
Sport und Insulin – gibt es Unterschiede? Die ULTRAFLEXI-1-Studie gibt Antwort
Autoren:
Mag. Alexander Müller1,2
Prof. Dr. Othmar Moser1,2,3
Prof. Dr. med. Harald Sourij, MBA1,2
1 Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Graz
2 Trial Unit für Interdisziplinäre Metabolische Medizin, Medizinische Universität Graz
3 Exercise Physiology & Metabolism (Sportmedizin), Bayreuther Zentrum für Sportwissenschaft – BaySpo
Universität Bayreuth, Bayreuth
E-Mail:
ha.sourij@medunigraz.at
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Insulin glargin U300 (Gla-300) und Insulin degludec U100 (IDeg-100) sind heute häufig verwendete Basalinsuline bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Die ULTRAFLEXI-1-Studie untersuchte nun, ob es bei diesen beiden Basalinsulinen Unterschiede in Bezug auf die Zeit im Unterzuckerbereich nach Bewegung gibt, wenn sich Menschen mit diesen Insulinen spontan entschliessen, Sport zu machen.
Keypoints
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Ausdauerorientierte physische Aktivität im Ausmass von 150 Minuten pro Woche bei mittlerer Intensität werden zur Aufrechterhaltung der Gesundheit empfohlen, dies gilt für die Allgemeinbevölkerung sowie für Menschen mit Typ-1-Diabetes.
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Unter Insulin glargin U300 (100%-Dosis) verbrachten die Studienpatient*innen weniger «Zeit unter dem Zielbereich» (<3,9mmol/l) in den 24 Stunden nach spontanen Sporteinheiten im Vergleich zu Insulin degludec U100 in der vollen Dosis (100%).
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Eine Reduktion von Insulin degludec U100 um 25% an den Sporttagen zeigte eine vergleichbar niedrige Zeit unter dem Zielbereich wie Insulin glargin U300 in der vollen Dosierung.
Körperliche Aktivität von Menschen mit Typ-1-Diabetes
Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes trägt regelmässige körperliche Aktivität zu einer Verbesserung kardiovaskulärer Risikofaktoren und einem optimierten Blutzuckermanagement bei. Zusätzlich unterstützt regelmässige Bewegung die Gewichtskontrolle und steigert die Insulinsensitivität.1,2
Körperliche Aktivität kann jedoch für Menschen mit Typ-1-Diabetes auch Risiken mit sich bringen: Abhängig von der Sportart, der Dauer und der Intensität ist das Risiko für eine Hypoglykämie auch noch Stunden nach der sportlichen Belastung weiterhin gegeben. Hypoglykämien oder die Angst vor dem Auftreten von Hypoglykämien führen dazu, dass zahlreiche Menschen mit Typ-1-Diabetes ihre körperlichen Aktivitäten reduzieren.3,4 Daher istes entscheidend, durch die Optimierung der Insulintherapie und durch den Einsatz von technologischen Entwicklungen wie dem kontinuierlichen Glukosemonitoring das Risiko für Hypoglykämien zu reduzieren.
Die nun vorliegende ULTRAFLEXI-1-Studie untersuchte den Einfluss von zwei aktuellen Basalinsulinen der «2. Generation» (Insulin glargin U300 [Gla-300] und Insulin degludec U100 [IDeg-100]) auf das Hypoglykämierisiko, wenn die Insuline an Tagen mit spontanen Bewegungseinheiten entweder in regulärer Standarddosierung (100%) oder reduzierter Dosis (75%) verabreicht wurden. Die Daten wurden am EASD-Kongress in Stockholm präsentiert.5
Studiendesign und Resultate
Um den Vergleich der Basalinsuline mit unterschiedlicher Dosierung bei spontan durchgeführten Sporteinheiten bei Menschen mit Typ-1-Diabetes zu untersuchen, wurde eine randomisierte Cross-over-Studie durchgeführt (Abb. 1). Die Studienteilnehmer*innen führten drei Sporteinheiten pro Woche durch, wobei die Tage mit den Sporteinheiten randomisiert wurden. Die Teilnehmer*innen wurden in der Früh darüber informiert, ob sie am jeweiligen Tag zu einer Sporteinheit in das Studienzentrum kommen sollten oder nicht. Als primärer Endpunkt wurde die Zeit unter dem Zielbereich («time below range», TBR <3,9mmol/l) in den 24 Stunden nach den Sporteinheiten untersucht. Weitere sekundäre Endpunkte stellten die verschiedenen glykämischen Bereiche während und nach den Bewegungseinheiten dar.
Abb. 1: Schematische Darstellung des Studiendesigns. Insulin glargin U300 (Gla-300) versus Insulin degludec U100 (IDeg-100) (adaptiert nach Sourij et al.)5
In diese Studie wurden 25 Menschen mit Typ-1-Diabetes (Tab. 1) eingeschlossen, wobei die Studienteilnehmer*innen in Summe 24 Trainingseinheiten mit einer Dauer von jeweils 60 Minuten bei mittlerer Intensität am Fahrradergometer absolvieren sollten. Davon wurden jeweils 6 spontane Trainingseinheiten (3 Trainingseinheiten pro Woche) mit beiden Insulinen und beiden Dosierungen in randomisierter Reihenfolge durchgeführt.
Die Studienteilnehmer*innen bekamen jeden Morgen um 8 Uhr einen Telefonanruf, in dem ihnen mitgeteilt wurde, ob sie am Abend zu einer Sporteinheit kommen sollen oder nicht. Je nach Randomisierung wurde ihnen auch die Dosis des zu injizierenden Basalinsulins mitgeteilt, welches immer zur gleichen Zeit appliziert werden musste (10 Uhr morgens). Die Sporteinheit (Abb. 2) wurde unter ärztlicher Aufsicht am Abend an der Trials Unit für Interdisziplinäre Metabolische Medizin durchgeführt.
Abb. 2: Darstellung des Tagesablaufes mit der abendlichen Sportvisite. Insulin glargin U300 (Gla-300) versus Insulin degludec U100 (IDeg-100) (adaptiert nach Sourij et al.)5
Die Glukosedaten für die Beurteilung der glykämischen Zielbereiche wurden mittels eines verblindeten Dexcom-G6-Systems erfasst.
Ergebnisse
Im Vergleich der beiden Basalinsuline für den 24-Stunden-Zeitraum nach einer Sporteinheit zeigte sich für die 100%-Dosierung ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Basalinsulinen mit einer niedrigeren TBR unter Gla-300 vs. IDeg-100 (2,71% vs. 4,37%; p=0,023). Es lag aber kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Insulinen vor, wenn die Dosis am Tag der Bewegungseinheit auf 75% reduziert wurde (Abb. 3).
Abb. 3: Ergebnisse des primären Endpunktes für die Verweildauer unter dem Zielbereich (TBR <3,9mmol/l Glukosekonzentration). Insulin glargin U300 (Gla-300) versus Insulin degludec U100 (IDeg-100) (adaptiert nach Sourij et al.)5
Im Gegensatz dazu war bei der Analyse der sekundären Zielgrössen die Zeit im Zielbereich («time in range»; TIR) in den 24 Stunden nach den Sporteinheiten unter IDeg-100 100% (67%) signifikant höher als in den anderen 3 Gruppen:
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Gla-300 100%-Dosierung, TIR: 61% (p=0,012),
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IDeg-100 75%-Dosierung, TIR: 60% (p=0,015),
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Gla-300 75%-Dosierung, TIR: 61% (p=0,016).
Bei der Analyse der einzelnen glykämischen Bereiche über einen Zeitraum von 14 Tagen hinweg konnten, wie in Tabelle 2 dargestellt, keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.
Tab. 2: Darstellung der glykämischen Bereiche für beide Insuline und Dosierung. Insulin glargin U300 (Gla-300) versus Insulin degludec U100 (IDeg-100) (adaptiert nach Sourij et al.)5
Fazit
Zusammenfassend bedeutet dies, dass bei Menschen mit Typ-1-Diabetes die Zeit unter dem Zielbereich (<3,9mmol/l) 24 Stunden nach einer spontan durchgeführten Sporteinheit und einer 100%-Dosierung des Basalinsulins an den Sporttagen geringer ist mit Insulin glargin U300 im Vergleich zu Insulin degludec U100.
Literatur:
1 Bohn B et al.: Impact of physical activity on glycemic control and prevalence of cardiovascular risk factors in adults with type 1 diabetes: a cross-sectional multicenter study of 18,028 patients. Diabetes Care 2015; 38: 1536-43 2 Colberg SR et al.: Physical activity/exercise and diabetes: a position statement of the American Diabetes Association. Diabetes Care 2016; 39: 2065-79 3 Riddell MC et al.: Exercise management in type 1 diabetes: a consensus statement. Lancet Diabetes Endocrinol 2017; 5: 377-90 4 Moser O et al.: Reduction in insulin degludec dosing for multiple exercise sessions improves time spent in euglycaemia in people with type 1 diabetes: a randomized crossover trial. Diabetes Obes Metab 2019; 21: 349-56 5 Sourij H et al.: Insulin glargine u300 versus insulin degludec around spontaneous exercise sessions in people with type 1 diabetes: the Ultraflexi-1: study short oral presentation EASD, Stockholm 2022; no 430
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