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Medikamentöse Therapieoptionen bei Akromegalie
Jatros
Autor:
Dr. Greta Gericke
1. Medizinische Abteilung<br> Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Christoph Schnack
1. Medizinische Abteilung<br> Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien<br> E-Mail: christoph.schnack@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
19.09.2019
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<p class="article-intro">Wir beschreiben in unserer aktuellen Kasuistik den langen Weg einer jungen Patientin mit Akromegalie bis zur erfolgreichen Therapie. Darüber hinaus möchten wir die Symptomatik, Diagnostik und Therapieoptionen vermitteln. Wir erklären wie Therapieziele erreicht werden und damit die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten entscheidend verbessert werden können.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Für eine Akromegalie verantwortlich ist die Überproduktion des Wachstumshormons.</li> <li>Häufigste Ursache ist ein Hypophysentumor (Adenom). Ab einer Größe von 10 mm spricht man von einem Makroadenom. Eine ektope Wachstumshormonproduktion ist eine Rarität.</li> <li>Nach einer Labordiagnostik erfolgt die radiologische Abklärung mittels MRT der Hypophysen/Sellaregion.</li> <li>Die einzige kurative Therapie ist die operative Sanierung.</li> <li>Medikamentöse Therapieoptionen sind Dopaminagonisten, Somatostatin-Analoga und Wachstumshormonrezeptor- Antagonisten.</li> </ul> </div> <p>Bei unserer Patientin wurde in ihrem 25. Lebensjahr, im Jahr 2008, eine Akromegalie diagnostiziert. In der Anamnese aufgefallen waren vor allem ein starker Kopfschmerz, Zyklusstörungen sowie Schmerzen in den Fingern (Tab. 1).<br />Laborchemisch bestand eine Erhöhung des Wachstumshormons (STH: 98 μIU/ml; Norm: 0,2–10,0 μIU/ml), des Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1: 1362 ng/ml; altersentsprechende Norm: 113–450 ng/ml) und des Prolaktins (770 μIU/ml; Norm: 113–450 μIU/ml). In der kranialen Magnetresonanztomografie zeigte sich ein Makroadenom der Hypophyse (2,7 x 1,6 x 1,5 cm).<br />Eine operative Sanierung erfolgte im Februar 2009, postoperativ zeigten sich jedoch weiterhin stark erhöhte STH- und IGF-1-Werte. Eine optimale medikamentöse Kontrolle (IGF-1 im Normbereich) konnte erst Jahre später nach Ausschöpfung aller Optionen erreicht werden.</p> <h2>Akromegalie: Symptome und Diagnostik</h2> <p>Die für die Akromegalie verantwortliche Überproduktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon, STH) stimuliert in weiterer Folge die Bildung von IGF-1 in der Leber. IGF-1 fördert das Zellwachstum und führt so zu einer Vielzahl von morphologischen und metabolischen Veränderungen, die sich teilweise sehr diskret entwickeln. Somit ergibt sich der klinische Zusammenhang meist retrospektiv. Daher vergehen häufig Jahre zwischen Erkrankungsbeginn und Diagnosestellung. Peripher kann es durch die Stimulierung des Zellwachstums zu Gelenksbeschwerden aufgrund einer hypertrophen Arthropathie sowie zu einem Karpaltunnelsyndrom kommen. Häufig wird auch von vermehrtem Schwitzen berichtet sowie von geschwollenen Füßen und Fingern (Ringe passen nicht mehr).<br />Als Komorbiditäten können sich eine arterielle Hypertonie, eine Kardiomyopathie, ein Schlafapnoe-Syndrom sowie eine gestörte Glukosetoleranz bis hin zum Diabetes mellitus entwickeln. Die typischen äußerlichen Veränderung mit Vergrößerung der Mandibula mit Prognathie, Verbreiterung der Zahnzwischenräume sowie Verbreiterung der Nasenwurzel und prominenter Supraorbitalwülste werden von Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen aufgrund der langsamen Progression häufig vorerst nicht wahrgenommen und zeigen sich dann im Vergleich mit früheren Fotos (z.B. Passbild). Es sind aber gerade diese äußerlichen Veränderungen, die zu der zum Teil stark eingeschränkten Lebensqualität von Akromegaliepatienten beitragen können. Tritt eine vermehrte Wachstumshormonproduktion im Kindesalter vor dem knöchernen Schluss der Epiphysenfugen auf, kommt es zum klinischen Bild des Gigantismus.<br />Ein Hypophysentumor, meist ein Adenom, ist die häufigste Ursache einer Akromegalie; eine ektope Wachstumshormonproduktion ist eine Rarität. Bei einem Adenom über 10 mm spricht man von einem Makroadenom.<br />Symptome, verursacht durch das lokale Wachstum, können ebenfalls zur Diagnose führen, wie dies bei unserer Patientin der Fall war (Tab. 1). Im Vordergrund stehen dabei Kopfschmerzen sowie Gesichtsfeldausfälle (bitemporale Hemianopsie u. a.), sofern das Chiasma opticum komprimiert wird. Zusätzlich kann es zum Ausfall (Hypogonadismus, sekundäre Hypothyreose, sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz) oder zur Überproduktion (reaktive Hyperprolaktinämie) weiterer hypophysärer Hormone mit entsprechender Symptomatik kommen.<br />Ein IGF-1-Wert im altersabhängigen Normbereich schließt eine Akromegalie weitgehend aus, das STH ist aufgrund seiner pulsatilen Ausschüttung und kurzen Halbwertszeit als Screeningtest nicht geeignet. Zusätzlich soll zur Diagnosesicherung ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt werden. Physiologischerweise supprimiert ein Blutzuckeranstieg die Ausschüttung von STH. Bei einer autonomen Sekretion zeigen sich zwei Stunden nach Glukosegabe eine fehlende Supprimierbarkeit oder sogar ein paradoxer STH-Anstieg.<br />Nach der Labordiagnostik erfolgt die radiologische Abklärung, in der Regel mit dem MRT der Hypophysen/Sellaregion.<br />Therapeutisch steht die operative Sanierung an erster Stelle und sie ist auch der einzige kurative Ansatz. Ziele sind eine biochemische Heilung der Akromegalie mit postoperativen IGF-1-Spiegeln im Normbereich und supprimierten STH-Werten im oGTT sowie eine Besserung der klinischen Symptomatik und des radiologischen Befundes. Mit dem Erreichen dieser Zielwerte ist auch eine Normalisierung der Lebenserwartung verbunden.<br />Falls eine kurative Operation nicht möglich ist (bei Makroadenomen in ca. 50 % der Fälle), stehen folgende medikamentöse Therapieoptionen zur Verfügung: Dopaminagonisten, Somatostatin-Analoga und Wachstumshormonrezeptor-Antagonisten (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s29_tab1.jpg" alt="" width="550" height="306" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s29_abb1.jpg" alt="" width="300" height="310" /></p> <h2>Verlauf und Therapie</h2> <p>Bei unserer Patientin bestanden drei Monate nach erfolgter Operation weiterhin stark erhöhte IGF-1-Werte (629 ng/ml), zusätzlich wurde in den radiologischen Kontrollen eine 5 mm große postoperative Struktur beschrieben, am ehesten Granulationsgewebe (DD: Resttumor oder Rezidiv) entsprechend.<br />Dopaminagonisten bilden einen ersten medikamentösen Schritt und auch die einzige orale Therapieoption. Vor allem bei Adenomen mit zusätzlicher Prolaktinsekretion und postoperativ nur mäßig ausgeprägter Restaktivität (IGF-1 weniger als das Doppelte des Normbereichs) kann sich ein Versuch mit Dopaminagonisten lohnen, wobei sich in den Studien Cabergolin (Dostinex) potenter als Bromocriptin zeigte. Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Orthostase sowie depressive Verstimmung. Bei unserer Patientin wurde mit Cabergolin zweimal die Woche begonnen, worunter die IGF-1-Spiegel vorerst sanken, jedoch auch nach einem Jahr Therapie nicht den altersabhängigen Normbereich erreichten. Zusätzlich war das STH im oGTT nicht supprimierbar, sodass als nächster Schritt ein Somatostatin- Analogon dazugegeben wurde.<br />Die Ausschüttung von STH wird durch Somatostatin inhibiert, wobei es fünf bekannte Rezeptoruntertypen für Somatostatin gibt. Synthetische Somatostatin-Analoga mit längerer Halbwertszeit sind Octreotid (Sandostatin LAR) und Lanreotid (Somatuline), welche vor allem an den Somatostatin- Rezeptorsubtypen 2 und 5 binden. Vor allem Depotpräparate, welche einmal im Monat tief subkutan (Lanreotid) bzw. intramuskulär (Octreotid) gegeben werden, sind eine dauerhafte Therapie bei Akromegalie. Für diese Anwendung ist auch eine tumorverkleinernde Wirkung beschrieben. Bei ausgeprägter Symptomatik und stark erhöhten IGF-1-Werten kann initial bereits mit dieser Therapie begonnen werden. Außerdem ist eine Kombination von Dopaminagonisten mit Somatostatin- Analoga möglich. Unsere Patientin erhielt in weiterer Folge Lanreotid zusätzlich zu Cabergolin. Die Dosis konnte bei guter Verträglichkeit von anfangs 60 mg auf 120 mg im Monat gesteigert werden. Als typische Beschwerden, die jedoch zum größten Teil vorübergehend sind, können gastrointestinale Symptome wie Blähungen, Übelkeit, Diarrhö oder Erbrechen auftreten. Zusätzlich ist eine Verschlechterung des Glukosestoffwechsels möglich und ein erhöhtes Risiko für Gallensteine ist bekannt.<br />Doch auch unter dieser Therapie zeigten sich die IGF-1-Werte unserer Patientin konstant erhöht mit sogar leicht steigender Tendenz. Als nächste Option steht die Gabe eines Wachstumshormonrezeptor-Antagonisten – Pegvisomant (Somavert), das täglich subkutan verabreicht werden muss – zur Verfügung. Dieses bindet an den Wachstumshormonrezeptor, ohne dass eine Signaltransduktion ausgelöst wird, sodass die Bildung von IGF-1 ausbleibt. Bei unserer Patientin wurde im Mai 2011 mit Pegvisomant begonnen, Lanreotid wurde pausiert. Mit dieser Therapie konnte zum ersten Mal eine Reduktion von IGF-1 in den Normbereich erzielt werden. Zu einem Anstieg der Transaminasen, was unter Pegvisomant- Therapie möglich ist und in seltenen Fällen dazu führt, dass die Medikation abgesetzt werden muss, kam es bei unserer Patientin nicht. Da Pegvisomant zwar häufig IGF-1 ausreichend gut supprimiert, aber keinen tumorverkleinernden Effekt aufweist, sind regelmäßige radiologische Kontrollen besonders wichtig. Bei unserer Patientin zeigte sich in den radiologischen Verlaufskontrollen kein Wachstum des fraglichen Resttumors, die IGF-1-Werte blieben unter 10 mg Pegvisomant stabil.<br />Zu diesem Zeitpunkt bestand vonseiten der Patientin ein Kinderwunsch. Bei einer gut kontrollierten Akromegalie ist eine Schwangerschaft möglich, die medikamentöse Therapie muss jedoch dafür pausiert werden. Eine Gabe von kurz wirksamem Octreotid ist nur in Ausnahmefällen möglich. Im Jahr 2013 wurde unsere Patientin schwanger und die bestehende Therapie pausiert. In den Kontrollen zeigten sich steigende IGF-1-Werte, radiologisch zeigte sich das bekannte Restgewebe ohne Dynamik. Die Patientin selbst gab während der Schwangerschaft starke Kopfschmerzen und Schmerzen in den Händen an, welche gegen Ende der Schwangerschaft kaum auszuhalten waren. Bis auf einen Gestationsdiabetes verlief die Schwangerschaft jedoch komplikationslos und die Patientin brachte 2014/02 einen gesunden Sohn zur Welt.<br />Nach der Geburt wurde 2014 erneut mit Pegvisomant begonnen. Da in den Kontrollen bis 2016 trotz Dosissteigerung nur einmalig ein IGF-1-Wert im Normalbereich festgestellt wurde, entschieden wir uns dafür, der Patientin erneut Lanreotid zusätzlich zur bestehenden Therapie zu gegeben. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkmechanismen können Somatostatin-Analoga und Pegvisomant als Wachstumshormonrezeptor-Antagonist kombiniert werden. Im weiteren Verlauf erfolgten eine maximale Aufdosierung dieser medikamentösen Therapie und die zusätzliche Gabe von Cabergolin. Die Patientin verabreichte sich selbst s.c. sowohl Pegvisomant als auch Lanreotid (alle 4 Wochen) und führte die Therapie sehr exakt durch, trotzdem ließ sich keine Suppression von IGF-1 in den Normbereich erzielen.<br /> Mit Pasireotid (Signifor) steht seit 2012 ein weiteres Somatostatin-Analogon zur Verfügung, welches im Gegensatz zu Octreotid und Lanreotid auch an den Somatostatin- Rezeptorsubtypen 1 und 3 sowie stärker am Subtyp 5 wirkt. In Studien konnten bei Patienten mit nicht ausreichend kontrollierter Akromegalie nach Gabe von Lanreotid oder Octreotid durch einen Wechsel auf Pasireotid sowohl der IGF-1-Wert als auch der STH-Spiegel gesenkt werden. Bei Pasireotid ist das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus höher als unter Lanreotid oder Octreotid, sodass eine entsprechende Aufklärung der Patientinnen und Patienten sowie regelmäßige Kontrollen des Glukosestoffwechsels wichtig sind. Weiterhin ist auf eine mögliche Verlängerung der QTc-Zeit zu achten sowie auf die Induktion von Gallensteinen. Zur Erfassung der Lebensqualität bei Akromegaliepatienten stehen Fragebögen zur Option (z.B. AcroQol).<br /> Im August 2018 erfolgte bei unserer Patientin ein Wechsel von Lanreotid auf Pasireotid. Bei der ersten Kontrolle im November 2018 zeigte sich bereits ein Rückgang von IGF-1 auf 216 ng/ml in den Normbereich (81–278 ng/ml) gegenüber 378 ng/ml, die im März 2018 noch vor der Gabe von Pasireotid festgestellt wurden. Im Februar 2019 betrug die IGF-1-Konzentration 153 ng/ml, was einer biochemischen Heilung entspricht. Zusätzlich gab die Patientin an, dass ihre Kopfschmerzen seit dem Beginn der Therapie deutlich besser geworden sind, was sie als sehr großen Zugewinn an Lebensqualität sieht.<br /> Im MRT vom Mai 2018 zeigte sich am Sellaboden eine gegenüber den Vorbefunden gering an Größe zugenommene Struktur (fragl. Resttumor 6 mm), welche in der Folge (Juli 2019) im MRT (am selben Institut) nicht mehr nachweisbar war. Eine anfängliche Diarrhö als bekannte Nebenwirkung besserte sich im Verlauf. Mit dem Erreichen der Therapieziele zeigte unsere Patientin ein knappes Jahr nach Therapiebeginn mit Pasireotid einen hoffnungsvollen Verlauf, was sich auch in ihrer Lebensqualität widerspiegelte.</p> <div id="fazit"> <h2>PRAXISTIPP</h2> <p>Die operative Sanierung ist die Therapie der Wahl bei Akromegalie. Besteht postoperativ weiterhin eine Erhöhung von STH und IGF-1, stehen verschiedene medikamentöse Optionen zur Verfügung, welche aufgrund der sonst erhöhten Mortalität und Morbidität auch genutzt werden sollten.</p> </div></p>
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