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ÖDG-Leitlinien Insulintherapie
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner
Krankenhaus Hochzirl-Natters<br> E-Mail: monika.lechleitner@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">Ein Schwerpunkt der diesjährigen Frühjahrstagung der ÖDG, die im Mai in Wien stattfand, war der Präsentation der aktualisierten Letilinienempfehlungen gewidmet, einschließlich der Insulintherapie bei Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. Der Artikel fasst die wichtigsten Fakten dazu zusammen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung der Insulintherapie ist eine entsprechende Schulung der Patienten.</li> <li>Zur Verfügung stehen kurzwirksame und langwirksame Insuline, Insulinanaloga, sowie Mischinsuline.</li> <li>Die funktionelle Insulintherapie gilt als Goldstandard in der Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1.</li> <li>Glukosesensorunterstützte Formen der Insulinpumpentherapie können das Risiko für schwere Hypoglykämien verringern.</li> <li>Bei Typ-2-Diabetes ist die Erweiterung einer oralen Therapie durch ein langwirksames Basisinsulin eine einfache und sichere Möglichkeit der Insulintherapie.</li> </ul> </div> <h2>Indikation zur Insulintherapie</h2> <p>Die Insulintherapie stellt bei Typ-1-Diabetes eine lebensnotwendige Hormonersatztherapie dar.<sup>1</sup> Bei Typ-2-Diabetes besteht eine Indikation zur Insulintherapie, wenn durch diätetische Maßnahmen und orale Antidiabetika bzw. GLP-1-Analoga das individuelle Therapieziel nicht erreicht wird oder Kontraindikationen gegenüber oralen Antidiabetika oder GLP-1-Analoga bestehen.<sup>2</sup> Eine vorübergehende Insulintherapie kann bei Typ-2-Diabetes bei akuten Erkrankungen oder perioperativ angezeigt sein.<sup>3–5</sup> Die Insulintherapie führt zu einer effektiven Verbesserung der Glukosewerte und damit zu einer HbA<sub>1c</sub>-Reduktion. Als Hauptnebenwirkungen gelten ein erhöhtes Hypoglykämierisiko und die mögliche Gewichtszunahme. Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung der Insulintherapie ist eine entsprechende Schulung der Patienten in der Technik der Insulinadministration, die potenziellen Nebenwirkungen der Insulintherapie und die Blutzuckerselbstkontrolle.</p> <h2>Insulinpräparate</h2> <p>Zur Insulintherapie stehen eine Reihe kurzwirksamer und langwirksamer Insuline und Insulinanaloga sowie Mischinsuline zur Verfügung (Tab. 1).</p> <p><strong>Kurzwirksame Insulinanaloga</strong> <br />Kurzwirksame Insulinanaloga (Lispro, Aspart, Glulisin) werden seit rund 20 Jahren in der Diabetestherapie eingesetzt. Der gegenüber Normalinsulin raschere Wirkeintritt der kurzwirksamen Insulinanaloga ermöglicht das Weglassen eines Spritz-Ess- Abstandes vor Einnahme von Mahlzeiten.<sup>4</sup> In klinischen Studien war die Hypoglykämierate, insbesondere für schwere und nächtliche Hypoglykämien, unter kurzwirksamen Insulinanaloga deutlich geringer als unter Normalinsulin.</p> <p><strong>Ultrakurzwirksame Insulinanaloga</strong> <br />Eine Neuentwicklung stellen ultrakurzwirksame Insulinanaloga dar. So wird durch Zugabe von Niacinamid und L-Arginin eine raschere Dissoziation und damit Absorption von Insulin Aspart erreicht.</p> <p><strong>Langwirksame Insulinanaloga</strong> <br />Die Entwicklung langwirksamer Insulinanaloga (Glargin U 100, Detemir) hatte zum Ziel, eine gegenüber NPH-Insulin flachere Wirkkurve und eine längere Wirkdauer zu erzielen. Langwirksame Insulinanaloga zeigten in klinischen Studien gegenüber NPH-Insulin eine Reduktion vor allem nächtlicher Hypoglykämien.<sup>4, 6</sup> Von Vorteil in der klinischen Praxis und Handhabung ist auch das Vorliegen der langwirksamen Insulinanaloga in Form einer klaren Lösung, während bei Applikation von NPH-Insulin eine vorausgehende Suspension des Insulins erforderlich ist.</p> <p><strong>Ultralangwirksame Insulinanaloga</strong> <br />Zu den sogenannten ultralangwirksamen Insulinanaloga (Basalinsuline der zweiten Generation) zählen Insulin Glargin U 300 und Insulin Degludec.<sup>7</sup> Die lange Wirkdauer der ultralangwirksamen Insulinanaloga ermöglicht eine Reduktion der Injektionshäufigkeit des basalen Insulins – üblicherweise auf einmal täglich – und größere Flexibilität in der Wahl des Injektionszeitpunktes. In klinischen Studien wurde für die ultralangwirksamen Insuline insgesamt eine gegenüber Insulin Glargin U 100 geringere Hypoglykämierate und geringere Variabilität der Blutzuckerschwankungen beschrieben.<sup>7</sup></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s24_tab1.jpg" alt="" width="550" height="294" /></p> <h2>Insulintherapieformen</h2> <p><strong>Typ-1-Diabetes</strong> <br />Die funktionelle Insulintherapie stellt eine dem physiologischen Insulinsekretionsmuster angepasste Form der Insulinsubstitution dar und gilt als Goldstandard in der Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1.<sup>1, 4</sup> Im Rahmen der funktionellen Insulintherapie erfolgt eine Verabreichung eines langwirksamen Basisinsulins und vor den Mahlzeiten die Gabe eines kurzwirksamen Insulins/Insulinanalogons. Die Anpassung der Insulindosierung an die aktuellen Gegebenheiten erfolgt unter Bezugnahme auf den aktuellen Blutzuckerwert. Als Bezugspunkt dient die normale Beta-Zell-Funktion mit einer basalen Insulinsekretion im Fastenzustand von ca. 1,0 E/h sowie einer prandialen Insulinsekretion von ca. 1,5 E/10 g Kohlenhydrate. Beim erwachsenen Typ-1-Diabetiker beträgt dementsprechend bei gewichtserhaltender Ernährung der Anteil des prandialen Insulins (kurzwirksames Insulin bzw. kurzwirksame Insulinanaloga) rund 50–60 % der Gesamttagesdosis, der Anteil des basalen Insulins (NPH-Insulin, Insulin Glargin U 100, Insulin Detemir, Insulin Glargin U 300, Insulin Degludec) 40–50 %. Generell liegt der Insulinbedarf bei normalgewichtigen erwachsenen Patienten mit Typ-1-Diabetes bei rund 0,4–1,0 E/kg Körpergewicht.</p> <p>Die Insulinpumpentherapie stellt eine Variante der funktionellen Insulintherapie dar. Die subkutane kontinuierliche Verabreichung von kurwirksamen Insulinanaloga über eine externe Arzneimittelpumpe ermöglicht die Programmierung einer Basalrate anstelle der Verabreichung eines langwirksamen Basisinsulins sowie eine Bolusabgabe vor den Mahlzeiten. Die Insulinpumpentherapie gestattet so eine besonders exakte Anpassung der Insulindosierung an den aktuellen Insulinbedarf und an die zirkadianen Schwankungen. Glukosesensorunterstützte Formen der Insulinpumpentherapie können bei Hypoglykämiegefahr eine automatische Unterbrechung der Insulinzufuhr auslösen und damit das Risiko für schwere Hypoglykämien verringern.</p> <p><strong>Typ-2-Diabetes</strong> <br />Generell stellt die Erweiterung einer Therapie mit oralen Antidiabetika durch ein langwirksames Basisinsulin eine einfache und gleichzeitig auch sichere Möglichkeit für den Einstieg in eine Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes dar (Basalinsulinunterstützte orale Therapie – BOT). Kann unter dieser Therapie das individuell festgelegte Therapieziel nicht erreicht werden, so sollte je nach Wünschen und Bedürfnissen des Patienten eine Intensivierung der Therapie mithilfe eines zusätzlich verabreichten prandialen Insulins oder eine Umstellung auf eine konventionelle Insulintherapieform mit einem Mischinsulin erfolgen. <br />Einzelstudien und Metaanalysen zeigen auf, dass die Kombination von oralen Antidiabetika und Insulin bei Typ-2-Diabetes zu einer bis zu 40 %igen Einsparung des Insulinbedarfs gegenüber der alleinigen Insulintherapie führt. Dies resultiert in vorteilhaften Effekten hinsichtlich der potenziellen Gewichtszunahme unter einer Insulintherapie. Eine Ausnahme stellt die Kombination von Insulin mit Pioglitazon dar, das zu einer verstärkten Flüssigkeitsretention und Gewichtszunahme beitragen kann. <br />Im Sinne der Reduktion der Insulinresistenz und der günstigen Gewichtseffekte sollte Metformin bei jeder Form der Insulintherapie, sofern keine Kontraindikationen bestehen, bei Typ-2-Diabetes beibehalten werden. Grundsätzlich stehen zur Kombination mit einem Basalinsulin im Rahmen der BOT-Therapie alle oralen Antidiabetika zur Auswahl, eine weitere Therapieoption stellt die Kombination mit einem GLP-1-Analogon dar.<sup>3</sup> <br />Da derzeit keine Endpunktstudien über den Vorteil einer bestimmten Form der Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes vorliegen, bezieht sich die Therapiewahl auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Lechleitner M et al.: Diagnostik und Therapie des Typ 1 Diabetes mellitus (Update 2019). Wien Klin Wochenschr 2019; 131 (Suppl 1): S77-S84 <strong>2</strong> Lechleitner M et al.: Insulintherapie bei Typ 2 Diabetes mellitus (Update 2019). Wien Klin Wochenschr 2019; 131 (Suppl 1): S39-S46 <strong>3</strong> Clodi M et al.: Antihyperglykämische Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 (Update 2019). Wien Klin Wochenschr 2019; 131 (Suppl 1): S27-S38 <strong>4</strong> American Diabetes Association. Approaches to glycemic treatment: Standard of Medical Care in Diabetes 2018; Diabetes Care 2018; 41 (Suppl 1): S73- S85 <strong>5</strong> Davies MJ et al.: Management of hyperglycaemia in type 2 diabetes, 2018. A consensus report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetologia 2018; 61(12): 2461-98 <strong>6</strong> Monami M et al.: Long-acting insulin analogues versus NPH insulin in type 2 diabetes: a metaanalysis. Diabetes Res Clin Pract 2008, 81: 184-9 <strong>7</strong> Woo VC: A review of the clinical efficacy and safety of insulin degludec and glargine 300 U/mL in the treatment of diabetes mellitus. Clin Ther 2017; 39: S12-S33</p>
</div>
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