
Ein wichtiger Schritt für Patientinnen
Autor*innen:
Dr. Theresia Steinkellner
Dr. Simon Zimmermann
Prim. PD Dr. Gabriel Djedovic
Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Landeskrankenhaus Feldkirch, Akademisches Lehrkrankenhaus
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An der Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie des Landeskrankenhauses Feldkirch hat sich in den letzten Jahren ein Schwerpunkt auf der Durchführung von Vaginoplastiken im Rahmen einer Geschlechtsangleichung etabliert. In einer retrospektiven Analyse wurden nun die Ergebnisse, Komplikationen und postoperative Sexualfunktion nach peniler Inversions-Vaginoplastik evaluiert.
Keypoints
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Insgesamt niedrige intraoperative Komplikationsrate
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Postoperativ häufig Minorkomplikationen
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Großteil der Patientinnen postoperativ sexuell aktiv
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Hohe Zufriedenheit mit Sexualfunktion nach Geschlechtsangleichung
Für Mann-zu-Frau(MzF)-transidente Patientinnen bietet die Vaginoplastik die Möglichkeit, Kongruenz zwischen Körper und Identität zu schaffen, und ist so einer der wichtigsten Schritte zur Komplettierung der Geschlechtsangleichung. Das Ziel der Vaginoplastik ist es, einen neogenitalen Komplex zu schaffen, der sowohl äußerlich als auch funktionell dem weiblichen Geschlecht entspricht, eine lustfähige Klitoris bietet, und eine ausreichend tiefe und breite Neovagina zu konstruieren, welche einen beschwerdefreien und ungehinderten Geschlechtsverkehr ermöglicht. Weit im Vorfeld zur Operation erfolgen zuerst die psychotherapeutische und psychiatrische Abklärung und Betreuung der Patientinnen. Zeigt sich im weiteren zeitlichen Verlauf der Wunsch zu gegengeschlechtlichen Maßnahmen, so erfolgt zusammen mit einer psychotherapeutischen und psychiatrischen Befürwortung und nach ausführlicher somatischer Abklärung die Einleitung einer gegengeschlechtlichen Hormontherapie. Sollte im weiteren Verlauf der Wunsch nach geschlechtsangleichenden Operationen bestehen, so werden diese üblicherweise nach einer weiteren Befürwortung seitens der begleitenden Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen und Einholung der Kostenübernahme bei der betreffenden Krankenkasse nach einem Jahr durchgeführt.
Das Prinzip der penilen Inversions-Vaginoplastik ist es, durch die invertierte Penisschafthaut eine Neovagina zu bilden, wobei aus dem dorsalen Teil der Glans penis, gestielt am dorsalen Gefäß-Nerven-Bündel, eine Neoklitoris konstruiert wird. Das innere Präputialblatt ermöglicht die Bildung von kleinen Schamlippen, wobei aus dem Skrotum die großen Schamlippen und die umgebende Neovulva konstruiert werden. Nicht selten muss die Neovagina noch durch zusätzliche Hauttransplantate aus dem Skrotum vertieft werden, wobei das Einschlagen der Harnröhre in den Vaginalkanal zu einem verbesserten ästhetischen Ergebnis führen kann (Abb. 1).
Abb. 1: Prinzip der penilen Inversions-Vaginoplastik. (A) Präparation der Penisschafthaut, Harnkatheter in situ. (B) Separation der Schwellkörper, Präparation des Gefäß-Nerven-Bündels mit dorsalem Anteil der Glans penis. (C) Inversion der Penisschafthaut und Einbringen dieser in die vorgefertigte Höhle zwischen Harnblase und Rektum. (D) Der dorsale Glans-Anteil gestielt am Gefäß-Nerven-Bündel bildet die Neoklitoris, dorsal davon liegt der neue Meatus urethrae externus. Die Labien werden aus der überschüssigen Skrotalhaut geformt
Hinsichtlich Wohlbefinden und Sexualität zeigen Studien im Allgemeinen einen positiven Einfluss einer geschlechtsangleichenden Operation bei Patientinnen mit MzF-Transidentität.1–10 Die postoperative Veränderung der Orgasmusfähigkeit und Orgasmusqualität ist jedoch noch nicht vollständig geklärt. Eine wichtige Rolle im Erleben von Orgasmen und Sexualität spielt neben der OP selbst auch die Hormontherapie.11 Das Ziel unserer Studie war es, die penile Inversions-Vaginoplastik hinsichtlich intra- und postoperativer Komplikationen sowie der postoperativen weiblichen Sexualfunktion zu analysieren und die Ergebnisse im Anschluss mit der bestehenden Literatur zu vergleichen.
Methodik
In diese Studie wurden alle Patientinnen eingeschlossen, die sich vom Jänner 2019 bis Mai 2021 einer penilen Inversions-Vaginoplastik unterzogen haben. Retrospektiv erfolgte die Durchsicht der Patientinnenakten in Bezug auf die Operationsmethode, intra- und postoperative Komplikationen, Revisionen und postoperative Tiefe des Vaginalkanals. Zur Evaluation der postoperativen weiblichen Sexualfunktion wurden der standardisierte „Female Sexual Function Index (FSFI) Scoring“-Fragebogen in deutscher Sprache und ein Fragebogen zum Sexualerleben prä- und postoperativ herangezogen. Der FSFI-Fragebogen besteht aus 19 Fragen zu den Themen Lustempfinden, Erregbarkeit, Lubrikation, Orgasmusfähigkeit, Befriedigung und Schmerzen. Die maximale Punkteanzahl liegt bei 36. Der Fragebogen zum Sexualerleben prä- und postoperativ analysiert, ob sich die zuletzt genannten Parameter postoperativ verändert haben.
Ergebnisse
Insgesamt haben sich vom Jänner 2019 bis Mai 2021 19 Patientinnen einer penilen Inversions-Vaginoplastik unterzogen (Abb. 2). Bei 3 Patientinnen wurde bei insuffizienter Penishaut und nicht ausreichenden Vollhauttransplantaten aus dem Skrotum zusätzlich eine dermale Matrix zur Bildung des Vaginalkanals verwendet. Das mediane Alter zum Operationszeitpunkt lag bei 28 Jahren. Der mediane Nachbehandlungszeitraum betrug 10 Monate. Intraoperativ kam es bei einer Patientin zu einer rektalen Verletzung. Direkt postoperativ musste eine Patientin bei einem Hämatom an der Neovulva revidiert werden. Im langfristigen Verlauf wurden Revisionen aufgrund vaginaler Stenosen bei 4 Patientinnen und aufgrund meataler Stenosen mit unförmigem Harnstrahl bei 3 Patientinnen durchgeführt. Die mediane Penetrationstiefe betrug 14cm und der mediane Durchmesser 3cm.
Abb. 2: Penile Inversions-Vaginoplastik. (A) Operationsergebnis direkt postoperativ, (B) mit Darstellung der Penetrationstiefe von 14cm mit einem Durchmesser von 3cm. (C) 8 Monate postoperativ ohne Korrektureingriffe
Elf Patientinnen haben die Fragebögen zur Evaluation der Sexualfunktion ausgefüllt. Das Durchschnittsalter unter ihnen lag bei 33 Jahren (18–56). Der durchschnittliche FSFI-Score unter allen Teilnehmerinnen war 17 (2–31). 8 der Teilnehmerinnen waren postoperativ sexuell aktiv (72,7%). Unter ihnen zeigte sich der mittlere FSFI-Score bei 22,8 (11,7–31). Die Zufriedenheit mit der Orgasmusfähigkeit war hoch: 3,9 auf einer 0–5-Punkte-Skala. Die Gesamtzufriedenheit mit dem eigenen Sexualleben wurde mit durchschnittlich 3,5 auf einer 0–5-Punkte-Skala bewertet. Alle bis auf eine der sexuell aktiven Patientinnen berichteten, dass sich die Orgasmusqualität zum Positiven bzw. stark zum Positiven verändert hat (87,5%). 54,5% der Teilnehmerinnen weisen eine gesteigerte Orgasmusintensität auf.
Diskussion
Die Komplikationsrate bei Vaginoplastiken kann durch hochstandardisierte Operationsverfahren deutlich gesenkt werden.12 Dabei sind Majorkomplikationen wie intraoperative rektale und urethrale Verletzungen sowie rektoneovaginale Fisteln im Verlauf selten. Revisionsbedürftige Minorkomplikationen wie vaginale und meatale Stenosen wurden häufiger beobachtet. Inbegriffen ist auch der Wunsch nach ästhetischer Korrektur, wobei eine eindeutige Trennung zwischen ästhetischen und funktionellen Eingriffen retrospektiv nicht getroffen werden kann. Jedoch kann ein Großteil der vaginalen Stenosen auf die Noncompliance der Patientinnen durch vernachlässigte Dilatation zurückgeführt werden.
Es ist davon auszugehen, dass die gesteigerte Zufriedenheit mit dem eigenen Sexualerleben und der Orgasmusqualität auf die durch die Operation geschaffene Kongruenz zwischen Körper und Identität zurückzuführen ist, also auf das Gefühl, im richtigen Körper zu sein. Hingegen ist eine gesteigerte neoklitoriale Sensibilität durch die Operation als unwahrscheinlich zu betrachten.13 Die operative Manipulation des Gefäß-Nerven-Bündels scheint die Sensibilität, wie sie zuvor an der Glans penis vorhanden war, nicht zu erhöhen, aber – wie die positiven Resultate zeigen – auch nicht wesentlich zu verringern. Auch die präoperativ begonnene Hormontherapie wird als günstig in ihrer Auswirkung auf das Sexualleben erachtet11 und fließt somit positiv in das Ergebnis ein.
Limitationen
Als Limitationen der Untersuchungen ist zum einen der geringe Stichprobenumfang zu nennen. Durch den retrospektiven Charakter ergab sich nur eine mäßige Rückmeldungsrate. Ein Bias kann zum anderen sein, dass die Antworten hinsichtlich Sexualfunktion eher den subjektiven Wünschen der Patientinnen als der tatsächlichen Situation entsprechen. Abschließend ist zu erwähnen, dass der FSFI für das biologisch weibliche Geschlecht konzipiert ist. Zur Evaluation der Sexualfunktion von Mann-zu-Frau-transidenten Patientinnen bedarf es eines standardisierten Fragebogens speziell für diese Patientinnengruppe.
Conclusio
Durch hochstandardisierte Operationsverfahren ist es möglich, die Komplikationsrate bei Vaginoplastiken deutlich zu senken. Bei den meisten Patientinnen konnte eine erfolgreiche Vaginoplastik ohne Sekundäroperationen durchgeführt werden. Intraoperativ war die Komplikationsrate gering. Postoperative Komplikationen wurden häufiger registriert, können jedoch als einfach zu behandelnde Minorkomplikationen eingestuft werden. Hinsichtlich der Sexualfunktion zeigte sich, dass der Großteil der Patientinnen postoperativ sexuell aktiv ist, was für eine zufriedenstellende Sexualfunktion spricht. Bezüglich Orgasmusfähigkeit, -intensität und -qualität herrschte eine hohe Zufriedenheitsrate und auch die Gesamtzufriedenheit mit dem Sexualleben postoperativ zeigte sich insgesamt als hoch.
Literatur:
1 De Cuypere G et al.: Sexual and physical health after sex reassignment surgery. Arch Sex Behav 2005; 34: 679-90 2 Gijs L, Brewaeys A: Surgical treatment of gender dysphoria in adults and adolescents: Recent developments, effectiveness, and challenges. Annu Rev Sex Res 2007; 18: 178-224 3 Happich FJ: Postoperative Ergebnisse bei Transsexualit unter besonderer Berücksichtigung der Zufriedenheit – eine Nachuntersuchung. University of Duisburg-Essen 2007 4 Hess J et al.: Satisfaction with male-to-female gender reassignment surgery - results of a retrospective analysis. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 795-801 5 Imbimbo C et al.: A report from a single institute’s 14-year experience in treatment of male-to-female transsexuals. J Sex Med 2009; 6: 2736-45 6 Klein C, Gorzalka BB: Sexual functioning in transsexuals following hormone therapy and genital surgery: a review. J Sex Med 2009; 6: 2922-39 7 Krege S et al.: Male-to-female transsexualism: a technique, results and long-term follow-up in 66 patients. BJU Int 2001; 88: 396-402 8 Perovic SV et al.: Vaginoplasty in male transsexuals using penile skin and a urethral flap. BJU Int 2000; 86: 843-50 9 Pfäfflin F, Junge A: Geschlechtsumwandlung – Abhandlungen zur Transsexualität. Schattauer, F.K. Verlag, 1992 10 Sohn MH et al.: Operative Genitalangleichung bei Mann-zu-Frau-Transsexualität: Gibt es Leitlinien oder Standards? Handchir Mikrochir Plast Chir 2013; 45: 207-10 11 Bartolucci C et al.: Sexual quality of life in gender-dysphoric adults before genital sex reassignment surgery. J Sex Med 2015; 12: 180-8 12 Buncamper ME et al.: Penile inversion vaginoplasty with or without additional full-thickness skin graft: to graft or not to graft? Plast Reconstr Surg 2017; 139: 649e-656e 13 Hess J et al.: Sexuality after male-to-female gender affirmation surgery. Biomed Res Int 2018; 2018: 9037979