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Schwangerschaften mit unklarem Sitz
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Gwendolin Manegold-Brauer
Leitende Ärztin Abteilung gyn. Sonographie<br> und Pränataldiagnostik, Frauenklinik,<br> Universitätsspital Basel<br> E-Mail: gwendolin.manegold-brauer@usb.ch
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">Schwangerschaften, bei denen ein positives Beta-HCG vorliegt, die Lage der Schwangerschaft jedoch sonografisch nicht verifiziert werden kann, bezeichnet man als Schwangerschaften mit unklarem Sitz. International wird der Begriff «pregnancy of unknown location» (PUL) verwendet.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei Schwangerschaften mit unklarem Sitz besteht das Risiko einer ektopen Schwangerschaft (ca. 10–15 %), die aufgrund der klinischen Bedeutung möglichst früh erkannt werden sollte.</li> <li>Die klinische Symptomatik der ektopen Schwangerschaft ist häufig unspezifisch.</li> <li>Durch die detaillierte Sonografie durch einen Experten kann die Rate an Schwangerschaften mit unklarem Sitz reduziert werden.</li> <li>Der Beta-HCG-Wert bei Diagnose und nach 48 Stunden sowie das Serum-Progesteron können zur Einschätzung des Risikos für eine ektope Schwangerschaft und damit für das Follow-up herangezogen werden.</li> </ul> </div> <p>Bei einer PUL sind fünf verschiedene Outcomes möglich: eine normale intrauterine Schwangerschaft, ein Frühabort, eine nicht intakte PUL, eine ektope Schwangerschaft und eine persistierende PUL. Die frühzeitige Diagnose einer ektopen Schwangerschaft (ca. 10–15 %) ist aufgrund des klinischen Handlungsbedarfs für die Sicherheit einer Patientin sehr wichtig. Für das Follow- up einer PUL und für die Risikoeinschätzung im Hinblick auf eine ektope Schwangerschaft können das Beta-HCG bei Erstvorstellung und nach 48 Stunden sowie der Serum- Progesteronwert herangezogen werden.</p> <h2>Definition und Outcome einer PUL</h2> <p>Die Mutterschaftsrichtlinien sehen keine Ultraschalluntersuchung in der Frühschwangerschaft vor, jedoch wird aus den verschiedensten Gründen häufig in der Frühschwangerschaft eine Sonografie durchgeführt. Dies aufgrund von Symptomen wie Schmerzen oder vaginalen Blutungen, zur Bestätigung der Vitalität einer Schwangerschaft oder bei unklaren Terminen. Wenn dann sonografisch weder eine intrauterine noch eine extrauterine Schwangerschaft festgestellt werden kann, spricht man von einer Schwangerschaft mit unklarem Sitz oder einer «pregnancy of unknown location» (PUL). Aus der Mehrheit dieser PUL wird sich eine normale intrauterine Schwangerschaft entwickeln. Bei ungefähr 10–15 % der PUL liegt eine ektope Schwangerschaft vor. Da bei ektopen Schwangerschaften eine signifikante Morbidität und Mortalität besteht, sind die engmaschige Überwachung einer PUL und die frühzeitige Diagnose einer ektopen Schwangerschaft sehr wichtig. In einigen Fällen lässt sich der Schwangerschaftssitz nie eindeutig belegen. Man spricht von einer persistierenden PUL, wenn der Beta-HCG-Wert persistiert, der Sitz aber nie festgestellt wird, und von einer nicht intakten PUL, wenn der Beta-HCG-Wert bis auf 0 sinkt, ohne dass der SS-Sitz je visualisiert wird. Bei der persistierenden PUL ist, wie bei der ektopen Schwangerschaft auch, eine Behandlung nötig. Wenn eine PUL festgestellt wird, ist zunächst die engmaschige Überwachung indiziert. Das Management von Frauen mit einer PUL ist wenig standardisiert und in den meisten Fällen finden engmaschige Kontrollen – alle 1–2 Tage – statt, da es eine Herausforderung ist, die ektopen Schwangerschaften sicher zu diagnostizieren. Ein Expertenultraschall reduziert die Rate an PUL. Zur Triagierung sind neben der Klinik und Sonografie das Serum-Beta-HCG und das Serum-Progesteron hilfreich.</p> <h2>Beta-HCG und Ultraschalldiagnostik</h2> <p>Es wird häufig gelehrt, dass Beta- HCG-Werte in vorhersehbarer Weise steigen müssen, wenn die Schwangerschaften intakt sind (Verdoppelung in 48 Stunden). Ebenso verhält es sich mit den Beta-HCG-Cut-offs zwischen 1500 und 2000 IU/l, bei denen erwartet wird, dass man eine intrauterine Schwangerschaft sonografisch sehen sollte. Die klinische Praxis lehrt einen dann aber, dass die Situation deutlich komplexer ist. <br />So ist es durchaus möglich, dass der Beta-HCG-Wert über 2000 IU/l liegt, aber der Uterus trotz intakter intrauteriner Schwangerschaft leer aussieht. Tatsächlich werden bei einem Beta-HCG von 1500 IU/l ca. 80 % und bei einem Wert von 2000 IU/l ca. 91 % aller Schwangerschaften detektiert.<sup>1</sup> Wenn eine Schwangerschaft trotz hohen Werten nicht nachweisbar ist, kann es sich z.B. um Mehrlinge handeln, bei denen die Beta-HCG-Werte schon in einer früheren Woche hoch sind. Auch bei einem Uterus myomatosus kann alleine aufgrund der Schallschatten der Myome eine intrauterine Schwangerschaft sonografisch nicht darstellbar sein. <br />Es wird häufig angenommen, dass der Beta-HCG-Wert in der Frühschwangerschaft sich bei intakten Schwangerschaften innerhalb von 48 Stunden verdoppeln sollte. Neuere Studien zeigen jedoch, dass auch ein Anstieg um nur 53 % bei intakten Schwangerschaften normal sein kann.<sup>2</sup> Es ist also durchaus möglich, dass die Beta- HCG-Werte langsamer und variabler steigen als bisher angenommen. In einer erwünschten Schwangerschaft ist es deshalb sehr wichtig, nicht zu früh zu intervenieren. Umgekehrt kann auch bei einem Anstieg des Beta-HCG um 53 % eine ektope Schwangerschaft vorliegen. Ein sinkender Beta-HCG-Wert deutet darauf hin, dass die Schwangerschaft nicht intakt ist, liefert allerdings keine Information über den Sitz der Schwangerschaft. <br />Mit der Beta-HCG-Ratio (48 h-Beta-HCG/ 0 h-Beta-HCG) kann man das Outcome einschätzen. Liegt die Ratio unter 0,87, handelt es sich am ehesten um eine nicht intakte PUL. Bei Werten zwischen 0,87 und 1,66 ist eine ektope Schwangerschaft bzw. eine persistierende PUL wahrscheinlich, bei Werten über 1,66 handelt es sich am ehesten um eine intakte Schwangerschaft.<sup>3 </sup></p> <h2>Progesteron</h2> <p>Das Serum-Progesteron eignet sich, um zwischen intakten und nicht intakten Schwangerschaften zu unterscheiden. Es eignet sich nicht zur Differenzierung von ektopen Schwangerschaften und gestörten intrauterinen Frühschwangerschaften. Werte unter 5 ng/ml gelten als diagnostisch für eine nicht intakte PUL und Werte über 20 ng/ml sprechen für eine intakte intrauterine Schwangerschaft. Bei den meisten ektopen Schwangerschaften liegt der Progesteronwert zwischen 10 und 20 ng/ml und ist damit klinisch nicht hilfreich, um ektope Schwangerschaften auszuschliessen. Bei sehr niedrigem Progesteron eignet sich der Wert, um grössere Kontrollintervalle zu wählen, da es unwahrscheinlich ist, dass eine Behandlung nötig sein wird.<sup>4 </sup></p> <h2>Risikoeinschätzung und Modelle für vereinheitlichtes Management bzw. Follow-up</h2> <p>Alle im Vorfeld beschriebenen Marker können hilfreich sein, um das Outcome einer PUL einzuschätzen. Die Ultraschalluntersuchung durch einen Experten kann dazu beitragen, die Rate an PUL zu senken, und sollte bei klinischer Symptomatik oder sonografisch unklarem Befund zusätzlich durchgeführt werden. Bei den Serummarkern wird aktuell eine grosse prospektive klinische Validierungsstudie in England durchgeführt, die ein Management-Protokoll basierend auf dem ersten Beta-HCG und Progesteron sowie dem 48 h-Beta-HCG vorsieht (M6-Modell). Das Modell wurde anhand von 2753 PUL-Fällen entwickelt.<sup>5</sup> Die Patientinnen werden anhand ihrer Werte in Risikokategorien eingeordnet. Besteht ein hohes Risiko für eine ektope SS, werden alle 48 Stunden Ultraschall- und Beta- HCG-Kontrollen durchgeführt, bis der Schwangerschaftssitz visualisiert werden kann. Falls es sich am ehesten um eine nicht intakte PUL handelt, wird ein Urin-Schwangerschaftstest nach 2 Wochen empfohlen. Handelt es sich am ehesten um eine intakte Schwangerschaft, wird ein Termin für eine Ultraschallkontrolle in 1 Woche vereinbart (Abb. 1). Das Modell M6 steht aktuell als kostenpflichtige App zur Verfügung («early pregnancy Leuven»). Mit diesem Modell werden ca. 62 % der PUL-Fälle als Niedrigrisiko klassifiziert. 92 % aller ektopen Schwangerschaften werden richtig eingeordnet und ins engmaschige Follow-up aufgenommen. Falls sich dieses Modell in der Validierung bewährt, wäre dies ein idealer Ansatz, um das klinische Management zu vereinheitlichen. Man könnte dann in über der Hälfte der Fälle auf engmaschige Kontrollen verzichten.<sup>6</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Gyn_1903_Weblinks_s12_abb1.jpg" alt="" width="1580" height="854" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Connolly A et al.: Reevaluation of discriminatory and threshold levels for serum β-hCG in early pregnancy. Obstet Gynecol 2013; 121(1): 65-70 <strong>2</strong> Barnhart KT et al.: Symptomatic patients with an early viable intrauterine pregnancy. Obstet Gynecol 2004; 104(1): 50-5 <strong>3</strong> Condous G et al.: General obstetrics: failing pregnancies of unknown location: a prospective evaluation of the human chorionic gonadotropin ratio. BJOG 2006; 113(5): 521-7 <strong>4</strong> Verhaegen J et al.: Accuracy of single progesterone test to predict early pregnancy outcome in women with pain or bleeding: metaanalysis of cohort studies. BMJ 2012; 345(4): e6077 <strong>5</strong> Van Calster B et al.: Managing pregnancy of unknown location based on initial serum progesterone and serial serum hCG levels: development and validation of a two-step triage protocol. Ultrasound Obstet Gynecol 2016; 48(5): 642-9 <strong>6</strong> Bobdiwala S et al.: Factors to consider in pregnancy of unknown location. Women’s Health 2017; 13(2): 27-33</p>
</div>
</p>
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