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REWIND: Dulaglutid und kardiovaskuläre Outcomes bei Typ-2-Diabetes
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Thomas C. Wascher
1. Medizinische Abteilung<br> Hanusch-Krankenhaus, Wien<br> E-Mail: thomas.wascher@wgkk.at
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">REWIND ist die von der FDA geforderte Studie zur kardiovaskulären Sicherheit von Dulaglutid, einem einmal wöchentlich zu applizierenden GLP-1-Analogon (GLP-1-RA). Im Rahmen der Jahrestagung der amerikanischen Diabetesgesellschaft in San Francisco wurden die Daten dieser Studie vorgestellt und zeitgleich erfolgte die Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „The Lancet“.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Der primäre Endpunkt (3-Punkte- MACE) wurde in REWIND um 12 % reduziert.</li> <li>Der numerisch stärkste Effekt im 3-Punkte-MACE zeigte sich beim nicht tödlichen Schlaganfall</li> <li>Der Effekt von Dulaglutid auf den 3-Punkte-MACE ist nicht auf kardiovaskulär kranke Patienten beschränkt.</li> <li>REWIND unterstützt die Klasse der GLP-1-RA im Therapiekonzept der antihyperglykämischen Therapie.</li> </ul> </div> <h2>Studienpopulation</h2> <p>9901 Personen mit Typ-2-Diabetes (vorbekannt oder neu diagnostiziert) wurden für die Studie rekrutiert. Davon waren 46,3 % Frauen. Das mittlere Alter der Teilnehmer betrug 66,2 Jahre, die mittlere Diabetesdauer 10,5 Jahre. Das HbA<sub>1c</sub> bei Einschluss lag im Mittel bei 7,3 % (bis max. 9,5 %), 25 % der Patienten hatten ein HbA<sub>1c</sub> < 6,6 %. Die Patienten durften mit maximal 2 oralen Antidiabetika ± Insulin und/oder einem GLP-1-RA vortherapiert sein. Um in die Studie aufgenommen zu werden, mussten die Teilnehmer in eine der folgenden 3 Kategorien fallen:</p> <ol> <li>Alter ≥ 50 Jahre und manifeste Gefäßerkrankung (Herzinfarkt, Schlaganfall, Revaskularisierung oder Hospitalisierung für instabile Angina oder Bildnachweis einer myokardialen Ischämie)</li> <li>Alter ≥ 55 Jahre und Gefäßstenosen > 50 % nachgewiesen (Karotiden, periphere Gefäße, Koronarien) oder myokardiale Ischämie ohne Bildnachweis oder eGFR < 60 ml/min oder Albuminurie oder Linksventrikelhypertrophie</li> <li>Alter ≥ 60 und zumindest 2 der folgenden Risikofaktoren: Rauchen, Hyperlipidämie, Hypertonie, abdominelle Adipositas</li> </ol> <p>In die Gruppe 1 fielen 31,5 % der Teilnehmer, 68,5 % fielen in die Gruppen 2 und 3 und wiesen damit entweder eine subklinische Atherosklerose ohne vorangegangenes Ereignis oder aber eine Kumulation kardiovaskulärer Risikofaktoren auf.</p> <h2>Studienablauf</h2> <p>Die Patienten erhielten randomisiert entweder Dulaglutid 1,5 mg oder Placebo über einen Zeitraum von im Median 5,4 Jahren. Der primäre Endpunkt der als „Überlegenheitsstudie“ angelegten Untersuchung war ein klassischer 3-Punkte-MACE (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall). Danach wurden die Einzelkomponenten dieses Endpunktes unter Zuhilfenahme eines komplexen Zuganges zur Kontrolle multiplen Testens als sekundäre Endpunkte analysiert. Weitere Endpunkte wie auch präspezifizierte Subgruppen wurden ohne Kontrollen für multiples Testen analysiert.</p> <h2>Resultate</h2> <p>Über die Studiendauer wurde das HbA<sub>1c</sub> der Teilnehmer durch Dulaglutid verglichen mit Placebo um 0,61 % gesenkt, das Körpergewicht sank um 1,46 kg.<br /> Insgesamt traten im Verlauf der Studie 1257 primäre Endpunkte auf. Abbildung 1 zeigt die Kaplan Meier Plots für den primären Endpunkt sowie für seine 3 Einzelkomponenten. Diese und weitere sind auch in Tabelle 1 dargestellt. Der primäre Endpunkt wurde statistisch signifikant (p=0,026) relativ um 12 % – absolut von 13,4 auf 12,0 % – gesenkt. Daraus resultiert eine „number needed to treat“ (NNT) von 71. Eine Analyse der Einzelkomponenten zeigt zwar eine Reduktion des nicht tödlichen Schlaganfalles um 24 % mit einem p-Wert von 0,017 – allerdings hätte zum Erreichen einer statistischen Signifikanz unter der oben angeführten Kontrolle für multiples Testen ein p<0,0072 erreicht werden müssen. Signifikant reduziert wurde das Auftreten mikrovaskulärer Endpunkte, getrieben in erster Linie durch eine Verminderung eines Neuauftretens von Makroalbuminurie.<sup>1</sup> Eine signifikante Reduktion der Mortalität (weder gesamt noch kardiovaskulär) wurde in der Studie nicht beobachtet. Hinsichtlich der Analyse präspezifizierter Subgruppen gab es insbesondere keinerlei Hinweis darauf, dass der Effekt von Dulaglutid sich bei Patienten mit und ohne manifeste Gefäßerkrankung unterscheidet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s16_abb1.jpg" alt="" width="885" height="886" /></p> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s16_tab1.jpg" alt="" width="1025" height="883" /></h2> <h2>Die Besonderheiten von REWIND</h2> <p>REWIND hat von allen Studien, welche die kardiovaskulären Effekte von GLP-1-RA untersucht haben, bei Weitem das längste Follow-up (5,4 Jahre). Der Anteil von Patienten ohne manifeste kardiale Ischämie oder vorangegangenes Gefäßereignis war ebenso deutlich höher (68,5 %) wie auch der Anteil weiblicher Studienteilnehmer (46,3 %). Des Weiteren war das kardiovaskuläre Risiko der Population (3-Punkte-MACE – Placebo 2,66 %) niedriger und die glykämische Ausgangssituation besser (HbA<sub>1c</sub> 7,3 %) als in anderen Endpunktstudien mit GLP-1-RA.</p> <h2>REWIND im Kontext der vorhandenen Evidenz</h2> <p>Der primäre Endpunkt (3-Punkte- MACE) wurde in REWIND um 12 % reduziert. Diese Größenordnung ist sehr kongruent zu Einzelstudien wie etwa LEADER<sup>2</sup>, aber auch zum Resultat einer rezenten Metaanalyse zu dieser Substanzklasse.<sup>3</sup> Der numerisch stärkste Effekt ergab sich hinsichtlich des nicht tödlichen Schlaganfalls im Rahmen des 3-Punkte-MACE. Dies unterstützt den Hinweis aus anderen Studien – zusammengefasst in rezenten Metaanalysen<sup>3, 4</sup> –, dass der Effekt von GLP-1-RA auf Schlaganfälle stärker sein könnte als auf Myokardinfarkte.<br /> Wie auch in anderen Studien mit GLP-1-RA unterstützt auch REWIND die Evidenz für renale, mikrovaskuläre Effekte einer Behandlung mit dieser Substanzklasse.<br /> Ebenso unterstützen die Daten von REWIND – aufgrund der großen Zahl an Patienten ohne manifeste kardiale Ischämie oder vorangegangenes Gefäßereignis – wesentlich deutlicher als frühere Studien, dass der Effekt auf den 3-Punkte-MACE nicht auf kardiovaskulär kranke Patienten beschränkt ist.</p> <h2>Die Bedeutung von REWIND für die Therapie des Typ-2-Diabetes</h2> <p>Durch REWIND wird die Klasse der GLP-1-RA noch deutlicher im Therapiekonzept der antihyperglykämischen Therapie etabliert. GLP-1-RA müssen für die Behandlung von Patienten mit manifester Gefäßerkrankung leitliniengemäß als Standard gesehen werden und sollen bei Patienten ohne manifeste Gefäßerkrankung jedenfalls auch zur kardiovaskulären Prävention erwogen werden.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der amerikanischen Diabetesgesellschaft in San Francisco
</p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Gerstein HC et al.: Dulaglutide and renal outcomes in type 2 diabetes: an exploratory analysis of the REWIND randomised, placebo-controlled trial. Lancet 2019; S0140-6736(19)31150-X [Epub ahead of print] <strong>2</strong> Marso SP et al.: Liraglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375(4): 311-22 <strong>3</strong> Bethel MA et al.: Cardiovascular outcomes with glucagon-like peptide- 1 receptor agonists in patients with type 2 diabetes: a meta analysis. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6(2): 105-13 <strong>4</strong> Barkas F et al.: Protection against stroke with glucagon-like peptide 1 receptor agonists: a systematic review and meta-analysis. Eur J Neurol 2019; 26(4): 559-65</p>
</div>
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