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Ein junger Patient mit Übelkeit und Erbrechen

<p class="article-intro">Im Rahmen unserer Serie endokriner Fälle präsentieren wir Ihnen einen Fall eines jungen Patienten, der mit einem Verdacht auf eine Lebensmittelvergiftung in unser Spital kam. Im Zuge der Untersuchungen an unserer endokrinen Ambulanz und aufgrund unseres Verdachts stellte sich jedoch eine ganz andere Ätiologie seiner Beschwerden heraus.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Vorstellung des Patienten in der Erstversorgung</h2> <p>Im Mai 2018 suchte ein einundzwanzigj&auml;hriger Patient die Erstversorgungsambulanz unseres Spitals, der Rudolfstiftung Wien, auf. Er berichtete, vor Kurzem einen wahrscheinlich verdorbenen Schinken gegessen zu haben und nun unter &Uuml;belkeit und Erbrechen zu leiden. Der Patient war hypoton mit einem Blutdruck von 80/60mmHg und tachykard mit einer Herzfrequenz von 116/min. Auf dem Weg zum WC, w&auml;hrend des Wartens auf die Ergebnisse der Blutabnahme, kollabierte der junge Mann.<br /> Im Labor waren neben etwas erh&ouml;hten Entz&uuml;ndungsparametern (CRP 53,7mg/l, Leukozyten 10,0G/l) erh&ouml;hte Nierenfunktionsparameter (Kreatinin 2,07mg/dl, GFR 40ml/min/1,73m<sup>2</sup>), ein niedriges Natrium (120mmol/l) und ein hohes Kalium (5,6mmol/l) auff&auml;llig. Die Hyperkali&auml;mie nach mehrmaligem Erbrechen sowie die ausgepr&auml;gte Hypotonie und der Kollaps bei dem jungen Patienten waren f&uuml;r die Aufnahme&auml;rzte &uuml;berraschend, daher wurde Kontakt mit uns an der endokrinologischen Abteilung aufgenommen.</p> <h2>Station&auml;re Aufnahme</h2> <p>Wir &uuml;bernahmen den Patienten mit dem Verdacht auf Morbus Addison zur weiteren Abkl&auml;rung. Bei Aufnahme war die wie sonnengebr&auml;unt wirkende Hautfarbe des blonden Patienten auff&auml;llig. Im Status zeigte sich, dass auch Stellen wie der Bauch und der R&uuml;cken dunkel waren, obwohl der Patient berichtete, in diesem Jahr noch nicht ohne T-Shirt an der Sonne gewesen zu sein.<br /> Zur Absicherung unserer Hypothese eines Cortisolmangels baten wir das Labor gleich am Aufnahmetag um eine Cortisolbestimmung, begannen aber noch vor Eintreffen des Befunds mit einer Cortisolsubstitution. Die Blutabnahme erfolgte kurz nach 22.30 Uhr. Das Cortisol lag mit 3,65&mu;g/dl zwar noch im Normbereich f&uuml;r diese Uhrzeit (2,69&ndash;10,4&mu;g/dl), allerdings galt es zu ber&uuml;cksichtigen, dass unter der Stresssituation einer Spitalsaufnahme sowie einer akuten Erkrankung ein h&ouml;herer Wert zu erwarten gewesen w&auml;re.<br /> Der Patient erhielt eine parenterale Cortisolsubstitution mit Hydrocortison (zun&auml;chst einen Bolus von 100mg Solu- Cortef<sup>&reg;</sup>, danach 100mg Solu-Cortef<sup>&reg;</sup> &uuml;ber 24 Stunden). Zus&auml;tzlich verabreichten wir dem Patient insgesamt 4 Liter Fl&uuml;ssigkeit &uuml;ber 24 Stunden parenteral. Dadurch kam es sowohl subjektiv als auch objektiv zu einer deutlichen Besserung. Der Blutdruck stieg an und bereits am n&auml;chsten Tag in der Fr&uuml;h war das Kalium im Normbereich (4,4mmol/l). Das Natrium stieg langsam an und war nach vier Tagen mit 138mmol/l im Normbereich. Eine Untersuchung auf adrenocorticotropes Hormon (ACTH) konnte erst unter der Cortisolsubstitution durchgef&uuml;hrt werden, wobei der Wert mit 8,27pg/ml (Referenzbereich 9&ndash;52pg/ml) zu niedrig war. Der Patient konnte auf eine orale Substitution mit Hydrocortison umgestellt werden (Hydrocortone<sup>&reg;</sup> 1&ndash;&frac12;&ndash;0). 5 Tage nach Aufnahme konnte er aus dem Spital entlassen werden.</p> <h2>Kontrolle in der Hormonambulanz</h2> <p>Eine Kontrolluntersuchung in unserer Hormonambulanz wurde 14 Tage sp&auml;ter durchgef&uuml;hrt. Im Labor zeigte sich eine deutlich erh&ouml;hte ACTH-Konzentration (1198pg/ml). Vor der Einnahme von Hydrocortone<sup>&reg;</sup> war der Serumcortisolspiegel mit 4,16&mu;g/dl erniedrigt (Referenzbereich f&uuml;r die Fr&uuml;h 6,24&ndash;18,0&mu;g/dl). Wie erwartet war der Aldosteronwert mit 15,9pg/ml ebenfalls niedrig (Referenzbereich 22,1&ndash;353pg/ml), Renin war mit 46,2pg/ml reaktiv erh&ouml;ht (Referenzbereich 2,6&ndash;27,7pg/ml). Die erh&ouml;hte ACTHKonzentration ist ebenfalls reaktiv (negativer Feedback-Mechanismus) bei prim&auml;rer Nebenniereninsuffizienz zu interpretieren. Der Patient war bei subjektivem Wohlbefinden. Die Hydrocortone<sup>&reg;</sup>-Dosis konnte belassen werden.</p> <h2>Typische Symptomatik einer Addisonkrise</h2> <p>Patienten mit einer akuten Nebennierenrindeninsuffizienz klagen h&auml;ufig &uuml;ber &Uuml;belkeit, Erbrechen und unter Umst&auml;nden auch &uuml;ber kolikartige Bauchschmerzen (bis zur Pseudoperitonitis). Schw&auml;che, M&uuml;digkeit und Verwirrtheitszust&auml;nde k&ouml;nnen rasch in Apathie, Somnolenz und Koma &uuml;bergehen. Zus&auml;tzlich bestehen h&auml;ufig Fieber, Dehydrierungszeichen mit Tachykardie, Hypotension bis zum hypovol&auml;mischen Schock.<br /> Andererseits k&ouml;nnen gastrointestinale Erkrankungen (Gastroenteritiden) auch Ursache einer Addisonkrise sein. Eine akute Nebenniereninsuffizienz entwickelt sich h&auml;ufig auf Basis einer chronischen Nebenniereninsuffizienz und wird oft durch Stresssituationen wie Infektionen, fieberhafte Erkrankungen, Stress, Traumata, Wasser- und Elektrolytverluste (starkes Schwitzen), Verdauungsst&ouml;rungen, k&ouml;rperliche Anstrengung oder Operationen verursacht.<br /> Bei unserem Patienten k&ouml;nnen wir davon ausgehen, dass schon eine chronische, bislang unentdeckte Nebennierenrindeninsuffizienz vorlag, da er eine deutliche Hyperpigmentierung zeigte. Durch die gastrointestinalen Probleme nach Genuss eines verdorbenen Schinkens kam es zur akuten Nebenniereninsuffizienz. Die auch bei unserem Patienten bei Aufnahme vorliegende Niereninsuffizienz ist typisch und durch die vorhandene Exsikkose erkl&auml;rbar.<br /> Von der prim&auml;ren Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison, h&auml;ufig Autoimmungenese) muss die sekund&auml;re Nebenniereninsuffizienz bei hypophys&auml;ren Erkrankungen unterschieden werden. Aufgrund der erniedrigten ACTH-Sekretion bei hypophys&auml;rer Genese fehlt hier die bei Morbus Addison h&auml;ufig vorhandene Hyperpigmentierung. Auch die sekund&auml;re Nebenniereninsuffizienz kann Ursache einer akuten Nebenniereninsuffizienz mit Symptomen einer Addisonkrise sein.</p> <h2>Prophylaxe</h2> <p>Die ausf&uuml;hrliche Information der Patienten ist f&uuml;r den weiteren Verlauf unabdingbar. So wurde auch unser Patient folgenderma&szlig;en geschult, um potenziell lebensbedrohliche Addisonkrisen zu vermeiden:</p> <ul> <li>Bei fieberhaften Infekten (und anderen Erkrankungen) soll die Hydrocortisondosis verdoppelt bis verdreifacht werden. Anpassen der Dosierung bei starken Belastungen, bei starkem Schwitzen und in Stresssituationen</li> <li>Bei operativen Eingriffen ausreichend parenterale Hydrocortisongabe (ca. 10mg/Stunde) am Operationstag mit langsamer Dosisreduktion postoperativ je nach Verlauf (ca. um 20&ndash;30 % pro Tag)</li> <li>Personen mit bekannter Nebennierenrindeninsuffizienz sollen einen Notfallausweis mit der Diagnose und Verweisen auf die Therapie und notwendige Notfallma&szlig;nahmen bei sich tragen.</li> <li>Kann infolge eines gastrointestinalen Infektes Hydrocortison nicht eingenommen werden, so muss so schnell wie m&ouml;glich Kontakt mit einem Arzt aufgenommen werden bzw. eine Spitalseinweisung erfolgen.</li> </ul> <h2>&Auml;tiologie der Addisonkrise</h2> <p>Durch eine Reihe von Umst&auml;nden kann es zu einer Addisonkrise kommen:</p> <ul> <li>Erstmanifestation eines Morbus Addison (wie bei unserem Patienten)</li> <li>Abbruch einer Substitutionstherapie bei Morbus Addison</li> <li>Unzureichende Substitutionstherapie des Morbus Addison bei Infekten, Operation, Traumata, Stress, gastrointestinalen Erkrankungen, starkem Schwitzen</li> <li>Pl&ouml;tzliches Absetzen einer chronischen Kortisontherapie</li> <li>Nebennierenblutung bei Sepsis, Antikoagulation, Schwangerschaft, Epilepsie</li> <li>Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (meist auch andere hormonelle Ausf&auml;lle)</li> </ul></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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