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Medikamentöse Therapieoptionen bei Akromegalie

<p class="article-intro">Wir beschreiben in unserer aktuellen Kasuistik den langen Weg einer jungen Patientin mit Akromegalie bis zur erfolgreichen Therapie. Darüber hinaus möchten wir die Symptomatik, Diagnostik und Therapieoptionen vermitteln. Wir erklären wie Therapieziele erreicht werden und damit die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten entscheidend verbessert werden können.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>F&uuml;r eine Akromegalie verantwortlich ist die &Uuml;berproduktion des Wachstumshormons.</li> <li>H&auml;ufigste Ursache ist ein Hypophysentumor (Adenom). Ab einer Gr&ouml;&szlig;e von 10 mm spricht man von einem Makroadenom. Eine ektope Wachstumshormonproduktion ist eine Rarit&auml;t.</li> <li>Nach einer Labordiagnostik erfolgt die radiologische Abkl&auml;rung mittels MRT der Hypophysen/Sellaregion.</li> <li>Die einzige kurative Therapie ist die operative Sanierung.</li> <li>Medikament&ouml;se Therapieoptionen sind Dopaminagonisten, Somatostatin-Analoga und Wachstumshormonrezeptor- Antagonisten.</li> </ul> </div> <p>Bei unserer Patientin wurde in ihrem 25. Lebensjahr, im Jahr 2008, eine Akromegalie diagnostiziert. In der Anamnese aufgefallen waren vor allem ein starker Kopfschmerz, Zyklusst&ouml;rungen sowie Schmerzen in den Fingern (Tab. 1).<br />Laborchemisch bestand eine Erh&ouml;hung des Wachstumshormons (STH: 98 &mu;IU/ml; Norm: 0,2&ndash;10,0 &mu;IU/ml), des Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1: 1362 ng/ml; altersentsprechende Norm: 113&ndash;450 ng/ml) und des Prolaktins (770 &mu;IU/ml; Norm: 113&ndash;450 &mu;IU/ml). In der kranialen Magnetresonanztomografie zeigte sich ein Makroadenom der Hypophyse (2,7 x 1,6 x 1,5 cm).<br />Eine operative Sanierung erfolgte im Februar 2009, postoperativ zeigten sich jedoch weiterhin stark erh&ouml;hte STH- und IGF-1-Werte. Eine optimale medikament&ouml;se Kontrolle (IGF-1 im Normbereich) konnte erst Jahre sp&auml;ter nach Aussch&ouml;pfung aller Optionen erreicht werden.</p> <h2>Akromegalie: Symptome und Diagnostik</h2> <p>Die f&uuml;r die Akromegalie verantwortliche &Uuml;berproduktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon, STH) stimuliert in weiterer Folge die Bildung von IGF-1 in der Leber. IGF-1 f&ouml;rdert das Zellwachstum und f&uuml;hrt so zu einer Vielzahl von morphologischen und metabolischen Ver&auml;nderungen, die sich teilweise sehr diskret entwickeln. Somit ergibt sich der klinische Zusammenhang meist retrospektiv. Daher vergehen h&auml;ufig Jahre zwischen Erkrankungsbeginn und Diagnosestellung. Peripher kann es durch die Stimulierung des Zellwachstums zu Gelenksbeschwerden aufgrund einer hypertrophen Arthropathie sowie zu einem Karpaltunnelsyndrom kommen. H&auml;ufig wird auch von vermehrtem Schwitzen berichtet sowie von geschwollenen F&uuml;&szlig;en und Fingern (Ringe passen nicht mehr).<br />Als Komorbidit&auml;ten k&ouml;nnen sich eine arterielle Hypertonie, eine Kardiomyopathie, ein Schlafapnoe-Syndrom sowie eine gest&ouml;rte Glukosetoleranz bis hin zum Diabetes mellitus entwickeln. Die typischen &auml;u&szlig;erlichen Ver&auml;nderung mit Vergr&ouml;&szlig;erung der Mandibula mit Prognathie, Verbreiterung der Zahnzwischenr&auml;ume sowie Verbreiterung der Nasenwurzel und prominenter Supraorbitalw&uuml;lste werden von Patientinnen und Patienten sowie deren Angeh&ouml;rigen aufgrund der langsamen Progression h&auml;ufig vorerst nicht wahrgenommen und zeigen sich dann im Vergleich mit fr&uuml;heren Fotos (z.B. Passbild). Es sind aber gerade diese &auml;u&szlig;erlichen Ver&auml;nderungen, die zu der zum Teil stark eingeschr&auml;nkten Lebensqualit&auml;t von Akromegaliepatienten beitragen k&ouml;nnen. Tritt eine vermehrte Wachstumshormonproduktion im Kindesalter vor dem kn&ouml;chernen Schluss der Epiphysenfugen auf, kommt es zum klinischen Bild des Gigantismus.<br />Ein Hypophysentumor, meist ein Adenom, ist die h&auml;ufigste Ursache einer Akromegalie; eine ektope Wachstumshormonproduktion ist eine Rarit&auml;t. Bei einem Adenom &uuml;ber 10 mm spricht man von einem Makroadenom.<br />Symptome, verursacht durch das lokale Wachstum, k&ouml;nnen ebenfalls zur Diagnose f&uuml;hren, wie dies bei unserer Patientin der Fall war (Tab. 1). Im Vordergrund stehen dabei Kopfschmerzen sowie Gesichtsfeldausf&auml;lle (bitemporale Hemianopsie u. a.), sofern das Chiasma opticum komprimiert wird. Zus&auml;tzlich kann es zum Ausfall (Hypogonadismus, sekund&auml;re Hypothyreose, sekund&auml;re Nebennierenrindeninsuffizienz) oder zur &Uuml;berproduktion (reaktive Hyperprolaktin&auml;mie) weiterer hypophys&auml;rer Hormone mit entsprechender Symptomatik kommen.<br />Ein IGF-1-Wert im altersabh&auml;ngigen Normbereich schlie&szlig;t eine Akromegalie weitgehend aus, das STH ist aufgrund seiner pulsatilen Aussch&uuml;ttung und kurzen Halbwertszeit als Screeningtest nicht geeignet. Zus&auml;tzlich soll zur Diagnosesicherung ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgef&uuml;hrt werden. Physiologischerweise supprimiert ein Blutzuckeranstieg die Aussch&uuml;ttung von STH. Bei einer autonomen Sekretion zeigen sich zwei Stunden nach Glukosegabe eine fehlende Supprimierbarkeit oder sogar ein paradoxer STH-Anstieg.<br />Nach der Labordiagnostik erfolgt die radiologische Abkl&auml;rung, in der Regel mit dem MRT der Hypophysen/Sellaregion.<br />Therapeutisch steht die operative Sanierung an erster Stelle und sie ist auch der einzige kurative Ansatz. Ziele sind eine biochemische Heilung der Akromegalie mit postoperativen IGF-1-Spiegeln im Normbereich und supprimierten STH-Werten im oGTT sowie eine Besserung der klinischen Symptomatik und des radiologischen Befundes. Mit dem Erreichen dieser Zielwerte ist auch eine Normalisierung der Lebenserwartung verbunden.<br />Falls eine kurative Operation nicht m&ouml;glich ist (bei Makroadenomen in ca. 50 % der F&auml;lle), stehen folgende medikament&ouml;se Therapieoptionen zur Verf&uuml;gung: Dopaminagonisten, Somatostatin-Analoga und Wachstumshormonrezeptor-Antagonisten (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s29_tab1.jpg" alt="" width="550" height="306" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s29_abb1.jpg" alt="" width="300" height="310" /></p> <h2>Verlauf und Therapie</h2> <p>Bei unserer Patientin bestanden drei Monate nach erfolgter Operation weiterhin stark erh&ouml;hte IGF-1-Werte (629 ng/ml), zus&auml;tzlich wurde in den radiologischen Kontrollen eine 5 mm gro&szlig;e postoperative Struktur beschrieben, am ehesten Granulationsgewebe (DD: Resttumor oder Rezidiv) entsprechend.<br />Dopaminagonisten bilden einen ersten medikament&ouml;sen Schritt und auch die einzige orale Therapieoption. Vor allem bei Adenomen mit zus&auml;tzlicher Prolaktinsekretion und postoperativ nur m&auml;&szlig;ig ausgepr&auml;gter Restaktivit&auml;t (IGF-1 weniger als das Doppelte des Normbereichs) kann sich ein Versuch mit Dopaminagonisten lohnen, wobei sich in den Studien Cabergolin (Dostinex) potenter als Bromocriptin zeigte. H&auml;ufige Nebenwirkungen sind M&uuml;digkeit, Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Orthostase sowie depressive Verstimmung. Bei unserer Patientin wurde mit Cabergolin zweimal die Woche begonnen, worunter die IGF-1-Spiegel vorerst sanken, jedoch auch nach einem Jahr Therapie nicht den altersabh&auml;ngigen Normbereich erreichten. Zus&auml;tzlich war das STH im oGTT nicht supprimierbar, sodass als n&auml;chster Schritt ein Somatostatin- Analogon dazugegeben wurde.<br />Die Aussch&uuml;ttung von STH wird durch Somatostatin inhibiert, wobei es f&uuml;nf bekannte Rezeptoruntertypen f&uuml;r Somatostatin gibt. Synthetische Somatostatin-Analoga mit l&auml;ngerer Halbwertszeit sind Octreotid (Sandostatin LAR) und Lanreotid (Somatuline), welche vor allem an den Somatostatin- Rezeptorsubtypen 2 und 5 binden. Vor allem Depotpr&auml;parate, welche einmal im Monat tief subkutan (Lanreotid) bzw. intramuskul&auml;r (Octreotid) gegeben werden, sind eine dauerhafte Therapie bei Akromegalie. F&uuml;r diese Anwendung ist auch eine tumorverkleinernde Wirkung beschrieben. Bei ausgepr&auml;gter Symptomatik und stark erh&ouml;hten IGF-1-Werten kann initial bereits mit dieser Therapie begonnen werden. Au&szlig;erdem ist eine Kombination von Dopaminagonisten mit Somatostatin- Analoga m&ouml;glich. Unsere Patientin erhielt in weiterer Folge Lanreotid zus&auml;tzlich zu Cabergolin. Die Dosis konnte bei guter Vertr&auml;glichkeit von anfangs 60 mg auf 120 mg im Monat gesteigert werden. Als typische Beschwerden, die jedoch zum gr&ouml;&szlig;ten Teil vor&uuml;bergehend sind, k&ouml;nnen gastrointestinale Symptome wie Bl&auml;hungen, &Uuml;belkeit, Diarrh&ouml; oder Erbrechen auftreten. Zus&auml;tzlich ist eine Verschlechterung des Glukosestoffwechsels m&ouml;glich und ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Gallensteine ist bekannt.<br />Doch auch unter dieser Therapie zeigten sich die IGF-1-Werte unserer Patientin konstant erh&ouml;ht mit sogar leicht steigender Tendenz. Als n&auml;chste Option steht die Gabe eines Wachstumshormonrezeptor-Antagonisten &ndash; Pegvisomant (Somavert), das t&auml;glich subkutan verabreicht werden muss &ndash; zur Verf&uuml;gung. Dieses bindet an den Wachstumshormonrezeptor, ohne dass eine Signaltransduktion ausgel&ouml;st wird, sodass die Bildung von IGF-1 ausbleibt. Bei unserer Patientin wurde im Mai 2011 mit Pegvisomant begonnen, Lanreotid wurde pausiert. Mit dieser Therapie konnte zum ersten Mal eine Reduktion von IGF-1 in den Normbereich erzielt werden. Zu einem Anstieg der Transaminasen, was unter Pegvisomant- Therapie m&ouml;glich ist und in seltenen F&auml;llen dazu f&uuml;hrt, dass die Medikation abgesetzt werden muss, kam es bei unserer Patientin nicht. Da Pegvisomant zwar h&auml;ufig IGF-1 ausreichend gut supprimiert, aber keinen tumorverkleinernden Effekt aufweist, sind regelm&auml;&szlig;ige radiologische Kontrollen besonders wichtig. Bei unserer Patientin zeigte sich in den radiologischen Verlaufskontrollen kein Wachstum des fraglichen Resttumors, die IGF-1-Werte blieben unter 10 mg Pegvisomant stabil.<br />Zu diesem Zeitpunkt bestand vonseiten der Patientin ein Kinderwunsch. Bei einer gut kontrollierten Akromegalie ist eine Schwangerschaft m&ouml;glich, die medikament&ouml;se Therapie muss jedoch daf&uuml;r pausiert werden. Eine Gabe von kurz wirksamem Octreotid ist nur in Ausnahmef&auml;llen m&ouml;glich. Im Jahr 2013 wurde unsere Patientin schwanger und die bestehende Therapie pausiert. In den Kontrollen zeigten sich steigende IGF-1-Werte, radiologisch zeigte sich das bekannte Restgewebe ohne Dynamik. Die Patientin selbst gab w&auml;hrend der Schwangerschaft starke Kopfschmerzen und Schmerzen in den H&auml;nden an, welche gegen Ende der Schwangerschaft kaum auszuhalten waren. Bis auf einen Gestationsdiabetes verlief die Schwangerschaft jedoch komplikationslos und die Patientin brachte 2014/02 einen gesunden Sohn zur Welt.<br />Nach der Geburt wurde 2014 erneut mit Pegvisomant begonnen. Da in den Kontrollen bis 2016 trotz Dosissteigerung nur einmalig ein IGF-1-Wert im Normalbereich festgestellt wurde, entschieden wir uns daf&uuml;r, der Patientin erneut Lanreotid zus&auml;tzlich zur bestehenden Therapie zu gegeben. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkmechanismen k&ouml;nnen Somatostatin-Analoga und Pegvisomant als Wachstumshormonrezeptor-Antagonist kombiniert werden. Im weiteren Verlauf erfolgten eine maximale Aufdosierung dieser medikament&ouml;sen Therapie und die zus&auml;tzliche Gabe von Cabergolin. Die Patientin verabreichte sich selbst s.c. sowohl Pegvisomant als auch Lanreotid (alle 4 Wochen) und f&uuml;hrte die Therapie sehr exakt durch, trotzdem lie&szlig; sich keine Suppression von IGF-1 in den Normbereich erzielen.<br /> Mit Pasireotid (Signifor) steht seit 2012 ein weiteres Somatostatin-Analogon zur Verf&uuml;gung, welches im Gegensatz zu Octreotid und Lanreotid auch an den Somatostatin- Rezeptorsubtypen 1 und 3 sowie st&auml;rker am Subtyp 5 wirkt. In Studien konnten bei Patienten mit nicht ausreichend kontrollierter Akromegalie nach Gabe von Lanreotid oder Octreotid durch einen Wechsel auf Pasireotid sowohl der IGF-1-Wert als auch der STH-Spiegel gesenkt werden. Bei Pasireotid ist das Risiko f&uuml;r die Entwicklung eines Diabetes mellitus h&ouml;her als unter Lanreotid oder Octreotid, sodass eine entsprechende Aufkl&auml;rung der Patientinnen und Patienten sowie regelm&auml;&szlig;ige Kontrollen des Glukosestoffwechsels wichtig sind. Weiterhin ist auf eine m&ouml;gliche Verl&auml;ngerung der QTc-Zeit zu achten sowie auf die Induktion von Gallensteinen. Zur Erfassung der Lebensqualit&auml;t bei Akromegaliepatienten stehen Frageb&ouml;gen zur Option (z.B. AcroQol).<br /> Im August 2018 erfolgte bei unserer Patientin ein Wechsel von Lanreotid auf Pasireotid. Bei der ersten Kontrolle im November 2018 zeigte sich bereits ein R&uuml;ckgang von IGF-1 auf 216 ng/ml in den Normbereich (81&ndash;278 ng/ml) gegen&uuml;ber 378 ng/ml, die im M&auml;rz 2018 noch vor der Gabe von Pasireotid festgestellt wurden. Im Februar 2019 betrug die IGF-1-Konzentration 153 ng/ml, was einer biochemischen Heilung entspricht. Zus&auml;tzlich gab die Patientin an, dass ihre Kopfschmerzen seit dem Beginn der Therapie deutlich besser geworden sind, was sie als sehr gro&szlig;en Zugewinn an Lebensqualit&auml;t sieht.<br /> Im MRT vom Mai 2018 zeigte sich am Sellaboden eine gegen&uuml;ber den Vorbefunden gering an Gr&ouml;&szlig;e zugenommene Struktur (fragl. Resttumor 6 mm), welche in der Folge (Juli 2019) im MRT (am selben Institut) nicht mehr nachweisbar war. Eine anf&auml;ngliche Diarrh&ouml; als bekannte Nebenwirkung besserte sich im Verlauf. Mit dem Erreichen der Therapieziele zeigte unsere Patientin ein knappes Jahr nach Therapiebeginn mit Pasireotid einen hoffnungsvollen Verlauf, was sich auch in ihrer Lebensqualit&auml;t widerspiegelte.</p> <div id="fazit"> <h2>PRAXISTIPP</h2> <p>Die operative Sanierung ist die Therapie der Wahl bei Akromegalie. Besteht postoperativ weiterhin eine Erh&ouml;hung von STH und IGF-1, stehen verschiedene medikament&ouml;se Optionen zur Verf&uuml;gung, welche aufgrund der sonst erh&ouml;hten Mortalit&auml;t und Morbidit&auml;t auch genutzt werden sollten.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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