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Highlights Stoffwechselforschung 2017/18
Jatros
Autor:
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Florian Kiefer
Universitätsklinik für Innere Medizin III<br> Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: florian.kiefer@meduniwien.ac.at
30
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25.09.2018
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<p class="article-intro">Von Autophagie über braunes Fett zu Darmbarriere und Inkretinwirkung im Myokard. Die moderne Stoffwechselforschung erlaubt uns Einblicke in immer komplexer scheinende Zusammenhänge metabolisch relevanter Organsysteme. Ein kurzer Überblick.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Hyperglykämie stört die Darmbarriere und erhöht so das Risiko für intestinale Infektionen.</li> <li>Intermittierendes Fasten aktiviert Autophagie vorwiegend in Fett, Muskulatur und Leber, was zu einer Verbesserung des globalen Energiehaushalts führt.</li> <li>Die Antikörper-vermittelte Blockade von FSH fördert die Umwandlung von weißem in beiges Fett.</li> <li>Die Wirkung des Dünndarmhormons GIP ist an den myokardialen Folgeschäden nach Herzinfarkt beteiligt.</li> </ul> </div> <p>Alle wissenschaftlichen Highlights aus dem Bereich Stoffwechselforschung des letzten Jahres zusammenzufassen ist aufgrund der Fülle der exzellenten Arbeiten nicht möglich. Im Folgenden werden allerdings vier hochrangig publizierte Arbeiten aus dem Bereich Grundlagenforschung diskutiert, die im letzten Jahr auch die Stoffwechsel-Community bewegt haben und bei der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechsel präsentiert wurden. Auffallend ist, dass alle ausgewählten Arbeiten einen multidisziplinären Charakter aufweisen, was wiederum unterstreicht, welch enge Zusammenhänge bestehen zwischen Energiestoffwechsel und anderen Gebieten wie Kardiologie, Gastroenterologie und Hepatologie, Immunologie, Infektiologie oder Neurologie. Das Verstehen solcher multisystemischen Modelle gewinnt immer mehr an Bedeutung und beeinflusst auch unser klinisches Handeln.</p> <h2>Hyperglykämie und „Leaky gut“- Syndrom</h2> <p>Die Arbeit „Hyperglycemia drives intestinal barrier dysfunction and risk for enteric infection“ von Thaiss et al. erschien in „Science“<sup>1</sup> und beschäftigt sich mit einem Thema, das in den letzten Jahren immer wieder für spannende Diskussionen gesorgt hat. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Adipositas und das metabolische Syndrom mit einer gestörten Darmbarriere bzw. im Extremfall mit einem „Leaky gut“- Syndrom assoziiert ist. Bislang waren die zugrunde liegenden Mechanismen allerdings nur lückenhaft untersucht. Thaiss und Kollegen zeigten in dieser Studie in mehreren Mausmodellen, dass insbesondere die mit der Adipositas häufig assoziierte Hyperglykämie die Ursache für die erhöhte Darmpermeabilität ist. Die Folge ist ein vermehrter Übertritt von mikrobiellen Produkten aus dem Darm in das Blutgefäßsystem sowie in zahlreiche Organe, was zu einer lokalen und systemischen Inflammation führt und an der Pathogenese von Insulinresistenz, Autoimmunerkrankungen oder verschiedenen Tumoren beteiligt ist. In der genannten Studie wurden schlanke Mäuse mit Streptozotocin behandelt, welches auf die pankreatischen Inselzellen toxisch wirkt. Die Folge ist Hyperglykämie durch Insulinmangel. Ähnlich wie adipöse Mäuse entwickelten auch diese schlanken diabetischen Mäuse schwere Darminfektionen mit systemischer Ausbreitung, wenn sie experimentell mit einem speziellen Clostridienstamm infiziert wurden. Somit konnte gezeigt werden, dass zumindest in diesem Modell nicht die Adipositas per se, sondern die Hyperglykämie der treibende Faktor für die gestörte Darmpermeabilität ist. Mechanistisch kommt es durch die Hyperglykämie zu einer genetischen Neuprogrammierung von Darmepithelzellen mit der Folge einer verlängerten Gewundenheit der Darmtransportwege (= Tortuosität), was wieder zu einer erhöhten Pathogenabsorption und Permeabilität führt. Interessanterweise sind diese Effekte durch eine Korrektur der Hyperglykämie mittels Insulingabe reversibel. Dass auch beim Menschen ein möglicher Zusammenhang zwischen gestörter Darmpermeabilität und schlechter glykämischer Kontrolle bestehen könnte, zeigten die Autoren durch eine starke Korrelation zwischen HbA<sub>1c</sub> und im Blut zirkulierenden mikrobiellen Bestandteilen. Intermittierendes Fasten und Autophagie Eine andere spannende Arbeit mit dem Titel „System-wide benefits of intermeal fasting by autophagy“ wurde von Martinez- Lopez und Kollegen in „Cell Metabolism“ publiziert.<sup>2</sup> Schon länger wurde intermittierendes Fasten als eine Möglichkeit zur Gewichtsreduktion propagiert. In dieser Arbeit konnte Autophagie als ein zentraler Mechanismus für die günstigen metabolischen Effekte von intermittierendem Fasten identifiziert werden. Autophagie bezeichnet den intrazellulären Prozess, bei dem zelleigene Bestandteile wie fehlgefaltete Proteine oder ganze Zellorganellen abgebaut werden, was dem Gleichgewicht zwischen Produktion neuer und dem Abbau alter Zellbestandteile dient. In der genannten Studie wurden Mäuse in zwei Gruppen eingeteilt, eine Gruppe konnte ad libitum fressen, während die andere Gruppe die gleiche Kalorienmenge auf zwei Mahlzeiten aufgeteilt erhielt, mit jeweils einem 12-stündigem Fastenintervall dazwischen. Dieses Vorgehen führte zu einer signifikanten Verstärkung der Autophagie, insbesondere in metabolisch relevanten Organen wie Muskulatur, Fettgewebe und Leber. Die Folgen waren gesteigerte Fettsäureoxidation, ein erhöhter Anteil an glykolytischen Muskelfasern, verminderte Lipogenese sowie reduzierte hepatische Glukoseproduktion. Interessanterweise führte intermittierendes Fasten auch zu einer Umwandlung von weißem in braunes/beiges Fett, „browning“ genannt, was mit einem erhöhten Energieverbrauch durch gesteigerte Thermogenese einhergeht. Insgesamt kam es also zu einer globalen Verbesserung des Energiestoffwechsels, was zur Folge hatte, dass Mäuse, welche auf einer fettreichen Diät intermittierend gefastet wurden, deutlich weniger Gewicht zunahmen als jene Tiere, die die gleiche Kalorienmenge ad libitum verzehrten. Letztlich zeigten die Autoren, dass zentralnervöse Mechanismen, nämlich eine Aktvierung Proopiomelanocortin- produzierender Neurone, eine Schlüsselrolle bei der Induktion systemischer Autophagieprozesse spielen. Somit liefert diese Studie eine elegante Darstellung über das Zusammenspiel zahlreicher Autophagie-abhängiger Effekte in metabolisch aktiven Organen und deren positive Auswirkungen auf den Energiehaushalt (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Diabetes_1804_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="1423" height="915" /></p> <h2>„Fettbrowning“ und Thermogenese</h2> <p>Unter dem Titel „Blocking FSH induces thermogenic adipose tissue and reduces body fat“ wurde 2017 in „Nature“ eine weitere Arbeit publiziert, die „browning“ von weißem Fettgewebe und Thermogenese zum Thema hatte.<sup>3</sup> Die Autoren dieser Studie hatten zuvor einen neutralisierenden Antikörper entwickelt, der gegen die ß-Untereinheit des Follikel-stimulierenden Hormons (FSH) gerichtet ist. Tägliche intraperitoneale Injektion dieses Anti-FSH-Antikörpers führte in Mäusen auf fettreicher Diät nach 8 Wochen zu einer signifikant geringeren Zunahme der Fettmasse bei gleichzeitig höherer Muskelmasse. Im weißen Fett der Antikörperbehandelten Tiere kam es zu einem deutlichen Anstieg der beigen/braunen Adipozyten, was mit einer gesteigerten Expression thermogener Marker und einem erhöhten Energieverbrauch einherging. Die Aktivierung von beigem/braunem Fett wird seit einigen Jahren als besonders vielversprechendes therapeutisches antiadipöses Konzept gesehen, da beige bzw. braune Adipozyten, im Gegensatz zu weißen Fettzellen, Energie in Form von Wärmeproduktion durch gesteigerte Mitochondrienaktivität verbrennen. Dieser Prozess wird vor allem durch das Schlüsselmolekül „uncoupling protein-1“ (UCP-1) gesteuert. Die Autoren zeigten, dass FSH die Ausschüttung des intrazellulären Botenstoffs zyklisches Adenosin-Monophosphat (cAMP) hemmt, welcher wiederum für die UCP-1-Produktion wichtig ist. Durch die FSH-Neutralisation wird in den Adipozyten vermehrt cAMP freigesetzt, was die UCP-1-Expression und das thermogene Programm in Gang setzt. Somit konnte eine völlig neue endokrine Rolle von FSH in der Regulation des Energiestoffwechsels identifiziert werden. Bereits zuvor berichtete die gleiche Arbeitsgruppe, dass die FSH-Neutralisation mittels des gleichen Antikörpers vor Osteoporose schützt.<sup>4</sup></p> <h2>GIP-Rezeptor-Inaktivierung und kardiale Funktion</h2> <p>Die letzte hier diskutierte Arbeit befasst sich mit den Effekten von Glukose-abhängigem insulinotropem Peptid (GIP) auf die kardiale Funktion nach Myokardinfarkt. Diese Publikation von Ussher und Kollegen erschien 2018 in „Cell Metabolism“ unter dem Titel „Inactivation of the glucosedependent insulinotropic polypeptide receptor improves outcomes following experimental myocardial infarction“.<sup>5</sup> Während die Wirkungen von GIP auf Glukosestoffwechsel und Magenmotilität schon länger bekannt sind, zeigt diese Studie eine völlig neue Rolle des Inkretins in der Kardiomyozytenfunktion auf. Konkret erhielten Mäuse eine Woche lang einen stabilen GIP-Agonisten oder Placebo, bevor anschließend durch Ligatur der linken Koronararterie experimentell ein Myokardinfarkt erzeugt wurde. Es war auffallend, dass die GIP-behandelten Tiere nach dem Infarktgeschehen eine höhere Ventrikelmasse und eine vermehrte Narbenbildung entwickelten. Im Gegensatz dazu waren Mäuse mit einer genetischen GIP-Rezeptor- Defizienz vor den Folgen der koronaren Ischämie weitgehend geschützt und wiesen auch eine deutlich geringere Sterblichkeit als Wildtyp-Tiere auf. Die Absenz des GIP-Rezeptors führte zu einer vermehrten kardialen Triglyzeridakkumulation bei gleichzeitig reduzierter Fettsäureoxidation nach Myokardinfarkt. Dieser Effekt scheint auch mechanistisch in die Kardioprotektion involviert zu sein, da eine Aktivierung der Lipolyse durch hormonsensitive Lipase die schützende Wirkung von GIP-Rezeptor-Defizienz wieder aufhob. Diese Ergebnisse machen den bereits länger propagierten Zusammenhang zwischen dem kardialen Remodelling und dem Substratmetabolismus des Kardiomyozyten um ein weiteres Kapitel reicher und unterstreichen neuerlich die zum Teil noch unerforschte Bedeutung stoffwechselaktiver Hormone in den unterschiedlichen Organsystemen.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Thaiss CA et al.: Hyperglycemia drives intestinal barrier dysfunction and risk for enteric infection. Science 2018; 359(6382): 1376-83 <strong>2</strong> Martinez-Lopez N et al.: Systemwide benefits of intermeal fasting by autophagy. Cell Metab 2017; 26(6): 856-71 e5 <strong>3</strong> Liu P et al.: Blocking FSH induces thermogenic adipose tissue and reduces body fat. Nature 2017; 546(7656): 107-12 <strong>4</strong> Zhu LL et al.: Blocking antibody to the beta-subunit of FSH prevents bone loss by inhibiting bone resorption and stimulating bone synthesis. Proc Natl Acad Sci U S A 2012; 109(36): 14574-9 <strong>5</strong> Ussher JR et al.: Inactivation of the glucose-dependent insulinotropic polypeptide receptor improves outcomes following experimental myocardial infarction. Cell Metab 2018; 27(2): 450-60 e6</p>
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