
Fertilität und Schwangerschaft bei entzündlicher Arthritis
Bericht:
Mag. pharm. Irene Senn, PhD
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Auf der 13. International Conference on Reproduction, Pregnancy and Rheumatic Diseases (RheumaPreg 2025) in Wien präsentierte Prof. Dr. Radboud Dolhain (Rotterdam, NL) aktuelle Studienergebnisse zur Reproduktion bei entzündlicher Arthritis. Der Fokus lag auf neuen Daten zu Fertilität, Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft, Schwangerschaftskomplikationen sowie der Sicherheit antirheumatischer Therapien.
Zu Beginn stellte Dolhain die GR2-Kohorte vor, eine französische, prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie. Untersucht wurde, wie sich Schwangerschaft, Schwangerschaftsverlauf und Behandlung bei Frauen mit RA/SpA auf die Krankheitsaktivität und das Schwangerschaftsergebnis auswirken. Aufgenommen wurden Frauen im Präkonzeptionszeitraum (vor dem Absetzen der Empfängnisverhütung) oder im ersten Trimester der Schwangerschaft im Zeitraum von Dezember 2014 bis mindestens Juni 2022.
Die Zeit bis zur Schwangerschaft („time to pregnancy“, TTP) wurde bei Patientinnen mit Spondyloarthritis (SpA) systematisch untersucht.1 Die mediane TTP lag bei 16,1 Monaten, zudem erfüllten 45,4% der Teilnehmerinnen das Subfertilitätskriterium (TTP >12 Monate bzw. keine Schwangerschaft). Eine präkonzeptionelle NSAR-Exposition war mit einer deutlich längeren Zeit bis zur Konzeption assoziiert: Die mediane TTP betrug 31,6 Monate vs. 12,3 Monate ohne NSAR (vgl. Abb. 1). Fertilitätsfragen sollten daher bei SpA-Patientinnen im gebärfähigen Alter frühzeitig angesprochen und eine NSAR-Therapie sollte bei Kinderwunsch kritisch hinterfragt werden.
Abb. 1: Kaplan-Meier-Kurven der kumulativen Schwangerschaftsinzidenz bei SpA-Patientinnen mit und ohne NSAR-Therapie (nach Hamroun et al.)1
Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft
Die Studie lieferte auch aufschlussreiche Daten zur Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft.2 In diese Auswertung wurden 53 RA-Patientinnen und 71 SpA-Patientinnen eingeschlossen. Während die Krankheitsaktivität insgesamt stabil blieb, erlitten 17 RA-Patientinnen (32%) und 28 SpA-Patientinnen (39%) einen Krankheitsschub, definiert als Anstieg der Krankheitsaktivität oder Intensivierung der Medikation. Als Risikofaktoren für Schübe identifizierten die Autoren bei RA Nulliparität und einen Krankheitsschub in den 12 Monaten vor der Konzeption, bei SpA eine vorherige bDMARD-Therapie in der Anamnese. Bemerkenswert war der verbreitete Einsatz von TNF-Inhibitoren (TNFi): 18/53 RA-Patientinnen (davon 15 im 1. Trimester) und 44/71 SpA-Patientinnen (38 im 1. Trimester) erhielten TNFi. Nur wenige setzten das Biologikum bereits im 1. Trimester ab (1 RA- und 12 SpA-Patientinnen). Bei 53 Patientinnen mit RA und 71 mit SpA blieb die Krankheitsaktivität zwar insgesamt stabil, jedoch erlitten 32% der RA-Patientinnen und 39% der SpA-Patientinnen einen Krankheitsschub.
Schwangerschaftskomplikationen vermehrt – klinische Relevanz fraglich
Mehrere große Kohortenstudien untersuchten Schwangerschaftskomplikationen bei entzündlicher Arthritis.3–5 Die Untersuchungen zeigten für mehrere Schwangerschaftskomplikationen ein erhöhtes Risiko. Allerdings lagen die adjustierten Odds-Ratios (OR) überwiegend zwischen 1,3 und 1,9. Die klinische Relevanz dieser Ergebnisse bleibt laut Dolhain zu hinterfragen – insbesondere für Frauen mit einer gut kontrollierten Arthritis.
Eine schwedische Registerstudie dokumentierte erstmals positive zeitliche Trends bei SpA-Schwangerschaften.6 Über die Jahre zeigte sich ein signifikanter Rückgang bei Sectio-Raten, Frühgeburten und neonatalen Infektionen. „Parallel dazu stieg die Anzahl der Verschreibung von TNF-Inhibitoren (TNFi) deutlich an. Diese Korrelation deutet darauf hin, dass eine bessere Krankheitskontrolle durch moderne Therapien zu verbesserten Schwangerschaftsoutcomes beiträgt“, berichtete Dolhain. Einzig die Präeklampsie-Inzidenz blieb unverändert.
TNF-Inhibitoren verhindern keine Präeklampsie
Die Fragestellung, ob TNFi die Entwicklung einer Präeklampsie verhindern können, wurde in einer großen US-amerikanischen Kohortenstudie mit Medicaid- und MarketScan-Daten untersucht.7 Die Studie verglich Frauen mit TNFi-Exposition im ersten und zweiten Trimester mit Frauen ohne TNFi-Therapie. Als Endpunkte wurden frühe und späte Präeklampsie sowie die Geburt von für das Gestationsalter zu kleinen Kindern („small for gestational age“, SGA) definiert. „Leider zeigten sich keine Unterschiede bei den Outcomes“, fasste Dolhain zusammen. Trotz der pathophysiologischen Rationale (erhöhte TNF-α-Spiegel bei Präeklampsie) zeigte sich kein protektiver Effekt der TNF-Blockade auf die Präeklampsie-Entwicklung.
Postpartale Depression häufiger
Eine retrospektive Analyse der IBM MarketScan Commercial Claims and Encounters Database (2013–2018) untersuchte die Inzidenz postpartaler Depression bei Frauen mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen.8 Die Studie verglich Frauen mit axialer Spondyloarthritis (axSpA), Psoriasisarthritis (PsA) oder rheumatoider Arthritis (RA) mit 10668 alters- und depressionsgematchten Frauen ohne rheumatische Erkrankung. Innerhalb von 12 Monaten nach Entbindung entwickelten 17,2% der Patientinnen mit entzündlicher Arthritis und 12,8% der Kontrollen eine postpartale Depression; adjustierte HR: 1,22 (95% CI: 1,09–1,36). Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit eines konsequenten PPD-Screenings bei dieser Patientinnengruppe.
Stillen: vergleichbare Raten, aber Wissenslücken
Zwei norwegische Studien untersuchten das Stillverhalten bei Frauen mit juveniler idiopathischer Arthritis9 bzw. mit axSpA.10 Beide Studien zeigten erfreulich hohe Stillraten, die weitgehend mit jenen in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar sind: Nach 6 Wochen stillten 86%, nach 6 Monaten 70% und nach 12 Monaten noch rund 39% der Frauen. Als positive Einflussfaktoren für erfolgreiches Stillen identifizierten die Autoren höhere Bildung, längere Gestationsdauer und geringere Frühgeburtlichkeit. Negative Assoziationen fanden sich mit erhöhter Krankheitsaktivität und Kaiserschnittentbindungen.
Eine mexikanische Studie zeigte jedoch Handlungsbedarf auf: 69,2% der Patientinnen wiesen mangelhaftes Wissen über das Stillen auf, und 64,6% hatten eine neutrale Einstellung dazu.11 „Es ist bekannt, dass mehr Wissen und eine positive Einstellung mit höheren Stillraten verbunden sind“, betonte Dolhain die Bedeutung gezielter Beratung.
Neue Sicherheitsdaten zu JAK- und IL-6-Inhibitoren
Zur Sicherheit von Upadacitinib in der Schwangerschaft lieferte eine Analyse klinischer Studiendaten und Postmarketing-Berichte wichtige Erkenntnisse.12 Untersucht wurden 128 Schwangerschaften mit einer mittleren In-utero-Exposition gegenüber Upadacitinib von 5 Wochen und 3 Tagen. Dolhain ordnete diese Daten vorsichtig ein: Die kurze Expositionsdauer erlaube keine Empfehlung der Fortsetzung der Therapie während der Schwangerschaft, biete jedoch eine gewisse Entwarnung bei unbeabsichtigter Frühexposition.
Eine retrospektive Kohortenstudie untersuchte die Anwendung von IL-6-Inhibitoren im zweiten und dritten Trimester.13 Bei 25 Frauen, die wegen schwerer Covid-19-Infektion mit Tocilizumab oder Sarilumab behandelt wurden, beobachteten die Autoren keine arzneimittelassoziierten hämatologischen oder infektiologischen Komplikationen.
Männer mit Arthritis: überraschend höhere Fertilität
Eine prospektive Studie zur Sicherheit harnsäuresenkender Therapien zeigte bei 49 Männern mit Gicht keine relevanten negativen Effekte auf Spermienqualität oder Reproduktionshormone nach 3 Monaten unter Allopurinol, Febuxostat oder Benzbromaron.14 Die kurze Nachbeobachtungszeit limitiert jedoch die Aussagekraft dieser Ergebnisse.
Eine populationsbasierte norwegische Kohortenstudie mit 10865 Männern aus dem Arthritis-Register brachte zudem überraschende Ergebnisse zur männlichen Fertilität.15 Männer mit entzündlichen Gelenkerkrankungen waren seltener kinderlos als die Kontrollpopulation (21% vs. 27%) und hatten im Durchschnitt mehr Kinder (1,8 vs. 1,69).
Fazit
Die präsentierten Daten unterstreichen die Komplexität der Betreuung von Patienten mit entzündlicher Arthritis und Kinderwunsch. Während sich Schwangerschaftsoutcomes durch moderne Therapien verbessern, bleiben Herausforderungen wie NSAR-bedingte Subfertilität, postpartale Depression und Wissenslücken beim Stillen bestehen. „Eine Remission sollte jedenfalls vor, während und nach der Schwangerschaft angestrebt werden“, fasste Dolhain die zentrale Botschaft zusammen.
Quelle:
„Inflammatory arthritis“, Vortrag von Radboud Dolhain (NL) anlässlich der 13th International Conference on Reproduction, Pregnancy and Rheumatic Diseases (RheumaPreg 2025), Mai 2025, Wien
Literatur:
1 Hamroun S et al.: RMD Open 2024; 10(4): 2 Couderc M et al.: BMC Rheumatology 2025; 9(1): 30 3 Chang T et al.: BMC Pregnancy Childbirth 2024; 24(1): 517 4 Amikam U et al.: BMC Pregnancy Childbirth 2024; 24(1): 639 5 Pina Vegas L et al.: RMD Open 2024; 10(1): e003762 6 Morin M et al.: Lancet Rheumatol 2023; 5(3): e121-e9 7 Adomi M et al.: J Hypertens 2024; 42(9): 1529-37 8 Shridharmurthy D et al.: J Rheumatol 2023; 50(10): 1287-95 9 Birkeland T et al.: BMC Pregnancy Childbirth 2025; 25(1): 459 10 Grøntvedt EH et al.: Int Breastfeed J 2025; 20(1): 21 11 Carrazco-Chapa A et al.: Rheumatol Int 2024; 44(12): 3093-8 12 Mahadevan U et al.: Drug Saf 2024; 47(10): 1039-49 13 Nana M et al.: Lancet Rheumatol 2024; 6(9): e625-e35 14 Li C et al.: Rheumatol Int 2024; 44(7): 1245-53 15 Sigmo GD et al.: Ann Rheum Dis 2024; 83(4): 457-63
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