
ADA-Kongresshighlights: vom Gewichtsmanagement bis zur Stammzelltherapie
Bericht: Reno Barth, Medizinjournalist
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Am weltweit grössten Kongress zu Diabetesforschung, -prävention und -behandlung wurden neben Daten und Empfehlungen zum Diabetesmanagement auch Studien zu verwandten Erkrankungen wie Adipositas oder Gefässkrankheiten vorgestellt.
Keypoints
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Die QWINT-1-Studie vergleicht das 1x/Woche verabreichte Insulin Efsitora mit vergleichbaren täglich verabreichten Insulintherapien.
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Ein HbA1c-Ziel von 7% wurde häufiger mit Insulin Efsitora als mit Insulin Glargin erreicht.
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SGLT2-Inhibitoren können die Progression einer PAVK um 54% reduzieren.
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Zimislecel überzeugte als Stammzellentherapie bei Typ-1-Diabetes durch eine Reduktion des exogenen Insulinbedarfs um 92%.
Lang wirksames Insulin Efsitora ist Basalinsulin nicht unterlegen
Laut der GAPP2(«Global Attitudes of Patients and Physicians»)-Befragung injizierten innerhalb von 30 Tagen vor der Umfrage rund 25% der Menschen mit Typ-2-Diabetes (DT2) ihr Basalinsulin nicht korrekt.1 Eine mögliche Lösung des Problems könnten lang wirksame Insuline mit grösserem zeitlichem Abstand zwischen den Applikationen sein. Daten der nun im Rahmen des ADA-Kongresses vorgestellten QWINT-1-Studie zeigen, dass eine Therapie mit Insulin Efsitora 1x/Woche die HbA1c-Werte von Menschen mit DT2 zumindest vergleichbar gut wie die tägliche Insulintherapie senkt. Die QWINT-1-Studie ist eine randomisierte Open-Label-Phase-III-Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit von 1x/Woche injiziertem Insulin Efsitora im Vergleich zu täglich injiziertem Insulin Glargin untersuchte. Insulin Efsitora wurde in Abständen von vier Wochen in Abhängigkeit von der erreichten glykämischen Kontrolle titriert. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Insulin Efsitora von anderen Insulintherapien, da es lediglich in vier Fixdosen verfügbar ist, was die Titration im klinischen Alltag erleichtern soll.
Einfaches Dosierschema für lang wirksames Insulin
In die Studie waren 795 Insulin-naive Menschen mit DT2 eingeschlossen. Über 52 Wochen senkte eine Injektion mit Insulin Efsitora 1x/Woche in dieser Population das HbA1C von 8,2% auf 7,05% versus eine Reduktion von 8,28% auf 7,08% bei täglichen Injektionen mit Insulin Glargin. Damit konnte die Nichtunterlegenheit von Insulin Efsitora demonstriert werden. Das HbA1c-Ziel von weniger als 7% wurde häufiger mit Insulin Efsitora als mit Insulin Glargin erreicht. Dafür wurde in der Efsitora-Gruppe weniger Insulin (289,1E) pro Woche benötigt als in der Glargin-Gruppe (332,8E). Hinsichtlich der Sicherheit erwies sich Insulin Efsitora als signifikant überlegen. Klinisch relevante oder schwere Hypoglykämien traten unter Efsitora mit einer Frequenz von 0,5 Ereignissen pro Patient:in pro Jahr auf im Vergleich zu 0,88 in der Glargin-Gruppe. Daraus ergibt sich eine Risikorelation von 0,57 (95% CI: 0,39–0,84). Während in der Efsitora-Gruppe durchschnittlich zwei Dosisanpassungen benötigt wurden, waren es mit Glargin acht.
Prof. Julio Rosenstock, University of Texas Southwestern Medical Center und Erstautor der Studie, hebt hervor, dass die QWINT-1-Studie nicht nur die Wirksamkeit und Sicherheit eines einmal wöchentlich applizierten Insulins untersuchte, sondern auch die Praktikabilität eines vereinfachten Dosierungsschemas mit lediglich vier Fixdosen. Dies habe das Potenzial, die Schwelle zum Beginn einer Insulintherapie zu senken sowie die Adhärenz und damit die längerfristigen Outcomes zu verbessern. «Die Ergebnisse von QWINT-1 zeigen, dass einmal wöchentlich angewendetes Insulin Efsitora die gleiche glykämische Kontrolle ermöglicht wie ein täglich injiziertes Basalinsulin und es den Vorteil einer einfacheren Titration mit sich bringt», so Rosenstock. Die Ergebnisse der QWINT-1-Studie wurden zeitgleich mit der Präsentation im New England Journal of Medicine publiziert.2
Semaglutid verbessert Gehfähigkeit bei PAVK
Zusätzlich wurde eine aktuelle Analyse der STRIDE-Studie vorgestellt. Zuvor wurde in der Studie demonstriert, dass Semaglutid die Gehfähigkeit und Lebensqualität von Menschen mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) und DT2 verbessert und das Risiko einer Krankheitsprogression um 54% reduziert.3 Die nun präsentierte und zeitgleich in Diabetes Care publizierte Analyse zeigt, dass die Vorteile einer Behandlung mit Semaglutid in einer Population mit PAVK unabhängig von HbA1c-Werten, Diabetesdauer oder BMI-Kategorie sind. Auch die Einnahme von SGLT2-Inhibitoren beeinflusste den Effekt von Semaglutid nicht.4
«Diese Daten zeigen, dass Kliniker mittlerweile Semaglutid als vaskulär protektive Substanz einstufen können, deren Vorteile weit über die Senkung des HbA1c hinausgehen», so der Senior-Autor der STRIDE-Studie, Prof. Subodh Verma, University of Toronto. Die Autoren der Studie unterstreichen auch, dass in weiteren Studien geklärt werden müsse, ob von Semaglutid auch Patienten:innen mit PAVK profitieren, die nicht unter DT2 leiden.
Besseres Gewichtsmanagement mit innovativer Praxissoftware
Das Gewichtsmanagement ist eine essenzielle Komponente sowohl in der Prävention als auch in der Behandlung von DT2. Ergebnisse von Interventionen zur Reduktion des Körpergewichts sind in aller Regel suboptimal. Im Rahmen des ADA-Kongresses wurden nun zum ersten Mal Studiendaten präsentiert, die einen positiven Effekt einer solchen Intervention auf Populationsebene zeigen. Untersucht wurden dabei die Auswirkungen eines «Obesity care delivery»-Systems namens PATHWEIGH. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, das Gewichtsmanagement in elektronischen Patientenakten sowie im Arbeitsablauf allgemeinmedizinischer Praxen zu verankern. Ziel ist es, sowohl bei den Patient:innen als auch den Behandler:innen mehr Bewusstsein für Übergewicht und Wege der Gewichtsreduktion zu schaffen. Das Programm wurde im Gesundheitssystem der University of Colorado mit 56 allgemeinmedizinischen Kliniken untersucht, die insgesamt mehr als eine Viertelmillion Patient:innen betreuen. Dabei wurde PATHWEIGH mit Standard of Care (SOC) verglichen. Sobald PATHWEIGH aktiviert wurde, waren in der elektronischen Patientenakte verschiedene Tools wie Fragebögen zum Thema Adipositas oder Diagnosehilfsmittel verfügbar. Die Gewichtskontrolle wurde dann automatisch in der Prioritätenliste des Zentrums nach oben gesetzt. In der SOC-Gruppe waren Massnahmen zur Gewichtskontrolle erlaubt, wurden aber nicht speziell angeregt. Alle Proband:innen hatten einen BMI von mindestens 25kg/m2, der durchschnittliche BMI lag bei 31kg/m2.
Über eine Beobachtungszeit von 18 Monaten entwickelte sich zwischen der PATHWEIGH- und der SOC-Gruppe eine Gewichtsdifferenz von 0,57kg. Diese ging zum grossen Teil auf Gewichtszunahme in der SOC-Gruppe zurück (0,47kg), während es mit PATHWEIGH zu einer Gewichtsreduktion um 0,1kg kam. Proband:innen aus der SOC-Gruppe, die keine Interventionen zur Gewichtskontrolle erhalten hatten, nahmen am meisten zu (0,55kg) und wurden herausgerechnet. Dagegen nahmen Proband:innen aus der PATHWEIGH-Gruppe, die keine Gewichtskontrollprogramme durchlaufen hatten, nur 0,18kg zu. Da PATHWEIGH nach Aussage der Autor:innen lediglich minimale Kosten verursacht, wird das Programm als kosteneffektiv eingeschätzt.5
Neue Daten zu Stammzelltherapien für Typ-1-Diabetes
In der Behandlung des Typ-1-Diabetes (DT1) werden grosse Hoffnungen in Stammzelltherapien («stem cell-derived islet therapies») gesetzt. Am ADA-Kongress wurden zu Zimislecel, einer in der klinischen Entwicklung befindlichen Therapie auf Basis dieser Technologie, neue Daten zur Auswirkung auf den Insulinbedarf vorgestellt. Zimislecel wird in dieVena portae injiziert, um das sog. Engraftment zu erreichen – einen Prozess, bei dem transplantierte Stammzellen im Knochenmark anwachsen. In der Phase-I/-II-Studie FORWARD wurde Zimislecel an 12 erwachsenen Menschen mit DT1 und hypoglykämischen Komplikationen untersucht. Alle 12 Proband:innen der Studie zeigten nach einem Nachbeobachtungszeitraum von 12 Monaten eine Wiederherstellung der endogenen Insulinsekretion und eine Reduktion des exogenen Insulinbedarfs um 92%. Alle erreichten die empfohlenen glykämischen Zielwerte (HbA1c <7% und Zeit im Zielbereich >70%) und 10 der 12 Proband:innen benötigten kein exogenes Insulin mehr. Die Ergebnisse blieben nicht nur stabil, sondern verbesserten sich über 12 Monate kontinuierlich in Richtung eines annähernd normalen Zuckerstoffwechsels.6 FORWARD wird nun in einer Phase-III-Studie fortgesetzt, in die aktuell Teilnehmer:innen eingeschlossen werden. Der Nachteil der allogenen Zelltherapie besteht in der erforderlichen Immunsuppression, die permanent angewendet werden muss. Auch die im Laufe der Studie beobachteten Toxizitäten gehen auf die Immunsuppression und nicht auf Zimislecel zurück.
Eine mögliche Antwort auf das Problem der Immunsuppression könnte der Einsatz genetisch modifizierter, aus Stammzellen gezüchteter Inselzellen sein, die sich der Immunantwort entziehen. Konkrete, allerdings noch präklinische Forschung dazu läuft.
Zuletzt wurden auch Ergebnisse einer In-vitro-Studie präsentiert, die mit Inselzellen arbeitete, in die acht protektive Gene eingefügt worden waren und die es den Zellen ermöglicht, sich gegen Immunzellen zu verteidigen. Da dies auch das Risiko maligner Entartung birgt, werden die Zellen zusätzlich mit einer Art Sicherheitsschalter ausgestattet, der es ermöglicht, sie zu eliminieren, sollte es zu unkontrolliertem Wachstum kommen. Dieser Schalter wird durch das zugelassene Virostatikum Ganciclovir aktiviert. Die Stammzellen differenzierten sich in der Zellkultur zu Inselzellen, produzierten aktiv Insulin und wurden von menschlichen Immunzellen nicht attackiert. Auch das Sicherheitssystem mit Ganciclovir funktionierte planmässig.7 «Die Zellen sollen nun im Tiermodell getestet werden», so Studienautor Dr. Jia Zhao, University of British Columbia. Der Experte sieht Potenzial für eine sicherere, lang wirksame Zelltherapie bei Diabetes, die ohne die belastende und risikoreiche Immunsuppression auskommt.
Quelle:
85th Scientific Sessions of the American Diabetes Association (ADA 2025), 20. bis 23. Juni 2025, Chicago, USA
Literatur:
1 Kuznar W: 1 in 4 patients with type 2 diabetes does not take basal insulin as prescribed. https://www.ahdbonline.com/issues/2012/august-2012-vol-5-no-5-special-issue-ada-2012-highlights/article-1146 ; zuletzt aufgerufen am 21.8. 2025 2 Rosenstock J et al.: N Engl J Med 2025; 393: 325-35 3 Bonaca MP et al.: Lancet 2025; 405: 1580-93 4 Rasouli N et al.: Diabetes Care 2025; 48: 1529-35 5 Perreault L: Effectiveness of the intervention on patient weight. Präsentiert an der ADA Scientific Sessions 2025 in Chicago, USA 6 Rickels MR et al.: Durable glycemic control and elimination of exogenous insulin use with VX-880 in patients with type 1 diabetes (T1D)—VX-880-101 (FORWARD). Präsentiert an der ADA Scientific Sessions 2025 in Chicago, USA 7 Zhao J et al.: Diabetes 2025; 74: 2139-LB
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