<p class="article-intro">Mit Prof. Susanne Kaser, Innsbruck, und Prof. Harald Sourij, Graz, ist nun ein neues Team an die Spitze der Österreichischen Diabetes Gesellschaft gewählt worden. Zum Auftakt möchten wir einen Blick auf die Planungen der nächsten Zeit werfen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Frau Professor Kaser, Sie sind seit Jahresbeginn Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. Wie ist die ÖDG derzeit aufgestellt und wohin soll sich die ÖDG in den nächsten Jahren entwickeln?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Die ÖDG ist eine sehr breit aufgestellte Fachgesellschaft, die sich auf vielen verschiedenen Ebenen engagiert. Im Mission Statement der ÖDG heißt es, dass wir es als unsere Aufgabe ansehen, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Wir versuchen dies auf vielfältige Weise, etwa durch das Engagement im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung – Stichwort Leitlinien – oder auch mit der Veranstaltung Diabetes unplugged. Wir bemühen uns um Nachwuchs- und Forschungsförderung und versuchen, uns in gesundheitspolitische Diskussionen und Entscheidungen konstruktiv einzubringen. Dies und die Herausforderung, ärztlichen Nachwuchs für die Diabetologie zu interessieren und auszubilden, werden ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeit in den nächsten Jahren sein.</p>
<p class="article-intro">Mit Prof. Susanne Kaser, Innsbruck, und Prof. Harald Sourij, Graz, ist nun ein neues Team an die Spitze der Österreichischen Diabetes Gesellschaft gewählt worden. Zum Auftakt möchten wir einen Blick auf die Planungen der nächsten Zeit werfen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Frau Professor Kaser, Sie sind seit Jahresbeginn Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. Wie ist die ÖDG derzeit aufgestellt und wohin soll sich die ÖDG in den nächsten Jahren entwickeln?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Die ÖDG ist eine sehr breit aufgestellte Fachgesellschaft, die sich auf vielen verschiedenen Ebenen engagiert. Im Mission Statement der ÖDG heißt es, dass wir es als unsere Aufgabe ansehen, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Wir versuchen dies auf vielfältige Weise, etwa durch das Engagement im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung – Stichwort Leitlinien – oder auch mit der Veranstaltung Diabetes unplugged. Wir bemühen uns um Nachwuchs- und Forschungsförderung und versuchen, uns in gesundheitspolitische Diskussionen und Entscheidungen konstruktiv einzubringen. Dies und die Herausforderung, ärztlichen Nachwuchs für die Diabetologie zu interessieren und auszubilden, werden ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeit in den nächsten Jahren sein.</p> <p><strong>In einer Presseaussendung, die auch in der vorliegenden Ausgabe zu lesen ist, richten Sie die Forderung an die Bundesregierung, die Diabetesstrategie umzusetzen. Da ist ja noch nicht viel passiert – welche sind die dringendsten Punkte, die angegangen werden sollten?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Im DMP Therapie aktiv werden derzeit nur etwa 10 % aller Menschen mit Diabetes mellitus behandelt; das zeigt sehr deutlich, dass im niedergelassenen Bereich zu wenig Ressourcen für unsere Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Wenn man sich die Statistik ansieht, wird klar, dass vor allem Menschen mit kurzer Diabetesdauer und geringer therapeutischer Komplexität im DMP behandelt werden. Umgekehrt bedeutet das, dass Patienten mit komplexen Therapieschemata oder Folgeerkrankungen meist nur der Weg in die Spitalsambulanz bleibt. Dieses Versorgungsproblem kann nur so gelöst werden, dass einerseits im niedergelassenen Bereich mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden und andererseits eine weitere Versorgungsebene für eben komplexere und aufwendigere Therapien implementiert wird. Die therapeutischen Möglichkeiten haben in den letzten Jahren erfreulicherweise sehr stark zugenommen, unsere Patientinnen und Patienten können aber nur dann davon profitieren, wenn die entsprechenden Ressourcen und Strukturen vorhanden sind bzw. zur Verfügung gestellt werden.</p> <p><strong>Ein wichtiges Anliegen in den vergangenen Jahren war die Einführung eines österreichischen Diabetesregisters – wie schätzen Sie die Chancen auf die Umsetzung ein und warum wäre dies wichtig?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Ein Diabetesregister wäre nicht nur für die Planung der Versorgungsstrukturen extrem wichtig, sondern es wäre auch eine Qualitätskontrolle unseres Gesundheitssystems. Nur wenn wir die Schwachstellen in der Versorgung erkennen, kann auch gegengesteuert werden; insofern ist ein Diabetesregister unerlässlich für die Sicherstellung einer hochqualitativen Versorgung. Wie groß gerade jetzt die Chancen auf Umsetzung sind, ist schwer abzuschätzen; wir werden aber sicher nicht müde werden, diese einzufordern.</p> <p><strong>Welche Schwerpunkte in der Zusammenarbeit mit anderen Stakeholdern stehen ganz oben auf der Agenda der ÖDG?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Wir haben uns als medizinische Gesellschaft für die nächsten Jahre ehrgeizige Ziele gesetzt, unter anderem möchten wir versuchen, die Stigmatisierung von Menschen mit Diabetes endlich zu beenden. Diabetes mellitus ist nicht einfach eine Lebensstilerkrankung, die man lapidar auf die leichte Schulter nehmen kann, sondern eine sehr ernst zu nehmende schwere Erkrankung, die die Lebensqualität und sogar die Lebenserwartung unserer Patientinnen und Patienten deutlich einschränkt. Gemeinsam mit der vor Kurzem gegründeten Dachorganisation der österreichischen Diabetesselbsthilfegruppen „wir sind diabetes“ möchten wir deshalb Aufklärungsarbeit für die Öffentlichkeit leisten und eine Diskussion zur Verbesserung der Versorgung aller in Österreich lebenden Menschen mit Diabetes mellitus führen. Gemeinsam mit anderen Stakeholdern arbeiten wir daran, neue, effiziente und attraktive Ausbildungsformate anzubieten. Wichtig ist uns, den ärztlichen Nachwuchs nicht nur für unser Thema zu interessieren, sondern darüber hinaus diesem auch eine exzellente Aus-, Fort- und Weiterbildung zu gewährleisten.</p> <p><strong>Was erwarten Sie sich von der neuen Österreichischen Gesundheitskasse?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Neue Strukturen werden immer kritisch gesehen, sie bergen aber auch viele Chancen. Wir hoffen und erwarten, dass nun für alle Menschen mit Diabetes, egal ob sie in Vorarlberg oder im Burgenland zu Hause sind, die gleichen therapeutischen Standards umgesetzt werden können, dies wäre ein enormer Fortschritt. Wir hoffen auch, dass durch die Vereinfachung des Systems nun die Umsetzung der Diabetesstrategie endlich in Angriff genommen wird.</p> <p><strong>Die ÖDG ist eine wissenschaftliche Gesellschaft – welche wissenschaftlichen Projekte werden derzeit unterstützt, welche neuen Projekte sind in Planung?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Wichtig ist für uns die Forschungs- und Nachwuchsförderung. Wir sind sehr froh und auch stolz darauf, verschiedene Preise und Grants anbieten zu können, mit deren Hilfe Diabetesforschung in Österreich ermöglicht wird und die es andererseits jungen Kolleginnen und Kollegen erlaubt, an internationalen Kongressen teilzunehmen. Wir sehen es auch als unsere Aufgabe, die Vernetzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu fördern, dieser Aufgabe möchten wir zukünftig verstärkt nachkommen.</p> <p><strong>Zur Wissenschaft gehört auch, dass die neuesten Informationen an alle, die Menschen mit Diabetes behandeln, weitergegeben werden. Wie Sie erwähnt haben, macht und unterstützt die ÖDG diesbezüglich viele Fortbildungen, soll es da Veränderungen geben?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Wir evaluieren unsere Tagungen und Angebote für Fortbildungsveranstaltungen regelmäßig, mit der Frühjahrstagung bzw. der Jahrestagung erreichen wir sehr viele Kolleginnen und Kollegen; das freut uns sehr, hierbei werden wir auch zukünftig versuchen, bestmöglich den Wünschen der Teilnehmer nachzukommen. Mit Diabetes unplugged versuchen wir, vor allem junge engagierte Kolleginnen und Kollegen anzusprechen, die entweder in Krankenhäusern tätig sind oder sich im niedergelassenen Bereich für Diabetes interessieren – deswegen auch die Verknüpfung mit der Therapie-aktiv-Ausbildung. Dieses Format bietet die Chance, innerhalb weniger Tage einen sehr guten, ganz praxisrelevanten Überblick über wesentliche Themen der Diabetologie zu bekommen, an diesem Format möchten wir prinzipiell festhalten. Die Review-Artikel in Journalen wie <em>JATROS Diabetologie & Stoffwechsel</em> oder „Diabetes Forum“ möchten wir weiterhin intensiv unterstützen, zudem möchten wir vermehrt auch elektronische Fort- und Weiterbildungstools anbieten. Das Format der Post-ADA/ EASD/DDG/ÖDG-Wrap-up-Veranstaltung werden wir verändern und hoffentlich damit noch attraktiver und einem breiteren Publikum zugängig machen.</p> <p><strong>Diabetesforschung in Österreich – worauf können wir stolz sein, was sind die „unmet needs“?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Es wird in Österreich hochkarätige Forschung betrieben, sowohl im Grundlagen- als auch im klinischen Bereich. Die öffentliche Forschungsförderung war schon bisher sehr limitiert; dadurch, dass sich die OeNB nun aus der naturwissenschaftlichen bzw. medizinischen Forschung zurückgezogen hat, wird es jungen Kolleginnen und Kollegen nun noch schwerer gemacht, eigene Forschungsgruppen aufzubauen. Hier ist letztendlich die Politik gefordert, sich zu naturwissenschaftlicher Forschung zu bekennen und entsprechende Gelder zur Verfügung zu stellen. In Kooperation mit pharmazeutischen Unternehmen wird oft in Form von sogenannten „investigatorinitiated studies“ exzellente klinische Forschung betrieben, für diese Zusammenarbeit sind wir sehr dankbar.</p> <p><strong>Die ÖDG hat Zahlen veröffentlicht, wonach 800 000 Menschen in Österreich von Diabetes betroffen sind, aber bei längst nicht allen der Diabetes diagnostiziert ist. Was ist nötig, um dies zu verbessern?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Wir haben prinzipiell ein sehr gutes Gesundheitsversorgungssystem in Österreich, dennoch gibt es zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten, vor allem was die Effizienz betrifft. Die Vorsorgeuntersuchungen werden nicht ausreichend genützt, wir fordern seit Langem, den HbA<sub>1c</sub>-Wert als Screeningparameter in die Vorsorgeuntersuchung aufzunehmen. Der zweite wesentliche Punkt ist, dass Diabetes mellitus zu häufig nicht als ernst zu nehmende Erkrankung wahrgenommen wird, es gibt eben keinen leichten Diabetes, bei dem man einfach nur abwarten kann. Hier sehe ich Handlungsbedarf.</p> <p><strong>Welche Herausforderungen gibt es derzeit in Österreich dabei, Menschen mit Diabetes auch leitliniengerecht zu behandeln?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Es gibt momentan zwei große Herausforderungen. Die erste ist, dass zu wenig personelle und zeitliche Ressourcen für die große Anzahl an Patienten vorhanden sind; die Therapie ist effizienter, aber eben auch komplexer geworden. Ein Ansatz neben dem Ausbau von Therapie aktiv und der Implementierung einer zweiten Versorgungsebene muss sein, dass die leitliniengerechte Behandlung von Menschen mit Diabetes auch entsprechend honoriert wird. Das zweite große Problem derzeit ist die Refundierungssituation, die eine leitlinienkonforme Therapie manchmal unmöglich macht. Hier muss ein Umdenken stattfinden, da eine effiziente Therapie von Anfang an Folgekosten deutlich reduziert und die Behandlung so insgesamt sogar kostengünstiger macht.</p> <p><strong>Eine abschließende Frage – wie wünschen Sie sich die Situation für die ÖDG und für Menschen mit Diabetes in 2 bis 5 Jahren?</strong><br /> <strong>S. Kaser:</strong> Ich wünsche mir, dass es keine Stigmatisierung von Menschen mit Diabetes mehr gibt, weil die Erkrankung als solche ernst genommen wird. Auf die Prävention hinsichtlich Reduktion des Risikofaktors Übergewicht und Adipositas sollte ein viel größeres Augenmerk gelegt werden und die Versorgungsstrukturen sollten eine zeitgemäße und bestmögliche Versorgung der Patienten ermöglichen. Und schließlich würden wir uns wünschen, dass Forschung in Politik und Öffentlichkeit einen viel größeren Stellenwert einnimmt.</p> <p><br /><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>