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Risikomanagement bei Diabetes: Zucker, Blutdruck, Lipide senken
Jatros
30
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12.07.2018
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<p class="article-intro">Diabetes-Management bedeutet mehr als nur Glukosesenkung. Hypertonie und Hyperlipidämie tragen erheblich zum individuellen Risiko der Patienten bei und sollten konsequent angegangen werden.</p>
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<p class="article-content"><h2>Abschätzungen des Blutzuckerspiegels</h2> <p>„Personen mit Diabetes haben eine verkürzte Lebenserwartung, wofür in erster Linie kardiovaskuläre Todesursachen verantwortlich sind. Die Inzidenz dieser kardiovaskulären Ereignisse ist mit dem Blutzuckerspiegel assoziiert“, sagt PD Dr. Karl Horvath von der Medizinischen Universität Graz. Allerdings ist die Blutglukose bei Weitem nicht der einzige Faktor, der zum erhöhten Risiko von Diabetikern beiträgt. Damit stelle sich die Frage, wie man durch blutzuckersenkende Therapie dieses Risiko am besten senken kann. Horvath weist in diesem Zusammenhang besonders auf das Hypoglykämierisiko hin. Studiendaten aus den USA zeigen, dass unter den Medikamenten, die zu akuten Spitalseinlieferungen führen, sowohl Insuline als auch orale Antidiabetika besonders auffallen.<sup>1</sup> Daten aus der ORIGIN-Studie zeigen auch, dass Patienten, die Hypoglykämien durchmachen, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, zu versterben bzw. kardiovaskuläre Ereignisse zu erleiden. Schwere Unterzuckerung sollte also dringend vermieden werden.<sup>2</sup><br /> Damit stellt sich automatisch die Frage nach den optimalen Blutzuckerzielen. Horvath: „Die Daten zeigen hier ein eher enttäuschendes Bild. Man sieht durch die Studien einen günstigen Effekt einer intensiveren Blutzuckersenkung auf mikrovaskuläre Komplikationen. Bei den makrovaskulären Komplikationen ist die Datenlage komplizierter. So wurden im Metformin- Arm von UKPDS Gesamtsterblichkeit und kardiovaskuläre Ereignisse reduziert. In der ACCORD-Studie haben wir aber gesehen, dass eine intensivierte glykämische Kontrolle zwar die Rate der nicht tödlichen Myokardinfarkte senkte, dafür aber die Gesamtsterblichkeit erhöhte. Ein deutlich freundlicheres Bild zeigen die Nachbeobachtungen der genannten Studien. Diese ergeben sehr wohl Hinweise, dass eine intensivierte Blutzuckereinstellung langfristig von Vorteil ist. Dabei stellt sich allerdings wieder das Problem, dass in diesen Extensionen ja keine Daten über die glykämische Kontrolle im gesamten Verlauf verfügbar sind. Aus diesen Studien ein HbA<sub>1c</sub>- Ziel abzuleiten, erscheint daher schwierig.“<br /> Abschätzungen des mit unterschiedlichen Therapien assoziierten kardiovaskulären Risikos sind mittlerweile deutlich einfacher geworden, da zu sämtlichen neueren antidiabetischen Medikamenten umfangreiche kardiovaskuläre Sicherheitsdaten gefordert werden. Sie zeigen bei einigen dieser Medikamente nicht nur Neutralität im Hinblick auf die kardiovaskuläre Sicherheit, sondern auch signifikante Risikoreduktionen. Horvath nennt hier vor allem Metformin sowie die Substanzgruppen der SGLT1-Inhibitoren und GLP-1-Analoga.<br /> Man könnte also zusammenfassend feststellen, dass in der Diabetestherapie schwere Hypoglykämien vermieden werden sollten, dass Substanzen zum Einsatz kommen sollen, deren kardiovaskuläre Sicherheit gut dokumentiert ist, und dass sich bei HbA<sub>1c</sub> ein Sweet-Spot zwischen 6,5 und 7,5 % herauskristallisiere, der auch die Daten zu den mikrovaskulären Komplikationen berücksichtigt. Patienten mit kurzer Erkrankungsdauer und wenigen Begleiterkrankungen sollten am unteren Ende dieses Bereichs eingestellt werden, während man bei multimorbiden Patienten mit langer Diabetesdauer eher im oberen Bereich bleiben sollte.</p> <h2>Besonders problematische Formen der Hypertonie</h2> <p>„Diabetes ist einer der wesentlichen Faktoren, die die kardiovaskuläre Risikosituation treiben“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz. Dies gilt insbesondere dann, wenn Diabetes und weitere Risikofaktoren zusammenkommen. Und das ist häufig der Fall, denn die Prävalenz der Hypertonie liegt in der diabetischen Population bei rund 80 % . Und es handelt sich häufig um besonders problematische Formen von Hypertonie. So leiden 50–60 % der Typ-2-Diabetiker unter isolierter systolischer Hypertonie und 30–40 % unter sogenanntem „non dipping“, also dem Fehlen des abendlichen Absinkens des Blutdrucks, was zu erhöhtem Risiko für Albuminurie und linksventrikuläre Hypertrophie führt. Clodi: „Wir haben ganz klare Evidenz, dass mit der Einstellung des Blutdrucks mikro- und makrovaskuläre Komplikationen dramatisch reduziert werden.“ Wobei das Management der Hypertonie über die medikamentöse Einstellung hinausgehen sollte. Clodi weist in diesem Zusammenhang auf die massive Reduktion des systolischen Blutdrucks hin, die alleine mit Livestylemaßnahmen zu erreichen ist. Durch Gewichtsreduktion, Salzreduktion, mehr Bewegung und Begrenzung des Alkoholkonsums auf ein verträgliches Maß lassen sich systolische Blutdrucksenkungen von bis zu 40mmHg erreichen. Clodi: „Wir müssen das alles dem Patienten gegenüber ansprechen.“<br /> Leider ist die Hypertonie beim Diabetiker nicht der alleinige Treiber des Schadens am Herzen. Systolische und diastolische Dysfunktion sind in der Diabetespopulation häufig und nehmen mit der Krankheitsdauer zu (Abb. 1). Nach 25 Jahren Diabetes leiden an die 80 % der Betroffenen unter einer diastolischen Dysfunktion.<sup>3</sup> Clodi weist auf Daten aus dem Tiermodell hin, die massive Schädigungen des Myokards alleine durch die Hyperglykämie zeigen.<sup>4</sup> Dennoch ist die Blutdrucksenkung essenziell und führt bei Typ-2-Diabetikern zu deutlichen Senkungen der Mortalität und diverser kardiovaskulärer Endpunkte.<sup>5</sup> Zielwerte sind generell 140/90mmHg sowie bei Diabetes mit Albuminurie 130/80mmHg. Eine darüber hinausgehende Blutdrucksenkung auf 120/80mmHg bringt eine zusätzliche Reduktion des Schlaganfallsrisikos und hat Vorteile für die Niere – dies allerdings um den Preis eines leicht erhöhten kardiovaskulären Risikos, wie dänische Registerdaten zeigen.<sup>6</sup> Von einigen amerikanischen Gesellschaften werden ehrgeizigere Ziele gefordert. Allerdings stelle sich die Frage, wie realistisch diese sind, zumal nur wenige Patienten diese Ziele überhaupt erreichen.<br /> Alle im Management der Hypertonie eingesetzten Medikamente können auch bei Patienten mit Diabetes eingesetzt werden. Clodi empfiehlt allerdings die Messung von NTproBNP, da eine Erhöhung auf einen Schaden am Herzen schließen lässt. Ist dies der Fall, sollten verstärkt Betablocker eingesetzt werden. Bei Patienten mit Albuminurie sollten zuerst ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker zum Einsatz kommen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Diabetes_1803_Weblinks_jatros_dia_1803_s21_abb1.jpg" alt="" width="1421" height="736" /></p> <h2>Das spezielle Lipidprofil des Diabetikers</h2> <p>Univ.-Prof. Dr. Bernhard Paulweber von der Universitätsklinik für Innere Medizin I, Salzburg, betont, dass beim Diabetiker nicht nur häufig Hyperlipidämie vorhanden ist, sondern auch Dyslipidämie im Sinne eines vermehrten Auftretens des sogenannten Remnant-Cholesterins, triglyzeridreicher Lipoproteine, die alleine mit einer Bestimmung des LDL nicht erfasst werden. Konkret bedeute dies, dass bei erhöhten Triglyzeriden auch das Non- HDL-Cholesterin oder Apo-B bestimmt werden sollten. Dessen ungeachtet bleibe das primäre Therapieziel die Senkung des LDL-Cholesterins. Häufig werden bei insulinresistenten Personen diskordante Lipidprofile mit relativ niedrigem LDL-C, hohem Apo-B und hohen Triglyzeriden festgestellt. Daten aus Kohortenstudien zeigen für diese Patientengruppe trotz des relativ niedrigen LDL-C ein hohes Risiko. Das kardiovaskuläre Risiko korreliert besser mit dem Apo-B als mit dem LDL-C.<sup>7</sup><br /> Therapie der Wahl ist beim Diabetiker ebenso wie bei allen Patienten mit Hyperlipidämie die Statintherapie. Metaanalysen zeigen für jede Senkung des LDL-C um 1mmol/l (38,6mg/dl) eine Reduktion der wesentlichen kardiovaskulären Ereignisse um 20 % sowie eine Senkung der Gesamtmortalität.<sup>8</sup> Statine führen zu einer geringfügigen Erhöhung des Diabetesrisikos, die jedoch ausschließlich Personen betrifft, bei denen bereits ein Prädiabetes vorhanden ist und die durch die kardiovaskuläre Risikosenkung mehr als aufgewogen wird. In der IMPROVE-ITStudie zeigte sich, dass Diabetiker besonders deutlich von einer zusätzlichen LDLC- Senkung mit Ezetimib profitieren.<sup>9</sup> In der diabetischen Population mit Dyslipidämie liegen auch gute Daten für Fibrate vor, die eine Reduktion kardiovaskulärer Endpunkte, aber auch von Albuminurie und Dyslipidämie zeigen.<sup>10, 11</sup> Robuste Daten für die Risikosenkung in der diabetischen Population gibt es mittlerweile auch für die PCSK9-Inhibitoren. In der FOURIER-Studie (Evolocumab) wurde das Risiko für Diabetiker im gleichen Ausmaß gesenkt wie für Nichtdiabetiker. Aufgrund des höheren Basisrisikos ergibt sich daraus eine niedrigere „number needed to treat“.<sup>12</sup> Die ODYSSEY-Outcome-Studie (Alirocumab), die im Rahmen des ACC präsentiert wurde, brachte ebenfalls positive Ergebnisse.<sup>13</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Frühjahrstagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft
2018, 20.–21. April 2018, Graz
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<p><strong>1</strong> Budnitz DS et al.: N Engl J Med 2011; 365(21): 2002-12 <strong>2</strong> ORIGIN Trial Investigators: Eur Heart J 2013; 3 4(40): 3137-44 <strong>3</strong> Fonarow GC, Srikanthan P: Endocrinol Metab Clin North Am 2006; 35(3): 575-99 <strong>4</strong> Kesherwani V et al.: PLoS One 2017; 12(8): e0182828 <strong>5</strong> Emdin CA et al. JAMA 2015; 313(6): 603-15 <strong>6</strong> Nilsson PM.: J Zhejiang Univ Sci B 2011; 12(8): 611-23 <strong>7</strong> Wilkins JT et al.: J Am Coll Cardiol 2016; 67(2): 193-201 <strong>8</strong> Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaborators. Lancet 2008; 371(9607): 117-25 <strong>9</strong> Giugliano RP et al.: Circulation 2018; 137(15): 1571-82 <strong>10</strong> Sacks FM et al.: N Engl J Med 2010; 3 63(7): 6 92-4 <strong>11</strong> Keech A et al.: Lancet 2005; 366(9500): 1849-61 <strong>12</strong> Sabatine MS et al.: Lancet Diabetes Endocrinol 2017; 5(12): 941-50 <strong>13</strong> Steg G: ACC 2018; Late-breaking Clinical Trials: Präsentation am 10. März 2018</p>
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