
Varicella-zoster-Infektionen während krankheitsmodifizierender MS-Therapien
Bericht: Dipl.-Ing. Dr. Manuel Spalt-Zoidl
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Neue immunsupprimierende krankheitsmodifizierende Therapien (DMT) für Multiple Sklerose (MS) können die Lebensqualität der Patient:innen entscheidend verbessern. Eine mögliche Nebenwirkung der immunsupprimierenden Therapien ist jedoch das gehäufte Auftreten von Infektionen wie mit dem Herpesvirus Varicella-zoster (VZV). Um Daten über die Risiken einzelner DMT aus dem Praxisalltag zu generieren, analysierten Balshi et al. die Daten einer öffentlich zugänglichen Pharmakovigilanzdatenbank.
Der Einsatz von immunsupprimierenden krankheitsmodifizierenden Therapien (DMT) für die Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) geht mit einem erhöhten Risiko für Infektionen mit dem Varicella-zoster-Virus (VZV) einher. Das weitverbreitete und oft harmlose Herpesvirus ist bekannt als Verursacher der sich als Gürtelrose äussernden Erkrankung, die mit schmerzhaften Zosterbläschen einhergeht und schwerwiegende Komplikationen wie Schmerzen, Meningitis oder Lähmungen des Gesichtsnervs mit sich bringen kann.
Um Daten über die entsprechenden Risiken einzelner DMT aus dem Praxisalltag zu generieren, analysierten Balshi und Kolleg:innen Einträge aus der OpenVigil-2.1-Datenbank, einer bereinigten Version der «Food and Drug Administration Adverse Event Reporting System»(FAERS)-Datenbank.1 Die Analyse umfasste den Zeitraum von 1968 bis 2024 und eine Reihe von DMT, die für die Behandlung der MS zugelassen sind. Auch moderne Moleküle, wie die Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulatoren (S1PRM) Fingolimod, Siponimod und Ozanimod, waren in die Analyse eingeschlossen. Glatirameracetat und Interferon-β-Therapien wurden ausgeschlossen, da diese keine immunsupprimierenden Eigenschaften aufweisen.
Um das relativ häufigere Auftreten von VZV-Infektionen im Vergleich zu anderen Arzneimitteln zu erfassen, berechneten Balshi und Kolleg:innen die «reporting odds ratio» (ROR) der einzelnen DMT. Für die Berechnung wurden die individuellen Anteile der VZV-Infektionen verglichen mit den entsprechenden Anteilen aller anderen in der Datenbank gelisteten Arzneimittel. Ausgeschlossen wurden Meldungen, bei denen die DMT nicht für die Behandlung der MS eingesetzt wurde, mehr als eine DMT vor der VZV-Infektion gegeben wurde oder Kortikosteroide als Begleitmedikation eingesetzt wurden.
Insgesamt fanden die Autor:innen 4210 Einträge einer VZV-Infektion bei Patient:innen, die eine immunsupprimierende DMT für die Behandlung von MS erhielten. Davon fielen 1351 Infektionen (32,1%) auf Patient:innen unter 50 Jahren und 27 Fälle verliefen tödlich. Die ROR der analysierten Arzneimittel sowie die entsprechenden 95%-Konfidenzintervalle sind in Abbildung 1 dargestellt.
Abb. 1: «Reporting odds ratios» (ROR) und zugehörige 95%-Konfidenzintervalle verschiedener krankheitsmodifizierender Multiple-Sklerose-Therapien im Vergleich (modifiziert nach Balshi A et al.)1
Auffallend sind die hohen relativen Häufigkeiten von VZV-Infektionen bei monoklonalen Antikörpern, die gegen Oberfächenantigene der B-Zellen gerichtet sind, wie Alemtuzumab und Ocrelizumab. Diese Infektionen scheinen bei den S1PRM Fingolimod, Siponimod und Ozanimod deutlich seltener aufzutreten. Innerhalb der Substanzklasse sind die für S1P1- und S1P5-Subtypen selektiven Arzneimittel Ozanimod und Siponimod mit selteneren VZV-Infektionen assoziiert als das nicht selektive Fingolimod.
Die Studie von Balshi und Kolleg:innen liefert Hinweise, dass DMT für die Behandlung von MS mit einem relativ häufigeren Auftreten von VZV-Infektionen verbunden sind als andere Arzneimittel. Obwohl diese Infektionen in der Regel mit einem fortgeschrittenen Alter assoziiert sind, traten sie bei immunsupprimierten MS-Patient:innen häufig auch schon vor dem 50. Lebensjahr auf. Ausserdem wurden tödliche Verläufe gemeldet.
Die Autor:innen geben jedoch zu bedenken, dass es sich hier nicht um eine direkte kontrollierte Vergleichsstudie handelt. Ausserdem beruht die FAERS-Datenbank auf freiwilligen Meldungen der unerwünschten Ereignisse. Dies kann zu Unter- oder Überberichterstattung führen. Zudem lässt sich aus den Daten keine Inzidenzrate berechnen, da die Gesamtzahl der behandelten Patient:innen nicht erfasst wird.
Aufgrund der erhobenen Daten schliessen Balshi und Kolleg:innen, dass eine Immunisierung gegen Varicella-zoster bei allen Patient:innen vor dem Start einer immunsupprimierenden DMT für die Behandlung von MS sinnvoll ist, wobei weitere Daten über die Effektivität der Immunisierung in dieser Situation erhoben werden müssen.
Literatur:
1 Balshi A et al.: Herpes zoster infections with multiple sclerosis disease-modifying therapies: a real-world pharmacovigilance study. Neurol Clin Pract 2025; 15(2): e200462
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