
Neue Empfehlungen der SGED zur Behandlung des Typ-2-Diabetes
Bericht:
Claudia Benetti
Medizinjournalistin
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED) hat ihre Empfehlungen für die Behandlung des Typ-2-Diabetes (T2D) aktualisiert.1 Sie empfiehlt neu für alle Patient*innen ohne Insulinmangel schon in der Erstlinie eine Kombinationstherapie. Prof. Dr. med. Roger Lehmann, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung, Universitätsspital Zürich, präsentierte am Diabetes Update Refresher die neuen Schweizer Empfehlungen und gab Tipps für die Medikamentenwahl.
Keypoints
-
Sulfonylharnstoffe, DPP-4-Hemmer, SGLT2-Hemmer und GLP-1-Rezeptoragonisten sind aus kardiovaskulärer Sicht sicher.
-
SGLT2i und GLP-1-RA haben zusätzlich einen kardiovaskulären Nutzen.
-
GLP-1-RA wirken nephroprotektiv und senken das Risiko für atherosklerotische Ereignisse (inkl. Schlaganfall).
-
SGLT2i sind nephroprotektiv und senken das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (ohne Schlaganfall) sowie das Risiko für Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz.
-
Die SGED empfiehlt bereits initial eine Kombination aus Metformin plus GLP-1-RA oder Metformin plus SGLT2i.
In den neuen Empfehlungen werden zusätzlich zu den bisher schon berücksichtigten Nieren- und kardiovaskulären Erkrankungen, Herzinsuffizienz und Insulinmangel weitere wichtige Komorbiditäten besprochen (Abb. 1). «Dies, weil wir heute wissen, dass 60–90% der Patient*innen mit T2D auch eine Adipositas haben, 50–70% von einer nicht alkoholischen Fettleber (NAFLD) und 30–50% von einer Steato-Hepatitis (NASH) betroffen sind», so Lehmann.
Endpunktstudien sorgten für eine Revolution
Seit 2008 verlangt die US-Gesundheitsbehörde FDA für die Zulassung von neuen Diabetesmedikamenten kardiovaskuläre (CV) Endpunktstudien. Die ersten Studien wurden mit DDP-4-Inhibitoren durchgeführt und zeigten, dass diese Medikamente in Hinblick auf harte CV Endpunkte sicher sind. Die Endpunktstudien mit SGLT2-Inhibitoren (SGLT2i) und mit GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) brachten dann eine grosse Überraschung: Diese Medikamente erwiesen sich in Hinblick auf harte CV Endpunkte nicht nur als sicher, sondern zeigten zusätzlich einen klaren CV Benefit.
Die Endpunktstudien haben sowohl für die SGLT2i als auch die GLP-1-RA eine signifikante Reduktion des 3-Punkte-MACE (nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall, CV Tod) gezeigt.1,2 Beide Substanzklassen haben auch eine nephroprotektive Wirkung, wobei die SGLT2i diesbezüglich den GLP-1-RA deutlich überlegen sind.1,2 Für alle SGLT2i konnte zudem ein Benefit hinsichtlich einer Reduktion von Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz und für alle GLP-1-RA ein Nutzen in Bezug auf die Reduktion von Schlaganfällen nachgewiesen werden.1,2 «Diese Erkenntnisse haben zu einer Revolution in der Diabetologie geführt und sind die Grundlage der neuen SGED-Empfehlungen», sagte Lehmann.
Bereits initial eine Kombinationstherapie
Die Behandlung des T2D ist immer multifaktoriell. Lifestyle-Massnahmen und die Therapie einer allfälligen Hypertonie und Hyperlipidämie sowie der Rauchstopp bilden die Grundlage jeder T2D-Therapie. Zusätzlich wird bei Bedarf eine medikamentöse Behandlung begonnen. Bei der Wahl der Medikamente sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Zu den Therapiezielen gehören neben der Blutzuckersenkung auch die Reduktion der Mortalität und der Schutz von Herz und Nieren. Unter der Behandlung sollte es zu keinen Hypoglykämien und zu keiner Gewichtszunahme kommen. Zudem muss auf Nebenwirkungen, Kontraindikationen sowie die Kosten und die Vergütung durch die Krankenkassen geachtet werden. «Dabei müssen immer auch die Wünsche der Patient*innen – keine Hypoglykämien, keine Gewichtszunahme und möglichst wenig Pillen – berücksichtigt werden», betonte der Experte.
Welche Medikamentengruppen sollen nun also heute prioritär verwendet werden? Metformin wird seit mehr als 60 Jahren erfolgreich in der Basistherapie eingesetzt, und dies bleibt auch so. Studien haben für Metformin bislang zwar keinen kardiovaskulären Zusatznutzen gezeigt,3 doch in allen Untersuchungen mit SGLT2i und GLP-1-RA wurden diese stets mit Metformin kombiniert. Deshalb ist das Antidiabetikum nach wie vor fester Bestandteil der Basistherapie. Aufgrund der Evidenz aus den CV Endpunktstudien empfiehlt die SGED neuerdings aber, bereits initial mit einer Kombinationstherapie aus Metformin und einem SGLT2i oder einem GLP-1-RA zu starten und nicht wie bisher mit Metformin allein (Abb. 2).1 «Metformin, SGTL2i und GLP-1-RA sind heute somit die präferierten Antidiabetika bei Patient*innen mit T2D ohne Insulinmangel», erklärte Lehmann.
Abb. 2: Empfehlungen der SGED/SSED zur Behandlung des Typ-2-Diabetes (adaptiert nach SGED/SSED, 2023)1
Metformin plus SGLT2i oder Metformin plus GLP-1-RA?
Ob initial ein SGLT2i oder ein GLP-1-RA eingesetzt wird, hängt von den Zusatzerkrankungen und den hauptsächlichen Therapiezielen ab. Bei Patient*innen mit einer Herzinsuffizienz oder einer Nierenerkrankung empfehlen die Guidelines die Kombination aus Metformin und einem SGLT2i.1 Stehen hingegen eine Gewichtsreduktion und/oder die Prävention von kardiovaskulären Ereignissen, was v.a. bei jüngeren Patient*innen mit langer Lebenserwartung der Fall ist, im Vordergrund, sollte eher die Kombination aus Metformin und einem GLP-1-RA gewählt werden.1 Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Krankenkassen die Kosten für GLP-1-RA erst ab einem initialen BMI >28kg/m2 vergüten.
SGLT2i können auch bei initial verminderter Nierenfunktion bis zu einer eGFR von 30ml/min/1,73m2 verschrieben werden. Verschlechtert sich die Nierenfunktion im Verlauf, kann die Therapie bis zur Dialyse weitergeführt werden.
Welche Rolle spielen die DPP-4-Hemmer?
Die DPP-4-I senken das HbA1c zuverlässig und haben dadurch langfristig einen günstigen Effekt auf mikro- und makrovaskuläre Komplikationen. Sie verursachen keine Hypoglykämien und keine Gewichtszunahme und haben keine Nebenwirkungen. Sie werden deshalb auch heute noch oft verschrieben. Die DPP-4-I haben jedoch den grossen Nachteil, dass sie keinen zusätzlichen Benefit im Hinblick auf CV Ereignisse haben und sollten deshalb nur noch als Alternative zu GLP-1-RA eingesetzt werden bei Patient*innen mit einem BMI <28kg/m2.
Tripeltherapie
Genügt eine Zweifachkombination nicht, empfiehlt die SGED, die Behandlung auf die Tripelkombination aus Metformin plus SGLT2i und GLP-1-RA (oder DPP-4-I bei BMI <28kg/m2) auszubauen.1 «Diese Dreifachkombination reduziert das Risiko für schwere CV Ereignisse und die Mortalität noch stärker als die Kombination aus Metformin plus GLP-1-RA resp. Metformin plus SGLT2i», so der Diabetologe. In Studien sank das Risiko für den 3-Punkte-MACE um 24% und für Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz um 35% und dies bei einer NNT von lediglich 3.4,5 Die Kosten für die vorteilhafte Kombination von GLP-1-RA und SGLT2i werden aktuell noch nicht von allen Krankenkassen übernommen, weshalb vorgängig ein Gesuch um Kostengutsprache eingereicht werden muss. Gemäss Lehmann ist die Kostenübernahme praktisch nie ein Problem, wenn mit Metformin plus GLP-1-RA gestartet und danach zusätzlich ein SGLT2i verschrieben wird, da der Preis hier gleich ist wie bei der Kombination mit einem DPP-4-I. Wurde initial mit Metformin und einem SGLT2i gestartet und braucht es zusätzlich einen GLP-1-RA, rät der Experte, im Gesuch um Kostengutsprache die Resultate der Real-World-Studien zu erwähnen.
Insulin stets mit Metformin
«Kann das Therapieziel auch mit der Dreifachtherapie Metformin plus SGLT2i plus GLP-1-RA nicht erreicht werden, wird die Behandlung mit einem Basalinsulin oder einem koformulierten Insulin erweitert», erklärte Lehmann. Insulin ist auch dann angezeigt, wenn das HbA1c initial sehr hoch ist (>10%) oder bereits von Beginn an ein Insulinmangel besteht. In dieser Situation wird die Therapie mit Metformin und einem ultralang wirksamen Basalinsulin oder mit Metformin plus Basalinsulin plus GLP-1-RA oder mit Metformin und einem koformulierten Insulin begonnen. Koformuliertes Insulin besteht zu 30% aus einem schnell wirksamen und zu 70% aus einem lang wirksamen Insulin und kann zu einer oder zwei Hauptmahlzeiten gespritzt werden.
Keine Angst vor einem niedrigen HbA1c
«Viele Praktiker haben Angst, das HbA1c zu stark zu senken. Tatsächlich profitieren aber die Patienten von einem niedrigen HbA1c – sofern sie keine Hypoglykämien haben», betonte der Experte. Eine Studie mit über 10000 Proband*innen ohne Diabetes zeigte: Ab einem HbA1c ≥5,5% steigt nicht nur das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes signifikant, sondern auch das Risiko für eine koronare Herzkrankheit oder einen Schlaganfall.6
Um mikro- und makrovaskuläre Komplikationen zu vermeiden, ist ein HbA1c-Zielwert von 6,5% ideal. «Bei Patient*innen ohne Sulfonylharnstoffe oder Insulin besteht auch bei einem HbA1c <6,5% keine Gefahr für Hypoglykämien. Hier sollte der Zielwert bei <7% liegen», riet Lehmann. Anders bei Patient*innen, die mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen behandelt werden und eine wesentliche Komorbidität (Nieren- oder Herzinsuffizienz oder eine CV Erkrankung) haben und/oder älter als 80 Jahre sind: In diesem Fall wird zur Verhinderung von Hypoglykämien ein HbA1c <8% empfohlen.
Quelle:
FOMF Diabetes Update Refresher, 3. bis 5. November 2022, Zürich
Literatur:
1 SGED/SSED: Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED/SSED) für die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 (2023). https://www.sgedssed.ch/diabetologie/sged-empfehlungen-diabetologie 2 Schneider L, Lehmann R: Entscheidungshilfe für eine personalisierte Therapie beim Typ-2-Diabetes-mellitus. Swiss Med Forum 2021; 21: 251-6 3 Griffin SJ et al: Impact of metformin on cardiovascular disease: a meta-analysis of randomised trials among people with type 2 diabetes. Diabetologia 2017; 60: 1620-9 4 Jensen MH et al.: Risk of major adverse cardiovascular events, severe hypoglycemia, and all-cause mortality for widely used antihyperglycemic dual and triple therapies for type 2 diabetes management: a cohort study of all danish users. Diabetes Care 2020; 43: 1209-18 5 Dave CV et al.: Risk of cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes after addition of SGLT2 inhibitors versus sulfonylureas to baseline GLP-1RA therapy. Circulation 2021; 143: 770-9 6 Selvin E et al.: Glycated hemoglobin, diabetes, and cardiovascular risk in nondiabetic adults. N Engl J Med 2010; 362: 800-11
Das könnte Sie auch interessieren:
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...
Neue Studiendaten zu Typ-2-Diabetes und Lebensstil
Dass gesunde Ernährung und Bewegung das Diabetesrisiko sowie verschiedene Risiken von Patienten mit Diabetes senken, ist seit Langem bekannt. Und das Detailwissen zur Bedeutung von ...
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...