
AID für alle werdenden Mütter mit Typ-1-Diabetes?
Autorin: OÄ Dr. Ingrid Schütz-Fuhrmann
3. Medizinische Abteilung für Endokrinologie, Stoffwechselerkrankungen & Nephrologie
Karl Landsteiner Institut für Endokrinologie & Stoffwechselerkrankungen, Klinik Hietzing, Wien
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Nach wie vor treten bei jedem 2. Kind von Frauen mit Typ-1-Diabetes Komplikationen auf. Am häufigsten sind dies Frühgeburt, hohes Geburtsgewicht und ein Aufenthalt auf einer neonatologischen Intensivstation.1,2 Der mütterliche Blutzuckerspiegel und der BMI sind die wichtigsten veränderbaren Risikofaktoren.3 Bereits eine geringe Erhöhung der TIR („time in range“; 63–140mg/dl) von 5–7% bzw. eine 5- bis 7%ige Senkung der TAR („time above range“) war mit einem sinkenden Risiko für LGA („large for gestational age“) und das Auftreten einer neonatalen Hypoglykämie verbunden.3
Keypoints
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Das AID-System CamAPS FX verbessert die glykämische Kontrolle während einer Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes signifikant.
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CamAPS FX ist in der Schwangerschaft zugelassen und es traten keine unerwarteten Sicherheitsprobleme unter CL-Therapie auf.
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Bei Frauen mit guter glykämischer Kontrolle verbessert das AID-System Minimed 780 G die nächtliche TIR und die Behandlungszufriedenheit.
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Auch wenn keine Sicherheitsprobleme aufgetreten sind, ist Minimed 780 G aktuell noch als „off-label use“ in der Schwangerschaft einzustufen.
Kann Technologie die Lösung sein?
Die Verwendung von kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) während der Schwangerschaft bei Frauen mit Typ-1-Diabetes ist in erster Linie mit besseren Ergebnissen bei den Neugeborenen verbunden, was mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die geringere Exposition gegenüber mütterlicher Hyperglykämie zurückzuführen ist.1,3 So ist in allen internationalen und nationalen Leitlinien die Verwendung von CGM mit einem hohen Evidenzgrad empfohlen. Wesentliche zusätzliche Ergebnisse wurden aus der CONCEPTT-Studie gewonnen. Etwa, dass Kinder von Frauen, die Pumpen verwendeten, eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme auf einer Intensivstation aufwiesen, ebenso für eine neonatale Hypoglykämie, welche mit intravenöser Glukose behandelt werden musste. Gleichzeitig wurde die Lebensqualität der Pumpenträgerinnen durch die verringerte Angst vor Hypoglykämien als besser beschrieben. Entscheidend für das Ergebnis dürfte gewesen sein, dass Pumpen-Userinnen in der 24. SSW um 5% weniger Zeit in TIR (63–140 mg/dl) verbrachten als MDI(„multiple daily injection“)-Userinnen trotz vergleichbarer Ergebnisse im 1. und 3. Schwangerschaftsdrittel. Die suboptimale glykämische Kontrolle im 2. Trimenon bei schwangeren Frauen, welche eine Pumpe verwendeten, war nicht, wie vermutet, auf ein unterschiedliches Essverhalten zurückzuführen. Verbesserungsbedarf war bei beiden Gruppen gegeben. Es blieb die Tatsache, dass die Insulindosis nicht adäquat angepasst wurde.4
Konsequenz AID-Systeme?
Derzeit sind 5 Closed-Loop(CL)-Systeme („automated insulin delivery“; AID) kommerziell erhältlich, wenn auch nicht alle in Österreich. Nur ein System erlaubt eine Einstellung des Zielwerts auf weniger als 100mg/dl und hat eine Zulassung in der Schwangerschaft. Die Hersteller von CL-Systemen haben keine Verpflichtung, angemessene prospektive Studien in Hochrisikogruppen durchzuführen, sodass sich die Frage stellt, ob die vorhandenen Algorithmen der Komplexität der Insulintherapie in der Schwangerschaft Rechnung tragen können.
Studienevidenz: AiDAPT- & CRISTAL-Studie
In AiDAPT5, einer multizentrischen, kontrollierten Studie, wurden schwangere Frauen mit Typ-1-Diabetes und einem HbA1c von mindestens 6,5% an 9 Standorten im UK einer Standard-Insulintherapie oder einer Hybrid-CL-Therapie zugewiesen. Beide Gruppen verwendeten CGM. Primärer Endpunkt war die TIR (63–140mg/dl) von der 16. Schwangerschaftswoche bis zur Entbindung (Abb. 1 und 2). Zu den sekundären Endpunkten gehörten die TBR („time below range“ – Glukosespiegel <63mg/dl), die Zeit über Nacht im Zielbereich, der HbA1c-Wert und die Sicherheitsdaten.
Abb. 2: (a) AiDAPT-Studie: Prozentsatz der im Schwangerschaftszielglukosebereich verbrachten Zeit nach Tageszeit. (b) AiDAPT-Studie: Prozentsatz der Zeit, die während der gesamten Schwangerschaft im Zielglukosebereich verbracht wird (nach Lee TTM et al. 2023)5
Das AID-System verbesserte die Blutzuckerkontrolle bei Müttern mit Typ-1-Diabetes erheblich und es traten keine unerwarteten Sicherheitsprobleme auf. Diese Studie hat zur Zulassung des CamAPS FX, eines prädiktiven Steuerungsalgorithmus des Cambridge-Modells, geführt. Dieser steht in Österreich schwangeren Frauen refundiert zur Verfügung (Ypsopump mit Dexcom 6 oder Libre 3). Die Studie erfolgte mit Dexcom 6 und der Dana-Pumpe.
In CRISTAL,6 einer randomisiert-kontrollierten multizentrischen Studie (Belgien, Niederlande), wurden schwangere Frauen mit Typ-1-Diabetes durchschnittlich in der 10. SSW einer Standard-Insulintherapie oder einer automatisierten Hybrid-CL-Therapie (AHCL) zugewiesen. Primärer Endpunkt war die TIR (63–140mg/dl) in der 14.–17., in der 20.–23., 26.–29. und 33.–36. SSW. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die TBR <63mg/dl, die Zeit über Nacht im Zielbereich und die Sicherheitsdaten. Als System wurde das Minimed 780 G mit Guardian Sensor mit einem PID(„proportional integral derivative“)-Algorithmus verwendet.
Es konnte insgesamt keine signifikante Verlängerung der TIR (63–140mg/dl) über 24 Stunden hinweg durch die AHCL-Therapie bei Frauen mit einem Start-HbA1c von 6,5% erzielt werden. In der Nacht (24 bis 6 Uhr), war jedoch bei AHCL-Therapie die TIR signifikant länger (um 24min/Nacht), die TBR war kürzer (um 19min/Nacht). Auch in CRISTAL berichteten Frauen mit AHCL-Therapie über eine höhere Behandlungszufriedenheit. Es traten keine unerwarteten Sicherheitsereignisse auf (Tab. 1).6
Tab. 1: CRISTAL-Studie: keine Verbesserung der TIR (63–140mg/dl) bei Frauen mit AHCL-Therapie und 6,5% Start-HbA1c (nach Benhalima K et al. 2024)6
Zusammenfassung und Fazit
CamAPS FX
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Hybrid CL verbesserte die mütterliche Blutzuckerkontrolle während der Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes signifikant.
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Es traten keine unerwarteten Sicherheitsprobleme unter CL auf.
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CamAPS FX ist in der Schwangerschaft zugelassen.
Minimed 780 G
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Bei Frauen mit guter glykämischer Kontrolle verbesserte AHCL die nächtliche TIR sowie die Behandlungszufriedenheit und es traten keine Sicherheitsprobleme auf.
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„off-label use“
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Cave: Gewichtszunahme, BMI
Viele Fragen bleiben offen:
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Wann soll mit einem CL-System gestartet werden?
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Hat CL Vorteile, wenn der HbA1c unter 6,5% liegt?
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Kann die Anwendung eines CL (alle) nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen verhindern?
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Sollte ein CL einen schwangerschaftsspezifischen Glukosezielbereich oder Algorithmus haben?
Sicher ist, dass die CL-Therapie umfangreiche Ressourcen und Expertise benötigt und dass Hersteller und Regulierungsbehörden gefordert sind. Es ist zu beachten, dass 50% der Schwangerschaften nach wie vor nicht geplant sind. Aus meiner Sicht profitieren Frauen von CL, so sie in einem Zentrum mit Erfahrung betreut werden, auch wenn noch viel Arbeit vor uns liegt, alle offenen Fragen suffizient zu beanworten.
Literatur:
1 Murphy HR et al.: Characteristics and outcomes of pregnant women with type 1 or type 2 diabetes: a 5-year national population-based cohort study. Lancet Diabetes Endocrinol 2021; 9(3): 153-64 2 Kristensen K et al.: Continuous glucose monitoring in pregnant women with type 1 diabetes: an observational cohort study of 186 pregnancies. Diabetologia 2019; 62(7): 1143-53 3 Feig DS et al.: Continuous glucose monitoring in pregnant women with type 1 diabetes (CONCEPTT): a multicentre international randomised controlled trial. Lancet 2017; 390(10110): 2347-59 4 Neoh SL et al.: Dietary patterns of insulin pump and multiple daily injection users during type 1 diabetes pregnancy. Diabetes Care 2020; 43(1): e5-7 5 Lee TTM et al.: Automated insulin delivery in women with pregnancy complicated by type 1 diabetes. N Engl J Med 2023; 389(17): 1566-78 6 Benhalima K et al.: Comparing advanced hybrid closed loop therapy and standard insulin therapy in pregnant women with type 1 diabetes (CRISTAL): a parallel-group, open-label, randomised controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2024; 12(6): 390-403
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