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Angst vor dem Stress nach dem Urlaub?
Jatros
30
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25.09.2018
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<p class="article-intro">Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) informiert über die vielschichtigen Auswirkungen von Stress auf eine Diabeteserkrankung. Menschen, die viel Stress erleben und damit nicht gut umgehen können, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken. Bei Menschen mit Diabetes kann sich zusätzlicher Stress negativ auf den Behandlungserfolg auswirken. Eine Diabeteserkrankung kann für manche Menschen zu Überforderung und Stress führen.</p>
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<p class="article-content"><p>Sommerzeit ist für viele Menschen Urlaubszeit mit Entspannung, Erholung und Stressabbau. Wer jedoch dafür sorgt, seinen Stresslevel dauerhaft niedrig zu halten, indem er präventive Maßnahmen im privaten und beruflichen Umfeld plant, ist besser dran – auch in Bezug auf Diabetes. „Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung und Stress wirkt sich auf den Stoffwechsel in mehrfacher Hinsicht ungünstig aus: sowohl durch Veränderungen im Hormonhaushalt mit direkten Auswirkungen auf den Stoffwechsel und Energiehaushalt als auch durch gesundheitsschädigende Verhaltensänderungen“, erklärt Univ.- Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer von der Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, MedUni Wien, und Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. „Vor allem chronischer Stress hat weitreichende gesundheitliche Auswirkungen, aber auch akute Stresssituationen erhöhen den Blutzucker und das Risiko für Herzerkrankungen, emotionaler Stress besonders bei Frauen. Deshalb ist es für alle wichtig, Erholungsphasen im Urlaub aktiv einzuplanen und dafür zu sorgen, dass der Stresslevel auf Dauer gesenkt werden kann.“</p> <h2>Der Stress-Hormon-Cocktail</h2> <p>Kautzky-Willer führt aus: „Bei Stress kommt es zu einer Aktivierung und vermehrten Ausschüttung des Stresshormons Kortisol. Kortisol bringt uns auf Touren, es bringt Energie und steigert unsere Aufmerksamkeit, führt aber auch zu Insulinresistenz, einer Vorstufe des Typ-2-Diabetes. Zusätzlich werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin bei Stress stärker ausgeschüttet. Diese Hormone machen uns wacher, aufmerksamer, unsere Konzentrationsfähigkeit ist besser, die Muskeln werden stärker durchblutet, unsere Leistungsfähigkeit wird höher, der Herzschlag schneller und der Blutdruck steigt an. Diese Hormone mobilisieren gleichzeitig Zucker aus den Zuckerspeichern im Körper, um schnell verfügbare Energie zu bekommen. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel.“ Des Weiteren werden unter Stress mehr Eiweißstoffe aus dem Immunsystem ausgeschüttet. Diese Eiweißstoffe wirken ungünstig auf den Stoffwechsel und die Immunabwehr.</p> <h2>Appetithormon steuert Gusto auf Süßes</h2> <p>Hohe Stressbelastung führt auch zur Ausschüttung des Appetithormons Ghrelin, das Verlangen nach Süßem erzeugt. Prim. Dr. Heidemarie Abrahamian, Abteilungsvorständin des Internistischen Zentrums im Otto-Wagner-Spital in Wien und Mitglied der ÖDG, erläutert: „Unter Stress essen wir mehr Süßes, denn das Essen von Kohlehydraten baut Spannung ab. Akut kann es uns kurzfristig helfen. Auf Dauer hat es negative Folgen wie Gewichtszunahme, Adipositas und Diabetes. Zusätzlich haben Menschen unter Stress ein vermehrtes Verlangen nach Suchtmitteln wie Alkohol und Nikotin, die sich ebenfalls negativ auf den Stoffwechsel auswirken. Auch wenn für viele Menschen Urlaubszeit Genusszeit bedeutet, so bietet gerade diese Zeit oft den leichteren Einstieg, um gesündere Ernährungs- und Lebensweisen dauerhaft zu etablieren.“</p> <h2>Stress als Diabetesauslöser</h2> <p>Menschen, die viel Stress erleben und schlecht damit umgehen können, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken. Die Fähigkeit, mit Stress umzugehen bzw. Stress gut auszuhalten, nennt man Stressresilienz. Bei sehr niedriger Stressresilienz ist das Risiko, an Diabetes zu erkranken, circa doppelt so hoch wie bei Menschen mit normaler Stressresilienz. Kennzeichen für eine gute Stressresilienz wären eine optimistische Grundhaltung und lösungsorientiertes Denken. Abrahamian beruhigt: „Die gute Nachricht ist: Stressresilienz kann erlernt und verbessert werden. Die wichtigste Maßnahme in Bezug auf Stress ist, ihn zu reduzieren. Stressreduktion ist ein laufender Prozess, der in kleinen Schritten besser gelingt. Gerade der Urlaub ist eine hervorragende Gelegenheit, dafür neue Ideen zu generieren. Wem es zum Beispiel gelingt, in belastenden Situationen Ressourcen zu aktivieren, wie beispielsweise Verwandte und Freunde, oder wer beginnt, seine körperliche Fitness wieder zu steigern, wird besser mit kommenden Stresssituationen umgehen können. Hilfe zu suchen und auch anzunehmen ist essenziell. Psychotherapie ist eine gute Unterstützung bei der Stressbewältigung. Wer merkt, dass er allein nicht mehr aus seinem Hamsterrad herausfindet, sollte auch in Hinblick auf seine körperliche Gesundheit Hilfe in Anspruch nehmen.“</p> <h2>Stress verschlechtert den Behandlungserfolg</h2> <p>Bei Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt sind und dann zusätzlich höherem Stress ausgesetzt sind, kann sich der Diabetes verschlechtern. Abrahamian erklärt: „In der Phase des Stresses liegen die Prioritäten anderswo und der Diabetes wird oft vernachlässigt. Wir beobachten in der klinischen Praxis, dass eine Verbesserung der Diabeteswerte eintritt, wenn Stressauslöser bewältigt werden. Frauen sind hier mehr gefährdet als Männer. Ein Grund dafür könnte sein, dass Frauen Situationen emotional stärker erleben. Dieses stärkere Erleben hat einen physiologischen Hintergrund. So leiden Frauen auch doppelt so oft an Depressionen wie Männer. Deshalb ist es gerade für Menschen mit Diabetes wichtig, dafür zu sorgen, dass Urlaub nicht zum zusätzlichen Stressfaktor wird, sondern Erholung und Entspannung auch tatsächlich greifen können.“</p> <h2>Diabetes-Disstress: Überforderung und Belastung durch Diabetes</h2> <p>Diabetes erfordert einen hohen Grad an Selbstorganisation der Betroffenen: Blutzucker messen – mehrmals täglich –, die Abstimmung der Ernährung auf die Therapie und physische Aktivität. Das Einhalten all dieser Maßnahmen kann Betroffene stressen, emotional belasten und Disstress auslösen. Dies kann zu einem schlechteren Umgang mit der Erkrankung und einer schlechteren Stoffwechselkontrolle führen – Akut- und Spätkomplikationen inklusive. Zwischen 20 und 45 % aller Menschen mit Typ-2-Diabetes sind von dieser Art von Disstress betroffen, drei Viertel davon Frauen und ein Viertel Männer.<br /> Abschließend betonen beide ÖDG-Expertinnen gemeinsam: „Nützen Sie die Urlaubszeit, um Stresswirkungen zu reduzieren und damit auch gleichzeitig Diabetes vorzubeugen oder bessere Behandlungserfolge zu erzielen! Wir müssen die stark erhöhte Stressbelastung in unserer modernen, fordernden Gesellschaft als Risikofaktor für Diabetes und seine Folgeerkrankungen ernst nehmen – sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der personalisierten Therapie in multiprofessionellen Behandlungsteams.“</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), 2. August
2018
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