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Duale Rezeptoragonisten in Entwicklung
Jatros
30
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17.11.2016
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<p class="article-intro">Im Rahmen der gut besuchten Session „Diabetes Drugs of the Future“ auf dem 52. Europäischen Diabeteskongress in München wurden am 14. September 2016 mögliche neue Ansätze zur Therapie des Typ-2-Diabetes präsentiert. Zum Teil befinden sich diese Entwicklungen noch in sehr frühen Stadien, und es ist naturgemäß offen, ob diese Substanzen auch auf den Markt gebracht werden. Spannend sind die Entwicklungen aber auf jeden Fall.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Duale GLP-1-Agonisten könnten sich als effektiv bei Typ-2-Diabetes erweisen, mit einer Verbesserung der Gly­kämie bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern, Verringerung des Körpe­rgewichts und gut tolerierbarem Nebenwirkungsprofil.</li> <li>Ein dualer GLP-1/FGF21-Agonist zeigte eine synergistische Verbes­serung der Insulinsekretion und der Insulinsensitivität sowie ein beträcht­liches Potenzial zur Therapie des Typ-2-Diabetes.</li> <li>Duale GIP-/GLP-1-Rezeptorago­nisten könnten eine Rationale in der Diabetestherapie haben, Näheres muss allerdings erst untersucht werden.</li> <li>Der direkte AMPK-Aktivator PXL770 verbesserte die glykä­mische Kontrolle, das Lipidprofil und eine hepatische Steatose und führte zu einem Gewichtsverlust bei den Mäusen aufgrund einer, Reduktion der Fett­masse. Von menschlichen Probanden wurde er in einer Phase-I-Studie gut toleriert.</li> </ul> </div> <h2>Duale GLP-1-Agonisten</h2> <p>Zwei Vorträge befassten sich mit dualen Agonisten des GLP-1/Glukagon-Rezeptors. Klinische Studien zeigen, dass Glukagon und GLP-1 Auswirkungen auf die Energieaufnahme und den Energieverbrauch haben und dass solche Agonisten positive Effekte bei Patienten mit Diabetes mellitus 2 haben könnten. Abgeleitet wurde dies durch die Untersuchung der körpereigenen Substanz Oxyntomodulin, das in den L-Zellen des Darmes und im Gehirn gebildet wird. Oxyntomodulin hat jedoch eine sehr kurze Halbwertszeit, sodass deswegen Analoga entwickelt wurden.</p> <p><strong>SAR425899</strong><br /> Klaus Lindauer<sup>1</sup> von der Firma Sanofi stellte eine dieser neuen Substanzen mit dem Namen SAR425899 vor. Es handelt sich dabei um ein Peptid mit einer dualen Rezeptoraktivität sowohl auf den GLP-1-Rezeptor als auch auf den Glukagon-Rezeptor. Die Gabe von SAR425899 erfolgt subkutan einmal täglich. Kriterien für den Einsatz sind eine ungenügende glykämische Kontrolle und das Ziel, das Körpergewicht zu senken. Die Gruppe untersuchte die Substanz in verschiedenen Dosierungen und verschiedenen Settings sowohl bei Gesunden als auch bei Typ-2-Diabetes-Patienten, die Metformin erhielten. Die Auswertungen zeigten, dass Nüchtern- und postprandiale Glukose abnehmen. Ebenso kam es zu einer Gewichtsreduktion (Abb. 1). Die Effekte waren abhängig von der Dosierung. Beim HbA<sub>1c</sub> zeigte sich eine Veränderung bei der Maximaldosierung um –0,59 % ; außerdem kam es zu einem Gewichtsverlust von 5,5kg gegenüber dem Ausgangswert. Probanden, die Placebo erhalten hatten, verloren dagegen 2,4kg. Die häufigsten Nebenwirkungen waren gastrointestinaler Art – beobachtet wurden die erwarteten Nebenwirkungen eines GLP-1-Agonisten wie Übelkeit und Erbrechen, und zwar in vergleichbarem Ausmaß wie bei anderen GLP-1-Agonisten. Es kam auch zu leichten Anstiegen des systolischen und diastolischen Blutdrucks. Darüber hinaus wurden Erhöhunen der Herzfrequenz und der Lipase beobachtet. Signale hinsichtlich Pankreatitis oder allergener Reaktionen traten hingegen keine auf. <br />Zusammenfassend: SAR425889 verbesserte die Glykämie bei übergewichtigen Typ-2-Diabetikern, senkte deren Körpergewicht und wurde, bei gelegentlichem Auftreten gastrointestinaler Nebenwirkungen, von diesen überwiegend gut toleriert. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Diabetes_1605_Weblinks_seite14.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p><strong>MEDI0382</strong><br /> Alexandra Rossi<sup>2</sup> aus Cambridge, UK, und Gaithersburg, USA, präsentierte in ihrem Vortrag den zweiten dualen GLP-1/Glukagon-Rezeptoragonisten MEDI0382, der von den Firmen MedImmune und AstraZeneca entwickelt wird. Die Rationale für diese Substanz ist die gleiche wie oben beschrieben. Die präsentierte Entwicklung ist jedoch noch nicht so weit fortgeschritten. Getestet wurde MEDI0382 an Wildtyp- und GLP-1-Rezeptor-Knock-out-Mäusen. Dabei zeigte sich, dass MEDI0382 überwiegend über die GLP-1-Rezeptor-Aktivität wirkt. Im Tierversuch an Wildtyp-Mäusen, verglichen mit den Knock-out-Mäusen, zeigten die durchgeführten Versuche, dass MEDI0382 ein potenter GLP-1/Glukagon-Rezeptoragonist mit dem Potenzial ist, sowohl das Gewicht zu senken als auch eine positive glykämische Kontrolle zu bewirken.</p> <h2>Dualer GLP-1/FGF21-Agonist</h2> <p><strong>YH25724 (YH-Dual)</strong><br /> Su Youn Nam<sup>3</sup> aus Seoul, Korea, von der Firma Yuhan berichtete über die Substanz YH25724 (YH-Dual), einen dualen Agonisten für GLP-1/FGF21 mit lang anhaltender Blutzuckerkontrolle, Gewichtsverlust und Verbesserung des Lipidprofils. Präsentiert wurden Daten, die in In-vitro-Systemen und in Tiermodellen gewonnen wurden. YH25724 ist ein mit dem Immunglobulin Fc fusioniertes Protein aus einer GLP-1- und einer FGF21(„fibroblast growth factor“ 21)- Variante. FGF21 ist ein potenziell vielversprechendes Therapieziel, da es die Insulinsensitivität erhöht. <br />In vitro wurde die cAMP-Aktivierung von YH25724 an CHO-Zellen für den GLP-1-Rezeptor und die Aktivierung des FGF21-Rezeptors durch Bestimmung der Phosphorylierung an HEK293-Zellen erfasst. Die Pharmakokinetik und die Pharmakodynamik wurden an db/db-Mäusen und Streptozotocin-behandelten Mäusen bestimmt und darüber hinaus auch im Affenmodell untersucht. Aufgrund der Resultate der untersuchten Pharmakokinetik stellte sich heraus, dass eine 1x wöchentliche Applikation bei Menschen ein geeignetes Verabreichungsmodell sein dürfte. YH25724 kann die FGF21-Resistenz überwinden, die mit Übergewicht und Typ-2-Diabetes assoziiert ist. Außerdem kam es bei den Mäusen zu einem starken Absinken der Glukosespiegel; ebenso trat ein Gewichtsverlust ein, der ausgeprägter und anhaltender war als mit Dulaglutid (Abb. 2). Die Auswertung ergab darüber hinaus eine Verbesserung der Lipidprofile, der hepatischen Steatose, der Leberhistologie und der NASH-Marker. Aus den Daten erhofft sich die Gruppe auch, dass die Therapie arm an Nebenwirkungen sein könnte. <br />Zusammenfassend: Die Autoren sehen in der synergistischen Verbesserung der Insulinsekretion und der Insulinsensitivität ein beträchtliches Potenzial zur Therapie des Typ-2-Diabetes durch YH25724. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Diabetes_1605_Weblinks_seite16_1.jpg" alt="" width="435" height="615" /></p> <h2>Dualer GIP-/GLP-1-Rezeptoragonist</h2> <p>Jacqueline Naylor<sup>4</sup> aus Cambridge, UK, präsentierte Daten zu einem neuen, dualen Agonisten für den GIP-/GLP-1-Rezeptor, der gemeinsam von den Firmen Med­Immune und AstraZeneca erforscht wird. Die Forschung zu diesem dualen Agonisten befindet sich noch im Grundlagenstadium, interessant ist jedoch eine Entdeckung, die zeigt, weshalb es eine Rationale für einen solchen Therapieansatz geben könnte. An von der Gruppe mit der CRISPR/Cas-9-Technologie hergestellten Knock-out-Zelllinien INS-1 832/3 (pankreatischen Betazellen) für den GIP- und den GLP-1-Rezeptor zeigte sich, dass das Fehlen eines der beiden Rezeptoren durch den anderen kompensiert werden kann. In vivo wurden drei duale Agonisten mit unterschiedlich starker Wirkung auf den GLP-1- und GIP-Rezeptor untersucht. Die Daten zu einem der drei untersuchten dualen Agonisten, der auf beide Rezeptoren gleich starke Wirkung ausübt, zeigen, dass es möglich ist, einen solchen Agonismus auch in vivo zu erzielen.</p> <h2>Direkter AMPK-Aktivator PXL770</h2> <p>Neben dualen Wirkprinzipien standen auch andere Mechanismen auf dem Programm. So präsentierte Sébastien Bolze<sup>5</sup>, Lyon, von der Firma Poxel Daten zu einem neuen direkten AMPK-Aktivator PXL770, der in Zusammenarbeit mit der Gruppe um Michael Roden vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf im Mausmodell untersucht wird. Die Rationale dahinter: PXL770 aktiviert direkt die Adenosinmonophosphat-aktivierte Proteinkinase (AMPK), ein Enzym, das den zellulären Energiestoffwechsel reguliert, indem es den Energieverbrauch hemmt und die Energieerzeugung in der Zelle stimuliert. Daher könnte eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Diabetes und Hyperlipidämie PXL770 spielen. Es zeigte sich, dass PXL770 eine De-novo-Lipogenese sowohl in vitro als auch in vivo im Mausmodell inhibiert. PXL770 verbesserte die glykämische Kontrolle signifikant, das Lipidprofil und eine hepatische Steatose bei den untersuchten ob/ob-Mäusen. Unter PXL770 kam es trotz einer fettreichen Diät außerdem zu einem Gewichtsverlust bei den Mäusen, der auf eine Reduktion der Fettmasse der Mäuse zurückgeführt werden konnte (Abb. 3). Die Ursache dafür waren ein erhöhter Energieverbrauch und Fettoxidation. <br />PXL770 ist derzeit in Phase I, wobei der SAD-Teil (Steigerung von Einzeldosierungen bei gesunden freiwilligen Probanden) bereits abgeschlossen ist und von den Probanden gut toleriert wurde. Darüber hinaus wurde auch kein Sicherheitssignal gefunden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Diabetes_1605_Weblinks_seite16_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Glukokinase-Aktivator MK-0941</h2> <p>Weniger vielversprechend zeigte sich ein von Akinobu Nakamura<sup>6</sup> von der Hokkaido University Graduate School of Medicine in Sapporo, Japan, präsentierter Glukokinase-Aktivator (MK-0941), der darauf abzielen sollte, den Glukosestoffwechsel zu verbessern und eine Wirkung auf Betazellproliferation und auch Betazellfunktion auszuüben. Allerdings konnte nur eine transiente Betazell-proliferierende Wirkung erzielt werden.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Lindauer K et al: Early clinical development of the dual GLP-1/glucagon receptor agonist SAR425899 and esta­b­lishment of a population PK/PD model. EASD-Kongress 2016, Oral Presentation: OP 109 <strong>2</strong> Rossi A et al: Pharmacological characterisation of MEDI0382, a dual GLP-1/glucagon receptor agonist for the treatment of obesity and type 2 diabetes. EASD-Kongress 2016, Oral Presentation: OP 110 <strong>3</strong> Nam YN et al: YH25724, a novel long-acting GLP-1/FGF21 dual agonist provides potent and sustained glycaemic control, body weight loss and lipid profile improvement in animal models. EASD-Kongress 2016, Oral Presentation: OP 111 <strong>4</strong> Naylor J et al: CRISPR/Cas-9 engineered pancreatic beta cell lines can delineate the pharmacology of novel dual GIPR/GLP-1R agonists. EASD-Kongress 2016, Oral Presentation: OP 112 <strong>5</strong> Bolze S et al: PXL770, a novel direct AMPK activator, improves metabolic disorders in a diet-induced mice model of obesity and diabetes. EASD-Kongress 2016, Oral Presentation: OP 113 <strong>6</strong> Nakamura A et al: Transient effect of glucokinase activator on beta cell proliferation. EASD-Kongress 2016, Oral Presentation: OP 114</p>
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