
Diabetes und Herz
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Das kardiovaskuläre Risiko ist bei Patienten mit Typ-2-Diabetes deutlich erhöht. Der Einfluss der Glykämie auf die kardiovaskuläre Mortalität nimmt jedoch mit dem Alter ab. Bei einem neu diagnostizierten Diabetes sollte von Anfang an eine optimale Blutzuckerkontrolle angestrebt werden. Bei einem langjährigen Diabetes mit Komplikationen ist das HbA1c-Ziel weniger strikt.
Im Vergleich zu Nichtdiabetikern haben Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) ein ca. 2-fach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre (CV) Ereignisse.1 Vor allem im jüngeren Alter ist die CV Mortalität in Abhängigkeit von der Glykämie deutlich erhöht im Vergleich zu Personen ohne Diabetes mellitus, wie eine Analyse des schwedischen Diabetes-Registers zeigt.2 «Mit höherem Alter nimmt der Einfluss der Glykämie, als wichtiger Determinante für die kardiovaskuläre Mortalität, ab», sagte Prof. Dr. med. Michael Brändle vom Kantonsspital St. Gallen am Diabetes Update Refresher in Zürich. Die Prognose von Patienten mit DM2 verschlechtert sich, wenn zusätzlich eine Nephropathie besteht.2 Am höchsten ist das Risiko, an einem CV Ereignis zu sterben, bei jüngeren Patienten (<55 Jahre) mit einer «end-stage renal disease» (ESRD). Doch auch bei einer Mikro- oder Makroalbuminurie nimmt das Risiko für Tod aufgrund eines CV Ereignisses zu. Die ESC-Guidelines empfehlen deshalb zur Einschätzung des CV Risikos von DM2-Patienten auch eine Kontrolle der Nierenfunktion.3
Diabetes und akutes Koronarsyndrom
Die Schnittmenge von Patienten mit DM2 und einem akuten Koronarsyndrom («acute coronary syndrome», ACS) ist hoch. Zwischen 17 und 25% der Patienten, die mit einem ACS hospitalisiert werden, haben einen bekannten DM2 und weitere 22–31% einen bis dahin unbekannten Diabetes. Das häufige Vorkommen eines abnormalen Glukosemetabolismus bei ACS-Patienten und der negative Einfluss auf das CV Outcome von Patienten mit koronarer Herzkrankheit sind wichtige Gründe, um nach einer diabetischen Stoffwechsellage zu suchen.4 Überschreitet die Plasmaglukose bei Aufnahme 11,1mmol/l, sollte zusätzlich das HbA1c bestimmt werden. In den übrigen Fällen werden die Nüchtern-Plasmaglukose und das HbA1c bestimmt. Alternativ kann vor dem Spitalaustritt oder 3 Monate nach dem koronaren Ereignis ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75g Glukose durchgeführt werden. Für die Diagnose eines DM2 sind gemäss der American Diabetes Association (ADA) zwei abnormale Testresultate erforderlich.5 Neuerdings reicht eine Blutprobe zur Bestimmung von Plasmaglukose und HbA1c. Die Diagnose lautet DM2, wenn die Plasmaglukose und das HbA1c Werte von >7mmol/l resp. ≥6,5% überschreiten.
Diabetes und Herzinsuffizienz
Patienten mit DM2 entwickeln aufgrund der kardiovaskulären und renalen Folgeerkrankungen und Komplikationen häufig eine Herzinsuffizienz (HI).6 Diese hat einen negativen Einfluss auf das Überleben: Ohne HI leben nach 5 Jahren noch 80% der DM2-Patienten, mit manifester HI sind es weniger als 25%.7
Blutzucker-Zielwerte
Seit dem Erscheinen der UKPDS-Studie um die Jahrtausendwende weiss man, dass das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen durch eine intensive Blutzuckerkontrolle bei neu diagnostiziertem DM2 signifikant reduziert werden kann.8 Darüber hinaus zeigte der mittlere «post-trial follow-up» von 8,5 Jahren eine signifikante Abnahme der Zahl makrovaskulärer Komplikationen. Noch ausgeprägter als bei einem DM2 fällt die Reduktion des mikro- und makrovaskulären Risikos infolge einer anhaltenden intensivierten Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit einem DM1 aus.9 Nicht alle Patienten profitieren gleichermassen von einer intensivierten Blutzuckerkontrolle. Wie man aus Studien wie ACCORD, ADVANCE und VADT weiss, führt die intensivierte Blutzuckerkontrolle bei langjährigem DM2 zu keiner relevanten Reduktion der Zahl makrovaskulärer Ereignisse und erhöht das Risiko für Komplikationen, wie beispielsweise Hypoglykämien.10–12 Dem trägt die heute empfohlene Individualisierung der Therapieziele Rechnung: In aller Regel wird bei Patienten mit neu diagnostiziertem DM2 eine optimale Blutzuckerkontrolle (HbA1c ≤7%) angestrebt. Die dazu eingesetzten Medikamente sollten keine Hypoglykämien verursachen. Bei langjährigem DM2 mit Komplikationen liegt das HbA1c-Ziel unter Abwägung von Risiken und Nutzen der Behandlung bei 7–7,5%.13,14 Ähnlich sehen es die ESC-Guidelines zu Diabetes, Prädiabetes und CVErkrankungen. Sie empfehlen ein HbA1c <7%, um die mikrovaskulären Komplikationen bei DM2 zu reduzieren, sowie zur Primärprävention von makrovaskulären Komplikationen.3 «In der Sekundärprävention kardiovaskulärer Komplikationen spielt die intensivierte Blutzuckerkontrolle eine nicht so grosse Rolle», sagte Brändle.
Welches Antidiabetikum?
Durch eine antidiabetische Therapie mit SGLT2-Inhibitoren (SGLT2-I) und GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) kann das CV Outcome positiv beeinflusst werden. Die Zusammenfassung der CV Endpunktstudien mit SGLT2-I in Tabelle 1 zeigt eine signifikante Reduktion der 3-Punkte-MACE (CV Tod, nichtfataler Myokardinfarkt oder Stroke) durch die Behandlung mit Empagliflozin und Canagliflozin, nicht aber mit Dapagliflozin und Ertugliflozin.15–18 Von den GLP-1-RA führten mit Ausnahme von oralem Semaglutid alle Wirkstoffe zu einer signifikanten Reduktion der 3-Punkte-MACE. Die Behandlung mit oralem Semaglutid hatte eine signifikante Abnahme der CV Todesfälle zur Folge.19–22 Während im Hinblick auf die CV Endpunkte aus Sicht des Experten eine Behandlung mit GLP-1-RA zu favorisieren ist, spricht bei der HI die Evidenz für eine Therapie mit SGLT2-I. Alle vier Wirkstoffe hatten in Studien zu einer etwa 30%igen Reduktion der Zahl der Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisationen geführt.15–18 Aufgrund ihrer protektiven Eigenschaften bei HI wurde die Empfehlungen einer Behandlung mit SGLT2-I auch auf Nichtdiabetiker ausgedehnt. Zunehmend werden die Ergebnisse der randomisierten kontrollierten Studien durch Real-World-Daten komplementiert. Wie eine Analyse des nationalen dänischen Patientenregisters für Diabetes mit mehr als 6600 Personen zeigte, war das Risiko für CV Komplikationen bei einer Kombinationstherapie mit Metformin plus Sulfonylharnstoffen am höchsten und bei einer Kombination mit GLP-1-RA am niedrigsten.23 Den grössten protektiven Effekt auf alle drei Endpunkte (CV Komplikationen, schwere Hypoglykämien, CV Mortalität) hatte eine Dreifachkombination mit Metformin plus GLP-1-RA und SGLT2-I.
Multifaktorielle Behandlung
Die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED) empfiehlt Metformin als First-Line-Therapie bei Patienten mit einer eGFR >30ml/min. Zusätzlich sollte bei CV Hochrisikopatienten frühzeitig eine Behandlung mit GLP-1-RA oder SGLT2-I begonnen werden. Bei Patienten mit HI und einer eGFR >30–45ml/min wird bevorzugt eine Kombination mit SGLT2-I eingesetzt. Liegt die eGFR <30ml/min, sollte Metformin gestoppt und an dessen Stelle ein DPP-4-I oder GLP-1-RA verwendet werden. Bei Insulinmangel wird primär eine Behandlung mit Basalinsulin begonnen.14 Zeichnet sich die Notwendigkeit einer Kombinationstherapie ab, so sollte dies bevorzugt eine Kombination von GLP-1-RA und SGLT2-I sein. «Die Kombination hat einen positiven Einfluss auf das kardiorenale Outcome, führt zur Gewichtsreduktion und verursacht keine Hypoglykämien», so Brändle. Sie erfordert jedoch eine Kostengutsprache.
Neben der antidiabetischen Therapie sollte die Behandlung der übrigen kardiovaskulären Risikofaktoren nicht vergessen werden. Die Resultate der Steno-2-Studie zeigten, dass das relative Risiko für CV Ereignisse und mikrovaskuläre Events im Vergleich zu einer konventionellen Risikofaktorenbehandlung durch eine intensivierte Therapie um mehr als 50% reduziert werden konnte.24 Die absolute Risikoreduktion betrug in der Studie 20%.
Quelle:
FOMF Diabetes Update Refresher, 4. bis 6. November 2021, Zürich
Literatur:
1 Emerging Risk Factors Collaboration: Lancet 2010; 375: 2215-22 2 Tancredi M et al.: N Engl J Med 2015; 373: 1720-32 3 Cosentino F et al.: Eur Heart J 2020; 41: 255-323 4 Norhammar A et al.: Lancet 2002; 2002; 359: 2140-4 5 American Diabetes Association: Diabetes Care 2019; 42: S13-S28 6 Standl E et al.: Circ Res 2016; 118: 1830-43 7 Bertoni AG et al.: Diab Care 2004; 27: 699-703r 8 UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group: 1998; 352: 837-53 9 Diabetes Control and Complications Trial Research Group: N Engl J Med 1993; 329: 977-86 10 Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes Study Group: New Engl J Med 2008; 358: 2545-59 11 ADVANCE Collaborative Group: New Engl J Med 2008; 358: 2560-72 12 Duckworth W et al.: New Engl J Med 2009; 360: 129-39 13 Ismail-Beigi F et al.: Ann Intern Med 2011; 154: 554-9 14 SGED-Empfehlungen zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2. Einsehbar unter: https://www.sgedssed.ch 15 Zinman B et al.: New Engl J Med 2015; 373: 2117-28 16 Neal B et al.: New Engl J Med 2017; 377: 644-57 17 Wiviott SD et al.: New Engl J Med 2019; 380: 347-357 18 Cannon CP et al.: New Engl J Med 2020; 383: 1425-1435 19 Marso SP et al.: New Engl J Med 2016; 375: 311-22 20 Marso SP et al.: New Engl J Med 2016; 375: 1834-1844 21 Gerstein HC et al.: Lancet 2019; 394: 121-130 22 Husain M et al.: New Engl J Med 2019; 381: 841-851 23 Jensen MH et al.: Diab Care 2020; 43: 1209-1218 24 Gaede P et al.: New Engl J Med 2003; 348: 383-93
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