
Behandlung symptomatischer Schilddrüsenknoten
Bericht:
Dr. Corina Ringsell
Redaktorin
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Die Prävalenz von Schilddrüsenknoten ist weltweit hoch. Eine Metaanalyse ergab zudem, dass sie gestiegen ist.1 Doch welche Schilddrüsenknoten benötigen eine Therapie? Dieser Frage widmete sich Prof. Dr. med. Jan Krützfeldt, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung, Universitätsspital Zürich.
Krützfeldt betonte, dass es wichtig sei, die klinischen Faktoren zu betrachten, die behandlungsbedürftige Schilddrüsenknoten bestimmen. Dazu gehört das weibliche Geschlecht, das die Odds-Ratio für Schilddrüsenknoten allerdings geringer erhöht als bislang angenommen (1,9-fach). Das metabolische Syndrom und seine Komponenten steigern die Odds-Ratio 1,2-fach.2 Krützfeldt sagte, dass dies auf direkten Wachstumsfaktor-Effekten von Insulin bzw. IGF-1 oder der Wirkung von Leptin auf die TSH-Sekretion beruhen könnte. Der wichtigste Faktor für das Entstehen eines Schilddrüsenknotens ist das Alter, mit einer Odds-Ratio von 5,8.2 Dies müsse berücksichtigt werden, wenn man den Patient:innen die verschiedenen Therapien vorstelle, so Krützfeldt.
Diagnostik benigner Schilddrüsenknoten
Ultraschalluntersuchungen sind für die Diagnostik laut Krützfeldt wenig geeignet, da sie keine Unterscheidung zwischen behandlungsbedürftigen und nicht behandlungsbedürftigen Knoten erlauben. Etwa 5% der Knoten verursachen Kompressionssymptome mit Globusgefühl, Dysphagie, Dyspnoe, Dysphonie oder – selten – Schmerzen, wenn es Einblutungen in den Knoten gibt.3 Um festzustellen, ob die Globusempfindung tatsächlich von einem Schilddrüsenknoten herrührt, gilt: Ist er grösser als 3cm oder liegt er nahe an der Trachea oder im linken Lappen mit Ausdehnung zum zervikalen Ösophagus, ist es wahrscheinlich, dass er ein Globusgefühl verursacht.3 Wichtig zu wissen sei, dass symptomatische Knoten nicht nur Drucksymptome auslösen können, sondern dass ein Knoten auch symptomatisch werden kann, wenn er hyperfunktionell wird, betonte Krützfeldt.3
Aktuelle Therapieoptionen
Die Schilddrüsenchirurgie ist die älteste Behandlungsmethode und nach wie vor für die meisten Fälle der Goldstandard.4Die Vorteile seien, dass der Knoten vollständig entfernt werde und eine histologische Untersuchung erfolgen könne. Allerdings bestehe ein 10- bis 40%iges Risiko für eine postoperative Hypothyreose, erklärte Krützfeldt.4 In den 1940er-Jahren wurde die Radiojodtherapie eingeführt, die heute zur Behandlung hyperfunktioneller Knoten eingesetzt wird. Kontraindiziert ist sie während Schwangerschaft und Stillzeit, bei einem grossen Volumen oder wenn eine schnelle Wirkung erzielt werden soll. Zudem sei es eine unvollständige Behandlung mit einer Volumenreduktion von 40–50%. Nachteil: ein erhöhtes Hypothyreoserisiko von 20–60%, erklärte Krützfeldt.4
Vor etwa 20 Jahren wurden minimalinvasive Therapien eingeführt, unter anderem die thermische Ablation (KI: Schwangerschaft).4 Das am häufigsten angewendete Verfahren sei mit mehr als 70% die Radiofrequenzablation (RFA), erklärte der Referent.4 Mit den minimalinvasiven Therapien habe auch die perkutane Ethanolinjektion eine Wiedergeburt erfahren, sagte er.4 Vorteile der minimalinvasiven Methoden seien, dass keine Vollnarkose nötig sei und keine Narbe entstehe. Aber es seien ebenfalls unvollständige Therapien mit einer Volumenverringerung um 60–80%, so der Experte. Ausserdem müsse man die Patient:innen darüber aufklären, dass das Risiko eines erneuten Wachstums der Knoten bei 10–20% liegt und in den ersten Jahren nach drei, sechs und zwölf Monaten eine Ultraschallkontrolle erfolgen sollte, danach für einen längeren Zeitraum alle ein bis fünf Jahre, betonte er. Insgesamt hätten alle diese Verfahren aber ein sehr gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis.
Indikationen für die Behandlungen
Die Operation ist bei malignen oder verdächtigen Knoten, sehr grossen oder retrosternalen Knoten bzw. Kröpfen indiziert, Radiojod bei hyperfunktionellen Knoten.4 Die Thermoablation ist die Alternative der ersten Wahl, wenn der Knoten progredient ist, symptomatisch oder zum kosmetischen Problem wird.4 Die dauerhafte Ethanoltherapie ist die erste Wahl bei einer rezidivierenden gutartigen Zyste.4
Chirurgie und Radiojodtherapie seien die besten Optionen bei Knoten >4cm, selbst bei benigner Zytologie, sagte Krützfeldt. Die aktuellen Leitlinien geben dazu uneinheitliche Empfehlungen: Bei der American Thyroid Association heisst es, dass es unklar ist, ob eine andere Therapie infrage kommt.5 Laut der American Association of Clinical Endocrinology sollte eine Operation erwogen werden.6 Und die European Thyroid Association sagt, dass eine chirurgische Behandlung aufgrund des erhöhten Malignitätsrisikos und der Möglichkeit einer falsch negativen Feinnadelbiopsie in Betracht gezogen werden kann.4
Um das Malignitätsrisiko zu bestimmen, bei dem eine Operation vermieden werden kann, sei die neue Bethesda-Klassifikation hilfreich, sagte Krützfeldt.7 Danach ist bei einem Risiko <5% eine Operation nie obligatorisch und bei einem Risiko >60% die beste Option.7 Wenn man aber über einen chirurgischen Eingriff nachdenke, dann sei der Bereich ab einem Malignitätsrisiko von 10% relevant, betonte er und zeigte Daten einer prospektiven Studie mit rund 400 Patient:innen. Dabei wurden alle Knoten >4cm operiert, unabhängig von der Zytologie. Selbst bei einer gutartigen Zytologie lag das Malignitätsrisiko bei 10% und damit in dem Bereich, in dem eine Operation in Betracht kommt. Das Fazit der Autor:innen: Bei allen Knoten, die grösser als 4cm sind, sollte zumindest eine Schilddrüsenlobektomie dringend empfohlen werden.8
In einer anderen Studie, bei der mehr als 470 Schilddrüsenknoten >4cm mit gutartiger Zytologie operiert wurden, stratifizierten die Autor:innen die Daten nach dem Alter der Patient:innen. Es zeigte sich, dass bei Menschen über 55 Jahre das Malignitätsrisiko bei 2% lag, während es bei den unter 55-Jährigen rund 8% betrug. Der Schluss daraus: Bei älteren Patient:innen kann nach einer Beobachtungsphase eine Überwachung oder die thermische Ablation erwogen werden, während bei jüngeren eine Operation infrage kommt.9
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuelle retrospektive multizentrische Auswertung von Patient:innen mit einem gutartigen Knoten, der thermisch abgetragen wurde, aber um weniger als 50% schrumpfte. Hier zeigte sich, dass ein Volumen von 30ml, was etwa 4cm entspricht, das Risiko für weitere Eingriffe und Therapien erhöht. Die Autor:innen rieten dazu, bei Knoten >30ml eine Operation als erste Massnahme zu erwägen.10
Therapie hyperfunktioneller Knoten
Beobachtungsstudien hätten schon früh gezeigt, dass eine Hyperthyreose sich negativ auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt, sagte Krützfeldt. Eine gematchte Fall-Kontroll-Studie mit 400 Patient:innen mit Hyperthyreose und entsprechenden Kontrollpersonen ergab, dass Hyperthyreosepatient:innen häufiger Vorhofflimmern und andere kardiovaskuläre Symptome sowie eine höhere Sterblichkeit hatten.11 Man müsse bei der Behandlung dieser Patient:innen sehr vorsichtig sein, betonte der Experte. So hätten Beobachtungsstudien gezeigt, dass die Sterblichkeit während der Behandlung mit Thionamid oder nach einer Radiojodtherapie, die nicht zu einer Hypothyreose führte, erhöht war. Führte die Radiojodtherapie aber zu einer Hypothyreose, war die Sterblichkeit nicht erhöht.12 Die Ursache sei noch nicht bekannt, möglicherweise sei eine unvollständige biochemische Kontrolle der Hyperthyreose mit einem schlechteren Outcome verbunden, so Krützfeldt. Diese Beobachtungen führten zum Konzept der kumulativen verminderten TSH-Belastung, wie eine registergestützte Studie in Dänemark mit mehr als 230000 Patient:innen zeigte. Es wurde festgestellt, dass kumulative Zeiträume mit vermindertem TSH die Sterblichkeit bei behandelter und bei unbehandelter Hyperthyreose erhöhen.13
Eine Kohortenstudie mit mehr als 100000 Patient:innen mit neu diagnostizierter Hyperthyreose verglich die medikamentöse Behandlung (Thionamid) mit der Radiojodtherapie und der Chirurgie.14 Primäre Endpunkte waren schwerwiegende kardiale Ereignisse (MACE: kardiovaskulär bedingter Tod, nichttödlicher Myokardinfarkt, nichttödlicher Schlaganfall) und die Gesamtsterblichkeit. Bezüglich MACE schnitten Medikamente schlechter ab als Radiojod und Chirurgie (Abb. 1). Ähnlich waren die Ergebnisse bei der Gesamtsterblichkeit.14 Auf Basis der langfristigen kardiovaskulären Ergebnisse und der Sterblichkeit sind nach Meinung des Experten Chirurgie oder Radiojodtherapie noch immer die bevorzugten Behandlungsoptionen bei hyperfunktionellen Knoten.
Abb. 1: Inzidenz von schwerwiegenden unerwünschten kardialen Ereignissen (MACE) unter Thyreostatika («antithyroid drugs», ATD) im Vergleich zu Radiojodtherapie (RAI) bzw. Chirurgie bei Patient:innen mit neu diagnostizierter Hyperthyreose (mod. nach Peng CC et al. 2024)14
Quelle:
Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED), 14. und 15. November 2024, Bern
Literatur:
1 Mu C et al.: Front Oncol 2022; 12: 1029926 2 Xu L et al.: BMC Endocr Disord 2021; 21: 175 3 Durante C et al.: JAMA 2018; 319: 914-24 4 Durante C et al.: Eur Thyroid J 2023; 12: e230067 5 Haugen BR et al.: Thyroid 2016; 26: 1-133 6 Gharib H et al.: Endocr Pract 2016; 22: 622-39 7 Ali SZ et al.: Thyroid 2023; 33: 1039-44 8 Wharry LI et al.: World J Surg 2014; 38: 614-21 9 Sutton W et al.: Am J Surg 2021; 221: 111-6 10 Bernardi S et al.: Thyroid 2024; 34: 360-70 11 Osman F et al.: J Am Coll Cardiol 2007; 49: 71-81 12 Boelaert K et al.: J Clin Endocrinol Metab 2013; 98: 1869-82 13 Lillevang-Johansen M et al.: J Clin Endocrinol Metab 2017; 102: 2301-9 14 Peng CC et al.: JAMA Netw Open 2024; 7: e240904
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