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Malnutrition und Frailty – ein Problem bei älteren Diabetikern

<p class="article-intro">Die Prävalenz des Typ-2-Diabetes steigt mit zunehmendem Lebensalter an und beträgt entsprechend Österreichischem Diabetesbericht von 2013 bei über 74-Jährigen rund 21 % . Aufgrund dieser Zunahme der Zahl älterer Patienten mit Diabetes mellitus gewinnt die Berücksichtigung geriatrischer Syndrome – insbesondere von Malnutrition, Frailty, Sturzneigung, Demenz und Polypharmazie – an Bedeutung, um ein den individuellen Bedürfnissen entsprechendes und damit erfolgreiches Behandlungskonzept umsetzen zu können.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Therapieziele und die Wahl der Behandlungsform bei &auml;lteren Patienten mit Diabetes mellitus werden unter Einbeziehung der kognitiven und funktionellen Ressourcen festgelegt.</li> <li>Strikte einseitige Di&auml;tformen sind bei geriatrischen Patienten nicht angezeigt.</li> <li>Medikamente wie Metformin, SGLT2-Inhibitoren und GLP-1- Analoga weisen gewichtsreduzierende Effekte auf, die beim geriatrischen Patienten unerw&uuml;nscht sein k&ouml;nnen.</li> </ul> </div> <p>Als Hauptfaktoren f&uuml;r das zunehmende Diabetesrisiko im fortgeschrittenen Lebensalter werden ein altersassoziierter Anstieg der Insulinresistenz und die Beeintr&auml;chtigung der pankreatischen Insulinsekretion angef&uuml;hrt (Abb. 1). Die aktuell verf&uuml;gbaren medikament&ouml;sen Therapieformen f&uuml;r den Diabetes mellitus Typ 2 erm&ouml;glichen &uuml;ber eine Beeinflussung der komplexen pathophysiologischen Mechanismen eine Optimierung der glyk&auml;mischen Kontrolle. Den besonderen Bed&uuml;rfnissen und Herausforderungen in der Behandlung geriatrischer Patienten mit Diabetes mellitus widmen nationale und internationale Leitlinienempfehlungen gesonderte Beitr&auml;ge.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1703_Weblinks_jatros_diab_1703_s14_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="839" /></p> <h2>Geriatrische Syndrome</h2> <p>Sowohl in Bezug auf die Behandlungsform wie auch die Definition von Therapiezielen m&uuml;ssen bei &auml;lteren Patienten mit Diabetes mellitus m&ouml;gliche funktionelle und kognitive Einschr&auml;nkungen, Komorbidit&auml;ten sowie das Risiko von Arzneimittelnebenwirkungen und der Polypharmazie kritische Ber&uuml;cksichtigung finden. Geriatrische Patienten weisen vor allem auch eine hohe Vulnerabilit&auml;t in Bezug auf hypoglyk&auml;mische Komplikationen auf. Die gegenregulatorisch wirksamen neurohumoralen Mechanismen bei Hypoglyk&auml;mie sind aufgrund altersassoziierter Ver&auml;nderungen beeintr&auml;chtigt, die klinische Symptomatik kann uncharakteristisch sein und damit zu einer Verz&ouml;gerung der Diagnose f&uuml;hren. Das infolgedessen erh&ouml;hte Sturz- und Verletzungsrisiko bedeutet eine besondere Gef&auml;hrdung f&uuml;r den &auml;lteren Diabetiker. Zu den grundlegenden Ma&szlig;nahmen in der Therapie des Typ-2-Diabetes z&auml;hlt auch bei &auml;lteren Patienten die Lebensstilintervention mit Ern&auml;hrungsempfehlungen und angepassten Bewegungsprogrammen. Da bei &auml;lteren Menschen ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r die Entwicklung einer Malnutrition und Sarkopenie besteht, sind strikte, einseitige Di&auml;tformen nicht angezeigt.<br /> Der Begriff Malnutrition beinhaltet eine unzureichende Aufnahme von Makround Mikron&auml;hrstoffen mit ung&uuml;nstigen Effekten auf die Muskelmasse (Risiko Sarkopenie) sowie einer Zunahme der Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t. In enger Korrelation mit der Malnutrition und Sarkopenie steht das geriatrische Syndrom &bdquo;Frailty&ldquo;.<sup>1</sup> Entsprechend der Definition nach Fried umfasst Frailty einen unbeabsichtigten Gewichtsverlust von &uuml;ber 5kg im Zeitraum von 12 Monaten, physische und psychische Ersch&ouml;pfung, k&ouml;rperliche Schw&auml;che, verlangsamtes Gehen, eine verminderte k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t und eine erh&ouml;hte Sturzneigung.<sup>2</sup> Frailty ist mit einer Zunahme des Risikos einer Institutionalisierung bzw. Hospitalisierung assoziiert, wie auch mit einer gesteigerten Mortalit&auml;t.</p> <h2>Pathophysiologische Mechanismen</h2> <p>Epidemiologische und klinische Studien konnten das erh&ouml;hte Risiko f&uuml;r die Diagnose &bdquo;Frailty&ldquo; bei vermindertem K&ouml;rpergewicht best&auml;tigen.<sup>3, 4</sup> Dabei kommt der K&ouml;rperzusammensetzung und insbesondere der Muskelmasse eine zentrale Bedeutung zu. Das Auftreten einer Sarkopenie infolge der Malnutrition ist mit der Entwicklung von Frailty und weiteren ung&uuml;nstigen prognostischen Aspekten, einschlie&szlig;lich einer erh&ouml;hten Mortalit&auml;t, assoziiert.<sup>5</sup> Rezente Publikationen beschreiben eine Korrelation zwischen Sarkopenie, Frailty und der im Alter gesteigerten subklinischen Inflammation, die vor allem auf degenerative Prozesse im Immunsystem und Fettgewebe zur&uuml;ckgef&uuml;hrt werden kann.<sup>6&ndash;9</sup> Die subklinische Inflammation ist auch als Risikofaktor f&uuml;r die Entwicklung einer Insulinresistenz bekannt.<sup>10</sup> Eine Reihe von aktuellen Studien analysiert die Rolle des intestinalen Mikrobioms als wesentlichen Faktor f&uuml;r die subklinische Inflammation und die Entwicklung einer Reihe von Erkrankungen, einschlie&szlig;lich des Typ-2-Diabetes, aber auch von Sarkopenie und Frailty.<sup>11</sup><br /> Klinische Studien konnten aufzeigen, dass das Ausma&szlig; der Insulinresistenz positiv mit der Entwicklung von Frailty korreliert.<sup>12</sup> Aus Subanalysen der Women&rsquo;s Health and Aging Study geht dar&uuml;ber hinaus hervor, dass die Hyperglyk&auml;mie, definiert durch den HbA<sub>1c</sub>-Wert, eine Assoziation mit dem Risiko f&uuml;r Frailty aufweist.<sup>13</sup> Bei 543 Studienteilnehmerinnen im Alter von 70&ndash;79 Jahren betrug die Pr&auml;valenz f&uuml;r Frailty 9,5 % bei einem HbA1c-Wert unter 6 % , bei einem HbA1c- Wert &uuml;ber &ge;9 % fand sich ein Anstieg auf 19,6 % . Ein HbA<sub>1c</sub>-Wert &uuml;ber 8 % resultierte in einem 3-fach erh&ouml;hten Risiko zur Entwicklung von Frailty sowie funktionellen Einschr&auml;nkungen.<sup>14</sup></p> <h2>Bedeutung f&uuml;r die klinische Praxis</h2> <p>Die Pr&auml;vention bzw. Therapie einer Malnutrition reduziert das Risiko f&uuml;r die Entwicklung von Sarkopenie und Frailty. Die Entstehung der Malnutrition ist multifaktoriell und beruht zum Teil auf physiologischen altersassoziierten Ver&auml;nderungen im Appetit- und S&auml;ttigungsverhalten, Kau- und Schluckst&ouml;rungen, aber auch auf Komorbidit&auml;ten und Nebenwirkungen von Medikamenten. Ursachen sind verminderter Appetit und Durstgef&uuml;hl sowie Geschmacksempfinden, Dysphagie, schlechter Zahnstatus und Prothesenversorgung. Altersarmut und Vereinsamung mit einer eingeschr&auml;nkten Verf&uuml;gbarkeit von Nahrungsmitteln k&ouml;nnen das Malnutritionsrisiko erh&ouml;hen. Grunds&auml;tzlich sind einseitige Di&auml;tformen bei geriatrischen Patienten deshalb nicht angezeigt, eine mangelhafte Zufuhr an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen muss wegen des Risikos der Entwicklung einer Sarkopenie vermieden werden. Weitere Folgen k&ouml;nnen das Entwickeln von Osteoporose sowie An&auml;mie sein, aber auch eine Infektanf&auml;lligkeit und gest&ouml;rte Wundheilung und abh&auml;ngig von der Medikation ein erh&ouml;htes Hypoglyk&auml;mierisiko.<br /> Eine unbeabsichtigte Gewichtsreduktion bei &auml;lteren Menschen mit Diabetes kann auf Komorbidit&auml;ten zur&uuml;ckgef&uuml;hrt werden, aber auch im Rahmen einer hyperglyk&auml;mischen Entgleisung auftreten bzw. durch die medikament&ouml;se Therapieform (Metformin, SGLT2-Inhibitoren, GLP-1-Analoga) bedingt sein. Bei lang dauernder Therapie mit Metformin wird ein Vitamin-B-12-Mangel beobachtet. Als anaboles Hormon w&uuml;rde die Insulintherapie einige vorteilhafte Effekte hinsichtlich K&ouml;rpergewichtszunahme aufweisen, zu ber&uuml;cksichtigen sind aber die Umsetzbarkeit im Alltag und das Hypoglyk&auml;mierisiko, vor allem bei ungen&uuml;gender begleitender Nahrungszufuhr.<br /> Die optimierte Betreuung &auml;lterer Menschen mit Diabetes muss die Problematik der Malnutrition, Sarkopenie und Frailty ber&uuml;cksichtigen. Grundlegend dabei sind die diagnostische Abkl&auml;rung im Rahmen eines multidimensionalen geriatrischen Assessments und die Entwicklung individueller Ern&auml;hrungsempfehlungen durch ein interprofessionelles Team (Abb. 2).<sup>15, 16</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1703_Weblinks_jatros_diab_1703_s15_abb2.jpg" alt="" width="1458" height="716" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Keevil VL et al: Proc Nutr Soc 2015; 74(4): 337-47 <strong>2</strong> Fried LP et al: J Gerontol Med Sci 2001; 56(3): M146-56 <strong>3</strong> Bernabei R e t a l; i n: A ctive A ging a nd H ealthy L iving 2014; IOS Press, ISBN 978-1-61499-424-4 (print), ISBN 978-1-61499-425-1 (online) <strong>4</strong> Pessanha FP et al: J Frailty Aging 2017; 6(1): 24-28 <strong>5</strong> Verlaan S et al: J Am Med Dir Assoc 2017; 18(5): 374-82 <strong>6</strong> Wilson D et al: Ageing Res Rev 2017; 36: 1-10 <strong>7</strong> Kalinkovich A et al: Ageing Res Rev 2017; 35: 200-21 <strong>8</strong> Soysal P et al: Ageing Res Rev 2016; 31: 1-8 <strong>9</strong> Bastard J P e t a l: Eur C ytokine N etw 2006; 1 7(1): 4 -12 <strong>10</strong> Herder C et al: Eur J Endocrinol 2016; 175(5): 367-77 <strong>11</strong> Saad MJ et al: Physiology 2016; 31(4): 283-93 <strong>12</strong> P&eacute;rez- Tasigchana RF et al: Age Ageing 2017: 1-6 <strong>13</strong> Blaum CS et al: J Am Geriatr Soc 2009; 57(5): 840-7 <strong>14</strong> Kalyani RR et al: J Am Geriatr Soc 2012, 60(9): 1701-7 <strong>15</strong> Sanz-Paris A et al: Nutrients 2016; 8(3): 153 <strong>16</strong> Buscemi S et al: Eur J Clin Invest 2016; 46(7): 609-18</p> </div> </p>
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