Wenn nach der Pollensaison keine Ruhe einkehrt
Autoren:
Dr. Markus Berger1–3
Lukas Dirr, MSc3–5
1 HNO-Abteilung, Klinik Landstraße Wiener Gesundheitsverbund
2 Allergiezentrum Wien West
3 Österreichischer Polleninformationsdienst
4 Institut für Botanik, Universität Innsbruck
5 Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik, Fakultät für Lebenswissenschaften
Universität Wien
E-Mail: markus.berger@pollenresearch.com
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Viele Allergiker gehen davon aus, dass nach der Pollensaison im Spätsommer endlich eine Verschnaufpause einkehrt. Doch gerade in den urbanen, dicht besiedelten Regionen Österreichs – allen voran Wien, aber auch in Städten wie Graz, Linz und Salzburg – setzt im Herbst und Winter eine neue Welle inhalativer Risiken für Allergiker ein. Die Belastung verlagert sich von Pollen zu anderen, oft unterschätzten Allergieauslösern, die komplexe gesundheitliche Beschwerden verursachen können.
Keypoints
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Gerade im städtischen Umfeld werden die Regenerationsphasen für sensible Personen immer seltener, da sich hohe Luftbelastung und Allergenpräsenz abwechseln bzw. überschneiden.
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Zu den meist unterschätzten Allergieauslösern in Herbst und Winter zählen Pilzsporen, Hausstaubmilben sowie Feinstaub und weitere Schadstoffe aufgrund der Heizperiode.
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Zudem beginnt der Pollenflug der in vielen Parks vorkommenden Purpurerle bereits Mitte Dezember.
Inhalative Allergien und ihre Prävalenz in Europa
Inhalative Allergien umfassen Überempfindlichkeitsreaktionen auf luftgetragene Allergene von Pollen, Schimmelpilzsporen, Hausstaubmilben und Tierhaare. Schätzungsweise 10–30% der europäischen Bevölkerung sind von mindestens einer Form allergischer Rhinitis oder Asthma bronchiale betroffen, mit steigender Tendenz in den letzten Jahrzehnten – insbesondere in urbanen Zentren.1 In Österreich liegen die Prävalenzraten für Pollenallergien und Hausstaubmilbenallergien vergleichbar hoch, wobei in Städten sowohl die Luftbelastung als auch die Sensibilisierung durch das „Stadtklima“ deutlich ausgeprägt sind.2
Pilzsporen: Hauptrolle als Allergieauslöser
Während im Herbst die allergischen Belastungen durch Pollenflug deutlich zurückgehen, müssen Allergiker in dieser Zeit jedoch weiterhin mit intensiven Belastungen durch Pilzsporen rechnen. Zwar haben auch diese ihren Höhepunkt im Herbst bereits überschritten, dennoch erreichen die Sporen der Gattungen Alternaria und Cladosporium weiterhin relevante Konzentrationen in der Umgebungsluft im Freien.3 Da man sich zu dieser Jahreszeit aber auch wieder vermehrt in Innenräumen aufhält, darf auch der Einfluss der Sporen von Aspergillus und Penicillium nicht unterschätzt werden. Anders als bei den vorwiegend im Freien zu erwartenden Pilzsporenkonzentrationen unterliegen diese keiner saisonalen Variabilität und können so gerade auch in Herbst und Winter für erhebliche allergische Beschwerden sorgen.4,5
Belastungen durch Schimmelpilze können neben den bekannten Beschwerden einer Rhinokonjunktivitis auch ernstere Erkrankungen wie eine allergisch fungale Rhinosinusitis oder eine exogen allergische Alveolitis (Farmerlunge) hervorrufen.
Hausstaubmilben: Heizperiode verschärft Beschwerden
Hausstaubmilben lieben ein warmes und feuchtes Klima. Die Allergene der Milben befinden sich im Kot und auf der Oberfläche der Tierchen. Mit dem Start der Heizsaison steigt die Lufttemperatur, während die Luftfeuchtigkeit sinkt. Nach einer Fortpflanzungsperiode im Sommer sterben nun einige Milben aufgrund des trockenen Raumklimas. Somit kommt es zu vermehrten Allergenen in der Luft, die durch die zirkulierende Heizung auch leichter eingeatmet werden können. Besonders in älteren Wohnungen ohne moderne Lüftungssysteme zeigt sich dieses Problem. Die Symptome wie morgendliche verstopfte Nase, tränende Augen, Reizhusten bis hin zu asthmatischen Verstärkungen sind zwar meistens ganzjährig vorhanden, treten jedoch oft gerade zu Beginn der Heizperiode besonders stark auf und belasten viele Stadtbewohner empfindlich.6,7
Feinstaub, Schadstoffe und Abgase: saisonaler Anstieg durch Heizen
Mit fallenden Temperaturen in Herbst und Winter verschlechtert sich die Außenluftqualität in dicht besiedelten Städten Österreichs weiter. Die Feinstaubbelastung nimmt durch verstärkte Heizaktivitäten und erhöhten Kfz-Verkehr messbar zu. Dadurch ist ein deutlicher Anstieg von u.a. Feinstaub in der Luft messbar. Diese Partikel und Gase sind nicht nur Auslöser für Irritationen der Atemwege, sie könnten mitunter allergische Beschwerden verstärken.
Purpurerle: die nächste Belastungswelle ab Mitte Dezember
Abb. 1: Die Purpurerle (Alnus spaethii) blüht ab Mitte Dezember in vielen städtischen Parkanlagen
Wer auf Entspannung für die Atemwege hofft, muss sich gerade in Wien und anderen Städten auf eine Enttäuschung gefasst machen: Bereits ab der zweiten Dezemberhälfte – und damit deutlich früher als bei heimischen Erlen – kommt es durch die oft in Parks angepflanzte Purpurerle (Alnus spaethii; Abb.1) lokal zu relevantem Pollenflug.8 Dieses Phänomen wird schon seit Längerem beobachtet und spiegelt sich in den in der EAN-Datenbank (European Aeroallergen Network)9 gesammelten Pollenkonzentrationen wider. Dieser sehr frühe Blühbeginn verkürzt die vermeintlich pollenfreie Periode für Allergiker drastisch. Die Purpurerle ist damit zum Symbol geworden, wie städtische Bepflanzungen die Belastungszeiten für Allergiker noch weiter ausdehnen.
Klimawandel: Pollensaison und Allergenbelastung nehmen zu
Wissenschaftliche Daten aus Österreich und anderen Teilen Europas zeigen, dass durch den Klimawandel nicht nur Pollen- und Schimmelsporensaisons früher beginnen und länger dauern, sondern auch allergene Belastungen insgesamt zunehmen. Gerade im städtischen Raum werden echte Regenerationsphasen für sensible Personen immer seltener, weil sich hohe Luftbelastung und Allergenpräsenz abwechseln oder überschneiden. Für viele Allergiker in Österreichs Städten bleibt damit der Wunsch nach einer ausgedehnten, beschwerdefreien Pause unerfüllt – und wird durch den Klimawandel sogar immer unrealistischer.10
Literatur:
1 World Allergy Organization (WAO): White Book on Allergy. Update 2013. https://allergypaais.org/wp-content/themes/twentytwentyone/pdf/ExecSummary-2013-v6-hires.pdf ; zuletzt aufgerufen am 26.11.2025 2 Dorner T et al.: Österreichischer Allergiebericht. Wien: Verein Altern mit Zukunft, 2006 3 Kasprzyk I et al.: Allergenic fungal spores in the air of urban parks. Aerobiologia 2021; 37(1): 39-51 4 Herbarth O et al.: Spatiotemporal distribution of airborne mould spores in apartments. Mycol Res 2003; 107(11): 1361-71 5 De-Wei L, Kendrick B: A year-round comparison of fungal spores in indoor and outdoor air. Mycologia 1995; 87(2): 190-5 6 Bergmann KC: Biology of house dust mites and storage mites. Allergo J Int 2022; 31(8): 272-8 7 Demoly P et al.: The disease burden in patients with respiratory allergies induced by house dust mites: a year-long observational survey in three European countries. Clin Transl Allergy 2020; 10(1): 27 8 Bastl K et al.: Unusually early flowering of alder in Vienna: first report of Alnus spaethii in Austria, combined LM and SEM study of alder species and impact on pollen allergy sufferers. Aerobiologia 2015; 31(4): 515-24 9 Dirr L et al.: European Aeroallergen Network (EAN): a key tool to analyze the birch pollen season in Europe. Allergo J Int 2025; preprint 10 Berger M, Dirr L: 300 Tage Pollen. ALLGEMEINE+ 6/2023; https://www.universimed.com/at/article/allgemeinmedizin/allergenbelastung-pollen-352396 ; zuletzt aufgerufen am 26.11.2025
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