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Eine Patientin mit rezidivierendem diabetischem Fußsyndrom

<p class="article-intro">Im Rahmen der aktuellen Coverstory präsentieren wir Ihnen den Fall einer Patientin mit Diabetes mellitus Typ 2 und rezidivierenden Fußulzerationen, die durch ein multidisziplinäres Prozedere zum Abheilen gebracht werden konnten.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>In der Versorgung diabetischer Fu&szlig;ulzera ist eine multidisziplin&auml;re Behandlung notwendig, um eine Abheilung der oft multikausal entstandenen L&auml;sionen zu erreichen.</li> <li>Gefordert sind: Diabetologie, interventionelle Radiologie, Angiologie, Gef&auml;&szlig;chirurgie, Neurologie, Chirurgie, Dermatologie, Orthop&auml;die, orthop&auml;discher Schuhmacher, Fu&szlig;pflege und die mobilen Hauskrankenpflegedienste.</li> <li>Es besteht eine hohe Rezidivneigung, insbesondere bei Vorliegen einer Polyneuropathie, PAVK und von bereits vorbestehenden Fu&szlig;fehlstellungen.</li> <li>Ein regelm&auml;&szlig;iges Screening der F&uuml;&szlig;e der Diabetespatienten und eine Schulung der Patienten und der in die Betreuung involvierten Angeh&ouml;rigen sind daher indiziert.</li> </ul> </div> <h2>Erstvorstellung der Patientin in der diabetischen Fu&szlig;ambulanz</h2> <p>Im J&auml;nner 2018 suchte eine damals 80-j&auml;hrige Patientin, Frau M. F., erstmals die diabetische Fu&szlig;ambulanz unserer Abteilung an der KA Rudolfstiftung auf. Vorbekannt waren bei der adip&ouml;sen Patientin ein seit 1983 bekannter Diabetes mellitus Typ 2 unter oraler Therapie, eine diabetische Retinopathie mit hochgradiger Visuseinschr&auml;nkung, eine Hyperlipid&auml;mie, eine chronische renale Insuffizienz bei diabetischer Nephropathie, eine koronare Herzerkrankung sowie ein chronisches Vorhofflimmern unter Antikoagulation mit Rivaroxaban.</p> <p><strong>Anamnese und Klinik</strong> <br />Anamnestisch lie&szlig; sich erheben, dass bereits 3 Jahre zuvor in einem ausw&auml;rtigen Krankenhaus eine Amputation der 3. Zehe links aufgrund einer diabetischen Gangr&auml;n durchgef&uuml;hrt wurde. <br />Aktuell wies die Patientin rechts plantar im Bereich des Gro&szlig;zehenballens ein schmerzloses Ulkus mit hyperkeratotischem Randsaum im Sinne eines neuropathischen Mal perforans auf.</p> <p><strong>Allgemeiner Hintergrund</strong> <br />Fu&szlig;ulzerationen als Folge einer diabetischen Neuropathie finden sich an Stellen erh&ouml;hten plantaren Druckes. Aufgrund der distal betonten sensomotorischen Neuropathie kommt es zu Gef&uuml;hlsst&ouml;rungen im Bereich der F&uuml;&szlig;e, sodass Patienten erh&ouml;hte Druckbelastungen oder Verletzungen an den F&uuml;&szlig;en nicht sp&uuml;ren. Die motorische Komponente der Neuropathie f&uuml;hrt zur Atrophie der Fu&szlig;muskulatur mit Ausbildung von Krallen- und Hammerzehen. Durch diese Fehlstellungen entstehen Areale mit erh&ouml;hter Druckbelastung, h&auml;ufig im Bereich der Metatarsalek&ouml;pfchen. Dies f&uuml;hrt zum Entstehen von Hornhautschwielen, durch repetitive &Uuml;berlastung zu Schwielenh&auml;matomen und in weiterer Folge zum Auftreten eines Ulkus. Durch die im Rahmen einer begleitenden autonomen Neuropathie oft trockene Haut entstehen leichter Rhagaden, durch die Bakterien eintreten und zu Infektionen f&uuml;hren k&ouml;nnen.</p> <h2>Station&auml;re Aufnahme und Metatarsalek&ouml;pfchenresektion</h2> <p>Nach einer ambulanten Behandlungsserie mit regelm&auml;&szlig;igem Abtragen der Hyperkeratosen und Bel&auml;ge mit dem Skalpell und Verbandwechseln nach den Regeln der feuchten Wundtherapie kam es im Februar 2018 zu einer akuten Verschlechterung des Lokalbefundes. Die Patientin wurde am 18.2.2018 station&auml;r aufgenommen. <br />Frau M. F. war zum Aufnahmezeitpunkt afebril, das CRP nur grenzwertig erh&ouml;ht, ein R&ouml;ntgen des Vorfu&szlig;es war unauff&auml;llig. Aufgrund des tiefen, bis zum Knochen sondierbaren Ulkus wurde erg&auml;nzend eine Magnetresonanztomografie durchgef&uuml;hrt, die eine Osteomyelitis im Bereich des Caput des Os metatarsale I ergab. Eine an das Antibiogramm der Wundabstriche angepasste Antibiose mit Ampicillin/Sulbactam wurde etabliert. <br />Da eine PAVK mit einem oszillografisch gemessenen DI rechts von 0,6 und links von 0,7 vorlag, wurde eine Infusionsserie mit Alprostadil &uuml;ber 2 Wochen verabreicht. Von angiologischer und gef&auml;&szlig;chirurgischer Seite wurde zum damaligen Zeitpunkt keine Indikation zu einer operativen oder interventionellen Revaskularisation gestellt. Da der Patientin das Gehen mit einem Vorfu&szlig;entlastungsschuh schwerfiel, erfolgte eine Druckentlastung mittels Rollstuhl. <br />Aufgrund der Fu&szlig;fehlstellung der Patientin mit Prominenz des osteomyelitischen Caput des Os metatarsale I w&uuml;rde auch nach orthop&auml;discher Ma&szlig;schuhversorgung mit erh&ouml;hten plantaren Druckbelastungen in diesem Bereich zu rechnen sein. Es erfolgte daher am 6.3.2019 der Entschluss zur Resektion des osteomyelitisch ver&auml;nderten Metatarsalek&ouml;pfchens von einem plantaren Zugangsweg aus. Die postoperative Wundheilung gestaltete sich komplikationslos. Da der osteomyelitische Knochenanteil nun vollst&auml;ndig reseziert war, konnte die Antibiose 1 Woche postoperativ beendet werden. Nach weiteren 5 Wochen ambulanter Betreuung zeigte sich das Ulkus vollst&auml;ndig abgeheilt.</p> <h2>Neuerliche station&auml;re Aufnahme der Patientin</h2> <p>Im Mai 2019 kam Frau M. F. neuerlich in unsere Diabetesambulanz, weil ihre Blutzuckerwerte angestiegen waren. Eine neuerliche Fu&szlig;ulzeration wurde von der Patientin verneint. Im Rahmen der routinem&auml;&szlig;igen Kontrolle der F&uuml;&szlig;e fiel jedoch eine feuchte Gangr&auml;n im Bereich der 4. und 5. Zehe rechts auf, im Bereich der 4. Zehe reichte die Ulzeration bis an das proximale Interphalangealgelenk heran. Die Patientin hatte wegen ihrer Neuropathie keine Schmerzen versp&uuml;rt und wegen der hochgradigen Visusst&ouml;rung im Rahmen der Retinopathie die schwarze Verf&auml;rbung der Zehen nicht bemerkt (Abb. 1 und 2) <br />Da es sich klinisch nun um eine Gangr&auml;n im Rahmen einer PAVK IV handelte, haben wir Frau M. F. am 15.5.2019 sofort station&auml;r aufgenommen. Im MRT des Vorfu&szlig;es zeigte sich eine Osteomyelitis der 4. Zehe. Eine MR-Angiografie der Becken-Bein-Gef&auml;&szlig;e wurde durchgef&uuml;hrt und ergab an beiden Beinen unterschenkelbetonte Stenosierungen s&auml;mtlicher Gef&auml;&szlig;e mit fehlender Darstellung der A. tibialis posterior und Verd&auml;mmerung der A. interossea im mittleren Unterschenkeldrittel sowie eine kurzstreckige Stenose der A. femoralis superficialis rechts.</p> <p><strong>Allgemeiner Hintergrund</strong> <br />Typischerweise zeigen sich bei der diabetischen Makroangiopathie der Beingef&auml;&szlig;e distal betonte, beidseitige Gef&auml;&szlig;stenosen. Aufgrund der h&auml;ufig anzutreffenden zus&auml;tzlichen Polyneuropathie wird die typische Claudicatio-intermittens-Symptomatik vom Patienten nicht gesp&uuml;rt, die Diagnose erfolgt oft versp&auml;tet. Ulzera bei PAVK finden sich typischerweise akral (Zehen, Fersen) und zeigen h&auml;ufig eine fehlende Heilungstendenz. Um Gewebsverlust und Amputationen zu vermeiden, ist es notwendig, vor geplanten chirurgischen Eingriffen am Fu&szlig; die Durchblutungssituation zu verbessern, um eine Wundheilung m&ouml;glich zu machen.</p> <p><img style="float: left;" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="400" height="414" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s10_abb2.jpg" alt="" width="400" height="411" /></p> <h2>Verbesserung der Durchblutung durch perkutane transluminale Angioplastie und Stent</h2> <p>Nach Einleitung einer antibiogrammgerechten Antibiose mit Ampicillin/Sulbactam und Sulfametrol/Trimethoprim und einer neuerlichen Infusionsserie mit Alprostadil wurde in einem interdisziplin&auml;ren angiologischen Konsil unter Beteiligung von interventioneller Radiologie, Gef&auml;&szlig;chirurgie und Angiologie die Indikation zu einer interventionellen Revaskularisation gestellt und am 4.6.2019 eine PTA und Stentimplantation in die rechte A. femoralis superficialis zur Verbesserung des vaskul&auml;ren &bdquo;run off&ldquo; durchgef&uuml;hrt. <br />Im Bereich der Ulzera wurden regelm&auml;&szlig;ig Nekrosektomien mit Abtragung des devitalen Gewebes durchgef&uuml;hrt, welche wegen der diabetischen Neuropathie ohne lokale Bet&auml;ubung m&ouml;glich waren. Zuletzt zeigten sich s&auml;mtliche Ulzera granulierend und in Abheilung befindlich. <br />Am 18.6.2019 konnte unsere Patientin in h&auml;usliche Pflege entlassen werden. Die Antibiose wurde mit Amoxicillin/Clavulans&auml;ure p. o. fortgesetzt. Da es sich um eine Osteomyelitis handelte, wurde eine Gesamttherapiedauer je nach klinischem und laborchemischem Ansprechen f&uuml;r mindestens 6&ndash;8 Wochen geplant. <br />Bei der vorerst letzten ambulanten Kontrolle in unserer diabetischen Fu&szlig;ambulanz zeigten sich die Ulzera weiter verkleinert ohne lokale Entz&uuml;ndungszeichen (Abb. 3). Eine mobile Heimkrankenpflege zur Durchf&uuml;hrung der Verbandwechsel zu Hause wurde der Patientin zur Seite gestellt. Die bereits vorhandenen orthop&auml;dischen Ma&szlig;schuhe der Patientin wurden vom orthop&auml;dischen Schuhmacher an die lokale Wundsituation adaptiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1904_Weblinks_s10_abb3.jpg" alt="" width="400" height="440" /></p> <div id="fazit"> <h2>Praxistipp</h2> <p>Eine Osteomyelitis kann beim Diabetespatienten h&auml;ufig ohne Fieber und ohne Anstieg der serologischen Entz&uuml;ndungsparameter verlaufen. Auch das konventionelle R&ouml;ntgen ist, v. a. in den ersten Wochen, oft ohne pathologischen Befund. Wegweisend k&ouml;nnen das Auftreten einer Blutzuckerentgleisung, klinisch die Ulkustiefe mit Sondierbarkeit des Knochens, eine erh&ouml;hte Blutsenkungsgeschwindigkeit und bildgebend die Magnetresonanztomografie sein.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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