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Früh diagnostizieren, rasch therapieren
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Felicitas Witte
30
Min. Lesezeit
18.05.2017
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<p class="article-intro">Mitte Dezember wurde die neue überarbeitete EULAR-Leitlinie zur Behandlung der frühen Arthritis publiziert.1 3 übergreifende Prinzipien, 12 Empfehlungen und viele Tipps für die Praxis. Das Wichtigste sei, so Prof. Distler aus Zürich, eine frühe Diagnose, um rasch mit der Therapie beginnen zu können und Spätschäden zu vermeiden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Eine Arthritis an peripheren Gelenken ist eine der häufigsten Ursachen dafür, dass Patienten einen Rheumatologen aufsuchen (Abb. 1). Die zugrunde liegende Ursache zu diagnostizieren, kann vor allem in frühen Stadien schwierig sein. Eine Früharthritis kann sich zu einer rheumatoiden Arthritis (RA) entwickeln oder zu einer anderen definierten Arthropathie; sie kann spontan von selbst wieder verschwinden oder sich so unklar präsentieren, dass man zunächst die Ursache nicht findet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1702_Weblinks_s44_1.jpg" alt="" width="1417" height="1147" /><br />2007 veröffentlichte die EULAR Empfehlungen zum Management der frühen Arthritis. In den Empfehlungen wurde die Literatur bis zum Jahre 2005 berücksichtigt. «Seitdem sind einige Studien zur frühen Arthritis erschienen, sodass eine Aktualisierung notwendig war», sagt Prof. Dr. med. Bernard Combe, einer der beiden Hauptautoren und Rheumatologe am Krankenhaus Lapeyronie der Universität Montpellier. Zwar gab die EULAR 2010 eine Leitlinie zur Therapie der RA mit synthetischen und biologischen krankheitsmo­difizierenden Medikamenten (DMARDs) heraus, sie wurde 2016 aktualisiert, und kürzlich erschien eine Leitlinie zur Psoriasis-Arthritis. «Doch diese beiden Empfehlungen konzentrierten sich vor allem auf medikamentöse Massnahmen», so Combe. In der neuen Leitlinie zur frühen Arthritis gehe es dagegen nicht nur darum, sondern auch um Diagnose, Klassifikationskriterien, bildgebende Verfahren, wie man eine Prognose einschätzen könne, und um therapeutische Strategien insgesamt. <br />«Was in der neuen Leitlinie gut herausgehoben wurde, ist, dass man eine Arthritis so früh wie möglich erkennen und den Patienten einem Spezialisten zuweisen sollte», sagt Prof. Dr. med. Oliver Distler, Direktor der Klinik für Rheumatologie am Universitätsspital Zürich. «Dieser verschafft sich einen Überblick, wie ausgeprägt die Krankheit ist und welche Risikofaktoren der Patient hat, die für einen schlechten Verlauf prädisponieren. Und dann sollte man rasch eine Basistherapie beginnen.» Frühe Diagnose und Therapie verhindern oder verzögern Gelenkdestruktion, funktionelle Beeinträchtigungen und senken die mit einer Arthritis assoziierte höhere Mortalität. «Die Kombination von regulären Verlaufskontrollen und optimalen Therapieinterventionen ist dabei von zentraler Bedeutung, um eine Remission zu erreichen und Langzeitschäden vorzubeugen», sagt Distler.</p> <h2>Neu: 3 übergreifende Prinzipien</h2> <p>Die Leitlinie basiert auf einem Expertenkonsens von 20 Rheumatologen, einem weiteren Mitarbeiter im Gesundheitswesen und 2 Patienten aus 12 europäischen Ländern. Ergänzt wurde die Überarbeitung der Leitlinie durch eine systematische Literaturrecherche. Wie in der alten Leitlinie gibt es 12 Empfehlungen, neu aber 3 übergreifende Prinzipien (Tab. 1). Diese lauten: <br />1) Behandlung im Einverständnis mit dem Patienten nach bestem Wissen und Gewissen.<br />2) Eine frühe entzündliche Gelenkserkrankung sollte von einem Rheumatologen abgeklärt und behandelt werden. <br />3) Die definitive Diagnose beziehungsweise Klassifikation einer frühen Arthritis sollte erst nach sorgfältiger Anamnese, klinischer Untersuchung und allenfalls weiteren Abklärungen gestellt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1702_Weblinks_s44_2.jpg" alt="" width="1417" height="2894" /><br />«Das Expertenkomitee fand, dass einige der Behandlungsprinzipien so generell sind, dass man sie als Erstes erwähnen und von den anderen individuellen Empfehlungen trennen sollte. Deshalb haben wir die 3 Prinzipien angegeben», erklärt Combe. Es gebe im Vergleich zur Leitlinie von 2007 keine wesentlichen Änderungen, aber ein paar Aspekte seien jetzt besser. «Wir haben deutlicher betont, wie wichtig es ist, den Patienten früh einem Spezialisten zuzuweisen und bei denen, die es brauchen, eine Therapie mit DMARDs zu starten. Denn wir haben gelernt, dass diese Behandlungsstrategie das Outcome verbessern kann.» Wichtig hierbei sei, das «window of opportunity» zu beachten: Innerhalb von 3 Monaten sollte man die Behandlung beginnen, wenn der Patient ein hohes Risiko für eine Persistenz der Arthritis hat – auch wenn er die Kriterien für eine inflammatorische rheumatologische Krankheit nicht vollständig erfüllt (Empfehlung Nr. 4). <br />«Wird ein Patient mit Verdacht auf entzündliche Gelenkserkrankung zugewiesen, steht die sorgfältige klinische Untersuchung an erster Stelle», sagt Dr. med. Raphael Micheroli, Assistenzarzt an der Klinik für Rheumatologie am Universitätsspital Zürich. «In unklaren Fällen kann Ultraschall helfen.» <br />In der Leitlinie sind das diagnostische und das therapeutische Vorgehen in übersichtlichen Algorithmen dargestellt (Abb. 2). Aktiv müsse man Risikofaktoren für einen schwereren Verlauf erfragen und erfassen: Anzahl der geschwollenen Gelenke, Höhe von CRP/BSR, Vorhandensein und Höhe von Rheumafaktor und Anti-CCP sowie erosive Veränderungen im Röntgen bzw. im Ultraschall. Combe: «Im Gegensatz zu anderen Experten glaube ich nicht an einen zusätzlichen Wert von Ultraschall und MRI bei der Diagnose und ich glaube auch nicht daran, dass man damit bei einem Patienten in klinischer Remission eine strukturelle Progression vorhersagen kann.» Die Signifikanz dieser Untersuchungen und der klinische Nutzen seien fraglich, heisst es demnach auch in der Leitlinie. Sie sind mit deutlicher Übertherapie assoziiert und bedeuten daher potenziell eine Verschwendung von Ressourcen. Das Expertenkomitee schlägt vor, den Wert bildgebender Verfahren auf die Forschungsagenda zu nehmen.</p> <h2>«Treat to target»</h2> <p>Eine Basistherapie sollte so früh wie möglich gestartet werden, wenn der Patient ein hohes Risiko für eine Persistenz hat – auch wenn sich noch keine definitive Diagnose stellen lässt (Abb. 2). Methotrexat ist die Basistherapie der Wahl. «Perorale Glukokortikoide können zur Überbrückung vom Start eines Basistherapeutikums bis zu dessen Wirkungseintritt verwendet werden, jedoch nicht als Dauertherapie», erklärt Micheroli. Man habe die Rolle der Glukokortikoide intensiv diskutiert, erzählt Leitlinien-Autor Combe. «Man sollte sie nicht unreflektiert und nur limitiert einsetzen. Es gibt nämlich neue Evidenz zu Nebenwirkungen.» So weisen neue Daten aus Register- und Beobachtungsstudien und verlängerten randomisierten klinischen Studien darauf hin, dass Glukokortikoide das Risiko für schwere Infektionen, kardiovaskuläre Ereignisse und die Gesamtmortalität erhöhen.<br />Das Ziel jeder Therapie, so Rheumatologe Distler, sei die klinische Remission. «Bis zum Erreichen dieses Zieles sollte man den Patienten engmaschig kontrollieren, also monatlich bis alle drei Monate.» Die Krankheitsaktivität sollte mittels standardisierter Messmethoden protokolliert und die Therapie bis zum Erreichen dieses Zieles regelmässig angepasst werden («treat to target»).</p> <h2> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1702_Weblinks_s44_3.jpg" alt="" width="2150" height="1202" /> </h2> <h2>Aufwendiges Management lohnt sich</h2> <p>Neben pharmakologischen Interventionen stehen auch nicht pharmakologische Therapien zur Verfügung, etwa Physiotherapie. Viel Wert habe man auch darauf gelegt, erzählt Combe, allgemeine Massnahmen zu erwähnen (Empfehlung Nr. 11): Rauchstopp, Zahnhygiene, Gewichtskontrolle, Überprüfen des Impfstatus und die Behandlung von Komorbiditäten. «Eine ganzheitliche Patientenbetreuung mit Änderung des Lebensstils ist Teil der Behandlungsstrategie», sagt Micheroli. Für Patienten gebe es zahlreiche Anlaufstellen, bei denen sie sich über ihre Krankheit informieren können. «Die Adressen muss man aber den Patienten aktiv mitteilen und sie ermutigen, sich dort zu melden und zu informieren.» <br />In der Schweiz wüssten zum Glück die meisten Rheumatologen, wie wichtig es sei, eine Früharthritis so rasch wie möglich zu diagnostizieren und zu behandeln, sagt Distler. «Trotzdem kann man es nicht oft genug wiederholen: Einen Patienten mit früher Arthritis sollte man prioritär behandeln.» Das initiale, teilweise aufwendige Management zahle sich aus: «Die frühe Diagnose und der rasche Beginn der Therapie mit Eskalation bis zur Remission führen zu einem deutlich besseren Verlauf der Erkrankung.» Davon profitiert nicht nur der Patient, sondern auch das Gesundheitssystem. Es bleibt zu hoffen, dass die Leitlinie auch die Zuweiser erreicht, die Patienten mit einer frühen Arthritis oftmals als Erste sehen. <</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Combe B et al: 2016 update of the EULAR recommendations for the management of early arthritis. Ann Rheum Dis 2016; doi:10.1136/annrheumdis- 2016-210602</p>
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