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Fuss- und Schuhinspektion ist das A & O
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Patienten mit einem diabetischen Fusssyndrom brauchen nicht nur eine Behandlung der Ulzera, sondern auch eine gute internistische Betreuung. Die Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren und die regelmässige Inspektion der Füsse können dazu beitragen, Amputationen zu verhindern und die hohe Sterblichkeit dieser Patienten etwas zu reduzieren. Prof. Dr. med. Emanuel Christ, Leiter Interdisziplinäre Endokrinologie am Universitätsspital Basel, erläuterte in einem Vortrag an der diesjährigen MedArt, was bei Patienten mit einem «diabetischen Fuss» alles zu beachten ist.
Beim diabetischen Fusssyndrom (DFS) handelt es sich um ein Syndrom krankhafter Veränderungen, die auf der Grundlage einer schmerzlosen sensorischen, motorischen und autonomen Neuropathie entsteht. Es kommt zu biomechanischen Abnormalitäten mit den typischen Krallenzehen, zu einer deutlichen Verminderung der Sensibilität und zu trockener und rissiger Haut. Unter dem Einfluss von repetitiven minimen externen Traumata (z.B. Druckbelastungen) bildet sich Kallus und in weiterer Folge treten subkutane Hämorrhagien und schliesslich Ulzera auf. «Besonders schlimm ist diese Entwicklung, wenngleichzeitig eine periphere arterielle Verschlusskrankheit vorliegt und/oder eine Suprainfektion hinzukommt», erklärte Christ.
Der Hauptgrund für die Druckbelastungen ist das Schuhwerk. Aufgrund der stark verminderten oder fehlenden Sensibilität spüren die Patienten nicht, wenn die Schuhe drücken, und tragen deshalb häufig (zu) enge Schuhe. Auch Nähte im Schuh oder an den Sohlen können rasch Druckstellen und Läsionen verursachen. Offene Schuhe sind gemäss den Ausführungen des Experten ebenfalls nicht ideal, da es leicht zu unbemerkten Läsionen kommen kann. «Bei Diabetikern gehören deshalb nicht nur die Füsse zum Status, sondern auch die Schuhe», betonte Christ.
DFS ist Marker für einen kranken Patienten
Patienten mit einem DFS haben ein um den Faktor 2,5 erhöhtes Mortalitätsrisiko – und dies unabhängig von anderen Risikofaktoren. Eine Analyse mit schottischen Registerdaten von über 17000 Diabetikern mit einem hohen Risiko für Fussulzera hat ausserdem gezeigt, dass das Mortalitätsrisiko viel höher ist als das Amputationsrisiko: 84,5% der Patienten überlebten zwei Jahre amputationsfrei (Endpunkt), von den übrigen Patienten sind 90% verstorben und 10% mussten sich einer Amputation unterziehen.1 «Zum vorzeitigen Tod führt jedoch in der Regel nicht ein Fussulkus per se. Denn Septikämien sind selten», erläuterte Christ. «Vielmehr scheint das DFS ein Marker für einen kranken Patienten zu sein, der eine internistische Betreuung braucht und nicht nur eine Behandlung des Fusses.»
Ein wichtiger Risikofaktor für das DFS – sowohl für Ulzera als auch für Amputationen und Mortalität – ist die soziale Deprivation. Was erfahrenen Klinikern schon lange bekannt war, wurde nun durch Daten aus dem schottischen Diabetesregister mit über 110000 Diabetikern bestätigt.2
Mehr Amputation in der Schweiz als in anderen Ländern
«In der Schweiz werden pro Jahr etwa 1200 Zehen, 200 Unterschenkel und 200 Füsse amputiert. Das ist eher etwas mehr als in anderen Ländern», sagte Christ. Allerdings gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Am niedrigsten ist die Amputationsrate in den Kantonen Genf, Waadt, Freiburg, Zug und Graubünden mit weniger als 10 Amputationen pro 100000 Einwohner und Jahr. Die höchsten Raten haben mit bis zu 24 Amputationen pro 100000 Einwohner und Jahr die Kantone Jura, Basel-Stadt und Appenzell-Innerrhoden zu verzeichnen. Diese grossen regionalen Unterschiede führte der Referent insbesondere auf Unterschiede in den Strukturen und bei der Alertness zurück.
Mit Prävention kann die Amputationsrate jedoch deutlich gesenkt werden, wie das Beispiel des Kantons Waadt zeigt: Nach der Einführung des «Programme cantonal Diabète», das auch einen speziellen Fokus auf die Prävention des DFS legt, fiel die Amputationsinzidenz von 1,8 auf 1,3 Amputationen pro 10000 Einwohner/Jahr.3 Der Rückgang sei nicht auf vermehrte Revaskularisationen, sondern allein auf das Programm zurückzuführen, betonte der Experte. «Prävention funktioniert – nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Schweiz», resümierte Christ.
Fussinspektion für Prävention zentral
Die wichtigsten Massnahmen für die Prävention des DFS sind neben der optimalen Blutzuckereinstellung die Therapie der kardiovaskulären Risikofaktoren, die regelmässige Untersuchung der Füsse und die medizinische Fusspflege (Podologie).4 Die International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) empfiehlt in ihren aktuellen Leitlinien zum diabetischen Fuss abhängig von der Risikokategorie für die Fussuntersuchung folgende Kontrollintervalle:5
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Risikokategorie 0 (keine Neuropathie): einmal jährlich
-
Risikokategorie 1 (periphere Neuropathie allein): alle sechs Monate
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Risikokategorie 2 (periphere Neuropathie mit PAVK und/oder Fussdeformationen): alle drei Monate
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Risikokategorie 3 (periphere Neuropathie, PAVK und Ulkus oder Amputation in der Vorgeschichte): alle ein bis drei Monate.
«Patienten der Risikokategorie 2 und 3 benötigen ausserdem spezielles Schuhwerk», betonte Christ. «Es ist sinnvoll, diese Patienten einem Orthopäden oder einer interdisziplinären Sprechstunde zuzuweisen.»
Bei Typ-2-Diabetes Inspektion der Füsse schon bei Diagnosestellung
Die einzige Möglichkeit, ein DFS frühzeitig zu erkennen, ist die Inspektion der Füsse. «Denn die Patienten haben aufgrund der Sensibilitätsstörung nur sehr selten Beschwerden», erklärte der Experte. Bei jungen Patienten mit einem Typ-1-Diabetes ist das Risiko für ein Fussproblem noch sehr klein. Bei diesen Patienten reicht es in der Regel, wenn man mit der jährlichen Fussinspektion etwa fünf Jahre nach der Diagnosestellung beginnt. «Anders beim Typ-2-Diabetes, bei dem man nie weiss, wie lange er vor der Diagnosestellung schon bestanden hat. Bei diesen Patienten sollten die Füsse möglichst gleich nach der Diagnosestellung erstmals angeschaut und im Hinblick auf eine Polyneuropathie untersucht werden», so Christ.
Findet man die typischen Zeichen eines diabetischen Fusssyndroms – Deformitäten mit Krallenzehen und Kallus –, sollten der Vibrationssinn getestet und die peripheren Pulse palpiert werden. Validiert ist die Testung des Vibrationssinns am Grosszehengrundgelenk. Bei Werten <4/8 ist der Vibrationssinn signifikant vermindert. Bei Ulzera liefert meist schon die Inspektion der Füsse Hinweise auf die Genese – ischämisch oder primär polyneuropathisch, dennoch sollten die Sensibilität und die peripheren Pulse immer auch untersucht werden. Auch auf Infektzeichen muss bei jeder Fussinspektion geachtet werden.
Revaskularisieren und Entlasten
Bei neuropathischen Ulzera mit Druckstellen und Deformationen der Füsse stellt die Entlastung das A & O der Behandlung dar, bei vaskulär bedingten Ulzera sollte immer eine Revaskularisation versucht werden. «Sehr häufig braucht es beide Massnahmen. Und auch die Infektionskontrolle ist wichtig», so Christ. Eine Zuweisung in eine interdisziplinäre Sprechstunde empfiehlt er für alle Patienten mit einer Risikokonstellation (Tab.1), mit einem tiefen Ulkus, einem infizierten, nicht heilenden Ulkus oder wenn eine unklare Situation besteht.
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Tab 1: Risikokonstellation bei diabetischem Fusssyndrom
Bericht:
Claudia Benetti
Medizinjournalistin
Quelle:
digital medArt basel.20, 7.–8. Mai 2020
Literatur:
1 Vadiveloo T et al.: Amputation-free survival in 17,353 people at high risk for foot ulceration in diabetes: a national observational study. Diabetologia 2018; 61: 2590-7 2 Hurst JE et al.: Geospatial mapping and data linkage uncovers variability in outcomes of foot disease according to multiple deprivation: a population cohort study of people with diabetes. Diabetologia 2020; 63: 659-67 3 Peytremann-Bridevaux I et al.: Switzerland. In: Amelung V et al. (eds.) Handbook Integrated Care. Springer, Cham 2017; 551-60 4 Peters EJ et al.: Effectiveness of the diabetic foot risk classification system of the International working Group on the Diabetic Foot. Diabetes Care 2001; 24: 1442-7 5 International Working Group on the Diabetic Foot: IWGDF Guidelines on the prevention and management of diabetic foot disease. https://iwgdfguidelines.org/wp-content/uploads/2019/05/IWGDF-Guidelines-2019.pdf
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