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Autoimmunmediierte Epilepsiesyndrome

<p class="article-intro">Autoimmunenzephalitiden (AIE) sind Ursache einer Reihe neurologischer Symptome. Hierzu gehören in vielen Fällen epileptische Anfälle. Dem Zusammenhang von AIE und epileptischen Anfällen widmet sich folgender Artikel.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei neu auftretenden epileptischen Anf&auml;llen ohne anderweitige erkl&auml;rende Pathologie sollte eine AIE in Betracht gezogen werden.</li> <li>FBDS sind quasi pathognomonisch f&uuml;r die LGI1-Enzephalitis.</li> <li>Bei ausreichendem Verdachtsmoment f&uuml;r eine AIE sollte eine fr&uuml;hzeitige immunsuppressive Therapie begonnen werden.</li> <li>Die Antikonvulsiva-Therapie unterscheidet sich aktuell nicht von der bei Epilepsie anderer &Auml;tiologie.</li> <li>Epilepsiechirurgische Eingriffe im Kontext einer AIE-bedingten therapieresistenten Epilepsie sind Einzelfallentscheidungen und erfordern ggf. den Ausschluss weiterer epileptogener Herde mittels intrakranieller EEG-Ableitung.</li> </ul> </div> <h2>In medias res &hellip;</h2> <p>Eine 67-j&auml;hrige Frau wurde zur weiteren Abkl&auml;rung rezidivierender Ereignisse, w&auml;hrend derer sie pl&ouml;tzlich und ohne Bewusstseinsverlust st&uuml;rzte oder ihr etwas aus der Hand fiel, auf unsere Epilepsiemonitoring-Einheit aufgenommen. Zudem berichtete sie, in den Monaten zuvor zunehmende Ged&auml;chtnis- und Konzentrationsprobleme bemerkt zu haben. Im Video-EEG stellten sich die Ereignisse als sehr kurze (etwa 1 Sekunde) linksbetonte tonische Mundverziehung und ebenfalls linksbetonte Tonuszunahme der Arme dar, a.e. brachiofazialen dystonen Anf&auml;llen entsprechend. Bei einigen Anf&auml;llen konnte auch eine Beteiligung des linken Beins dokumentiert werden, was die Sturzattacken erkl&auml;ren d&uuml;rfte. In der EEG-Ableitung fanden sich keine epilepsietypischen Potenziale. In der erweiterten Diagnostik zeigten sich diskrete entz&uuml;ndliche Liquorver&auml;nderungen (11 Zellen/&micro;l, lymphomonozyt&auml;res Zellbild, oligoklonale Banden negativ). Antik&ouml;rper gegen LGI1 waren im Serum sowie im Liquor (initialer Titer 1:64) positiv. Das zerebrale MRT zeigte eine Signalanhebung der rechten Amygdala und des rechten Hippocampus in der FLAIR-Wichtung (Abb. 1). In der Zusammenschau konnte die Diagnose einer LGI1-Antik&ouml;rper-assoziierten limbischen Enzephalitis gestellt werden. Die Patientin zeigte ein gutes Ansprechen auf eine 5-t&auml;gige Steroidpulstherapie (1g Methylprednisolon i.v. an jeweils 5 Tagen) mit anschlie&szlig;endem langsamem Ausschleichen der Steroide, kombiniert mit einer Gabe von intraven&ouml;sen Immunglobulinen (5x 0,4g/kg/d). Nach etwa einem Jahr kam es unter einer residualen Dosis von 2mg Methylprednisolon zu einem R&uuml;ckfall, nach erneutem Steroidsto&szlig; und anschlie&szlig;ender steroidsparender Therapie mit Azathioprin blieb die Patientin jedoch anhaltend anfallsfrei.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1804_Weblinks_s20.jpg" alt="" width="350" height="477" /></p> <h2>Die LGI1-Enzephalitis</h2> <p>Der oben berichtete Fall umrei&szlig;t die LGI1-Enzephalitis als modellhafte, h&auml;ufig mit einer Epilepsie assoziierte AIE. Diese geht mit Antik&ouml;rpern einher, die gegen das &bdquo;leucine-rich glioma-inactivated protein 1&ldquo; gerichtet sind, ein in den synaptischen Spalt sezerniertes Protein, welches mit dem spannungsabh&auml;ngigen Kaliumkanal (VGKC) assoziiert ist. Die LGI1-Enzephalitis betrifft bevorzugt M&auml;nner und tritt vorwiegend in fortgeschrittenem Lebensalter auf. Pathognomonisch f&uuml;r diese AIE sind die faziobrachialen dystonen Anf&auml;lle (FBDS), wobei auch die Beine involviert sein k&ouml;nnen, was sich klinisch z.B. als &bdquo;drop attack&ldquo; &auml;u&szlig;ert. Wie auch bei unserer Patientin ist das interiktale und selbst das iktale EEG oft unauff&auml;llig oder allenfalls unspezifisch ver&auml;ndert. Aufgrund der K&uuml;rze der Anf&auml;lle werden die Ereignisse vom Patienten selbst und z.T. auch vom Beobachter nicht als epileptische Ereignisse wahrgenommen und es bedarf des Video-EEGs f&uuml;r die korrekte Einordnung. Neben den FBDS k&ouml;nnen auch epileptische Anf&auml;lle anderer Semiologie auftreten. Eine fr&uuml;hzeitige immunsuppressive Therapie ist indiziert, zumal es Hinweise gibt, dass diese der Entwicklung (oft persistierender) kognitiver Defizite vorbeugen kann.<sup>1</sup></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Enzephalitis und Epilepsie</h2> <p>AIE bedingen eine erhebliche Morbidit&auml;t. So kann es zu bleibenden fokalneurologischen Symptomen, insbesondere aber auch zu kognitiven und neuropsychiatrischen Defiziten kommen.<sup>2, 3</sup> Zudem gehen Enzephalitiden nicht nur mit Akutanf&auml;llen einher, sondern auch mit dem Risiko einer persistierenden Epilepsie.<sup>4&ndash;7</sup> Diese beiden Entit&auml;ten sind vermutlich durch unterschiedliche Pathomechanismen bedingt. W&auml;hrend Erstere am ehesten durch akute metabolische Ver&auml;nderungen bedingt sein d&uuml;rften, liegen Letzterer wahrscheinlich strukturelle Umbauten neuronaler Netzwerke zugrunde, die durch inflammatorische Prozesse initiiert und unterhalten werden und eine anhaltende Neigung zur Generierung epileptischer Anf&auml;lle bedingen.<sup>8</sup></p> <p>Unter den AIE werden solche mit Antik&ouml;rpern gegen intrazellul&auml;re Antigene von jenen mit gegen extrazellul&auml;r lokalisierten Epitopen gerichteten Antik&ouml;rpern unterschieden. Letztere betreffen in der Regel ionotrope Neurotransmitterrezeptoren oder deren Adh&auml;sionsmolek&uuml;le.<sup>9</sup> Nicht alle AIE gehen gleicherma&szlig;en h&auml;ufig mit epileptischen Anf&auml;llen einher. Besonders oft scheint dies f&uuml;r die Anti-LGI1- und die Anti-GABABR-Enzephalitis der Fall zu sein. Hier werden Anf&auml;lle in etwa 90 % aller F&auml;lle beobachtet. Aber auch die Anti-NMDAR-, Anti-Hu- und Anti-GABAAR-Enzephalitiden sind in mehr als 50 % der F&auml;lle mit epileptischen Anf&auml;llen assoziiert.<sup>10</sup></p> <p>Andersherum betrachtet k&ouml;nnen auch in einem betr&auml;chtlichen Anteil von Patienten mit Erstmanifestation einer Epilepsie bzw. mit einer etablierten Epilepsie unbekannter &Auml;tiologie Antik&ouml;rper, welche potenziell mit einer AIE assoziiert sind, gefunden werden. Von 112 in einer entsprechenden Studie eingeschlossenen Patienten war dies bei 39 (34,8 % ) der Fall. Nach Ausschluss solcher Antik&ouml;rper, welche h&auml;ufig ein unspezifisches Epiph&auml;nomen darstellen (TPO- und niedrigtitrige GAD65-Antik&ouml;rper), verblieben immer noch 23 (20,5 % ) antik&ouml;rperpositive Patienten.<sup>11</sup> &Auml;hnliche Ergebnisse ergab eine weitere Studie an Patienten mit einer gesicherten Temporallappenepilepsie und Hippocampussklerose. 22 % der Patienten waren seropositiv, besonders h&auml;ufig waren Antik&ouml;rper gegen CASPR2.<sup>12</sup> Diese Daten zeigen, dass eine autoimmunologische Genese auf jeden Fall bedacht werden muss, wenn sich ein Patient mit einer anderweitig unerkl&auml;rten Epilepsie pr&auml;sentiert. Allerdings sollte die Diagnose einer AIE nicht unkritisch aufgrund eines positiven Antik&ouml;rpertiters erfolgen. Gerade niedrige Titer von lediglich im Serum (und nicht im Liquor) gefundenen Antik&ouml;rpern k&ouml;nnen durchaus unspezifisch sein, sodass weitere Informationen &ndash; andere klinische Symptome, Ergebnisse der MR-Tomografie und der Liquoranalyse &ndash; mit in Betracht gezogen werden m&uuml;ssen.<sup>13</sup></p> <h2>Therapie bei AIE und epileptischen Anf&auml;llen</h2> <p>Die therapeutischen Empfehlungen zur AIE beruhen bisher im Wesentlichen auf Einzelfallberichten, Studien an kleineren Kohorten und Expertenmeinung. In erster Linie wird in der Regel zur Gabe von Glukokortikoiden, intraven&ouml;sen Immunglobulinen oder zur Durchf&uuml;hrung einer Plasmapherese geraten. Bei mangelndem Ansprechen kann die Therapie mittels Rituximab und/oder Cyclophosphamid eskaliert werden. Aber auch neuere Substanzen &ndash; z.B. Bortezomib oder Tocilizumab &ndash; kommen in Einzelf&auml;llen zum Einsatz.<sup>9, 10</sup> Die Behandlung der durch eine AIE bedingten epileptischen Anf&auml;lle unterscheidet sich zun&auml;chst nicht wesentlich von der einer Epilepsie aufgrund anderer &Auml;tiologie. Zwar gibt es Hinweise daf&uuml;r, dass einzelne Antikonvulsiva im Kontext der AIE wirksamer sein k&ouml;nnten als andere: So konnte z.B. in einer retrospektiven Studie an 50 Patienten mit AIE und epileptischen Anf&auml;llen eine h&ouml;here Rate an Anfallsfreiheit unter einer Therapie mit Natriumkanal-blockierenden Substanzen im Vergleich zu dem im untersuchten Kollektiv am h&auml;ufigsten verwendeten Antikonvulsivum Levetiracetam gezeigt werden.<sup>14</sup></p> <p>Kontrovers diskutiert wird die Durchf&uuml;hrung epilepsiechirurgischer Ma&szlig;nahmen bei Patienten mit einer therapierefrakt&auml;ren, durch eine AIE bedingten Epilepsie. Eine der diesbez&uuml;glich gr&ouml;&szlig;ten Fallsammlungen, welche retrospektiv den postoperativen Verlauf von 13 Patienten mit therapieresistenter Temporallappen&shy;epilepsie und antineuronalen Antik&ouml;rpern untersuchte, ergab, dass nur 16 % der Patienten nach dem epilepsiechirurgischen Eingriff anfallsfrei waren.<sup>15</sup> Dies ist ein deutlich schlechteres Resultat als bei ansonsten vergleichbaren seronegativen Patienten. M&ouml;gliche Ursachen hierf&uuml;r liegen im Studiendesign (kleine Gruppe, multiple Zentren), aber auch im Patientenkollektiv. Eventuell liegt auch bei solchen AIE-Patienten mit einer unilateralen Hippocampussklerose noch eine residuale aktive Inflammation &uuml;ber den resezierten Bereich hinaus bzw. an g&auml;nzlich anderer Stelle (z.B. dem kontralateralen mesialen Temporallappen) vor. Ein solcher Eingriff muss daher immer eine Einzelfallentscheidung sein und ein bilateraler epileptogener Fokus gegebenenfalls im Vorfeld mittels intrakraniellem EEG ausgeschlossen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Aurangzeb S et al.: LGI1-antibody encephalitis is characterised by frequent, multifocal clinical and subclinical seizures. Seizure 2017; 50: 14-7 <strong>2</strong> Zhao L et al.: Clinical characteristics and outcome of clinically diagnosed viral encephalitis in southwest China. Neurol Sci 2015; 36(12): 2191-7 <strong>3</strong> Pewter SM et al.: Neuropsychological and psychi&shy;atric profiles in acute encephalitis in adults. Neuropsychol Rehabil 2007; 17(4-5): 478-505 <strong>4</strong> Bauer J, Bien CG: Encephalitis and epilepsy. Semin Immunopathol 2009; 31(4): 537-44 <strong>5</strong> Michael BD, Solomon T: Seizures and encephalitis: clinical features, management, and potential pathophysiologic mechanisms. Epilepsia 2012; 53(Suppl 4): 63-71 <strong>6</strong> Sellner J, Trinka E: Clinical characteristics, risk factors and pre-surgical evaluation of post-infectious epilepsy. Eur J Neurol 2013; 20(3): 429-39 <strong>7</strong> Misra UK et al.: Viral encephalitis and epilepsy. Epilepsia 2008; 49: 13-8 <strong>8</strong> Aronica E et al.: Neuroinflammatory targets and treatments for epilepsy validated in experimental models. Epilepsia 2017; 58(Suppl 3): 27-38 <strong>9</strong> Dalmau J, Graus F: Antibody-mediated encephalitis. N Engl J Med 2018; 378(9): 840-51 <strong>10</strong> Bauer J et al.: Innate and adaptive immunity in human epilepsies. Epilepsia 2017; 58(Suppl 3): 57-68 <strong>11</strong> Dubey D et al.: Neurological autoantibody prevalence in epilepsy of unknown etiology. JAMA Neurol 2017; 74(4): 397-402 <strong>12</strong> Vanli-Yavuz EN et al.: Neuronal autoantibod&shy;ies in mesial temporal lobe epilepsy with hippocampal sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2016; 87(7): 684-92 <strong>13</strong> Bien CG et al.: Anti-contactin-associated protein-2 encephalitis: relevance of antibody titres, presentation and outcome. Eur J Neurol 2017; 24(1): 175-86 <strong>14</strong> Feyissa AM et al.: Antiepileptic drug therapy in patients with autoimmune epilepsy. Neurol - Neuroimmunol Neuroinflammation [Internet] 2017; 4(4). Available from: http://nn.neurology.org/content/4/4/e353.abstract <strong>15</strong> Carre&ntilde;o M et al.: Epilepsy surgery in drug resistant temporal lobe epilepsy associated with neuronal antibodies. Epilepsy Res 2017; 129: 101-5</p> </div> </p>
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