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ÖDG-Leitlinien Antikoagulation: Acetylsalicylsäure

<p class="article-intro">Das Thema Antikoagulation – ASS wird in den Leitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft aufgegriffen, da bei Menschen mit Diabetes verglichen mit der Normalbevölkerung ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen besteht.<sup>1</sup> So ist das Risiko für das Auftreten einer koronaren Herzerkrankung bei Menschen mit Diabetes etwa doppelt so hoch, das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall liegt beim 2,27-Fachen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Laut &Ouml;DG-Leitlinien besteht in der Sekund&auml;rpr&auml;vention eine eine klare Indikation zur Thrombozytenaggregationshemmung bei Patienten mit Diabetes.</li> <li>ASS (75 &ndash; 162mg/d) kann bei Patienten mit Typ-1- oder mit Typ-2-Diabetes erwogen werden, wenn diese ein stark erh&ouml;htes kardiovaskul&auml;res Risiko und kein erh&ouml;htes Blutungsrisiko haben.</li> <li>In Bezug auf die Prim&auml;rpr&auml;vention ist die Datenlage nicht so klar, dies betrifft jedoch den gr&ouml;&szlig;ten Teil der Diabetiker.</li> </ul> </div> <h2>Daten zum Risiko</h2> <p>Auch wenn man die erw&auml;hnten Risiken f&uuml;r multiple andere Risikofaktoren wie Rauchen oder LDL-Cholesterin korrigiert, bleiben diese konsistent bestehen.<sup>1</sup><br /> Amerikanische Versicherungsdaten der letzten Jahre zeigten eine Reduktion der Raten an Myokardinfarkten, Schlaganf&auml;llen und Amputationen bei Menschen mit Diabetes verglichen mit Menschen ohne Diabetes. Diese Entwicklung wird abgesehen von den verbesserten M&ouml;glichkeiten in der antidiabetischen Therapie mit den besseren Behandlungsm&ouml;glichkeiten der Komorbidit&auml;ten wie Blutdrucktherapie, Senkung des LDL-Cholesterins, bessere Stenttechnologie etc. begr&uuml;ndet.<br /> Dem gegen&uuml;ber stehen schwedische Registerdaten, die nach wie vor eine h&ouml;here Pr&auml;valenz von Hospitalisierung aufgrund von kardiovaskul&auml;ren Ereignissen, kardiovaskul&auml;rem Tod, Tod aufgrund koronarer Herzerkrankung und eine h&ouml;here Gesamtmortalit&auml;t bei Menschen mit Typ-2-Diabetes im Vergleich zu Nichtdiabetikern zeigen.<sup>3</sup></p> <h2>Sekund&auml;rpr&auml;vention</h2> <p>Sehr eindeutig sind die Leitlinien bez&uuml;glich Sekund&auml;rpr&auml;vention: Eine klare Indikation zur Thrombozytenaggregationshemmung besteht bei Patienten mit Diabetes in der Sekund&auml;rpr&auml;vention. Diese Patienten sollten Acetylsalicyls&auml;ure (ASS) 62&ndash;162 mg/d oder, bei dokumentierter Acetylsalicyls&auml;ureallergie, Clopidogrel 75 mg erhalten. Eine duale Thrombozytenaggregationshemmung (mit Acetylsalicyls&auml;ure und einem P2Y12-Inhibitor) wird im Allgemeinen f&uuml;r einen Zeitraum von einem Jahr nach einem akuten Koronarsyndrom empfohlen.<sup>4</sup> Dies stimmt mit den ESCGuidelines der Europ&auml;ischen Kardiologischen Gesellschaft &uuml;berein.<sup>5</sup></p> <h2>Prim&auml;rpr&auml;vention</h2> <p>In Bezug auf die Prim&auml;rpr&auml;vention ist die Datenlage leider nicht so klar. Dies betrifft allerdings den Gro&szlig;teil der Menschen mit Diabetes, denn Sch&auml;tzungen zufolge gibt es in &Ouml;sterreich ca. 600 000 Menschen mit Diabetes, von denen jedoch nur 20 % manifeste kardiovaskul&auml;re Erkrankungen haben.</p> <h2>Metaanalysen</h2> <p>&Auml;ltere Metaanalysen zeigen einen Benefit f&uuml;r ASS in der Prim&auml;rpr&auml;vention unabh&auml;ngig vom Diabetesstatus.<sup>6</sup> Interessanterweise d&uuml;rfte es hier allerdings auch Unterschiede zwischen M&auml;nnern und Frauen geben. ASS d&uuml;rfte bei M&auml;nnern einen st&auml;rkeren Effekt hinsichtlich der Pr&auml;vention des Myokardinfarktes und bei Frauen eine bessere Wirkung in Bezug auf die Pr&auml;vention eines Schlaganfalls haben.<sup>7 </sup></p> <h2>Rezente Studien</h2> <p>Eine rezente Studie hat die Wirkung von Aspirin bei 19 000 &auml;lteren Menschen (Alter &gt; 70 Jahre oder Alter &gt; 65 Jahre und afroamerikanische oder hispanische ethnische Zugeh&ouml;rigkeit) untersucht.<sup>8</sup> 11 % aus diesem Kollektiv waren Menschen mit Typ-2-Diabetes. Alle Patienten hatten zu Studienbeginn keine manifeste kardiovaskul&auml;re Erkrankung und wurden entweder zu 100 mg Aspirin oder Placebo randomisiert. Nach einem Median von 4,7 Jahren ergab sich eine Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen von 10,7 Ereignissen pro 1000 Personenjahre in der Aspirin-Gruppe und 11,3 Ereignissen pro 1000 Personenjahre in der Placebogruppe (HR: 0,95; 95 % CI: 0,83&ndash;1,08). Die Rate gro&szlig;er Blutungen war in der Aspirin-Guppe allerdings mit 8,6 Ereignissen pro 1000 Personenjahre bzw. in der Placebogruppe 6,2 Ereignissen pro 1000 Personenjahre h&ouml;her (HR: 1,38; 95 % CI: 1,18&ndash;1,62; p &lt; 0,001). Der Einsatz von niedrig dosiertem Aspirin in der Prim&auml;rpr&auml;vention bei &auml;lteren Erwachsenen f&uuml;hrte daher zu einem signifikant h&ouml;heren Risiko f&uuml;r schwere Blutungen, bewirkte jedoch kein deutlich geringeres Risiko f&uuml;r Herz-Kreislauf-Erkrankungen.<br />Eine andere Studie untersuchte Aspirin in der Prim&auml;rpr&auml;vention bei Patienten mit Typ-2-Diabetes.<sup>9</sup> In die Studie eingeschlossen wurden insgesamt 15 480 Patienten mit Diabetes ohne Hinweis auf kardiovaskul&auml;re Erkrankungen. Die Teilnehmer wurden entweder in eine Gruppe mit 100 mg Aspirin oder eine Gruppe mit Placebo randomisiert. Prim&auml;res Outcome war der kombinierte Endpunkt f&uuml;r das Auftreten eines kardiovaskul&auml;ren Events: nicht t&ouml;dlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall (ohne best&auml;tigte intrakranielle Blutungen) oder transiente isch&auml;mische Attacke oder Tod durch jegliche vaskul&auml;re Ursache mit Ausnahme von best&auml;tigten intrakranialen Blutungen. Die durchschnittliche Studiendauer betrug 7,4 Jahre. Schwere vaskul&auml;re Ereignisse traten in der Aspirin-Gruppe mit einem deutlich geringeren Prozentsatz als in der Placebo-Gruppe auf: bei 658 Teilnehmern in der Aspirin-Gruppe, was 8,5 % entspricht, und 743 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe, was 9,6 % entspricht. Dies bedeutete eine Risikoreduktion von 12 % (HR: 0,88; 95 % CI: 0,79&ndash;0,97; p&nbsp;=&nbsp;0,01). Die Ergebnisse waren insbesondere getrieben durch die Risikoreduktion in der Aspirin-Gruppe bei transitorischen isch&auml;mischen Attacken. Gro&szlig;e Blutungen traten bei 314 Teilnehmern (4,1 %) in der Aspirin-Gruppe im Vergleich zu 245 (3,2&nbsp; % ) in der Placebo-Gruppe auf (HR: 1,29; 95 % CI: 1,09&ndash;1,52; p&nbsp;= 0,003), wobei es sich &uuml;berwiegend um gastrointestinale Blutungen oder andere extrakranielle Blutungen handelte. Die H&auml;ufigkeit t&ouml;dlicher Blutungen war in der Aspirin-Gruppe und in der Placebo-Gruppe &auml;hnlich: 19 (0,2 %) versus 16,0 Patienten (0,2 %); die H&auml;ufigkeit von h&auml;morrhagischen Schlaganf&auml;llen ebenso: 25 (0,3 %) bzw. 26 (0,3 %). Die Verwendung von Aspirin f&uuml;hrte zur Verhinderung von kardiovaskul&auml;ren Ereignissen bei Patienten mit Diabetes, aber auch zu einem starken Anstieg der Zahl von Blutungen.</p> <h2>Leitlinienempfehlungen</h2> <p>Zur Prim&auml;rpr&auml;vention sagen die &ouml;sterreichischen Leitlinien:</p> <ul> <li>Acetylsalicyls&auml;ure (75&ndash;162 mg/d) kann bei Patienten mit Typ-1- oder mit Typ- 2-Diabetes erwogen werden,<sup>4</sup> wenn diese ein stark erh&ouml;htes kardiovaskul&auml;res Risiko und kein erh&ouml;htes Blutungsrisiko haben. Ein stark erh&ouml;htes kardiovaskul&auml;res Risiko haben M&auml;nner und Frauen &ge; 50 Jahre, die zumindest einen weiteren ausgepr&auml;gten Risikofaktor f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Erkrankungen haben.</li> <li>Bei Patienten &lt; 50 Jahre ohne zus&auml;tzliche Risikofaktoren ist eine Acetylsalicyls&auml;ure- Therapie in der Prim&auml;rpr&auml;vention entprechend der Nutzen-Risiko- Abw&auml;gung nicht zu empfehlen.</li> <li>Bei Patienten &lt; 21 Jahren ist Acetylsalicyls&auml;ure generell wegen des Risikos f&uuml;r ein Reye-Syndroms kontraindiziert.</li> </ul> <p>Die europ&auml;ischen Leitlinien f&uuml;r Kardiologie empfehlen generell keine Therapie mit ASS in der Prim&auml;rpr&auml;vention bei Patienten mit Diabetes.<sup>5</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> The Emerging Risk Factors Collaboration. Lancet 2010; 375: 2215-22 <strong>2</strong> Gregg EW et al.: Lancet 2016; 391: 2430- 40<strong> 3</strong> Rashwani A et al.: N Engl J Med 2017; 376(15): 1407- 18 <strong>4</strong> Wascher TC et al.: Wien Klin Wochenschr (2019) 131 [Suppl 1]: S139-S140 <strong>5</strong> www.escardio.org <strong>6</strong> Antithrombotic Trialists&rsquo; Collaboration. Lancet 2009; 373: 1849-60 <strong>7</strong> Berger JS et al.: JAMA 2006; 295: 306-13<strong> 8</strong> McNeil JJ et al.: N Engl J Med 2018; 379(16): 1509-18<strong> 9</strong> The ASCEND Collaborative Group N Engl J Med 2018: 379(16): 1529-39</p> </div> </p>
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