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Das Jahr der SGLT2-Hemmer
Jatros
30
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12.11.2019
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<p class="article-intro">In der medikamentösen Diabetesbehandlung dreht sich derzeit fast alles um die Klasse der SGLT2-Inhibitoren. Besondere Beachtung fand in Barcelona die Studie DAPA-HF, in der Dapagliflozin bei Patienten mit Herzinsuffizienz in klinisch relevantem Ausmaß die Zahl der Akutinterventionen und kardiovaskulären Todesfälle reduzierte – und das erstmalig für ein Antidiabetikum auch bei Nichtdiabetikern.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>In DAPA-HF wurden Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurfleistung (HFrEF) inkludiert, fast die Hälfte davon mit Typ-2-Diabetes.</li> <li>Dapagliflozin reduzierte den primären Endpunkt Verschlechterung der Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod signifikant.</li> <li>Auch der kombinierte renale Endpunkt wurde in der Studie DAPA-HF signifikant reduziert.</li> </ul> </div> <p>Gerade einmal vier Jahre ist es her, dass mit der Präsentation der EMPA-REGOUTCOME-Studie<sup>1</sup> im Rahmen der EASDJahrestagung in Stockholm eine neue Ära in der Diabetologie eingeläutet wurde. Nachdem alle bis dahin abgeschlossenen Studien zum kardiovaskulären Outcome (CVOT) mit antidiabetischen Substanzen über die Blutzuckersenkung hinaus keine klinischen Benefits zeigen konnten,<sup>2</sup> erreichte der SGLT2- Hemmer Empagliflozin in EMPA-REG OUTCOME eine signifikante und überraschend deutliche Reduktion der Zahl schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse (nicht tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod): um 26 % im Vergleich zu einer antidiabetischen Standardtherapie. Weitere Schlüsselbefunde der Studie waren die prononcierten Effekte von Empagliflozin auf die Reduktion von kardiovaskulären Todesfällen (–38 %) und Hospitalisierungen im Zusammenhang mit Herzinsuffizienz (HI) (–35 %) und die Beobachtung, dass alle genannten Benefits schon sehr frühzeitig im Studienverlauf evident wurden.<sup>1</sup> <br />Nachfolgende Outcome-Studien mit Canagliflozin (CANVAS)<sup>3</sup> und Dapagliflozin (DECLARE-TIMI 58)<sup>4</sup> konnten diese Ergebnisse – nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Patientencharaktistika<sup>5</sup> – nicht mit derselben Deutlichkeit wiederholen, bestätigen aber EMPA-REG OUTCOME in zwei wesentlichen Punkten: Hospitalisierungen wegen HI werden durch die SGLT2-Hemmung um 27 % (DECLARE-TIMI 58) bzw. 33 % (CANVAS), renale Endpunkte (Verschlechterung der Nierenfunktion, terminale Nierenerkrankung und renaler Tod) in der Metaanalyse aller drei CVOT mit SGLT2-Hemmern um 45 % reduziert.<sup>5 </sup></p> <h2>Therapeutische Benefits abseits der Diabetestherapie</h2> <p>Das Ausmaß und die Konsistenz dieser Benefits haben dazu geführt, dass SGLT2-Hemmer in nationalen und internationalen Leitlinien als bevorzugte Diabetestherapie bei Vorliegen einer HI und/oder Niereninsuffizienz etabliert sind.<sup>6, 7</sup> Allerdings war der Anteil der Teilnehmer, die mit etablierter HI für EMPA-REG OUTCOME, CANVAS und DECLARE-TIMI 58 rekrutiert wurden, gering und die Patienten waren im Hinblick auf die HI auch nicht systematisch charakterisiert. Somit blieb offen, ob SGLT2-Hemmer nicht nur in der Prävention, sondern auch zur Therapie einer etablierten HI eingesetzt werden können und ob die zugrunde liegenden Wirkmechanismen auch bei Nichtdiabetikern zum Tragen kommen. Zur Beantwortung dieser Fragen wurde eine ganze Reihe von Studien mit Vertretern der Substanzklasse initiiert.<sup>5</sup> Die erste dieser Studien, Dapagliflozin and Prevention of Adverse Outcomes in Heart Failure (DAPAHF), wurde zeitgleich zur EASD-Präsentation in Barcelona online publiziert.<sup>8 </sup></p> <h2>DAPA-HF: Design und Kollektiv wie in klassischen HI-Studien</h2> <p>In DAPA-HF wurden in Summe 4 744 Patienten mit HI und reduzierter Auswurfleistung (HFrEF) inkludiert, darunter 45 % mit Typ-2-Diabetes. Rund zwei Drittel der Teilnehmer befanden sich im NYHA-Stadium II, rund 30 % im Stadium III und 1 % im Stadium IV der HI. Die Patienten erhielten, zusätzlich zur Therapie der HI nach aktuellem Versorgungsstandard (93 % Diuretika, 93 % ACE-Hemmer bzw. Angiotensinrezeptorblocker [ARB], 96 % Betablocker, 71 % Mineralokortikoidrezeptor- Antagonisten, 11 % Sacubitril/ Valsartan), randomisiert entweder Dapagliflozin (10 mg/Tag) oder Placebo. Als primärer Endpunkt wurden die Verschlechterung der HI (ungeplante Hospitalisierung oder intravenöse Behandlung im Rahmen einer Notfallvisite) oder kardiovaskulärer Tod definiert.</p> <p><strong>Primärer Endpunkt signifikant reduziert</strong> <br />Im Follow-up von median 18 Monaten reduzierte Dapagliflozin den primären Endpunkt signifikant um 26 % versus Placebo (Abb. 1), mit einer „number needed to treat“ von 21. Zur Verschlechterung der HI kam es unter Dapagliflozin um 30 % seltener, die Zahl kardiovaskulärer Todesfälle war um 18 % reduziert. Der in DAPA-HF erzielte kardiovaskuläre Benefit ist damit jenem etablierter Medikamente zur Therapie der HFrEF vergleichbar (Tab. 1).<sup>9</sup> Auch auf die Symptomatik der HI, quantifiziert mittels Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ), hatte die SGLT2-Hemmung einen signifikanten positiven Effekt. So kam es mit Dapagliflozin signifikant häufiger zu einem Anstieg des KCCQ-Score um fünf oder mehr Punkte und signifikant seltener zu einer Verschlechterung im gleichen Ausmaß.</p> <p><strong>Diabetiker und Nichtdiabetiker profitieren im gleichen Ausmaß</strong> <br />Die Reduktion des primären Endpunktes war in den präspezifizierten Subgruppen konsistent nachweisbar. Vor allem aber profitierten Studienteilnehmer ohne Typ-2-Diabetes im gleichen Ausmaß (Hazard-Ratio HR: 0,73; 95 % CI: 0,60–0,88) wie jene mit Typ-2-Diabetes (HR: 0,75; 95 % CI: 0,63– 0,90). Post-hoc-Analysen weisen darauf hin, dass auch die Background-Medikation mit ARB/Neprilysin-Inhibitor keinen Einfluss auf das primäre Outcome hatte. Die Behandlung mit Dapagliflozin war in DAPA- HF gut verträglich, insbesondere traten Volumenmangel, renale Nebenwirkungen, Hypoglykämien, Frakturen oder Amputationen der unteren Extremitäten im Dapagliflozin-Arm nicht gehäuft auf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1905_Weblinks_s18_abb1.jpg" alt="" width="1559" height="876" /></p> <h2>Nephroprotektive Effekte der SGLT2-Hemmung</h2> <p>Im Juni 2019 sorgten Berichte über den vorzeitigen Abbruch der CREDENCE-Studie<sup>10</sup> wegen einer unerwartet deutlichen Reduktion (–30 % nach median 2,6 Jahren) des primären Endpunktes (terminale Nierenerkrankung oder kardiovaskulär/renal bedingter Tod) bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und Albuminurie, die mit Canagliflozin versus Placebo behandelt worden waren, für Aufsehen. In Barcelona wurden neue Daten zum nephroprotektiven Potenzial von Dapagliflozin in DECLARE-TIMI 58 berichtet. Die Studie ist mit mehr als 17 000 Teilnehmern die bisher größte CVOT mit einem SGLT2-Hemmer und auch jene mit dem höchsten Anteil (59 %) an Patienten ohne manifeste Gefäßerkrankung zu Studienbeginn. Bei einem Drittel der inkludierten Teilnehmer lag entweder eine erhöhte Albuminausscheidung oder eine reduzierte glomeruläre Filtrationsleistung vor, ungefähr 3 % wiesen beide Nephropathiemarker auf. Den kombinierten renalen Endpunkt (ein Abfall der eGFR um zumindest 40 % auf unter 60 ml/min/1,73 m<sup>2</sup>, terminale Nierenerkrankung oder Tod aus renaler oder kardiovaskulärer Ursache) reduzierte Dapagliflozin um 24 % versus Placebo.<sup>4</sup> <br />Die Auswertung der sekundären Studien- Outcomes Hospitalisierung wegen HI, Myokardinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärer Tod ergab keine signifikanten Inzidenz-Unterschiede zwischen den Teilnehmern ohne chronische Nierenerkrankung zu Studienbeginn und jenen mit einem oder beiden Nephropathiemarkern. Allerdings kam es im Dapagliflozin-Arm signifikant seltener zu einer Verschlechterung der Albuminurie-Kategorie (Normo-/ Mikro-/Makroalbuminurie) als in der Kontrollgruppe, bei gleichzeitig höherer Chance einer Verbesserung der Albumin-Kreatinin- Ratio im Studienverlauf.<sup>11, 12</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Diabetes_1905_Weblinks_s18_tab1.jpg" alt="" width="1578" height="792" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: EASD-Kongress 2019, 16.–20. 9. 2019, Barcelona
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Zinman B et al.: N Engl J Med 2015; 373: 2117-28 <strong>2</strong> Cefalu WT et al.: Diabetes Care 2018; 41: 14-31 <strong>3</strong> Neal B et al.: N Engl J Med 2017; 377: 644-57 <strong>4</strong> Wiviott SD et al.: N Engl J Med 2019; 380: 347-57 <strong>5</strong> Patel DK, Strong J.: Diabetes Ther 2019; 10: 1771-92<strong> 6</strong> Davies MJ et al.: Diabetes Care 2018; 41: 2669-701 <strong>7</strong> Clodi M et al.: Wien Klin Wochenschr 2019;1 31(Suppl 1): S27- S38 <strong>8</strong> McMurray JJV et al.: N Engl J Med; published online September 19, 2019 <strong>9</strong> Sattar N: EASD-Kongress 2019: S#63 <strong>10</strong> Perkovic V et al.: N Engl J Med 2019; 380: 2295-306 <strong>11</strong> Ofri Mosenzon O et al.: Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7: 606-17 <strong>12</strong> Mosenzon O: EASD-Kongress 2019; S#20</p>
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