
Riskante Kombination: Diabetes und Covid-19
Bericht: Reno Barth
Medizinjournalist
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Diabetespatienten sind im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 einem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für Typ-1-Diabetes mit schlechter glykämischer Kontrolle. Experten rufen daher dazu auf, diesen modifizierbaren Risikofaktor in Zeiten der Pandemie zu optimieren. Es erstaunt deshalb nicht, dass dem Thema «Covid-19 und Diabetes» am diesjährigen EASD-Kongress eine ganze Session gewidmet war. Aber auch die personalisierte Medizin, die die Aufteilung der Typ-2-Diabetiker in viele verschiedene Subgruppen bedingt, war ein wichtiges Thema. Und selbstverständlich durfte auch die Präsentation neuster Studienresultate nicht fehlen.
Deutlich höheres Risiko
Laut einer kürzlich in «Lancet Diabetes & Endocrinology» publizierten Arbeit litten rund 30% der 24000 an Covid-19 gestorbenen Briten unter Diabetes. Zum Vergleich: Die Prävalenz von Typ-1-Diabetes liegt im UK bei 0,4%, jene von Typ-2-Diabetes bei 4,6%. Zum Teil lässt sich bei Menschen mit Typ-2-Diabetes die hohe Sterblichkeit im Fall einer Covid-19-Erkrankung durch gemeinsame Risikofaktoren wie Alter und Adipositas bzw. durch Komorbiditäten wie kardiovaskuläre oder renale Erkrankungen erklären. Doch eine hinsichtlich Komorbiditäten und sozialer Faktoren adjustierte Analyse ergab für Typ-1-Diabetes im Vergleich zur Normalbevölkerung eine Erhöhung des Mortalitätsrisikos um den Faktor 2,86 und für Typ-2-Diabetes um 1,8.1
Daten dokumentieren ungünstige Outcomes
Eine Suche auf PubMed zum Thema «Covid-19 and diabetes» ergibt mehr als 1800 Publikationen seit Beginn der Pandemie. «Viele dieser Publikationen dokumentieren eine enge Assoziation zwischen hohen Blutzuckerspiegeln und ungünstigen Outcomes wie mechanischer Beatmung, Behandlung auf der Intensivstation und Tod», kommentiert Prof. Juliana Chan von der Chinese University of Hong Kong. Da schlechte glykämische Kontrolle zu systemischer Inflammation, eingeschränkter Immunabwehr und oft auch einer suboptimalen Kreislaufsituation führt, besteht bei schweren (Infektions-)Krankheiten ein generell erhöhtes Risiko. Hinzu kommt, dass der Stress der akuten Erkrankung auch zur metabolischen Entgleisung mit unkontrollierbarem Blutzuckeranstieg und Multiorganversagen führen kann. Daraus leitet sich jedoch eine klare Botschaft ab, so Chan: «Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes sind in der aktuellen Situation dazu aufgerufen, besonders sorgfältig auf ihre Blutzuckereinstellung zu achten.» Im Gegensatz zu beispielsweise Übergewicht sei die glykämische Kontrolle nämlich ein Risikofaktor, der sich kurzfristig modifizieren lässt. In besonderem Mass gilt dies für Typ-1-Diabetes, zumal eine Analyse der britischen Daten zeigt, dass Typ-1-Diabetes nur bei unzureichender Kontrolle zu einem erhöhten Risiko führt, während ein gut kontrollierter Typ-1-Diabetes das Mortalitätsrisiko bei einer Covid-19-Erkrankung nicht erhöht.2
Medikamente und Therapieformen
Ob bestimmte Diabetesmedikamente oder therapeutische Strategien besonders günstige oder ungünstige Auswirkungen auf die Prognose einer Covid-19-Erkrankung haben, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen, so Prof. Daniel Drucker vom Lunenfeld Tanenbaum Research Institute am Mt. Sinai Hospital in Toronto. Metformin hat zwar antiinflammatorische Effekte, ist jedoch auch mit einem erhöhten Risiko für diabetische Ketoazidose (DKA) assoziiert. Fallserien zeigen keinen Einfluss von Metformin im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung, Fälle von DKA sind jedoch dokumentiert. Drucker warnt vor hysterischen Reaktionen, rät aber bei hospitalisierten Patienten mit sich verschlechternder Nierenfunktion zur Vorsicht.
Bemerkenswerterweise benützen Coronaviren Enzyme, die auch im Management von Diabetespatienten eine Rolle spielen, und zwar als Rezeptoren. Während das MERS-Virus an DPP-4 andockt, nützt SARS-CoV-2 den ACE2-Rezeptor als Pforte in die Zelle. Daraus ergeben sich mechanistische Hintergründe für eine besondere Vulnerabilität von Diabetikern gegenüber Covid-19, zumal ACE2 auch eine wichtige Rolle für die Insulinsekretion und die Insulinwirkung in der Peripherie spielt. Angesichts dieser Wirkungen drängt sich die Frage auf, ob Covid-19 direkt auf das Pankreas wirken und möglicherweise Diabetes verursachen kann. Einige entsprechende Fallberichte liegen vor, die Frage nach einem kausalen Zusammenhang bleibt offen. Drucker hält diesen für unwahrscheinlich, da die Betazelle, soweit man heute weiss, keine ACE2-Rezeptoren exprimiert. Diese finden sich zwar im Pankreas, dort allerdings im duktalen Epithel, auf das sie auch beschränkt bleiben. Das letzte Wort sei in dieser Frage allerdings noch nicht gesprochen, so Drucker.
Abschied von der Diagnose «Typ-2-Diabetes»?
Die amerikanischen und europäischen Diabetesgesellschaften ADA und EASD präsentierten kürzlich in Form eines Konsensus-Reports ihre gemeinsame Position zur Personalisierung des Diabetesmanagements.3 Phäno- und Genotypisierung lösen dabei die «Sammeldiagnose» Typ-2-Diabetes in eine Vielzahl von Clustern auf.
Im Rahmen des EASD-Kongresses wurde ein gemeinsames EASD/ADA-Symposium mit dem Titel «ADA/EASD Precision Medicine in Diabetes Initiative» abgehalten. Das Ziel personalisierter Medizin sei, die Lebensqualität aller von Diabetes betroffenen Menschen zu verbessern, so Dr. Louis Philipson, Direktor des Kovler Diabetes Center in Chicago. Der Weg zur Präzisionsmedizin beginnt mit einem vertieften Verständnis der Erkrankung und der Identifikation krankheitsspezifischer Biomarker, die anschliessend in klinischen Studien untersucht und in Algorithmen inkorporiert werden können. «Genetische Marker werden in Zukunft Teil dieser Strategie sein, dabei aber ein Faktor unter vielen bleiben», so Philipson.
Eine typische Aufgabe für Präzisionsmedizin liegt darin, aus der immer grösser werdenden Auswahl an antidiabetischen Medikamenten für einen individuellen Patienten die besten auszuwählen, was optimale Wirksamkeit bei geringstmöglichen Nebenwirkungen bedeutet. Am weitesten sind diese Bemühungen im Fall einiger Formen von monogenetischem Diabetes gediehen, die ausgezeichnet auf Sulfonylharnstoffe, nicht aber auf andere orale Antidiabetika ansprechen. Allerdings sei es in der Praxis oft schwierig, diese Formen von Diabetes unter der Vielzahl von Typ-2-Diabetes-Fällen zu erkennen. Mittlerweile habe die intensive Forschung zu diesem Thema bereits gezeigt, dass monogenetischer Diabetes nicht so selten ist, wie man noch vor Kurzem dachte, sondern 1–2% der Diabeteserkrankungen ausmachen dürfte, so Philipson. Die klinische Herausforderung liege nun darin, jene Patienten zu identifizieren, bei denen eine genetische Testung sinnvoll und kosteneffektiv ist.
Sammeldiagnose: Diabetes mellitus Typ 2
In den kommenden Jahren könnte die Diagnose «Typ-2-Diabetes» in eine Vielzahl von Subgruppen und Diagnosen mit unterschiedlichen pathophysiologischen Hintergründen und unterschiedlichen Therapieoptionen zerfallen. Typ-2-Diabetes sei eine «Sammeldiagnose», so Prof. Miriam Udler von der Harvard Medical School in ihrem Vortrag, da er so gut wie alles umfasst, was nicht Typ-1-Diabetes oder monogenetischer Diabetes ist. Dies liege nicht zuletzt an der unscharfen Definition, die ausschliesslich von Hyperglykämie bei Fehlen anderer bekannter Ursachen ausgeht. Eine Definition von Subgruppen kann anhand klinischer Phänotypen oder genetischer Faktoren versucht werden. Eine Subtypisierung des Diabetes wurde vor wenigen Jahren von einer schwedischen Gruppe vorgeschlagen, die neben dem Typ-1-Diabetes (= schwerer Autoimmundiabetes) noch fünf weitere Cluster definierte, die die Diagnose Typ-2-Diabetes ersetzen.4 «Dieses Modell konnte erfolgreich auf mehrere weitere Populationen angewendet werden», so Udler. Allerdings habe es sich beispielsweise in Indien als unpassend erwiesen und musste in dieser Population um zusätzliche Biomarker und Cluster erweitert werden. Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass Patienten über die Jahre von einem Cluster in einen anderen wechseln können. Welche therapeutischen Konsequenzen diese Cluster haben, ist unklar. Analysen der Studien RECORD und ADOPT haben gezeigt, dass individuelle Risikofaktoren (wie zum Beispiel eGFR bei Einschluss in die Studie) bessere Prädiktoren für Outcomes sind als die Zugehörigkeit zu einem Cluster.5
Die Rolle der Genetik in der personalisierten Medizin
«Eine alternative Option der Clusterbildung bietet die Genetik. Dies stellt sich jedoch bei komplexerem genetischem Hintergrund schwieriger dar als im Falle der monogenetischen Erkrankungen», erklärte Prof. Niels Grarup von der Universität Kopenhagen. Versuche, anhand von GWAS («genome wide association studies») genetische Scores zu erstellen, laufen seit mehreren Jahren. Eine grosse Zahl von Risikoloci wurde identifiziert. Ebenso wird versucht, diese Loci mit bekannten pathophysiologischen Aspekten des Diabetes in Verbindung zu bringen. Eine Analyse von 94 Loci brachte fünf klinische Cluster (Beta-Zell-Typ, Proinsulin-Typ, Adipositas-Typ, Lipodystrophie-Typ und Leber/Lipid-Typ) zum Vorschein, die jeweils mit einer Reihe genetischer Marker assoziiert sind.6 Eine Analyse dieser Cluster hinsichtlich des Auftretens bestimmter Diabeteskomplikationen soll demnächst publiziert werden. Die Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen für die Therapie sind derzeit jedoch noch unklar.
Aktuelle Studienresultate
Update zu STEP: Semaglutid senkt erfolgreich das Gewicht
Das GLP-1-Analogon Semaglutid hat sich in der Phase II in hoher Dosierung als hochwirksam hinsichtlich Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten erwiesen. In einer hochrangig publizierten Studie konnte die Überlegenheit sowohl im Vergleich zu Placebo als auch zu dem in den USA in dieser Indikation bereits zugelassenen Liraglutid demonstriert werden. Mit der Maximaldosis von täglich 0,4mg Semaglutid wurde innerhalb eines Jahres eine Gewichtsreduktion um 13,8% erreicht. Mehr als 80% der Patienten verloren mit dieser Dosis mehr als 10% ihres Gewichts. Dies wurde ohne unerwartete Nebenwirkungen erreicht,7 womit die Basis für eine Phase-III-Studie gelegt war. Im Rahmen des EASD 2020 führte Prof. Melanie Davies von der University of Leicester durch die wichtigsten Ergebnisse dieser Studien.
Das globale Phase-IIIa-Programm STEP umfasst dabei vier Studien mit erwachsenen Patienten sowie eine Studie mit Jugendlichen. In die Studien STEP 1, 3 und 4 wurden Personen mit einem BMI von rund 38kg/m2 eingeschlossen, in STEP 2 wurde eine adipöse Diabetespopulation untersucht, die zudem um rund acht Jahre älter war als in den übrigen Studien. Semaglutid wurde wöchentlich verabreicht mit Titration bis zu einer wöchentlichen Dosis von 24mg.
Die Auswertung erfolgte in sogenannten «estimands», also unterschiedlichen Strategien zur Schätzung von Effekten. Nach jeder dieser Berechnungen waren die Effekte signifikant und deutlich. Die bislang verfügbaren Daten zeigen eine deutliche Überlegenheit im Vergleich zu Placebo. Die von den Patienten erreichte durchschnittliche Gewichtsabnahme liegt in allen Studien über 10%. «Insgesamt zeigen die vier Phase-IIIa-Studien des STEP-Programms unter Semaglutid 2,4mg konsistent eine Gewichtsreduktion im zweistelligen Prozentbereich», fasste Davies zusammen.8
DAPA-CKD: Dapagliflozin schützt die Nieren und reduziert die Mortalität
Die Studie DAPA-CKD zeigte, dass der SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin das Risiko von Nierenversagen, kardiovaskulärem Tod, Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz sowie die Gesamtmortalität bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung mit oder ohne Typ-2-Diabetes reduziert.9
Die Studie randomisierte 4304 Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizenz im Stadium 2–4 ein. Sie erhielten einmal täglich 10mg Dapagliflozin oder Placebo – in aller Regel vor einer Hintergrundtherapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Angiotensinrezeptor-Blocker (ARB) in maximal verträglicher Dosierung. Primärer Endpunkt war ein Kompositum aus Verschlechterung der Nierenfunktion (definiert als anhaltende Abnahme der eGFR um >50% oder terminale Niereninsuffizienz) sowie Tod durch renale oder kardiovaskuläre Ursache.
Die Resultate nach 2,4 Jahren zeigen in Bezug auf den primären Endpunkt eine hochsignifikante Reduktion des Risikos um 39% unter Dapagliflozin im Vergleich zu Placebo. Die NNT für die Verhinderung eines primären Endpunktereignisses betrug 19 – und war damit deutlich niedriger als für ACE-Inhibitoren oder ARB, wie Prof. Hiddo L. Heerspink vom University Medical Center Groningen betonte.10
In einer Reihe sekundärer Analysen wurde unter anderem auch eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit um 31% unter Dapagliflozin gezeigt. Das Risiko eines kombinierten Endpunkts aus Tod wegen kardiovaskulärer Ursache und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz war in der Dapagliflozin-Gruppe um 29% niedriger.
Zwei Drittel der Studienpopulation waren Typ-2-Diabetiker. Die Resultate in dieser Subpopulation entsprechen im Wesentlichen den in der Gesamtpopulation beobachteten Ergebnissen. Ebenso wurden vergleichbare Risikoreduktionen bei leichter und bei schwerer Niereninsuffizienz beobachtet. Dapagliflozin war in allen präspezifizierten Subgruppen vergleichbar wirksam und überlegen im Vergleich zu Placebo. Sicherheit und Verträglichkeit von Dapagliflozin waren gut und entsprachen den Erfahrungen aus früheren Studien.
Insulin Icodec: Basalinsulin für die Injektion einmal pro Woche
Insulin Icodec ist ein neues Basalinsulin, das zur Injektion einmal pro Woche entwickelt wurde. In einer nun präsentierten Phase-II-Studie erwies es sich im Vergleich zu Insulin Glargin U100 als nicht unterlegen.11 Die Autoren der Studie sind zuversichtlich, dass die langen Injektionsintervalle Adhärenz und Compliance von insulinpflichtigen Patienten mit Typ-2-Diabetes verbessern können.
Insulin Icodec wird als Hexamer injiziert und dissoziiert nach der Injektion in Monomere, die an Albumin binden. Nach drei bis vier wöchentlichen Injektionen ist ein «steady state» erreicht, in dem Insulin Icodec langsam von Albumin freigesetzt wird und ebenso langsam Insulinrezeptoren aktiviert. Dieser Mechanismus ist stabil gegenüber Variationen der Dosis oder der Injektionszeiten, so Dr. Julio Rosenstock vom Dallas Diabetes Research Center in Dallas, Texas.
In einer Phase-II-Studie wurde Insulin Icodec mit Insulin Glargin U100 (IGlar U100) in einer Population von Insulin-naiven Typ-2-Diabetikern, die mit Metformin plus einem DPP-4-Inhibitor nicht ausreichend kontrolliert werden konnten (HbA1c 7,0–9,5%), verglichen. Nach 26 Wochen konnte die Nichtunterlegenheit von Insulin Icodec nachgewiesen werden. Die Reduktion des HbA1c lag bei –1,33% für Icodec und –1,15% für Insulin Glargin U100, womit sich nach 26 Wochen ein HbA1c von 6,7% in der Icodec- und 6,9% in der Glargin-Gruppe ergab. Rosenstock betont die sehr zufriedenstellende Senkung des HbA1c in beiden Gruppen mit einem numerischen Vorteil für Insulin Icodec. Ein ähnliches Bild ergab sich hinsichtlich des morgendlichen Nüchternblutzuckers. Auch hinsichtlich der beobachteten Hypoglykämien zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, wobei die Inzidenz hypoglykämischer Ereignisse generell niedrig war. Hypoglykämien vom Grad 2 oder 3 traten mit einer Inzidenz von 53 Ereignissen auf 100 Patientenjahre unter Insulin Icodec und 46 Ereignisse auf 100 Patientenjahre unter Insulin Glargin U100 auf.
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zum Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch solche mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer gesunden Kontrollgruppe.12 Mehrere Faktoren, die das Risiko noch zusätzlich erhöhen, wurden identifiziert und könnten in Zukunft bei Therapieentscheidungen für Diabetespatienten berücksichtigt werden.
Für die Studie wurden 12975 Patienten mit Typ-1-Diabetes (T1D) und 407099 mit Typ-2-Diabetes aus dem landesweiten dänischen Patientenregister identifiziert und mit hinsichtlich Geschlecht und Alter gematchten gesunden Kontrollen verglichen. Mittels statistischer Modelle wurden sämtliche Hospitalisierungen wegen Stürzen zwischen 1996 und 2017 analysiert. In der adjustierten Analyse war eine T1D-Erkrankung mit einem um 33% erhöhten Sturzrisiko assoziiert, T2D mit einer Erhöhung des Risikos um 19%. Die kumulative Inzidenz von Stürzen betrug in der T1D-Population 13%, in der T2D-Population 12%. Sowohl für T1D- als auch für T2D-Patienten wurde eine zusätzliche Erhöhung des Sturzrisikos identifiziert bei weiblichem Geschlecht, Alter über 65, Einnahme von SSRI, Einnahme von Opioiden sowie Alkoholabusus. Dabei erwies sich weibliches Geschlecht mit einer Risikoerhöhung von 60% als überraschend ungünstig. Einen ähnlich deutlichen Effekt hatte die kombinierte Einnahme von SSRI und Opioiden. Alkoholabusus verdoppelte das Risiko.
Für Menschen mit T2D wurde darüber hinaus auch ein erhöhtes Frakturrisiko gefunden. Studienautor Dr. Nicklas Rasmussen vom Steno-Diabetes-Zentrum weist besonders auf die mit Stürzen und Brüchen verbundene hohe Mortalität bei älteren Menschen hin. Während Alter und Geschlecht unveränderbare Grössen sind, sollten potenziell beeinflussbare Risikofaktoren wie Medikamente und Alkohol identifiziert und nach Möglichkeit modifiziert werden.
EASD-Newsroom
Ausführlichere Informationen und Daten zu den hier kurz besprochenen Studien sowie zusätzliche Artikel finden Sie in unserem EASD-Newsroom .
Quelle:
56th Annual meeting EASD, 21.–25. September 2020, virtuell
Literatur:
1 Barron E et al.: Associations of type 1 and type 2 diabetes with COVID-19-related mortality in England: a whole-population study. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8: 813-22 2 Holman N et al.: Risk factors for COVID-19-related mortality in people with type 1 and type 2 diabetes in England: a population-based cohort study. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8: 823-33 3 Chung WK et al.: Precision Medicine in Diabetes: A Consensus Report From the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetes Care 2020; 43: 1617-35 4 Ahlqvist E et al.: Novel subgroups of adult-onset diabetes and their association with outcomes: a data-driven cluster analysis of six variables. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6: 361-9 5 Dennis JM et al.: Disease progression and treatment response in data-driven subgroups of type 2 diabetes compared with models based on simple clinical features: an analysis using clinical trial data. Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7: 442-51 6 Udler MS et al.: Type 2 diabetes genetic loci informed by multi-trait associations point to disease mechanisms and subtypes: A soft clustering analysis. PLoS Med 2018; 15: e1002654 7 O‘Neil PM et al.: Efficacy and safety of semaglutide compared with liraglutide and placebo for weight loss in patients with obesity: a randomised, double-blind, placebo and active controlled, dose-ranging, phase 2 trial. Lancet 2018; 392: 637-49 8 Davies MJ: From proof of concept: semaglutide. EASD 2020; Session: Semaglutide for the treatment of obesity (STEP-programme): S44 9 Heerspink HL et al.: Dapagliflozin in patients with chronic kidney disease. N Engl J Med 2020; 383: 1436-46 10 Heerspink HL: Results of the DAPA-CKD trial. EASD 2020; Session DAPA-CKD-Trial: S32 11 Rosenstock J et al.: Once-weekly insulin for type 2 diabetes without previous insulin treatment. New Engl J Med 2020 [epub ahead of print] 12 Rasmussen NH et al.: Increased risk of falls, fall-related injuries and fractures in people with type 1 and type 2 diabetes compared with the general population: a nationwide cohort study. EASD 2020, Poster 279
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