
Interpretation des Blutzuckers und Therapieanpassung mittels FGM und CGM
Autor:
Dr. med. Michael Resl
Facharzt für Innere Medizin, Zusatzfacharzt für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen,
Gastroenterologie und Hepatologie
Krankenhaus Barmherzige Brüder, Linz
E-Mail: michaelresl@outlook.com
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Über die letzten Jahre haben Flash-Glucose-Monitoring(FGM)- und Continuous-Glucose-Monitoring(CGM)-Systeme bei Menschen mit intensivierten und funktionellen Insulintherapieschemen stark an Bedeutung gewonnen und gelten mittlerweile, sofern von den Patienten gewünscht, als Standardmethoden zur Blutzuckermessung.
Keypoints
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Ein ambulantes Glukoseprofil erleichtert die Interpretation von Blutzuckermessungen und damit auch Empfehlungen, die dem Patienten gegeben werden können.
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Der Parameter «Time in Range» ist die Zeit, in der die gemessenen Blutzuckerwerte zwischen 3,9 und 10mmol/l lagen. In diesen Bereich sollen mehr als 70% der dokumentierten Werte fallen.
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Der Zusammenhang zwischen der «Time in Range» und kardiovaskulärer Mortalität ist belegt.
Die grafische Darstellung von Flash-Glucose-Monitoring- als auch kontinuierlichen Blutzuckermesssystemen sowie von unterschiedlichen Parametern, wie der Zeit im Zielbereich (70–180mg/dl), Steilheit und Dauer des Blutzuckeranstieges nach einer Mahlzeit, haben die Wahrnehmung und Interpretation der Blutzuckerwerte zur Ableitung therapeutischer Empfehlungen revolutioniert und rücken neue Parameter in den Fokus.
Glukosevariabilität
Die Glukosevariabilität ist definiert als Schwankungen der Blutglukose in Abhängigkeit von einem festgelegten Zeitraum. Akute Schwankungen des Blutzuckerspiegels (kurzfristige Hypo- und Hyperglykämien) wie auch langfristige Schwankungen, welche sich in der Messung des HbA1c widerspiegeln, können durch die Glukosevariabilität erfasst werden.
Die Berechnung der Glukosevariabilität erfolgt durch unterschiedliche Formeln auf Basis von kapillär oder mittels kontinuierlicher Methoden gemessenen Werten, wobei Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung aufgrund der deutlich höheren Zahl an Messungen die Glukosevariabilität deutlich besser abbilden.
Die Variabilität der Blutzuckerwerte innerhalb von 24 Stunden wird mithilfe der Standardabweichung (SD) und des Variationskoeffizienten (%CV) erfasst. Mithilfe der Berechnung der täglichen Glukosevariabilität kann zwischen stabiler und labiler Blutzuckersituation unterschieden werden; in der Literatur wird hierfür ein Cut-off-Wert von 36% empfohlen. Beinahe analog zur Varianz innerhalb von 24 Stunden kann auch eine Tag-zu-Tag-Variabilität errechnet werden, wobei bereits 1970 ein Parameter namens MODD («mean of daily differences») etabliert worden ist.
Time in Range
Darüber hinaus wurde in einem internationalen Konsensus unter Federführung der American Diabetes Association der Parameter «Time in Range» (= Zeit, in der die vorliegenden Blutzuckerwerte zwischen 3,9 und 10mmol/l lagen) als weiterer Zielwert definiert. Unter der Voraussetzung, dass das System zur kontinuierlichen Blutzuckermessung mindestens 70% von 14 Tagen dokumentiert hat, sollen mehr als 70% der dokumentierten Werte in einem Bereich zwischen 3,9 und 10mmol/l liegen. Erstaunlicherweise korreliert das HbA1c nur moderat mit dem Parameter «Time in Range», was eindrücklich den Unterschied zwischen der kurzfristigen (Tag-zu-Tag) Glukosevariabilität und der langfristigen Glukosevariabilität, welche mit dem HbA1c teilweise erfasst wird, dokumentiert.
Hypo- und Hyperglykämien
Neben dem Parameter «Time in Range» müssen vor allem auch Hypo- und Hyperglykämien besonders beachtet werden. Den aktuellen Empfehlungen folgend sollten <4% (bzw. <1h) der innerhalb von 24h gemessenen Glukosewerte <3,9mmol/l und <1% (bzw. <15min) der gemessenen Werte <3mmol/l betragen. Analog zu den Hypoglykämien («Time below Range») soll auch die Zeit im hyperglykämischen Bereich («Time above Range») gering gehalten werden. Demnach sollten <25% (bzw. <6h) der Werte >10mmol/l liegen und <5% (bzw. <1h12min) >13,9mol/l betragen.
Interpretation von Glukose-profilen und therapeutisches Vorgehen
Obwohl die strukturierte grafische Darstellung der Daten im Sinne des ambulanten Glukoseprofiles (AGP) die Interpretation und Ableitung von entsprechenden Empfehlungen deutlich vereinfacht, muss eine systematisiertes Herangehensweise gewählt werden, um keine gefährlichen Muster zu übersehen.
Im aktuell gültigen ADA/EASD Consensus wird daher folgendes Vorgehen empfohlen: Bevor die Daten interpretiert und analysiert werden dürfen, muss vorab überprüft werden, ob ausreichend Datenpunkte vorhanden sind (14 Tage Tragedauer und zumindest 70% Datenerfassung). In einem weiteren Schritt sollen die Zeitpunkte der Mahlzeiten, Zeitbereiche, in denen Bewegung oder Sport stattgefunden haben, und eventuell die Arbeitszeiten eingezeichnet werden.
Aufgrund der Gefahr für den Patienten und auch des grossen Einflusses auf die folgenden Stunden müssen Hypoglykämiemuster unbedingt priorisiert, erkannt und besprochen werden. Erst nach Besprechen bzw. Adaptierungen bei Hypoglykämiemustern sollen die Ursachen für Muster im hyperglykämischen Bereich bearbeitet werden. In weiterer Folge gilt es, die Glukosevariabilität zu betrachten und Vergleiche mit den Vorbesuchen anzustellen, wobei eben Hypoglykämien immer klar zu priorisieren sind. Interessanterweise gibt es derzeit kaum Literatur hinsichtlich der abzuleitenden Empfehlungen.
Häufig findet man bei der Analyse der Daten deutliche postprandiale Auslenkungen mit Blutzuckerwerten oft >11,1mmol/l zwei Stunden nach der Mahlzeit. Neben der Evaluierung des Bolusinsulins bzw. der korrekten Einschätzung des Kohlenhydratgehaltes der Mahlzeit spielt vor allem auch der Spritz-Ess-Abstand eine wichtige Rolle, da einige Patienten die Boli erst nach der Mahlzeit verabreichen. Blutzuckerschwankungen mit deutlich grösserem Abstand als zwei Stunden zu den Mahlzeiten erfordern häufig eine Anpassung des Basalinsulins. Eine weitere Ursache für derartige Glukoseverläufe kann eine hohe Hypoglykämiefrequenz mit raschen Anstiegen nach der Korrektur der Hypoglykämie sein. Meist bewirken hepatische Glykogenauffülleffekte nach einer Hypoglykämie weiter instabile Verläufe und rezidivierende Hypoglykämien.
Neben Bewegung, welche im Rahmen der Analyse der Blutzuckerwerte nicht erkannt wurde, können bei Patienten mit besonders guten Blutzuckerwerten auch die Fett- und Eiweissanteile der Mahlzeit zu langsamen Schwankungen führen, welche durch die Applikation von Fett-Protein-Einheiten behoben werden können.
Time in Range und kardiovaskuläre Mortalität
Aktuelle Daten belegen eindeutig die Assoziation zwischen «Time in Range» und kardiovaskulärer Mortalität. Auch für die Reduktion mikrovaskulärer Komplikationen konnte die Assoziation von möglichst optimalen Blutzuckerwerten und damit optimierter «Time in Range» nachgewiesen werden.
Die Anwendung von FGM und CGM ermöglicht somit die Ableitung von wesentlich genaueren und zielgerichteten Empfehlungen und leistet damit einen enormen Beitrag zur Reduktion von kardiovaskulären Komplikationen und zur Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität der Patienten.
Literatur:
beim Verfasser