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20 Jahre Outcome-Forschung in der Therapie des Typ-2-Diabetes

Ein Tsunami an Daten zeigt den Fortschritt

<p class="article-intro">Während epidemiologische Daten einen klaren Zusammenhang zwischen Güte der Blutzuckereinstellung und dem Auftreten von kardiovaskulären Komplikationen nahelegten, zeigten antihyperglykämisch ausgerichtete Interventionsstudien kontroversielle Ergebnisse. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Guntram Schernthaner über Entwicklungen bei Typ-2-Diabetes im Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Frustration sowie die aktuelle Aufbruchsstimmung durch die nun vorliegenden positiven Outcome-Studien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Sehr geehrter Herr Professor Schernthaner, 1998 &ndash; also vor rund 20 Jahren &ndash; wurden die Daten der United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) publiziert und stellten jahrelang die Basis f&uuml;r viele Entscheidungen in der Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes dar, wie beispielsweise die Positionierung von Metformin als First-Line-Medikament. Welche Bedeutung hat die Studie aus Sicht der modernen Diabetologie?<br /><br /> G. Schernthaner:</strong> Die UKPDS<sup>1, 2</sup> hat die Grundlage f&uuml;r die lange Zeit herrschenden glukozentrischen Argumente im Rahmen der Behandlung des Typ- 2-Diabetes geliefert, da durch eine Verbesserung des HbA<sub>1c</sub>-Wertes um 0,9 Prozent in der intensiven Behandlungsgruppe im Vergleich zu einem konventionellen Behandlungsarm zahlreiche Endpunkte signifikant reduziert werden konnten. Die Reduktion des Risikos f&uuml;r einen Myokardinfarkt erreichte allerdings mit 16 Prozent gerade nicht statistische Signifikanz (p=0,052) (Tab. 1). Gleichzeitig haben die Ergebnisse bei der mit Metformin behandelten adip&ouml;sen Subpopulation den Grundstein f&uuml;r die Empfehlung zur Anwendung von Metformin als Erstlinienmedikament gef&uuml;hrt (Abb. 1). Die Studie ist aus heutiger Sicht sehr kritisch zu sehen und bei der Interpretation muss man sich vor Augen halten, dass die Daten aus dieser Untersuchung nicht auf die Situation von Typ- 2-Diabetikern im 21. Jahrhundert &uuml;bertragen werden k&ouml;nnen. Die Studie wurde an Patienten mit neu manifestiertem Typ-2-Diabetes durchgef&uuml;hrt. Und bereits hier liegt der erste Kritikpunkt: Bei Weitem nicht alle Patienten, die in die Studie eingeschlossen wurden, erf&uuml;llten das Kriterium der &bdquo;Neumanifestation&ldquo;. Die Bewertung der G&uuml;te der Blutzuckereinstellung ist ebenfalls kritisch zu betrachten, da die HbA<sub>1c</sub>-Werte nicht gemessen, sondern aus den N&uuml;chternblutzuckerwerten hochgerechnet wurden. Dar&uuml;ber hinaus ist es ganz wesentlich f&uuml;r die Bewertung der Daten, welche Begleittherapien, die einen Einfluss auf das vaskul&auml;re Risiko und die Mortalit&auml;t aus&uuml;bten, in einer Studie zur Anwendung kommen. Als Beispiel m&ouml;chte ich die in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts durchgef&uuml;hrte Physicians&rsquo; Health Study anf&uuml;hren. Hier wurde f&uuml;r &bdquo;low-dose aspirin&ldquo;, d.h. f&uuml;r Acetylsalicyls&auml;ure in einer niedrigen Dosierung von 325mg, eine 44-prozentige und hochsignifikante (p&lt;0,00001) Reduktion des Myokardinfarktes gezeigt.<sup>3</sup> Diese Resultate wurden aber in einer Zeit erzielt, in der es keine Lipidsenker und keine ACE-Hemmer gab. Sp&auml;ter hat man festgestellt, dass Acetylsalicyls&auml;ure in der Prim&auml;rpr&auml;vention keinen Effekt hat. Es ist also von entscheidender Bedeutung, die therapeutische Gesamtsituation der Patienten zu betrachten. Dementsprechend sind auch die UKPDS-Daten zu bewerten. In dieser Studie hat Metformin, wie erw&auml;hnt, in einer Subgruppe von 342 adip&ouml;sen Patienten eine ganze Reihe positiver Effekte gezeigt. Aber: Es gab keine Statintherapie, der Blutdruck war relativ schlecht eingestellt, die Verwendung von ACE-Hemmern war f&uuml;r heutige Verh&auml;ltnisse nicht ad&auml;quat. Insgesamt war die Kontrolle kardiovaskul&auml;rer Risikofaktoren &auml;u&szlig;erst unbefriedigend. Man wei&szlig; heute &uuml;berhaupt nicht, ob Metformin das gleiche Ergebnis erzielt h&auml;tte, wenn die Studienteilnehmer eine ausreichende kardiovaskul&auml;re Begleittherapie gehabt h&auml;tten &ndash; wahrscheinlich nicht. Auch wenn man die f&uuml;r Metformin sprechenden Beobachtungsstudien bez&uuml;glich der Patientencharakteristika analysiert, findet man einen wesentlichen Ansatzpunkt f&uuml;r Kritik: In fast allen Studien wurde Metformin mit Sulfonylharnstoffen verglichen. Die Patienten in den Metformin-Gruppen waren aufgrund der damaligen Zur&uuml;ckhaltung gegen&uuml;ber Metformin bei Herzinsuffizienz oder eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion wesentlich ges&uuml;nder als in den Vergleichspopulationen. Man muss also festhalten, dass die Positionierung von Metformin in den internationalen Guidelines als First-Line- Medikament aus heutiger Sicht streng genommen nicht evidenzbasiert ist. Dennoch wird sich Metformin an dieser Position halten: Es ist &auml;u&szlig;erst billig, es senkt das HbA<sub>1c</sub> st&auml;rker als die modernen Antidiabetika, zeigt gewichtsreduzierende Effekte und man hat &uuml;ber 50 Jahre Erfahrung damit &ndash; man kennt das Medikament also in nahezu allen Facetten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1705_Weblinks_s20_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="760" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1705_Weblinks_s20_abb1.jpg" alt="" width="1477" height="836" /><br /><br /><strong> Gro&szlig;e Erwartungen wurden in die intensive Blutzuckersenkung gesetzt. Es wurden Megastudien mit jeweils &uuml;ber 10 000 Patienten wie ACCORD und ADVANCE sowie die etwas kleinere VADT-Studie zu dieser Fragestellung durchgef&uuml;hrt. Die Ergebnisse waren aber entt&auml;uschend und haben eine gro&szlig;e Verunsicherung in der Diabetologie ausgel&ouml;st. Was ist damals passiert?<br /><br /> G. Schernthaner:</strong> Aus der UKPDS sind auch zahlreiche epidemiologische Daten abgeleitet worden. Eine wesentliche Schlussfolgerung war, dass ein linearer Zusammenhang zwischen HbA<sub>1c</sub> und Komplikationen besteht, im Sinne von &bdquo;the lower, the better&ldquo;. Diese schlie&szlig;lich im &bdquo;British Medical Journal&ldquo; erschienene Analyse<sup>4</sup> wurde nicht bez&uuml;glich anderer Risikofaktoren wie Diabetesdauer, Alter, Lipidwerten oder Blutdruck korrigiert. Die Patienten mit niedrigem HbA<sub>1c</sub> hatten tats&auml;chlich eine wesentlich k&uuml;rzere Diabetesdauer und waren j&uuml;nger. Problematisch daran ist, dass die Studien zur intensiven Blutzuckersenkung wie ACCORD (Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes)<sup>5</sup>, ADVANCE (Action in Diabetes and Vascular Disease: Preterax and Diamicron Modified Release Controlled Evaluation)<sup>6</sup> und VADT (Veteran Administration Diabetes Trial)<sup>7</sup> auf dieser durch Confounders verf&auml;lschten Hypothese basierten und damit zum Scheitern verurteilt waren. Die Erkenntnis von ACCORD, ADVANCE und VADT war, dass die intensive Glukosesenkung zu einem Anstieg der Hypoglyk&auml;mien f&uuml;hrt und dies f&uuml;r die Patienten gef&auml;hrlich ist. W&auml;hrend die kardiovaskul&auml;ren Endpunkte in allen drei Studien nur als Trend gesenkt wurden, wurde in ACCORD ein signifikanter und in VADT ein nicht signifikanter Anstieg der Mortalit&auml;t verzeichnet (Abb. 2). Die negativen Daten aus diesen drei &bdquo;Megatrials&ldquo; f&uuml;hrten aber auch zu einer f&uuml;r die Diabetologie selbst bedrohlichen Situation, in zweierlei Hinsicht: Einerseits konnten die Ergebnisse als Rechtfertigung f&uuml;r einen gewissen therapeutischen Nihilismus herangezogen werden, andererseits war die Diabetologie bez&uuml;glich der Ressourcenverteilung sehr angreifbar. Wichtig ist zu verstehen, dass die aggressive Therapie bei schwer kranken Patienten ein Risiko bedeuten kann. Eine strenge Blutzuckereinstellung, die von Anfang an besteht, wirkt sich dagegen positiv aus. Der glukozentrische Zugang ist also weiterhin relevant, wie rezente epidemiologische Studien aus Mexico City und Schweden zeigen.<sup>8, 9</sup> Die Glukoseeinstellung reicht aber nat&uuml;rlich ohne ad&auml;quate Behandlung anderer Risikofaktoren bei Weitem nicht aus, um Komplikationen zu vermeiden. Worum es vielmehr geht: das Timing und eine Individualisierung der Therapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1705_Weblinks_s20_abb2.jpg" alt="" width="1472" height="755" /><br /><br /><strong> Die PROactive-Studie mit Pioglitazon wurde ebenfalls mit Spannung erwartet und sollte dem Prinzip des Insulin- Sensitizings zum Durchbruch verhelfen. Bei der Pr&auml;sentation der Daten in Athen 2005 h&auml;tte man eine Stecknadel fallen h&ouml;ren k&ouml;nnen und ein kollektives Seufzen, als es hie&szlig;: And this difference was statistically NOT significant! Ist Insulin-Sensitizing &uuml;berholt?<br /><br /> G. Schernthaner:</strong> Nein, sicherlich nicht. Die PROactive(PROspective pioglitAzone Clinical Trial In macroVascular Events)-Studie<sup>10</sup> ist sicherlich eine der wichtigsten Studien, die bei Typ-2-Diabetes durchgef&uuml;hrt wurde. Sie war die erste echte randomisierte Studie, in der ein Medikament (Pioglitazon) gegen&uuml;ber Placebo getestet wurde, und zwar in einem Setting, in dem die Patienten als Hintergrundmedikation sowohl bez&uuml;glich der Blutzuckereinstellung, aber auch im Hinblick auf die anderen kardiovaskul&auml;ren Risikofaktoren alle Medikamente erhalten hatten, die sie f&uuml;r die Erreichung der jeweiligen Guidelinebasierten Zielwerte ben&ouml;tigten. Das wurde zuvor nie in dieser Weise umgesetzt. Die Studie hat ihren prim&auml;ren Endpunkt, der unter anderem auch PAVK beinhaltete, nicht erreicht. Sehr wohl f&uuml;hrte Pioglitazon aber zu einer signifikanten Risikoreduktion von 16 % im pr&auml;spezifizierten sekund&auml;ren Endpunkt (Zeit bis zum Tod, nicht t&ouml;dlichem Herzinfarkt oder nicht t&ouml;dlichem Schlaganfall) (Abb. 3). Dieser Endpunkt entspricht den kombinierten Endpunkten der modernen Outcome-Studien, wie sie, von FDA und EMA gefordert, f&uuml;r alle neuen Antidiabetika durchgef&uuml;hrt werden. W&auml;re es nur um diesen Endpunkt gegangen, dann w&auml;re Pioglitazon meiner Meinung nach trotz der bekannten Nebenwirkungen &uuml;ber Jahrzehnte eines der erfolgreichsten Medikamente in der Diabetologie geworden. Auch das Design dieser Studien entspricht der Vorgehensweise in PROactive.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1705_Weblinks_s20_abb3.jpg" alt="" width="1457" height="885" /><br /><br /><strong> Es stehen nun eine ganze Reihe von prospektiven, kardiovaskul&auml;ren Outcome- Studien mit modernen Diabetesmedikamenten zur Verf&uuml;gung. Was k&ouml;nnen wir aus den Ergebnissen lernen?<br /><br /> G. Schernthaner:</strong> Nach PROactive kam die &Auml;ra einer ganzen Reihe von Outcome-Studien mit den sogenannten modernen Antidiabetika, die aufgrund der Vorgaben der Zulassungsbeh&ouml;rden (FDA, EMA) gemacht werden mussten, um deren kardiovaskul&auml;re Sicherheit zu zeigen. Zuerst kamen Daten aus den Studien mit den DPP-4-Hemmern, SAVORTIMI 53 mit Saxagliptin (Saxagliptin Assessment of Vascular Outcomes Recorded in Patients with Diabetes Mellitus- Thrombolysis in Myocardial Infarction)<sup>11</sup>, EXAMINE mit Alogliptin (Examination of Cardiovascular Outcomes with Alogliptin versus Standard of Care)<sup>12</sup> und TECOS mit Sitagliptin (Trial Evaluating Cardiovascular Outcomes with Sitagliptin)<sup>13</sup>. In diesen Studien konnte die kardiovaskul&auml;re Sicherheit dieser Substanzen belegt werden, ein Vorteil gegen&uuml;ber Placebo im Sinne einer signifikanten Risikoreduktion hinsichtlich kardiovaskul&auml;rer Ereignisse oder Mortalit&auml;t wurde nicht gezeigt. Dies f&uuml;hrte zu einer gewissen Frustration, und die Hoffnung, dass die nachfolgenden Studien positive Ergebnisse bringen w&uuml;rden, war relativ gering. Aber genau das v&ouml;llig Unerwartete ist eingetreten &ndash; n&auml;mlich, dass in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie<sup>14</sup> (Abb. 4) mit Empagliflozin und sp&auml;ter in der LEADER(Liraglutide Effect and Action in Diabetes: Evaluation of Cardiovascular Outcome Results)-Studie mit Liraglutid<sup>15</sup> (Abb. 4) eine Risikoreduktion sowohl bez&uuml;glich kardiovaskul&auml;rer Endpunkte als auch der Mortalit&auml;t gezeigt werden konnte. Das Besondere ist, dass diese Ergebnisse zus&auml;tzlich &ndash; also &bdquo;on top&ldquo; &ndash; zu Statinen und Antihypertensiva erreicht wurden. Dar&uuml;ber hinaus hat Empagliflozin zus&auml;tzlich einen positiven Einfluss auf die Herzinsuffizienz, wobei der Mechanismus, der zu diesen Effekten f&uuml;hrt, nach wie vor nicht klar ist. Eine m&ouml;gliche Erkl&auml;rung liegt in der Reduktion der Insulinresistenz- bedingten Reduktion der Hyperhydratation der Patienten durch vermehrte Ausscheidung von Natrium und Wasser. Man muss auch festhalten, dass sowohl in EMPA-REG OUTCOME als auch in LEADER weder der Herzinfarkt noch der Schlaganfall, als isolierte Endpunkte betrachtet, signifikant reduziert wurden. Im Gegensatz dazu konnte in der rezent publizierten IRIS(Insulin Resistance Intervention after Stroke)-Studie<sup>16</sup> durch Pioglitazon bei insulinresistenten Patienten ohne Diabetes, die zuvor einen Schlaganfall oder eine TIA erlitten hatten, das Auftreten von t&ouml;dlichen oder nicht t&ouml;dlichen Herzinfarkten oder Schlaganf&auml;llen innerhalb von 4,8 Jahren um 24 Prozent (HR: 0,76; p=0,007) gegen&uuml;ber Placebo signifikant reduziert werden. Und das obwohl die Patienten alle modernen Medikamente, die heute in der Behandlung nach Schlaganf&auml;llen zum Einsatz kommen, an Bord hatten. Auch die Progression zur Entwicklung eines Diabetes wurde reduziert. Diese Daten best&auml;tigen die Bedeutung der Insulinresistenz f&uuml;r die Entwicklung von Sp&auml;tsch&auml;den und die Krankheitsprogression. Ich gehe davon aus, dass ein starker Fokus in der zuk&uuml;nftigen Medikamentenforschung auf die Entwicklung von Substanzen gelegt werden wird, die andere Wirkmechanismen aufweisen als die Glitazone, aber dennoch die Beeinflussung der Insulinresistenz zum Wirkziel haben. M&ouml;glicherweise ist aber neben der Einzelsubstanz auch die jeweilige Komedikation von Bedeutung. So hat zum Beispiel eine Metaanalyse der drei mit DPP-4-Hemmern durchgef&uuml;hrten Outcome-Studien gezeigt, dass die kardiovaskul&auml;ren Effekte von DPP-4- Hemmern Metformin-abh&auml;ngig sein k&ouml;nnten. Jene Patienten, die zus&auml;tzlich zu einem DPP-4-Hemmer Metformin erhalten hatten, zeigten einen Trend zu einer Reduktion kardiovaskul&auml;rer Ereignisse, w&auml;hrend Patienten ohne zus&auml;tzliche Metformin-Einnahme einen Trend zur Risikoerh&ouml;hung aufwiesen. Der Unterschied zwischen den Gruppen mit und ohne Metformin war sogar signifikant. <sup>17</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1705_Weblinks_s20_abb4.jpg" alt="" width="1477" height="977" /><br /><br /><strong> Wo stehen wir also heute beim Typ- 2-Diabetes, und welches sind die relevanten Fragestellungen f&uuml;r die Zukunft?<br /><br /> G. Schernthaner:</strong> Wir waren in den letzten 20 Jahren sehr erfolgreich. Das Risiko von Patienten mit Typ-2-Diabetes ist, wenn sie von Anfang an gut eingestellt sind, heute weitaus niedriger. Aus der schwedischen Studie, die ich bereits zuvor kurz erw&auml;hnt habe, geht hervor, dass jemand, der 75 Jahre alt ist, an Diabetes leidet und keine Mikroalbuminurie aufweist, eine bessere Lebenserwartung hat als der Nichtdiabetiker.<sup>9</sup> Der Grund sind die multifaktorielle Behandlung und die h&auml;ufigen Arztkontakte. Ganz anders sieht das jedoch aus, wenn diese Situation nicht gegeben ist. Wenn der Diabetes generell (Glukose, Blutdruck, Lipide) schlecht eingestellt ist, ist die Mortalit&auml;t je nach Altersgruppe um das Zwei- bis F&uuml;nffache erh&ouml;ht,<sup>8</sup> wobei hier renale Ursachen den gr&ouml;&szlig;ten Anteil an der Exzessmortalit&auml;t haben. Ich denke, dass die Kontrolle von Blutdruck und Lipiden wichtiger ist als die HbA<sub>1c</sub>-Senkung. Allerdings haben wir heute Antidiabetika (Empagliflozin, Liraglutid) zur Verf&uuml;gung, die eine kardiovaskul&auml;re Risikoreduktion bei einem aus dem Studiendesign resultierenden, sehr geringen HbA<sub>1c</sub>-Unterschied zu den Vergleichsgruppen bewirken konnten. Hier d&uuml;rften nicht glyk&auml;mische Effekte dieser Substanzen f&uuml;r die Outcome-Verbesserung verantwortlich gewesen sein. Insofern sind wir in einem neuen Zeitalter der Diabetologie angekommen, in dem Patienten, die mit den zur Verf&uuml;gung stehenden Strategien behandelt werden, eine sehr gute Prognose haben.<br /> Ich denke, ein wesentlicher Punkt f&uuml;r die breitere Anwendung der neuen Medikamente w&auml;re der Nachweis, dass sie auch in der Prim&auml;rpr&auml;vention zur Vermeidung von Komplikationen f&uuml;hren. Man br&auml;uchte hier wahrscheinlich gro&szlig;e Untersuchungen, die nicht prim&auml;r von der Industrie finanziert und geplant werden, in denen Patienten, die von Anfang an Statine und ACE-Hemmer erhalten, randomisiert mit den einzelnen Substanzen behandelt werden. Meiner Einsch&auml;tzung nach m&uuml;sste man daf&uuml;r auf multinationaler Ebene 30 000 Diabetiker &uuml;ber zehn Jahre behandeln und nachverfolgen. Der zweite Schwerpunkt muss die &auml;lteren Menschen betreffen, die in Zukunft die H&auml;lfte aller Typ-2-Diabetiker ausmachen werden. F&uuml;r diese Gruppe an Betroffenen haben wir nach wie vor relativ wenig Evidenz. Der dritte sollte meiner Meinung nach auf den Erhalt der Betazellfunktion gelegt werden. Das Wichtigste ist aber, wie erw&auml;hnt, dass die Patienten mit den evidenzbasierten Medikamenten auch tats&auml;chlich behandelt werden. Leider ist der Uptake dieser Substanzen in der Praxis langsamer, als es zu w&uuml;nschen w&auml;re. Dies liegt sicher auch an &ouml;konomischen &Uuml;berlegungen. Dennoch, insgesamt kann man sagen, dass die Behandlungsm&ouml;glichkeiten noch nie so vielf&auml;ltig und effektiv waren wie heute und auch die Diabetologie spannender ist denn je. <br /><br /><strong>Danke f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> UKPDS-Study Group: Intensive blood-glucose control with sulphonylureas or insulin compared with conventional treatment and risk of complications in patients with type 2 diabetes (UKPDS 33). UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group. Lancet 1998; 352(9131): 837-5 <strong>2</strong> UKPDS-Study Group: Effect of intensive blood-glucose control with metformin on complications in overweight patients with type 2 diabetes (UKPDS 34). UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group. Lancet 1998; 352(9131): 854-6 <strong>3</strong> Steering Committee of the Physicians&rsquo; Health Study Research Group. Final report on the aspirin component of the ongoing Physicians&rsquo; Health Study. N Engl J Med 1989; 321(3): 129-35 <strong>4</strong> Stratton IM et al.: Association of glycaemia with macrovascular and microvascular complications of type 2 diabetes (UKPDS 35): prospective observational study. BMJ 2000; 321(7258): 405-12 <strong>5</strong> Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study Group; Gerstein HC et al.: Effects of intensive glucose lowering in type 2 diabetes. N Engl J Med 2008; 358: 2545-59 <strong>6</strong> ADVANCE Collaborative Group; Patel A et al.: Intensive BG control and vascular outcomes in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2008; 358: 2560-72 <strong>7</strong> Duckworth W et al.: Glucose control and vascular complications in veterans with type 2 diabetes. N Engl J Med 2009; 360: 129- 39 <strong>8</strong> Alegre-D&iacute;az J et al.: Diabetes and Cause-Specific Mortality in Mexico City. N Engl J Med 2016; 375: 1961-71 <strong>9</strong> Tancredi M et al.: Excess mortality among persons with type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 1720-3 <strong>10</strong> Dormandy JA et al.: Secondary prevention of macrovascular events in patients with type 2 diabetes in the PROactive Study (PROspective pioglitAzone Clinical Trial In macroVascular Events): a randomised controlled trial. Lancet 2005; 366: 1279-89 <strong>11</strong> Scirica BM et al.: Saxagliptin and cardiovascular outcomes in patients with type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med 2013; 369: 1317-26 <strong>12</strong> White WB et al.: Alogliptin after acute coronary syndrome in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med 2013; 369: 1327-35 <strong>13</strong> Green JB et al.: Effect of sitagliptin on cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 232-42<strong> 14</strong> Zinman B et al.: Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 2117-28 <strong>15</strong> Marso SP et al.: Liraglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2016; 375: 311-22<strong> 16</strong> Kernan WN et al.: Pioglitazone after ischemic stroke or transient ischemic attack. N Engl J Med 2016; 374: 1321-31 <strong>17</strong> Crowley MJ et al.: Metformin use may moderate the effect of DPP-4 inhibitors on cardiovascular outcomes. Diabetes Care 2017. Epub ahead of print</p> </div> </p>
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