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Eine neue Ära der lipidsenkenden Therapie
Jatros
30
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07.07.2016
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<p class="article-intro">Bedeuten die PCSK9-Inhibitoren eine Revolution in der LDL-C-Senkung? Wir sprachen mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Föger, dem Leiter der Internen Abteilung am Landeskrankenhaus Bregenz.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>Herr Prof. Föger, befinden wir uns in einer neuen Ära der lipidsenkenden Therapie?</strong><br /> <strong>B. Föger: </strong>Ja, die neue Medikamentengruppe der PCSK9-Inhibitoren gibt uns Möglichkeiten, die wir bisher nicht gehabt haben. Werden sie in Kombination mit einer Statintherapie eingesetzt, so erreichen wir damit LDL-C-Senkungen von zusätzlich meist mehr als 50 Prozent. Es kommt zu einer massiven Reduktion des LDL-C-Spiegels – in der Regel auf deutlich unter 70mg/dl. Die PCSK9-Inhibitoren sind Antikörper ­gegen Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9, das am Abbau von LDL-Rezeptoren in Leberzellen beteiligt ist. Durch Hemmung von PCSK9 bleiben mehr LDL-Rezeptoren an der Zellmembran aktiv, was zu einem verstärkten Abbau von LDL-Cholesterin führt. Wie alle anderen therapeutisch eingesetzten Antikörper auch, müssen die PCSK9-Inhibitoren regelmäßig injiziert werden.</p> <p><strong>Welche Patientengruppen profitieren denn von dieser Therapie?</strong><br /> <strong>B. Föger: </strong> Grundsätzlich alle, die trotz maximaler Statin+/-Ezetimib-Therapie eine deut­liche LDL-C-Senkung benötigen. In der aktuellen Situation sind es primär drei Gruppen von Patienten: Patienten mit kli­nisch manifester Atherosklerose, deren LDL-C trotz Therapie >70mg/dl bleibt, Personen mit fa­miliärer Hypercholesterin­ämie und Pati­enten mit nachgewiesener Statinintoleranz. Bei der familiären Hy­per­cholesterin­ämie gelingt es in der Regel nicht, mit einer Kombination von Sta­ti­nen+/–Ezetimib die extrem hohen LDL-C-Werte der Betroffenen – meist zwischen 200 und 400mg/dl – auf den für diese Personengruppe empfohlenen Zielwert von weniger als 100mg/dl in der Primärprävention zu sen­ken. Mit zusätzlicher Anwendung der PCSK9-Inhibitoren ist das problemlos möglich. Bei Statinintoleranz hatten wir bislang kaum brauchbare Optionen, da mit Ezetimib oder Co­lese­ve­lam in Monotherapie nur beschei­dene Effek­te erreicht werden. Allerdings muss man betonen, dass diese neuen und teuren Medikamente in der aktuellen Si­tuation jenen Patienten vorbehalten werden sollen, die sie wirklich brauchen. Die familiäre Hy­percholeste­rinämie ist sicher das größere Einsatzgebiet der neuen PCSK9-Inhibito­ren. Die Statinintoleranz tritt ungefähr bei 5 % der Patienten auf und äußert sich meist in sehr unangenehmen Muskelschmerzen und/oder Muskelschwäche. Leider ist die Dia­gnose nicht einfach, da nur die Minder­zahl der relevant Betroffenen erhöhte CK-Werte im Blut aufweisen. Am besten ist es nach einem klinischen Algo­rithmus vor­zu­gehen (z.B. dem Rosen­son-Score). Dabei wird das Statin abgesetzt und beobachtet, ob die Muskelschmerzen vergehen. Ist dies der Fall, wird die Statinbehandlung nach bestimmten Regeln erneut begonnen. Es hat sich gezeigt, dass die potentesten Statine, Ator­vas­tatin und Rosuvastatin, am wenigsten Muskelpro­bleme verursachen. Man be­ginnt mit der niedrigsten Dosierung eines dieser beiden Statine und titriert den Pa­ti­enten dann auf eine therapeutisch sinnvolle Dosis auf, falls das möglich ist. Geht das bei 3 oder mehr Sta­tinen nicht ohne into­­le­rable mus­kuläre Beschwerden, liegen sta­tinassoziierte Mus­kelsymptome (SAMS) vor.</p> <p><strong>Das bringt uns zur Frage nach der ­Verträglichkeit. Wie schneiden PCSK9-Inhibitoren in dieser Hinsicht ab?</strong><br /> <strong>B. Föger: </strong> Sehr gut. In den Studien waren die häufigsten Nebenwirkungen lokale Re­aktionen an der Einstichstelle und auch in der klinischen Praxis haben wir bis jetzt keine Hinweise auf ernsthafte Probleme. Inwieweit neurokognitive Störungen ursächlich mit der PCSK9-Hemmung zusammenhängen, werden die laufenden Endpunktstudien und speziell für diese Fragestellung ausgerichtete Programme (Ebbinghaus-Studie) zeigen.</p> <p><strong>Bedeutet das auch, dass die sehr niedrigen LDL-C-Spiegel, die unter Therapie mit PCSK9-Inhibitoren auftreten können, verträglich und sicher sind?</strong><br /> <strong>B. Föger: </strong> Ja. Wir haben bislang keinerlei Hinweise darauf, dass LDL-C-Spiegel zumindest bis hinunter auf 25mg/dl – so niedrige Werte erreichen wir bei manchen Patienten – nachteilig wären. Wir wissen auch, dass Menschen, die aus genetischen Gründen eine Dysfunktion von PCSK9 haben und daher so niedrige LDL-Werte aufweisen, damit keine Probleme haben und gesund sind.</p> <p><strong>Bei Antikörpertherapien z.B. in der Rheumatologie wird immer das Problem neutralisierender Antikörper gegen den Antikörper diskutiert. Ist das auch für die PCSK9-Inhibitoren relevant?</strong><br /> <strong>B. Föger: </strong> Wir haben keine Hinweise darauf, dass neutralisierende Antikörper kli­nisch bedeutsam wären. Antikörper ge­gen die PCSK9-Inhibitoren treten bei einem sehr kleinen Prozentsatz der Pati­enten passager auf. Sie sind allerdings nicht neutralisierend, beeinträchtigen die Wirksamkeit nicht und verschwinden mit der Zeit auch wieder.</p></p>
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