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Riechstörung bei chronischer Rhinosinusitis
Jatros
Autor:
Dr. Catalina Högerle, MHBA
Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde<br> Klinikum der Universität München<br> E-Mail: catalina.hoegerle@med.uni-muenchen.de
30
Min. Lesezeit
28.01.2021
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<p class="article-intro">Für Patienten mit einer Riechstörung, die durch eine chronische Rhinosinusitis bedingt ist, stellt die Vernebelung von Kortikosteroiden mit pulsatilen Aerosolsystemen eine Therapieoption dar, die zur Besserung des Riechvermögens und somit zur Steigerung der Lebensqualität führen kann.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Der Geruchs- und Geschmackssinn ist beim Menschen von besonderer Bedeutung: beim Essen und Trinken, zur Wahrnehmung von Gefahren und in der zwischenmenschlichen Kommunikation.</li> <li>Die häufigsten Ursachen von Riechstörungen sind sinunasaler Natur (72 % ).</li> <li>Bei Riechstörungen im Rahmen einer chronischen Rhinosinusitis hat die systemische und topische Kortikosteroidtherapie einen hohen Stellenwert.</li> <li>Pulsatile Aerosolsysteme ermöglichen die Deposition von Kortikosteroidpartikeln auch in nicht ventilierte Areale der oberen Atemwege wie die Regio olfactoria, die von den klassischen Applikationsarten Nasentropfen, Nasenspray oder Inhalation nicht suffizient erreicht werden.</li> </ul> </div> <p>Der Geruchs- und Geschmackssinn ist beim Menschen von besonderer Bedeutung: beim Essen und Trinken, zur Wahrnehmung von Gefahren und in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Fast immer wird diesen Sinnen seitens der Patienten erst Beachtung geschenkt, wenn eine Störung auftritt. Ihr Verlust kann zu einer problematischen Gewichtsabnahme beim Ausbleiben von Genuss oder zur Gewichtszunahme z. B. bei selektiver Geschmackswahrnehmung im Alter für Süßes führen. Zudem sind viele Alltagshöhepunkte mit Familie und Freunden mit Essen und Trinken verbunden, sodass eine Störung des Geruchs- und Geschmackssinns nicht selten zu einem reduzierten Sozialleben führt. Die fehlende Wahrnehmung von Körpergerüchen (z. B. Schweiß oder Halitosis) verstärkt Unsicherheit im Umgang mit den Mitmenschen vor allem in Partnerschaften oder im Kontakt mit Kindern und damit den sozialen Rückzug. Insgesamt haben durch diese Einschränkungen Patienten mit Geruchs- und Geschmacksstörung häufig eine Depression.<sup>1</sup><br /> Da Betroffene Brand- und Gasgeruch, Faulgase und Schimmelgeruch nicht mehr wahrnehmen können, besteht eine konkrete Gefährdung im Alltag. Die fehlerhafte Erkennung von Nahrungsmitteln z. B. ordnen die Patienten häufig einer Schmeckstörung zu, obwohl eigentlich der Riechsinn gestört ist.<sup>2</sup> In der westlichen Welt weisen 3–7 % der Gesamtbevölkerung klinisch relevante Riechstörungen auf.<sup>3</sup> An deutschen Kliniken stellen sich jährlich über 79 000 Patientinnen und Patienten aufgrund von Riechverschlechterung vor.<sup>4</sup></p> <h2>Sinunasale Erkrankungen sind häufige Ursachen einer Riechstörung</h2> <p>Im Zuge einer Befragung, die Damm et al. 2004 im deutschsprachigen Raum durchführten, wurde festgestellt, dass die häufigsten Ursachen von Riechstörungen sinunasaler Natur sind (72 % ), gefolgt von postviralen (11 % ) und posttraumatischen Riechstörungen (5 % ) (Tab. 1). Riechstörungen treten allerdings auch als Frühsymptom einer neurodegenerativen Erkrankung wie Parkinson oder Alzheimerdemenz<sup>3</sup> auf. Bei den sinunasalen Ursachen entfallen 53 % auf Entzündungen der Nase bzw. der Nasennebenhöhlen und 19 % auf respiratorische Störungen<sup>4</sup> mit Behinderung des Transports von Duftstoffmolekülen an die Regio olfactoria (z. B. Septumdeviation oder Polyposis nasi).<sup>5</sup><br /> Der wichtigste Teil der Untersuchung ist eine ausführliche Anamnese, die Beginn, Verlauf und Qualität der Störung genauso umfasst wie Krankheits- und Medikamentenanamnese. Daran schließt sich die HNO-ärztliche Untersuchung einschließlich einer endoskopischen Untersuchung der Nase an. Je nach Befund sollte eine Computertomografie erfolgen. Eine Magnetresonanztomografie des Gehirns kann zum Beispiel bei Verdacht auf eine neurogenerative Erkrankung oder zum Ausschluss eines Tumors im Bulbus olfactorius notwendig sein. Vor allem bei idiopathischen Riechstörungen ist ein neurologisches Konsil sinnvoll. Von der Arbeitsgemeinschaft Olfaktologie und Gustologie der Deutschen HNO-Gesellschaft werden zunächst psychophysische Testverfahren empfohlen, für die Riechtestung mittels „sniffin’ sticks“. Neben dem Screeningtest sollten auch der Schwellen-, Diskriminations- und ein Identifikationstest (SDI) durchgeführt werden. Eine Geschmacksprüfung komplettiert die Diagnostik und kann als Ganzmundtestung mithilfe der „taste strips“ durchgeführt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Pneumo_2002_Weblinks_jat_pneumo_2002_s8_tab1_hoegerle.jpg" alt="" width="550" height="281" /></p> <h2>Sinunasale Riechstörungen</h2> <p>Sinunasal bedingte Riechstörungen treten am häufigsten zusammen mit einer sinusitischen oder allergischen Begleitsymptomatik auf. Der Duftstoff kann das Riechepithel nicht erreichen oder der Duftstoff erreicht das Epithel, wird jedoch wegen einer beeinträchtigten Funktion der Riechschleimhaut nicht oder nur vermindert wahrgenommen.<sup>6, 7, 8</sup><br /> Bei Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis kommt es neben Ödembildung zu Verdickungen der Schleimhaut und des Gefäßbindegewebes durch fibrotischen Umbau der lateralen Nasenwand. Dies kann zur mechanischen Blockierung oder Einengung des Luftweges zum olfaktorischen Sinnesepithel im Nasendach führen.<sup>9, 10</sup> Zudem geht man bei langjähriger chronischer Rhinosinusitis von einer entzündlichen Affektion der Riechschleimhaut sowie einer koexistierenden, irreversiblen Schädigung der olfaktorischen Rezeptoren nach rekurrenten Infekten aus.<sup>11</sup> Histologische Untersuchungen zeigen eine deutliche Zunahme von Entzündungsmediatoren (z. B. Interleukine, TNF-α, GM-CSF) im Riechepithel<sup>12</sup> sowie ödematöse Veränderungen und Infiltrationen von Eosinophilen.<sup>13</sup> Zusätzlich zu diesen histopathologischen Veränderungen kommt es zu apoptotischen Untergängen der olfaktorischen Rezeptorneurone, getriggert unter anderem durch eine bestehende Entzündung in diesem Areal.<sup>14</sup> Als Ausdruck dieser Prozesse kann es zur Degeneration des olfaktorischen Epithels und nachfolgendem Ersatz durch respiratorisches Epithel kommen.<sup>15</sup></p> <h2>Verbesserte topische Kortikosteroidtherapie bei sinunasalen Riechstörungen</h2> <p>Die Prognose bei Riechstörungen hängt von ihrer Ursache und der Zeit seit Beginn der Störung ab. Kausale Behandlungsmöglichkeiten sind allerdings nur für sinunasal bedingte Dysosmien etabliert. Sie können mit Kortikosteroiden, Antibiotika, Nasenspülungen oder durch chirurgische Eingriffe behandelt werden.<sup>16</sup><br /> Bei Polyposis nasi hat die rhinochirurgische Therapie eine vorrangige Stellung. Bei Riechstörungen im Rahmen einer chronischen Rhinosinusitis ohne Polyposis hat die systemische und topische Kortikosteroidtherapie, welche in über 300 Publikationen untersucht wurde, einen hohen Stellenwert. Zusätzlich zur antientzündlichen Wirkung zeigen Untersuchungen, dass die Kortikosteroide einen direkten Einfluss auf die olfaktorische Funktion ausüben.<sup>17</sup> Dabei scheint die systemische Gabe der topischen überlegen zu sein (Stevens, 2001), sie ist jedoch mit dem Risiko des Auftretens der bekannten unerwünschten Nebenwirkungen verbunden.<br /> Ein möglicher Grund für den deutlich besseren therapeutischen Effekt der systemischen Kortikosteroide im Vergleich zur topischen Anwendung könnte sein, dass lediglich eine geringe Menge der nasal applizierten Kortikosteroide die Regio olfactoria erreicht.<sup>18</sup> Um den schwer zugänglichen Bereich der Regio olfactoria zu erreichen, wurden verschiedene Verfahren getestet, wie z. B. das Einbringen in verschiedenen Kopfpositionen<sup>17, 19</sup> oder die Verwendung unterschiedlicher Verabreichungsvorrichtungen zur direkten Applikation der Kortikosteroide auf die Riechspalte.<sup>18</sup> Allerdings zeigte sich kein signifikanter Effekt gegenüber dem Nasenspray bzw. waren die Techniken für den Patienten nicht alleine zu Hause durchführbar. Eine homogenere intranasale Verteilung sowie intensivere Wirksamkeit ist durch die Applikation des Wirkstoffs über eine mit Überdruck inhalierte Vernebelung möglich.<sup>20</sup> Aerosolsysteme zur Inhalation von Aerosolen mit Vibration und Druckstoß bzw. Pulsationen (z. B. PARI SINUS oder „aerosoliseur manosonique automatique“, AMSA) ermöglichen die Deposition von Aerosolpartikeln auch in nicht ventilierte Areale der oberen Atemwege wie die Regio olfactoria, die von den klassischen Applikationsarten Nasentropfen, Nasenspray oder Inhalation nicht suffizient erreicht werden (Abb. 1).<sup>21</sup> Die Anwendung solcher Geräte zeigte eine Verbesserung des Riechvermögens bei Patienten mit chronischer Rhinosinusitis.<sup>22</sup> Eine vom Gerät kontinuierlich erzeugte sonore Vibration transportiert die mit Aerosol beladene Luft in die Nasenhaupthöhle. Die geringe Tröpfchengröße ermöglicht das Eindringen des Inhalats in enge Öffnungen; eine hohe Nebeldichte transportiert eine ausreichend hohe Wirkstoffmenge. Die Teilchen werden im Medikamentennebel durch überlagerte Schwingungen mit einer gesteigerten Eigendynamik versehen. Dies führt zu größerer Penetration und Kontakt mit der Schleimhaut.<sup>23</sup> Der Patient schafft durch Verschluss des Weichgaumens ein geschlossenes System. Die resultierende Überdrucksituation ermöglicht es, kortikosteroidhaltige Aerosole in die Regio olfactoria zu transportieren und somit die Wirkung zu steigern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Pneumo_2002_Weblinks_jat_pneumo_2002_s8_abb1_hoegerle.jpg" alt="" width="550" height="319" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Hummel T, Welge-Lüssen A: Riech- und Schmeckstörungen. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG, 2008 <strong>2</strong> Deems DA, Doty RL et al.: Smell and taste disorders, a study of 750 patients from the University of Pennsylvania Smell and Taste Center. Arch Otorlaryngol Head Neck Surg 1991; 177(5): 519-28 <strong>3</strong> Ponsen MM et al.: Idiopathic hyposmia as a preclinical sign of Parkinson’s disease. Ann Neurol 2004; 56: 173-181 <strong>4</strong> Damm M et al.: Riechstörungen. Epidemiologie und Therapie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. HNO 2004; 52: 112-120 <strong>5</strong> Zhao K et al.: Effect of anatomy on human nasal air flow and odorant transport patterns: implikations for olfaction. Chem Senses 2004; 29(5): 365-79 <strong>6</strong> Hotchkiss W: Influence of prednisone on nasal polyposis with anosmia; preliminary report. AMA Arch Otolaryngol 1956; 64(6): 478-9 <strong>7</strong> Klimek L et al.: Lateralized and bilateral olfactory function in patients with chronic sinusitis compared with healthy control subjects. Laryngoscope 1998; 108: 111-4 <strong>8</strong> Landis BN et al.: Ratings of overall olfactory function. Chem Senses 2003; 28(8): 691-4 <strong>9</strong> Damm M et al.: Dependence of uni- and bilateral olfactory capacity on nasal airflow in patients with chronic rhinosinusitis. HNO 2000; 48: 436-43 <strong>10</strong> Damm M et al.: Intranasal volume and olfactory function. Chem Senses 2002; 27(9): 831-9 <strong>11</strong> Jafek BW et al: Postviral olfactory dysfunction. Am J Rhinol 1990b: 4: 91-100 <strong>12</strong> Kuehnmund M et al: Untreated chronic rhinosinusitis: a comparison of symptoms and mediator profiles. Laryngoscope 2004; 114 (2): 279-85 <strong>13</strong> Kern RC et al.: Chronic sinusitis and anosmia: pathologic changes in the olfactory mucosa. Laryngoscope 2000: 110: 1071-7 <strong>14</strong> Kern RC et al.: Pathology of the olfactory mucosa: implications for the treatment of olfactory dysfunction. Laryngoscope 2004; 114(2): 279-85 <strong>15</strong> Lee SH et al.: Olfactory mucosal findings in patients with persistent anosmia after endoscopic sinus surgery. Ann Otol Rhinol Laryngol 2004; 109: 720-5 <strong>16</strong> Fokkens WJ et al.: European position paper on rhinosinusitis and nasal polyps. Rhinol Suppl 2012; 23: 1-298 <strong>17</strong> Mott AE, Leopold DA: Disorders in taste and smell. Med Clin North Am 1991; 75: 1321-53 <strong>18</strong> Scheibe M et al.: Intranasal administration of drugs. Arch Otolaryngol. Head Neck Surg 2008; 134(6): 643-6 <strong>19</strong> Benninger MS et al.: Techniques of intranasal steroid use. Otolaryngol Head Neck Surg 2004; 130: 5-24 <strong>20</strong> Fleiner F: Pressure-pulsed cortisone therapy in smelling disorders. Laryngorhinootologie 2010; 89(10): 590-1 <strong>21</strong> Möller W et al.: Ventilation and aerosolized drug delivery to the paranasal sinuses using pulsating airflow - a preliminary study. Rhinology 2009; 47: 405 <strong>22</strong> Goektas O et al.: Treatment of chronic rhinosinusitis with pressurepulsed corticosteroid inhalation. Indian J Otolaryngol Head Neck Surg 2013; 65: 402-5 <strong>23</strong> Badre R, Guillerm R: Diffusion and retention of therapeutical aerosols in upper airways. Poumon Coeur 1979; 35: 341-7</p>
</div>
</p>