© RyanKing999 iStockphoto

Lunge, Luft und Rheuma: aktuelle Forschungsergebnisse

Zu den häufigsten Organbeteiligungen vieler entzündlich-rheumatischer Systemerkrankungen gehört der entzündliche Befall der Lunge in Form der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD), die unbehandelt zu Lungenfibrose führt. Sie ist mit einer erheblichen Belastung für die Betroffenen und mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden. Welche Fortschritte es in der Diagnose und Therapie dieser Erkrankung gibt, war ein Thema beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie 2022.

Das Risiko dafür, dass das Krankheitsgeschehen auf die Lunge übergreift, ist nicht bei allen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gleich hoch. Besonders häufig tritt die ILD bei systemischer Sklerose (SSc), rheumatoider Arthritis (RA), Sjögren-Syndrom und Myositiden auf. „Genaue Angaben zur Häufigkeit der ILD sind jedoch schwierig“, sagt Prof. Dr. Andreas Krause, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Nicht alle Patienten würden konsequent auf einen möglichen Lungenbefall hin untersucht, zudem sei der Übergang zwischen gering ausgeprägten, eher harmlosen Lungenbefunden und einer klinisch bedeutsamen ILD fließend.

Rauchen und andere Risikofaktoren

Mittlerweile sind einige Risikofaktoren bekannt, die eine Lungenbeteiligung bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen besonders wahrscheinlich machen. Bei der RA etwa sind fast ausschließlich Rheumafaktor- und ACPA-positive Patienten betroffen. Rauchen und männliches Geschlecht sind zusätzliche Risikofaktoren. Darüber hinaus wurde vor Kurzem ein genetischer Risikofaktor (Variante in der Promoterregion des MUC5B-Gens) für eine Lungenbeteiligung bei der RA entdeckt, wie Krause berichtet. Während das durchschnittliche ILD-Risiko bei 5–10% liege, seien Männer mit dieser genetischen Besonderheit zu fast 20% betroffen.

<< Eine ILD kann schon sehr früh im Krankheitsverlauf auftreten, manchmal sogar schon vor der Rheumadiagnose.>>
A. Krause, Berlin

Bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, etwa der SSc und bestimmten Muskelentzündungen, liegt der Anteil der Betroffenen zum Teil noch deutlich darüber: Je nach Verlaufsform der Grunderkrankung und Art der verursachenden Autoantikörper entwickeln zwischen 30 und 70% der Patienten eine Lungenbeteiligung.

Neue Therapieoptionen

Die medikamentöse Therapie der ILD im Rahmen einer rheumatischen Grunderkrankung ist zunächst entzündungshemmend und immunsuppressiv ausgerichtet. Neben Glukokortikoiden stehen eine Reihe konventioneller Immunsuppressiva, Biologika und seit Kurzem auch JAK-Inhibitoren zur Verfügung. Ziel ist die effektive Behandlung der Grunderkrankung mit ihren meist unterschiedlichen Manifestationen einschließlich der ILD.

Leider existieren bisher nur wenige kontrollierte Studien zur Behandlung der SSc-ILD. Die Wahl der Medikamente bei den anderen Erkrankungen stützt sich auf Fallserien, Registerdaten und Einzelberichte. „Auch wenn in den letzten Jahren die Therapie der ILD verbessert werden konnte, sind dringend weitere klinische Studien erforderlich“, sagt Krause.

Neben der Immunsuppression gewinnt ein weiteres Wirkprinzip bei der Behandlung der ILD an Bedeutung: Antifibrotika sollen die entzündungsbedingte Umwandlung von funktionellem Lungengewebe in Narbengewebe unterbinden und so das Voranschreiten der Lungenfibrose zumindest verlangsamen. Erste Studien zeigen, dass ILD-Patienten mit unterschiedlichen rheumatischen Grunderkrankungen davon profitieren, insbesondere wenn die immunsuppressive Therapie mit Antifibrotika kombiniert wird.

Leitlinie zur Diagnostik ist in Arbeit

Voraussetzung dafür, dass die ILD effektiv therapiert und die Lungenfunktion bestmöglich erhalten werden kann, ist eine frühe Diagnosestellung. „Die Herausforderung besteht darin, dass eine ILD zu jedem Zeitpunkt der rheumatischen Erkrankung neu entstehen kann“, sagt Krause. Manchmal manifestiert sich die ILD sogar schon, bevor sich die ersten Rheumasymptome bemerkbar machen. Bei jeder neu diagnostizierten ILD sollte daher auf eine möglicherweise zugrundeliegende rheumatische Erkrankung geachtet werden. Umgekehrt sollten alle Rheumapatienten auf eine mögliche ILD hin untersucht werden. Dabei muss mindestens die Lunge abgehört und mögliche Symptome wie Husten oder Luftnot müssen abgefragt werden. Goldstandard für die Diagnose der ILD ist die Dünnschicht-Volumen-Computertomografie.

Empfehlungen dazu, welche Untersuchungsmethode unter welchen Voraussetzungen und in welchen Abständen eingesetzt werden sollte, werden derzeit in einer interdisziplinären Leitlinie ausgearbeitet.

Ohnehin sind Diagnose und Therapie der rheumabedingten ILD von Anfang an eine interdisziplinäre Aufgabe, betont Krause. „Schon bei Verdacht auf eine ILD – und erst recht beim Nachweis der Erkrankung – sollten das diagnostische Vorgehen, die erhobenen Befunde und die Therapie in interdisziplinären Konferenzen unter Beteiligung von Fachärzt*innen aus der Rheumatologie, Pulmonologie, Radiologie und Pathologie besprochen werden.“

Luftverschmutzung fördert die Entstehung von RA

© iStockphoto.com/RyanKing999

Eine italienische Studie fand einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Schadstoffbelastung am Wohnort und dem Auftreten von rheumatoider Arthritis, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Kollagenosen

Auf die Entstehung und den Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen wirken sich auch Umweltfaktoren aus. Luftverschmutzung kann eine Antwort des Immunsystems gegen Fremdkörper und Entzündungsreaktionen auslösen. Bekannt ist auch, dass die Entstehung von RA mit dem Rauchen, aber auch mit der Nähe zu Straßen und verschmutzter Luft in Verbindung steht. Der allgemeine Zusammenhang zwischen einer lang anhaltenden Einwirkung von schadstoffbelasteter Luft und dem Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln, war jedoch bislang unklar. Eine aktuelle Studie fand nun einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Menge an Schadstoffpartikeln in der Umgebungsluft am Wohnort und dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, Leiter der Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, berichtet: Mit jedem Anstieg der PM10-Konzentration stieg das Risiko, an RA zu erkranken. Personen, die hohen Mengen von kleineren Partikeln ausgesetzt waren (PM2,5), wiesen zusätzlich ein erhöhtes Risiko für Kollagenosen und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen auf.

Autoimmunerkrankungen traten in den vergangenen zehn Jahren häufiger auf als zuvor. Die Gründe dafür sind noch nicht vollständig entschlüsselt, aber grundlegend gehen Forschende von einem Zusammenspiel zwischen genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen, wie etwa Luftverschmutzung, aus.

Pressekonferenz zum 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), 1. September 2022

Adami G et al.: Association between environmental air pollution and rheumatoid arthritis flares. Rheumatology 2021; 60(10): 4591-7 Adami G et al.: Association between long-term exposure to air pollution and immune-mediated diseases: a population-based cohort study. RMD Open 2022; 8(1): e002055 Bastian H, Krause A: Interstitielle Lungenerkrankungen in der Rheumatologie. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146(11): 752-6 Buschulte K et al.: Therapie von Lungenfibrosen bei rheumatischen Systemerkrankungen (neue Therapien). Z Rheumatol 2021; 80(8): 743-54 Krause A, Rubbert-Roth A: Lungenbeteiligung bei rheumatoider Arthritis. Z Rheumatol 2019; 78: 228-35

Back to top