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Persönliche Gedanken zum Ableben von Gesundheitsministerin Dr.in Sabine Oberhauser
Jatros
Autor:
Dr. Christian Euler
Rust<br> E-Mail: ch.euler@a1business.at
30
Min. Lesezeit
30.03.2017
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<p class="article-intro">Als Frau Dr.<sup>in</sup> Sabine Oberhauser im Februar 2015 die Öffentlichkeit über ihre Krebserkrankung informierte, erklärte sie im selben Atemzug, als Gesundheitsministerin weiterarbeiten zu wollen. Das hat mich heftig irritiert. Wie sollte man diese Ansage verstehen? Als Botschaft an vom gleichen Schicksal Betroffene, nicht so zimperlich zu sein? Als Zeichen dafür, dass ein Bundesministerium auch von einem schwerkranken Menschen neben zeitaufwendiger Therapie zu führen ist? Oder aber war es der verzweifelte Reflex, möglichst wenige Lebensbereiche der bedrohlichen Erkrankung unterzuordnen?</p>
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<p class="article-content"><p>Ich kontaktierte eine von mir hochverehrte Onkologin, von der ich wusste, dass sie dem Wiedereinstieg ihrer Patienten ins Berufsleben geradezu therapeutische Bedeutung beimaß. Sie teilte meine Wahrnehmung, hielt eine Diskussion über diese Problematik für überfällig, den jetzigen Zeitpunkt dafür aber aus Gründen des Taktgefühls für ungeeignet.<br /> Etwas mehr als zehn Tage später stand die Ministerin neuerlich vor der Presse und ließ neben politischen Statements auch wissen, dass sie die erste Chemotherapie bereits hinter sich habe. Wieder konnte ich nicht umhin, an meine onkologischen Patienten zu denken. Wie lange sie in Ungewissheit waren, weil ihre Diagnostik ausgelagert wurde, und der Termin für die spezielle Bildgebung trotz persönlicher Bemühung des Hausarztes Wochen auf sich warten ließ. An jene, die in belastender Diagnosegewissheit auf die Einberufung durch die Radioonkologie warteten. An jene, die neben ihrer Krankheit auch von finanziellen Nöten bedrängt wurden. Mein Unbehagen legte sich schlagartig, als die öffentlich kranke Ministerin erstmals von Privilegien sprach, die zu haben ihr bewusst sei. Eine Fülle von Reaktionen und Kommunikation in den sozialen Medien (denen ich fern bin) haben nicht nur Ermutigung, Genesungswünsche und Bewunderung gebracht, sondern auch den Blick geschärft für die Patientenkarrieren von onkologisch erkrankten Sozialversicherten. Für die hohe Gewerkschaftsfunktionärin war Solidarität kein leeres Wort. Sie verkörperte unübersehbar ein sozialpolitisch minderbeachtetes, für eine bedrohlich erkrankte Minderheit aber existenzielles Problem. Ich kann nicht an Zufall glauben, dass legistische Überlegungen zum Teilkrankenstand nach längerer krankheitsbedingter beruflicher Karenz gerade in den letzten Monaten konkret wurden.<br /> Vergleichbar mit dem Gewicht, das ein flächendeckendes Dialyseangebot durch den nierenkranken Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky bekam, wurde das Problem des Wiedereinstiegs ins Berufsleben als Teil der Rekonvaleszenz durch Frau Ministerin Oberhauser auf die politische Tagesordnung gesetzt.<br /> Das wird die nachhaltigste Folge dieser Ministerschaft sein und für dieses Land und seine Bürger mehr bedeuten als die gesundheitsbürokratischen Spuren, die vergangene Gesundheitsminister gezogen haben.<br /> Dem manischen Ausbau der Gesundheitselektronik hat Frau Kollegin Oberhauser – kaum im Amt – die Forderung entgegengestellt, dass die Systeme erst einmal funktionieren müssten, dann erst sei die Zeit reif, über Roll-out-Termine zu sprechen. Sie lasse sich nicht von voreilig festgelegten Terminen hetzen. Auch an diese Gelassenheit ist dankbar zu erinnern.<br /> Frau Dr.<sup>in</sup> Oberhauser verbarg ihr Leiden nicht. Ein von mir als taktlos empfundenes Interview in den Fernseh-Abendnachrichten zu Beginn 2017 ließ die Öffentlichkeit an ihrer Sprechdyspnoe teilhaben, und wer noch Zweifel an ihrem körperlichen Verfall hatte, verlor diese wenige Wochen später beim Anblick der Regierungsbank anlässlich der Angelobung des neuen Bundespräsidenten. Nach nur fünf Monaten von Krankheit unbeeinflusster Amtsführung und zweijährigem mutig und öffentlich ausgetragenem Kampf gegen eine übermächtige Krankheit verstarb Frau Bundesministerin Dr.<sup>in</sup> Sabine Oberhauser im 54. Lebensjahr.<br /> Noch nie stand der Patient so sehr im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik wie in den vergangenen Monaten.</p></p>