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Highlights Stoffwechselforschung 2017/18

<p class="article-intro">Von Autophagie über braunes Fett zu Darmbarriere und Inkretinwirkung im Myokard. Die moderne Stoffwechselforschung erlaubt uns Einblicke in immer komplexer scheinende Zusammenhänge metabolisch relevanter Organsysteme. Ein kurzer Überblick.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Hyperglyk&auml;mie st&ouml;rt die Darmbarriere und erh&ouml;ht so das Risiko f&uuml;r intestinale Infektionen.</li> <li>Intermittierendes Fasten aktiviert Autophagie vorwiegend in Fett, Muskulatur und Leber, was zu einer Verbesserung des globalen Energiehaushalts f&uuml;hrt.</li> <li>Die Antik&ouml;rper-vermittelte Blockade von FSH f&ouml;rdert die Umwandlung von wei&szlig;em in beiges Fett.</li> <li>Die Wirkung des D&uuml;nndarmhormons GIP ist an den myokardialen Folgesch&auml;den nach Herzinfarkt beteiligt.</li> </ul> </div> <p>Alle wissenschaftlichen Highlights aus dem Bereich Stoffwechselforschung des letzten Jahres zusammenzufassen ist aufgrund der F&uuml;lle der exzellenten Arbeiten nicht m&ouml;glich. Im Folgenden werden allerdings vier hochrangig publizierte Arbeiten aus dem Bereich Grundlagenforschung diskutiert, die im letzten Jahr auch die Stoffwechsel-Community bewegt haben und bei der Jahrestagung der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Endokrinologie und Stoffwechsel pr&auml;sentiert wurden. Auffallend ist, dass alle ausgew&auml;hlten Arbeiten einen multidisziplin&auml;ren Charakter aufweisen, was wiederum unterstreicht, welch enge Zusammenh&auml;nge bestehen zwischen Energiestoffwechsel und anderen Gebieten wie Kardiologie, Gastroenterologie und Hepatologie, Immunologie, Infektiologie oder Neurologie. Das Verstehen solcher multisystemischen Modelle gewinnt immer mehr an Bedeutung und beeinflusst auch unser klinisches Handeln.</p> <h2>Hyperglyk&auml;mie und &bdquo;Leaky gut&ldquo;- Syndrom</h2> <p>Die Arbeit &bdquo;Hyperglycemia drives intestinal barrier dysfunction and risk for enteric infection&ldquo; von Thaiss et al. erschien in &bdquo;Science&ldquo;<sup>1</sup> und besch&auml;ftigt sich mit einem Thema, das in den letzten Jahren immer wieder f&uuml;r spannende Diskussionen gesorgt hat. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Adipositas und das metabolische Syndrom mit einer gest&ouml;rten Darmbarriere bzw. im Extremfall mit einem &bdquo;Leaky gut&ldquo;- Syndrom assoziiert ist. Bislang waren die zugrunde liegenden Mechanismen allerdings nur l&uuml;ckenhaft untersucht. Thaiss und Kollegen zeigten in dieser Studie in mehreren Mausmodellen, dass insbesondere die mit der Adipositas h&auml;ufig assoziierte Hyperglyk&auml;mie die Ursache f&uuml;r die erh&ouml;hte Darmpermeabilit&auml;t ist. Die Folge ist ein vermehrter &Uuml;bertritt von mikrobiellen Produkten aus dem Darm in das Blutgef&auml;&szlig;system sowie in zahlreiche Organe, was zu einer lokalen und systemischen Inflammation f&uuml;hrt und an der Pathogenese von Insulinresistenz, Autoimmunerkrankungen oder verschiedenen Tumoren beteiligt ist. In der genannten Studie wurden schlanke M&auml;use mit Streptozotocin behandelt, welches auf die pankreatischen Inselzellen toxisch wirkt. Die Folge ist Hyperglyk&auml;mie durch Insulinmangel. &Auml;hnlich wie adip&ouml;se M&auml;use entwickelten auch diese schlanken diabetischen M&auml;use schwere Darminfektionen mit systemischer Ausbreitung, wenn sie experimentell mit einem speziellen Clostridienstamm infiziert wurden. Somit konnte gezeigt werden, dass zumindest in diesem Modell nicht die Adipositas per se, sondern die Hyperglyk&auml;mie der treibende Faktor f&uuml;r die gest&ouml;rte Darmpermeabilit&auml;t ist. Mechanistisch kommt es durch die Hyperglyk&auml;mie zu einer genetischen Neuprogrammierung von Darmepithelzellen mit der Folge einer verl&auml;ngerten Gewundenheit der Darmtransportwege (= Tortuosit&auml;t), was wieder zu einer erh&ouml;hten Pathogenabsorption und Permeabilit&auml;t f&uuml;hrt. Interessanterweise sind diese Effekte durch eine Korrektur der Hyperglyk&auml;mie mittels Insulingabe reversibel. Dass auch beim Menschen ein m&ouml;glicher Zusammenhang zwischen gest&ouml;rter Darmpermeabilit&auml;t und schlechter glyk&auml;mischer Kontrolle bestehen k&ouml;nnte, zeigten die Autoren durch eine starke Korrelation zwischen HbA<sub>1c</sub> und im Blut zirkulierenden mikrobiellen Bestandteilen. Intermittierendes Fasten und Autophagie Eine andere spannende Arbeit mit dem Titel &bdquo;System-wide benefits of intermeal fasting by autophagy&ldquo; wurde von Martinez- Lopez und Kollegen in &bdquo;Cell Metabolism&ldquo; publiziert.<sup>2</sup> Schon l&auml;nger wurde intermittierendes Fasten als eine M&ouml;glichkeit zur Gewichtsreduktion propagiert. In dieser Arbeit konnte Autophagie als ein zentraler Mechanismus f&uuml;r die g&uuml;nstigen metabolischen Effekte von intermittierendem Fasten identifiziert werden. Autophagie bezeichnet den intrazellul&auml;ren Prozess, bei dem zelleigene Bestandteile wie fehlgefaltete Proteine oder ganze Zellorganellen abgebaut werden, was dem Gleichgewicht zwischen Produktion neuer und dem Abbau alter Zellbestandteile dient. In der genannten Studie wurden M&auml;use in zwei Gruppen eingeteilt, eine Gruppe konnte ad libitum fressen, w&auml;hrend die andere Gruppe die gleiche Kalorienmenge auf zwei Mahlzeiten aufgeteilt erhielt, mit jeweils einem 12-st&uuml;ndigem Fastenintervall dazwischen. Dieses Vorgehen f&uuml;hrte zu einer signifikanten Verst&auml;rkung der Autophagie, insbesondere in metabolisch relevanten Organen wie Muskulatur, Fettgewebe und Leber. Die Folgen waren gesteigerte Fetts&auml;ureoxidation, ein erh&ouml;hter Anteil an glykolytischen Muskelfasern, verminderte Lipogenese sowie reduzierte hepatische Glukoseproduktion. Interessanterweise f&uuml;hrte intermittierendes Fasten auch zu einer Umwandlung von wei&szlig;em in braunes/beiges Fett, &bdquo;browning&ldquo; genannt, was mit einem erh&ouml;hten Energieverbrauch durch gesteigerte Thermogenese einhergeht. Insgesamt kam es also zu einer globalen Verbesserung des Energiestoffwechsels, was zur Folge hatte, dass M&auml;use, welche auf einer fettreichen Di&auml;t intermittierend gefastet wurden, deutlich weniger Gewicht zunahmen als jene Tiere, die die gleiche Kalorienmenge ad libitum verzehrten. Letztlich zeigten die Autoren, dass zentralnerv&ouml;se Mechanismen, n&auml;mlich eine Aktvierung Proopiomelanocortin- produzierender Neurone, eine Schl&uuml;sselrolle bei der Induktion systemischer Autophagieprozesse spielen. Somit liefert diese Studie eine elegante Darstellung &uuml;ber das Zusammenspiel zahlreicher Autophagie-abh&auml;ngiger Effekte in metabolisch aktiven Organen und deren positive Auswirkungen auf den Energiehaushalt (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Diabetes_1804_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="1423" height="915" /></p> <h2>&bdquo;Fettbrowning&ldquo; und Thermogenese</h2> <p>Unter dem Titel &bdquo;Blocking FSH induces thermogenic adipose tissue and reduces body fat&ldquo; wurde 2017 in &bdquo;Nature&ldquo; eine weitere Arbeit publiziert, die &bdquo;browning&ldquo; von wei&szlig;em Fettgewebe und Thermogenese zum Thema hatte.<sup>3</sup> Die Autoren dieser Studie hatten zuvor einen neutralisierenden Antik&ouml;rper entwickelt, der gegen die &szlig;-Untereinheit des Follikel-stimulierenden Hormons (FSH) gerichtet ist. T&auml;gliche intraperitoneale Injektion dieses Anti-FSH-Antik&ouml;rpers f&uuml;hrte in M&auml;usen auf fettreicher Di&auml;t nach 8 Wochen zu einer signifikant geringeren Zunahme der Fettmasse bei gleichzeitig h&ouml;herer Muskelmasse. Im wei&szlig;en Fett der Antik&ouml;rperbehandelten Tiere kam es zu einem deutlichen Anstieg der beigen/braunen Adipozyten, was mit einer gesteigerten Expression thermogener Marker und einem erh&ouml;hten Energieverbrauch einherging. Die Aktivierung von beigem/braunem Fett wird seit einigen Jahren als besonders vielversprechendes therapeutisches antiadip&ouml;ses Konzept gesehen, da beige bzw. braune Adipozyten, im Gegensatz zu wei&szlig;en Fettzellen, Energie in Form von W&auml;rmeproduktion durch gesteigerte Mitochondrienaktivit&auml;t verbrennen. Dieser Prozess wird vor allem durch das Schl&uuml;sselmolek&uuml;l &bdquo;uncoupling protein-1&ldquo; (UCP-1) gesteuert. Die Autoren zeigten, dass FSH die Aussch&uuml;ttung des intrazellul&auml;ren Botenstoffs zyklisches Adenosin-Monophosphat (cAMP) hemmt, welcher wiederum f&uuml;r die UCP-1-Produktion wichtig ist. Durch die FSH-Neutralisation wird in den Adipozyten vermehrt cAMP freigesetzt, was die UCP-1-Expression und das thermogene Programm in Gang setzt. Somit konnte eine v&ouml;llig neue endokrine Rolle von FSH in der Regulation des Energiestoffwechsels identifiziert werden. Bereits zuvor berichtete die gleiche Arbeitsgruppe, dass die FSH-Neutralisation mittels des gleichen Antik&ouml;rpers vor Osteoporose sch&uuml;tzt.<sup>4</sup></p> <h2>GIP-Rezeptor-Inaktivierung und kardiale Funktion</h2> <p>Die letzte hier diskutierte Arbeit befasst sich mit den Effekten von Glukose-abh&auml;ngigem insulinotropem Peptid (GIP) auf die kardiale Funktion nach Myokardinfarkt. Diese Publikation von Ussher und Kollegen erschien 2018 in &bdquo;Cell Metabolism&ldquo; unter dem Titel &bdquo;Inactivation of the glucosedependent insulinotropic polypeptide receptor improves outcomes following experimental myocardial infarction&ldquo;.<sup>5</sup> W&auml;hrend die Wirkungen von GIP auf Glukosestoffwechsel und Magenmotilit&auml;t schon l&auml;nger bekannt sind, zeigt diese Studie eine v&ouml;llig neue Rolle des Inkretins in der Kardiomyozytenfunktion auf. Konkret erhielten M&auml;use eine Woche lang einen stabilen GIP-Agonisten oder Placebo, bevor anschlie&szlig;end durch Ligatur der linken Koronararterie experimentell ein Myokardinfarkt erzeugt wurde. Es war auffallend, dass die GIP-behandelten Tiere nach dem Infarktgeschehen eine h&ouml;here Ventrikelmasse und eine vermehrte Narbenbildung entwickelten. Im Gegensatz dazu waren M&auml;use mit einer genetischen GIP-Rezeptor- Defizienz vor den Folgen der koronaren Isch&auml;mie weitgehend gesch&uuml;tzt und wiesen auch eine deutlich geringere Sterblichkeit als Wildtyp-Tiere auf. Die Absenz des GIP-Rezeptors f&uuml;hrte zu einer vermehrten kardialen Triglyzeridakkumulation bei gleichzeitig reduzierter Fetts&auml;ureoxidation nach Myokardinfarkt. Dieser Effekt scheint auch mechanistisch in die Kardioprotektion involviert zu sein, da eine Aktivierung der Lipolyse durch hormonsensitive Lipase die sch&uuml;tzende Wirkung von GIP-Rezeptor-Defizienz wieder aufhob. Diese Ergebnisse machen den bereits l&auml;nger propagierten Zusammenhang zwischen dem kardialen Remodelling und dem Substratmetabolismus des Kardiomyozyten um ein weiteres Kapitel reicher und unterstreichen neuerlich die zum Teil noch unerforschte Bedeutung stoffwechselaktiver Hormone in den unterschiedlichen Organsystemen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Thaiss CA et al.: Hyperglycemia drives intestinal barrier dysfunction and risk for enteric infection. Science 2018; 359(6382): 1376-83 <strong>2</strong> Martinez-Lopez N et al.: Systemwide benefits of intermeal fasting by autophagy. Cell Metab 2017; 26(6): 856-71 e5 <strong>3</strong> Liu P et al.: Blocking FSH induces thermogenic adipose tissue and reduces body fat. Nature 2017; 546(7656): 107-12 <strong>4</strong> Zhu LL et al.: Blocking antibody to the beta-subunit of FSH prevents bone loss by inhibiting bone resorption and stimulating bone synthesis. Proc Natl Acad Sci U S A 2012; 109(36): 14574-9 <strong>5</strong> Ussher JR et al.: Inactivation of the glucose-dependent insulinotropic polypeptide receptor improves outcomes following experimental myocardial infarction. Cell Metab 2018; 27(2): 450-60 e6</p> </div> </p>
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