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Autologe Chondrozytentransplantation nach lumbaler Sequestrektomie

<p class="article-intro">Regenerative Therapiestrategien bei Bandscheibendegeneration rücken immer mehr in den Mittelpunkt der Forschung. Erste Ergebnisse von klinischen Studien nach autologer Zelltransplantation sind erfolgversprechend.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Das Konzept der Chondrozytentransplantation basiert auf der Annahme, dass injizierte vitale Chondrozyten in der avaskul&auml;ren und sauerstoffarmen Umgebung der Bandscheibe &uuml;berleben.</li> <li>Grundvoraussetzung f&uuml;r den Erhalt der Vitalit&auml;t ist ein geeignetes Tr&auml;germaterial.</li> <li>Autologe Zelltransplantation soll eine Rehydratation der Bandscheibe bewirken bzw. das Fortschreiten der Degeneration verhindern.</li> <li>Mit den derzeitigen Studien stehen wir noch am Anfang der klinischen Forschung, erste Ergebnisse sind jedoch erfolgversprechend.</li> </ul> </div> <p>In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die spinale Chirurgie als eine der am schnellsten wachsenden Disziplinen herauskristallisiert. Dabei nahmen spinale Fusionen und Arthroplastie als unmittelbar symptomlindernde Ma&szlig;nahmen einen hohen Stellenwert ein. Weniger Augenmerk wurde auf regenerative Therapiestrategien, die nicht nur pr&auml;ventive, sondern auch kurative M&ouml;glichkeiten bieten, gelegt. Basierend auf In-vitro- und auch In-vivo-Studien hat die Anwendung am Menschen in klinischen Studien erste erfolgversprechende Resultate gezeigt.</p> <h2>Die intervertebrale Bandscheibendegeneration</h2> <p>Die Grundsubstanz der Bandscheibe wird durch die Chondrozyten synthetisiert. Ihre hohe biochemische Widerstandsf&auml;higkeit und Zugfestigkeit wird &uuml;berwiegend durch das feinfibrill&auml;re Kollagen Typ II der Knorpelmatrix vermittelt. Die Kompressionsfestigkeit beruht auf der exzessiven Wasserbindung hochmolekularer Proteoglykane und deren Einschluss in das rigide Kollagen-Typ-II-Ger&uuml;st. Durch diese Gewebearchitektur wird der Knorpelmatrix eine physiologische Vorspannung verliehen, die unter Belastung die H&ouml;henver&auml;nderung des Knorpels erheblich reduziert. Bereits eine vergleichsweise geringe Sch&auml;digung der Proteoglykanarchitektur kann im Gegenzug zu massiven Einbu&szlig;en der biomechanischen Eigenschaften der Bandscheibe f&uuml;hren. Da Chondrozyten vorzugsweise &uuml;ber Diffusion von N&auml;hrstoffen aus der gesunden Grund- und Deckplatte des angrenzenden Wirbelk&ouml;rpers versorgt werden und damit kein direkter Zugang zu gewebsspezifischen regenerativen Zellpopulationen besteht, findet bei Bandscheibensch&auml;den in der Regel keine Defektregeneration statt. Die im Rahmen einer Bandscheibendegeneration auftretenden Ver&auml;nderungen der Zell- und Molekularbiologie des Knorpels sind gekennzeichnet durch das Absterben von Chondrozyten, eine insuffiziente Synthese neuer Matrixmolek&uuml;le und die Freisetzung von entz&uuml;ndlichen Mediatoren und katabolen Enzymen, wobei der Degenerationsgrad deutlich mit der Konzentration dieser proinflammatorischen Faktoren, insbesondere von IL-1 und TNF-alpha, korreliert. Die Chondrozyten produzieren in diesem pathologisch aktivierten Zustand vermehrt Proteasen, die durch Spaltung von Kollagen das Kollagennetzwerk, in das die Proteoglykane eingebettet sind, zerst&ouml;ren. Dadurch verliert die Bandscheibe die F&auml;higkeit zur Einlagerung von Wasser. Es tritt ein H&ouml;henkollaps der Knorpelmatrix ein. Dieser Prozess f&uuml;hrt zu einer weiteren Verschlechterung der biomechanischen Eigenschaften und damit auch zu einer pathologischen Ver&auml;nderung der Grund- und Deckplatte. Diese antianabole, katabole Stoffwechsellage verbliebener Knorpelzellen wird weiter stimuliert, bis auch der subchondrale Knochen von den degenerativen Ver&auml;nderungen betroffen ist und das finale Stadium erreicht wird.</p> <h2>Das Konzept der Chondrozytentransplantation</h2> <p>Das Konzept der Chondrozytentransplantation basiert auf der Annahme, dass injizierte vitale Chondrozyten einerseits in der avaskul&auml;ren und sauerstoffarmen Umgebung der Bandscheibe &uuml;berleben und andererseits extrazellul&auml;re Matrix produzieren und damit das Fortschreiten der Degeneration reduzieren bzw. verhindern. Grundvoraussetzung f&uuml;r die erfolgreiche klinische Anwendung der biologischen Verfahren ist die Herstellung einer funktionsf&auml;higen Knorpelmatrix, die in der Lage ist, mit den gesunden Umgebungsstrukturen zu fusionieren, und deren biomechanische Eigenschaften auch langfristig mit denen der Bandscheibe vergleichbar sind. Nach den Ergebnissen der gegenw&auml;rtig vorliegenden In-vitro- und In-vivo-Studien ist hierzu eine ausreichende Zahl vitaler knorpelbildender Zellen erforderlich. Die prim&auml;re Matrix, also das Tr&auml;germaterial, dient den Zellen als tempor&auml;re Leitstruktur f&uuml;r ihre r&auml;umliche Ausrichtung und bis zur Resorption des Tr&auml;gers als Ort der eigenen Matrixsynthese. Da die funktionellen Eigenschaften der Zellen vor allem durch Zell-Matrix-Interaktion beeinflusst werden, ist die Zusammensetzung des Tr&auml;germaterials von entscheidender Bedeutung f&uuml;r die sp&auml;tere Regenerationsqualit&auml;t in vivo. Weiters sind biomechanische und physikalische Eigenschaften entscheidend f&uuml;r die operative Handhabbarkeit und die Transplantatintegration.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite69_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Klinische Studien</h2> <p>Eine Pionierarbeit haben Meisel und seine Mitarbeiter mit der ersten Anwendung am Menschen geleistet, indem sie an 14 Patienten die Durchf&uuml;hrbarkeit und Sicherheit der Transplantation autologer Bandscheibenzellen zeigen konnten. Darauf folgte eine multizentrische, prospektive, randomisiert kontrollierte Studie (EuroDISC), in der die Diskektomie in Kombination mit autologer Zelltransplantation mit einer alleinigen Diskektomie an 112 Patienten verglichen wurde. Wichtige Ausschlusskriterien waren eine fortgeschrittene Bandscheibendegeneration mit Modic-Ver&auml;nderungen von Typ II und III, eine Spondylolisthese und ein chronisches Facettengelenkssyndrom. Nach zwei Jahren Beobachtungszeitraum zeigten die Patienten, die die Zellen erhalten hatten, eine signifikante Reduktion des R&uuml;ckenschmerzes im Vergleich zur Kontrollgruppe. Zudem wies die Kontrollgruppe bildgebend eine deutliche H&ouml;henminderung des Bandscheibenfaches auf. Nachteile dieser Studie waren neben einigen methodischen Schw&auml;chen die Verwendung der autologen Zellen ohne spezielles Tr&auml;germaterial.<br /> Eine prospektive Studie von Coric et al umfasste die Injektion von allogenen juvenilen Chondrozyten mit einem Tr&auml;germaterial aus Fibrin. Relevante Nebenwirkungen wie Absto&szlig;ungsreaktionen wurden in einem Zeitraum von zw&ouml;lf Monaten nicht beobachtet &ndash; bei erstaunlich guter klinischer und radiologischer Befundbesserung. Anzumerken ist hierbei jedoch, dass Fibrin f&uuml;r chondrogene Zellen als Tr&auml;germaterial nicht die beste Wahl darstellt, da der Kontakt mit Fibrin sogar zum Knorpelabbau f&uuml;hren kann. Hyalurons&auml;ure und Chondroitinsulfat als Biomaterialien garantieren in einer definierten Konzentration eine nat&uuml;rliche Umgebungsstruktur f&uuml;r Chondrozyten, damit ein ausgeglichenes N&auml;hrstoffangebot und letztlich eine h&ouml;here &Uuml;berlebensrate der transplantierten Zellen durch einen antiinflammatorischen und osmotischen Effekt. Dieser Therapieansatz wird im Rahmen der N-Disc-Studie aufgegriffen und derzeit prospektiv randomisiert an 120 Patienten in einer Phase-I/II-Kombinationsstudie untersucht. Hierbei werden autologe Knorpelzellen nach einer lumbalen Sequestrektomie gez&uuml;chtet (Abb. 1) und nach drei Monaten in einem Sekund&auml;reingriff reimplantiert (Abb. 2). Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite69_2.jpg" alt="" width="381" height="483" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Trotz erheblicher Entwicklungsfortschritte erf&uuml;llen die momentan zur Verf&uuml;gung stehenden Matrices zur biologischen Rekonstruktion von Bandscheibendegenerationen noch nicht alle an sie gestellten Anforderungen. Dies gilt insbesondere f&uuml;r ihre Verwendung als Tr&auml;germaterial f&uuml;r die Transplantation chondrogener Zellen. Zusammenfassend k&ouml;nnte die Nucleusaugmentation, speziell nach Bandscheibenoperationen, produktiv in den komplexen pathophysiologischen Prozess der Bandscheibendegeneration mit antikatabolen und inflammatorischen Faktoren eingreifen. Vermutlich ist dieses Verfahren jedoch in den Sp&auml;tstadien des Degenerationsprozesses nicht mehr erfolgversprechend. Mithilfe einer neuen Generation von Biomaterialien, die derzeit Mittelpunkt intensiver Forschung sind, soll es in Zukunft auch m&ouml;glich werden, fortgeschrittene Bandscheibensch&auml;den biologisch zu rekonstruieren. Die autologe Chondrozytentransplantation selbst stellt zudem ein sicheres Verfahren dar, die Effektivit&auml;t dieses Therapieverfahrens ist noch unklar. Eine randomisierte Phase-II-Studie wird derzeit abgeschlossen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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