedenen Längen mit unterschiedlichen Nadelgrößen als Softkatheter mit flexibler Kunststoffkanüle (Teflonkatheter = dicker, aber biegsam) oder mit klassischer Stahlkanüle (fein, aber starr) angeboten. Die Kanülen können an unterschiedlichen Stellen platziert werden, wobei hier die gleichen Richtlinien wie bei der ICT gelten. Auch hier sollten die Stellen regelmäßig gewechselt werden. Die Kanülen können direkt oder mit einer Setzhilfe automatisch platziert werden. Wichtig für eine gute Wirkung des Insulins sind der richtige Einstichwinkel und die Kanülenlänge. Die Verbindungsschläuche werden in Längen zwischen 30 und 110cm angeboten. Des Weiteren unterscheidet man bei den Infusionssets und deren Anschlüssen zwischen abkoppelbaren und nicht abkoppelbaren. Alle Infusionssets müssen mittels Entlastungsschleife gesichert werden. Dies ist besonders bei Stahlkanülen unabdingbar, aber auch bei den Teflonkanülen ist es sinnvoll, diese zu kleben. Besondere Hygiene und der regelmäßige Wechsel von Infusionsset und Einstichstellen sind die wichtigsten Voraussetzungen, um Komplikationen zu vermeiden.</p> <h2>Praktische Tipps für die Patienten</h2> <p><strong>Umgang mit Infusionssets</strong><br /> – Reinen Alkoholtupfer zur Desinfektion der Stichstelle verwenden und keine Desinfektionssprays, da diese rückfettend sind und somit sich das Pflaster wieder leichter lösen kann.<br /> – Setzen Sie das Infusionsset im Stehen, nicht im Sitzen. Dann ist es leichter zu platzieren.<br /> – Teflonkanülen, die vor dem Legen kurze Zeit im Kühlschrank aufbewahrt werden, lassen sich durch die größere Stabilität besser einführen, vor allem wenn man ohne Setzhilfe arbeitet.<br /> – Ein bis zwei Stunden nach dem Wechsel des Infusionssets den Blutzucker messen und nicht vor dem Zu-Bett-Gehen wechseln.<br /> – Nach dem Entfernen des Infusionssets die Haut mit Pflegecreme und Wundheilsalbe pflegen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Diabetes_1604_Weblinks_Seite19.jpg" alt="" width="1227" height="442" /></p> <p><strong>Praktische Insulingabe mit der Pumpe</strong><br /> Etwa die Hälfte des täglichen Insulinbedarfs wird als Basalrate zugeführt, der Rest für die Abdeckung der kohlenhydrathaltigen Mahlzeiten. Zusätzlich kann mittels Korrekturbolus jederzeit der Blutzucker auf den festgelegten Zielwert korrigiert werden. Je nach Mahlzeiten oder äußeren Umständen kann und soll zwischen verschiedenen Bolusvarianten gewählt werden (Abb.).<br /> <br /> Der Einzelbolus deckt Mahlzeiten ab, die hauptsächlich aus schnell wirkenden Kohlenhydraten, wenig Fett, wenig Eiweiß und wenig Ballaststoffen bestehen. Hier gelangen die Kohlenhydrate sehr rasch ins Blut und daher ist auch eine umgehende Abdeckung mittels Insulin notwendig. Somit wird die gesamte benötigte Menge als Sofortbolus im Gesamten abgegeben. Korrekturen während des Tages werden ebenfalls meist als Sofortbolus abgegeben.<br /> Bei sehr fettreichen Mahlzeiten oder Mahlzeiten mit kombiniertem Fett/­Eiweiß/Kohlenhydratanteil verwendet man sinnvollerweise eine verzögerte Bolusabgabe. Durch die langsamere Kohlenhydratfreisetzung über oft mehrere Stunden steigt der Blutzucker kontinuierlich an. So ist es beispielsweise bei Pizza häufig notwendig, die Verzögerung auf 6 Stunden aufzuteilen. Bei Korrekturen vor dem Schlafengehen oder bei Magenentleerungsstörungen ist ebenfalls ein verzögerter Bolus sinnvoll. Je nach Pum­pe kann der Bolus günstigerweise über einen Zeitraum von einer halben bis acht Stunden kontinuierlich von der Insulinpumpe abgegeben werden.<br /> <br /> Der duale Bolus ist eine Kombination aus Sofort- und verzögertem Bolus. Er ist dann sinnvoll, wenn sehr kohlenhydrat-, fett- und eiweißreich gegessen wird (z. B. Fast Food, Buffet etc.). Der erste Blutzuckeranstieg wird durch den Sofortbolus abgedeckt, der nachfolgende Anstieg über das verzögerte Restinsulin. Da für eiweiß- und fettreiche Speisen ebenfalls eine kleine Menge Insulin notwendig ist, es aber kaum einem Patienten zuzumuten ist, auch noch Fett-Protein-Einheiten zu berechnen, ist es sinnvoll, je nach Größe der Portion 3–4 IE zusätzlich einzuplanen und diese um 4–6 Stunden verzögert abzugeben.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>Literaturtipps, die an Patienten weitergegeben werden können:<br />• Kleine Helfer, große Wirkung – so funktionieren Insulin­pumpen: <a href="http://www.aachener-zeitung.de/ratgeber/gesundheit/kleine-helfer-grosse-wirkung-so-funktionieren-insulinpumpen-1.461958#plx1217716666" target="_blank">http://www.aachener-zeitung.de/ratgeber/gesundheit/kleine-helfer-grosse-wirkung-so-funktionieren-insulinpumpen-1.461958#plx1217716666</a><br />• Thurm U, Gehr B: CGM-Insulinpumpenfibel: Bei dir piept’s ja. 2. Auflage, Kirchheim + Co., 2016 (ISBN-10: 3874095355, Preis: 25 Euro)</p>
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