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ÖDG-Leitlinie zur antihyperglykämischen Therapie

<p class="article-intro">Seit dem Jahr 2004 gibt es unter Anleitung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, ÖDG, Leitlinien zur umfassenden Betreuung von Patienten mit Diabetes mellitus. Diese Leitlinien wurden bereits in den Jahren 2009 und 2012 überarbeitet, dies geschah 2016 zum 3. Mal. Im vorliegenden Artikel gehe ich auf die wichtigsten Neuerungen ein und zeige die wesentlichsten Punkte, die gleich geblieben sind. </p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Basis jeder Diabetestherapie ist eine lebenslange Lebensstilintervention mit Gewichtsreduktion und Bewegungstherapie.</li> <li>Bei kurzer Diabetesdauer und langer Lebenserwartung ist ein HbA<sub>1c</sub> zwischen 6 und 6,5 % anzustreben.</li> <li>F&uuml;r die meisten Patienten ist ein HbA<sub>1c</sub>-Ziel &lt;7 % als ausreichend f&uuml;r den mikro- und makrovaskul&auml;ren Schutz anzusehen. Metformin spielt nach wie vor eine zentrale Rolle in der Behandlung und ist aktuell noch immer das First-Line-Medikament.</li> <li>F&uuml;r zwei Medikamente gibt es aktuell positive Outcome-Studien in placebokontrollierten prospektiven Studien. Weitere Daten werden f&uuml;r Liraglutid erwartet.</li> </ul> </div> <h2>Diagnoserichtlinien</h2> <p>In den Diagnoserichtlinien hat es 2016 keine &Auml;nderungen gegeben. Als Diagno&shy;sekriterium gilt weiterhin ein HbA<sub>1c</sub>-Wert &gt;6,5 % . Der HbA<sub>1c</sub>-Wert sollte bei jeder station&auml;ren Aufnahme in einem Krankenhaus erhoben werden, &auml;hnlich wie TSH und andere Laborparameter. Bei einem HbA<sub>1c</sub>-Wert von 5,7 bis 6,4 % spricht man von einem HbA<sub>1c</sub>-Grenzwert. Bekannterma&szlig;en besteht gerade zu Beginn der Erkrankung bei ca. 50 % der Patienten ein manifester Diabetes bei HbA<sub>1c</sub>-Werten, die unter &lt;6,5 % liegen. Das hei&szlig;t, sollte der HbA<sub>1c</sub>-Wert zwischen 5,7 und 6,4 % liegen, w&auml;re ein oraler Glukosetoleranztest zur definitiven Diagnose eines Diabetes mellitus angezeigt. Hierbei ist der Grenzwert &gt;200mg/dl. Bei 140 bis 200mg/dl spricht man von einer gest&ouml;rten Glukosetoleranz. Als weiteres Diagnosekriterium gelten ein N&uuml;chternblutglukosewert von &gt;126mg/dl sowie ein unkoordinierter, das hei&szlig;t zu einem beliebigen Zeitpunkt gemessener Wert von &gt;200mg/dl. Die Bestimmung aller Werte ist mindestens an zwei verschiedenen Tagen gefordert. Anhand die&shy;ser Ergebnisse wird die Diagnose gestellt.</p> <h2>HbA<sub>1c</sub>-Zielwerte</h2> <p>Als HbA<sub>1c</sub>-Zielwert in der Therapie ist in den neuen &Ouml;DG-Leitlinien als prim&auml;&shy;re Richtgr&ouml;&szlig;e ein HbA<sub>1c</sub> &lt;7 % (6,5 % ) angegeben. Sekund&auml;re Richtgr&ouml;&szlig;en sind eine N&uuml;chternglukose unter 130mg/dl, idealerweise &lt;110mg/dl, sowie eine postprandiale Glukose &lt;180mg/dl (2 Stunden nach einer Mahlzeit).</p> <p>Entsprechend der aktuell verf&uuml;gbaren Datenlage sollten die HbA<sub>1c</sub>-Zielwerte m&ouml;glichst individuell an den jeweiligen Patienten in einem Bereich zwischen 6,5 und 8 % angepasst werden. Bei kurzer Diabetesdauer, langer Lebenserwartung und keiner relevanten kardiovaskul&auml;ren Morbidit&auml;t ist ein HbA<sub>1c</sub>-Wert zwischen 6 und 6,5 % anzustreben. Nat&uuml;rlich spricht nichts gegen noch niedrigere Werte. H&ouml;here HbA<sub>1c</sub>-Zielwerte, das hei&szlig;t HbA<sub>1c</sub>-Zielwerte um 7 % bzw. eventuell sogar bis 8 % , sind der Situation und dem Patienten angepasst ausreichend. HbA<sub>1c</sub> &lt;7 % gilt als ausreichend, wenn das Therapieziel nicht komplikationslos und nicht ohne gro&szlig;e Gefahr des Eintretens von Hypoglyk&auml;mien erreicht werden kann. Werte &lt;7 % werden als ausreichend f&uuml;r die Reduktion von mikrovaskul&auml;ren Sp&auml;tkomplikationen betrachtet. Bei Patienten mit schweren und h&auml;ufigen Hyperglyk&auml;mien, einer eingeschr&auml;nkten Lebenserwartung oder multiplen Sp&auml;tkomplikationen sind h&ouml;here Werte akzeptabel.</p> <h2>Diabetestherapie</h2> <p><strong>Lebensstilintervention</strong><br /> Die Einleitung einer medikament&ouml;sen Therapie sollte ab einem HbA<sub>1c</sub>-Wert von 6,5 % stattfinden. Bei einem HbA<sub>1c</sub>-Wert von &lt;6,5 % bei Diagnose ist dem Patienten zuerst die Notwendigkeit einer Lebensstilintervention n&auml;herzubringen, das hei&szlig;t Schulung und Anleitung zur kalorienbewussten Ern&auml;hrung zwecks Reduktion von &Uuml;bergewicht, so dieses bestehen sollte. Ebenso wichtig, wenn nicht sogar essenziell, ist eine ausreichende Bewegungstherapie. Hierbei sind 150 Minuten pro Woche gefordert. Nat&uuml;rlich gelten diese Ma&szlig;nahmen f&uuml;r alle Patienten.</p> <p><strong>Medikament&ouml;se Therapie</strong><br /> Sollten diese Ma&szlig;nahmen nicht ausreichen und sollte es zu keiner Senkung der HbA<sub>1c</sub>-Werte kommen, sind als Erstlinienmedikament Metformin und in weiterer Folge aktuell gleichwertig SGLT-2-Hemmer, Pioglitazon, DPP-4-&shy;Hemmer, Sulfonylharnstoffe/Glinide, GLP-1-Rezeptorantagonisten, Acarbose oder Insulin zu geben. Nach weiterer Reevaluierung bzw. bei Notwendigkeit der Gabe einer Tripelkombination k&ouml;nnen aktuell die meisten Kombinationen auch verordnet werden. Nach der bestehenden Datenlage ist gem&auml;&szlig; randomisiert kontrollierten prospektiven Stu&shy;dien derzeit f&uuml;r Tripelkombinationen keine Evidenz einer &Uuml;berlegenheit einer spezifischen Kombination gegeben.</p> <p><strong>Studienlage zur Blutzuckersenkung</strong><br /> Der Effekt einer blutzuckersenkenden Therapie ist in mittlerweile vielen Studien klar nachgewiesen, so z.B. in der Typ-1-Diabetes-Studie DCCT sowie der Typ-2-Diabetes-Studie UKPDS. In den letzten Jahren wurde dies durch Studien wie VADT, ACCORD und ADVANCE best&auml;tigt. Eine besondere Stellung nimmt meiner Meinung nach die STENO-Studie ein. Hier wurde durch einen multifaktoriellen Ansatz (Glukose, Lipide, RR-The&shy;rapie und Lebensstilintervention) eine Mortalit&auml;tsreduktion 5 Jahre nach Studienende von 100 % dargestellt. Diese Studie hat zur Erkenntnis gef&uuml;hrt, dass Patienten, vor allem solche mit Typ-2-&shy;Diabetes, nie ausschlie&szlig;lich in Bezug auf die Blutzuckersituation behandelt werden sollten, sondern der Fokus ebenso auf die antihypertensive Medikation wie auch auf die Stoffwechselsituation des Patienten gelegt werden sollte. Als Blutdruck&shy;zielwert ist derzeit ein Wert von 140/90mmHg und als LDL-Zielwert ein Wert &lt;70mg/dl bei einem zus&auml;tzlichen Risikofaktor angegeben.</p> <p><strong>Patienten mit eingeschr&auml;nkter &shy;Nierenfunktion</strong><br /> Metformin kann nach den neuen Leitlinien Patienten mit eGFR-Werten bis 45ml/Minute gegeben werden. Es sollten jedoch andere Risikofaktoren f&uuml;r eine Laktatazidose ausgeschlossen sein. Die Dosierung sollte reduziert erfolgen, das hei&szlig;t 500&ndash;1.000mg aufgeteilt auf 1&ndash;2 Dosen t&auml;glich. Gefordert ist eine Nierenfunktionskontrolle zumindest alle 3&ndash;6 Monate. Sollte die eGFR unter 45ml/Minute abfallen, muss Metformin abgesetzt werden. Ebenso sollte Metformin bei interkurrierenden schwe&shy;ren Erkrankungen (schweren Infektionen) sowie auch bei Diarrh&ouml; und Exsi&shy;k&shy;kose unter Applikation von Kontrastmitteln nicht gegeben werden.</p> <p><strong>Charakteristika der Medikamente</strong><br /> In Tabelle 4 der neuen Leitlinien der &Ouml;sterreichischen Diabetes Gesellschaft sind die Vor- und Nachteile der einzelnen derzeit am Markt befindlichen Medikamente angef&uuml;hrt. Es gibt hier Hinweise auf die St&auml;rke der HbA<sub>1c</sub>-Senkung und auf die m&ouml;glichen Nebenwirkungen, wie z.B. Hypoglyk&auml;mie. Ebenso werden die Vor- und Nachteile der spezifischen Medikamente dargestellt (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Diabetes_1603_Weblinks_Seite10.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Neuerung &ndash; Medikamentenliste</h2> <p>Als Neuerung werden alle Medikamente, zu denen prospektiv randomisierte placebokontrollierte Studien durchgef&uuml;hrt worden sind, aufgelistet. Dies bedeutet in den meisten F&auml;llen eine Evidenz zur kardiovaskul&auml;ren Sicherheit bei kardiovaskul&auml;r vorerkrankten Patienten. Studien f&uuml;r die DPP-4-Hemmer Alogliptin, Saxagliptin und Sitagliptin haben in den Punkten MACE, kardiovaskul&auml;re Mortalit&auml;t und Gesamtmortalit&auml;t ein neutrales Ergebnis gezeigt und k&ouml;nnen somit als kardiovaskul&auml;r sicher eingesch&auml;tzt werden. Das Gleiche gilt f&uuml;r den GLP-1-Rezeptorantagonisten Lixisenatid sowie f&uuml;r Insulin Glargin. Eine Sonderstellung nimmt Pioglitazon ein, das im sekund&auml;ren Endpunkt in der PROactive-Studie ein positives Outcome in Bezug auf MACE gezeigt hat. Im letzten Jahr wurde die EMPA-REG-Studie zum SGLT-2-Hemmer Empagliflozin pr&auml;sentiert, die sowohl f&uuml;r MACE und kardiovaskul&auml;re Mortalit&auml;t als auch Gesamtmortalit&auml;t einen positiven Befund ergab. Anzumerken ist hierbei, dass die Untersuchung im Rahmen dieser Studie ebenso bei kardiovaskul&auml;r vorerkrankten Patienten erfolgte.</p> <p>Interessant sind die am 13. 6. 2016 pr&auml;sentierten Daten der LEADER-Studie zum GLP-1-Rezeptorantagonisten Liraglutid. In dieser prospektiv randomisierten placebokontrollierten Studie konnte eine Reduktion von MACE-Ereignissen bei Diabetes-mellitus-Typ-2 Patienten und -Patientinnen berichtet werden. Die Daten wurden im Rahmen des Kongresses der American Diabetes Association pr&auml;sentiert.</p> <div id="fazit"> <h2>Hinweis</h2> <p>Alle Daten zur neuen Leitlinie k&ouml;nnen von der Homepage der &Ouml;sterreichischen Diabetes Gesellschaft, www.oedg.org, unter dem Men&uuml;punkt Leitlinien abgerufen werden.</p> </div></p>
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