
Systemischer Lupus erythematodes – ein Update
Autoren:
PD Dr. Herwig Pieringer, MBA
Klinik Diakonissen Linz
Dr. Rainer Hintenberger
1. Medizinische Abteilung, Hanusch-Krankenhaus, Wien
Johannes Kepler Universität Linz
Korrespondenz:
E-Mail: herwig.pieringer@diakonissen.at
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Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronisch-entzündliche Systemerkrankung, die zahlreiche Organsysteme undGewebe betreffen kann. Der SLE ist mit der Bildung unterschiedlichster Autoantikörper assoziiert und kann auch als Prototyp einer Autoimmunerkrankung gesehen werden.
Keypoints
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Die aktualisierten „EULAR recommendations for the management of systemic lupus erythematosus: 2023 update“ geben einen kompakten Überblick über das zeitgemäße Management von SLE-Patienten.
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Mit Anifrolumab steht ein zweites bDMARD zur Behandlung des (extrarenalen) SLE zur Verfügung.
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Belimumab und der Calcineurin-Inhibitor Voclosporin können bei der Behandlung der Lupusnephritis eingesetzt werden.
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Modernere B-zielgerichtete Therapien (B-Zell-gerichtete Antikörper, CAR-T-Zellen) sind vielversprechend.
Das klinische Erscheinungsbild des SLE kann sehr unterschiedlich sein. So können bei einem Patienten muskuloskelettale oder dermatologische Manifestationen dominieren, bei einem anderen Patienten wiederum können eine Nierenbeteiligung oder auch Blutbildveränderungen im Vordergrund stehen. Das Befallsmuster, das sich in den ersten Jahren zeigt, bleibt oft über die Zeit dominierend. Letztendlich kann es jedoch zu unterschiedlichsten Manifestationen während der gesamten Erkrankungsdauer kommen. Die unterschiedlichen Befallsmuster determinieren Morbidität sowie Mortalität und sind schließlich auch wegweisend für die Therapiestrategie.
Typische klinische Manifestationen
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Arthritis/Arthralgie
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Raynaud-Phänomen
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Fieber
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Blutbildveränderungen: Leukopenie/Lymphopenie, Thrombopenie, Anämie
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Lupusnephritis
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Dermatologische Manifestationen: Akuter kutaner LE, chronischer kutaner LE, subakuter kutaner LE, Schleimhautulzerationen, Effluvium, Alopezie, kutane Vaskulitis
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Neurologische Manifestationen: Sehr heterogen, u.a.: zerebrovaskuläre Ereignisse, kognitive Dysfunktion, kraniale Neuropathie, Epilepsie, aseptische Meningitis, demyelinisierende Manifestationen etc.
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Antiphospholipid-Antikörper bzw. Antiphospholipid-Syndrom: Arterielle oder venöse thromboembolische Ereignisse, Schwangerschaftsmanifestationen
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Lymphadenopathie
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Polyserositis
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Pulmonale Manifestationen: Interstitielle Lungenerkrankung, Pulmonalembolie, pulmonale Hämorrhagien, Lungenhochdruck
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Kardiovaskuläres System: Perikarditis, Endokarditis, koronare Herzerkrankung
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Gastrointestinaltrakt
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Fatigue
Neben den klassischen autoimmunologischen/entzündlichen Phänomenen kommt es häufig zu konstitutionellen Symptomen. Diese sind zum Teil schwieriger objektiv fassbar, aber für den Patienten oft sehr belastend. Häufig ist z.B. eine Fatigue vorliegend. Diese korreliert nicht zwingend mit der Krankheitsaktivität, ist aber mit einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität assoziiert. Weiters kann es zu Myalgien, Gewichtsverlust (unter anderem auch infolge von Medikamentennebenwirkungen), aber auch zu Gewichtszunahme (z.B. durch Glukokortikoide oder auch im Zuge eines nephrotischen Syndroms bei Flüssigkeitseinlagerungen) kommen.
Eine spezielle Manifestation ist die Lupusnephritis, die in unterschiedliche Klassen mit unterschiedlicher Prognose eingeteilt wird. Hierbei sind insbesondere die fokal proliferative Lupusnephritis (Klasse III) und die diffus proliferative Lupusnephritis (Klasse IV) von Bedeutung, da diese unbehandelt das Risiko einer terminalen Niereninsuffizienz mit sich bringen. Ebenfalls von Bedeutung ist die membranöse Lupusnephritis (Klasse V), die gelegentlich isoliert vorkommt, aber oft auch in Kombination mit Klasse III oder Klasse IV auftreten kann. Die Lupusnephritis Klasse V ist oft mit einer deutlichen Proteinurie verbunden. Eine Nierenbiopsie hat einen hohen Stellenwert, um die Lupusnephritis einordnen und damit die Therapie an das jeweilige Muster anpassen zu können.
Neuere Therapien
Belimumab, eine B-Zell-gerichtete Therapie, die BlyS („B-lymphocyte stimulator“) hemmt, ist in der Behandlung des SLE zwar nicht neu, aber das Einsatzgebiet wurde in der letzten Zeit auf die Lupusnephritis erweitert. Früher waren Patienten mit einer schwereren Lupusnephritis von einer solchen Therapie ausgenommen. In der BLISS-LN-Studie, die mit 104 Wochen eine sehr lange andauernde Studie war, wurde Belimumab zusätzlich zu einer Standard-Induktionstherapie mit Mycophenolat-Mofetil (MMF) oder Cyclophosphamid (CYC) in Kombination mit Glukokortikoiden untersucht. Der primäre Endpunkt eines renalen Ansprechens konnte dabei häufiger in der Gruppe mit Belimumab erzielt werden. Somit dehnt sich das potenzielle Einsatzgebiet von Belimumab auch auf die Lupusnephritis aus.
Neu in der Behandlung der Lupusnephritis ist der Calcineurin-Inhibitor Voclosporin. Diese Substanz wurde als zusätzliche Therapieschiene bei Patienten mit Lupusnephritis und einer Therapie mit MMF und Glukokortikoiden untersucht („AURORA 1“). Nach 52 Wochen Behandlung zeigte die Voclosporin-Gruppe ein häufigeres komplettes und partielles renales Ansprechen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass in den „EULAR recommendations for the management of systemic lupus erythematosus: 2023 update“ auch der „ältere“ Calcineurin-Inhibitor Tacrolimus in dieser Indikation eine Option darstellt. Für diese Substanz gibt es in erster Linie Daten aus dem asiatischen Raum.
Beim extrarenalen Lupus wurde Anifrolumab, ein Antikörper, der den Typ-I-Interferon-Pathway hemmt, zugelassen. Somit steht ein zweites zugelassenes Biologikum zur Behandlung des SLE zur Verfügung. Anifrolumab ist ein Antikörper, der gegen die Untereinheit 1 des Typ-I-Interferon-Rezeptors (IFNAR1) gerichtet ist und als Add-on-Therapie bei unzureichender SLE-Standardtherapie eingesetzt wird. Zwar konnte in der TULIP-1-Studie der primäre Endpunkt (SRI4) nicht erreicht werden. Allerdings konnte in der TULIP-2-Studie der stringente primäre Endpunkt (BICLAResponse) häufiger in der Verum-Gruppe erzielt werden als im Vergleichsarm. Die Glukokortikoidreduktion und die Hautaktivität (gemessen am CLASI) waren in der Anifrolumab-Gruppe signifikant stärker. Als Nebenwirkung ist bei dieser Therapie insbesondere ein erhöhtes Herpes-zoster-Risiko zu erwähnen.
Vor Jahren haben die Rituximab-Studien beim SLE nicht die Erwartungen erfüllt. Nicht zuletzt aufgrund der klinischen Alltagserfahrungen wurden B-Zell-gerichtete Therapien – vorrangig Rituximab – trotzdem weiterhin „off-label“ verwendet. Kürzlich konnte in einer Phase-3-Studie mit dem B-Zell-gerichteten Antikörper Obinutuzumab bei Patienten mit aktiver Lupusnephritis der primäre Endpunkt eines kompletten renalen Ansprechens häufiger erreicht werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Daten in einer Zulassung widerspiegeln werden.
Ein gänzlich neuer Ansatz und für Rheumatologen eine doch ungewöhnliche Therapie ist die derzeit experimentelle Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie für schwere, therapierefraktäre SLE-Fälle. Eines der führenden Zentren dabei ist die Universität Erlangen. Mittels dieser CAR-T-Zell-Therapie wird versucht, eine äußerst profunde B-Zell-Depletion durch In-vitro-Modifikation körpereigener T-Zellen und somit ein „Reset“ des Immunsystems herzustellen. Dies scheint in den bis jetzt publizierten Fällen auch zu gelingen. So kommt es neben einer klinischen Verbesserung u.a. auch zu einem Abfall der Anti-dsDNA-Antikörper und der Proteinurie sowie zu einem Anstieg von C3. Die weiteren Entwicklungen mit dieser neuen Therapieform werden mit Spannung erwartet.
EULAR recommendations for the management of systemic lupus erythematosus: 2023 update
Die letzten Entwicklungen spiegeln sich in den EULAR Recommendations 2023 (publiziert 2024) wider. Wie gehabt gibt es voranstehende „overarching principles“, die u.a. auf Multidisziplinarität und individualisiertes Management hinweisen. Erwähnung finden dabei auch die Kosten einer SLE-Behandlung, die in das Management einfließen sollen und auch von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen abhängig sein werden.
Die wichtigsten Empfehlungen sollen im Folgenden kurz Erwähnung finden: Hydroxychloroquin bleibt der Eckpfeiler der Therapie. Eine niedrige Glukokortikoid-Dosis (<=5mg/Tag) sollte, wenn immer möglich, angestrebt werden. Bei ungenügender Wirksamkeit von Hydroxychloroquin werden neben Methotrexat, Azathioprin und MMF die bDMARD Belimumab und Anifrolumab empfohlen. Für schwere Fälle verbleiben weiterhin CYC und Rituximab. Spezielle Empfehlungen finden sich für Hautbeteiligungen, neuropsychiatrische Manifestationen, Autoimmunthrombopenie und die Lupusnephritis. Bei länger bestehender Remission wird eine schrittweise Reduktion der Therapie empfohlen, beginnend mit den Glukokortikoiden. Ein nicht unwesentlicher Punkt ist die letzte der Empfehlungen, die auf eine Aktualisierung der Impfungen laut Impfplan verweist. Zusätzlich soll das Augenmerk auf die Knochengesundheit, die Nephroprotektion, die Reduktion des kardiovaskulären Risikos und das Screening auf maligne Erkrankungen gerichtet werden.
Zusammenfassung
Zusammengefasst steht mit Anifrolumab ein zweites bDMARD zur Verfügung, dass den Typ-I-Interferon-Pathway hemmt. Belimumab findet nun neben dem extrarenalen Lupus auch bei der Lupusnephritis Anwendung. Der Calcineurin-Inhibitor Voclosporin ist in dieser Indikation ebenfalls zugelassen. Modernere B-zielgerichtete Therapien (B-Zell-gerichtete Antikörper, CAR-T-Cells) sind vielversprechend und werden derzeit in Studien untersucht.
Literatur:
bei den Verfassern
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