
Funktionell-ästhetische Nagelchirurgie
Autor:
Prof. Dr. Eckart Haneke
Dermatologische Klinik Inselspital
Universität Bern, Schweiz
Dermatologische Praxis Dermaticum
Freiburg, Deutschland
Centro de Dermatologia Epidermis, Instituto CUF Porto, Portugal
E-Mail: haneke@gmx.net
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Die Entwicklung der Nagelchirurgie ist im Vergleich zu anderen chirurgischen Disziplinen noch wenig weit fortgeschritten. Dennoch stehen verschiedene Methoden sowohl zur Diagnosestellung als auch zur funktionellen bzw. ästhetischen chirurgischen Sanierung zur Verfügung, die großteils hervorragende Resultate erzielen.
Keypoints
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Das in der knöchernen Endphalanx verankerte Nagelbett bildet zusammen mit der Nagelmatrix den Nagelapparat, der auch die Sehnen, Aponeurosen und Ligamente des Interphalangealgelenks umfasst.
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Zur Diagnose von Nagelveränderungen stehen zahlreiche Biopsiemethoden zur Verfügung.
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Die myxoide Pseudozyste zählt zu den häufigsten tumorösen Veränderungen, die mit einer hohen Erfolgsrate chirurgisch vollständig entfernt werden kann.
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Auch die chirurgische Entfernung von subungualen Exostosen bringt hervorragende funktionelle und ästhetische Resultate.
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Die meisten Nageltumoren sind selten – die chirurgische Entfernung gestaltet sich je nach Lokalisation und Größe unterschiedlich.
Der Nagelapparat ist eine komplexe Struktur, die aus epithelialen und mesenchymalen Anteilen besteht. Die Matrix bildet die Nagelplatte, in Laienkreisen allgemein als der „Nagel“ bezeichnet, und das Nagelbett verankert sie fest auf der dorsalen Fläche der knöchernen Endphalanx. Nur wenn Nagelbett und Matrix ideal zusammenarbeiten, kann es einen normalen Nagel geben. Der Endphalanxknochen ist die Voraussetzung, dass überhaupt ein Nagelapparat angelegt werden kann, die Knochenform und -größe bestimmen die des Nagels. Die Nagelwälle umgeben den Nagel an drei Seiten: Der proximale Nagelwall bedeckt fast die gesamte Matrix, die seitlichen Nagelwälle dienen gewissermaßen als Führung des herauswachsenden Nagels.
Ein distaler (falscher) Nagelwall ist meist das Ergebnis eines über längere Zeit zu kurzen oder fehlenden Nagels oder einer Onycholyse und führt insbesondere zur longitudinalen Nagelbettschrumpfung („disappearing nail bed“) mit Bildung eines dicken, gelblichen, oft quer gerillten Nagels. Verkürzung oder gar Verlust des proximalen Nagelwalls ist meist das Ergebnis eines sogenannten „habit tic“, bei dem der Nagelwall geradezu manisch zurückgeschoben wird; dies ist als zentral im Nagel liegende Reihe von Querrillen und exzessiv großer, langer Lunula zu erkennen. Davon abzugrenzen ist die Dystrophia unguis mediana canaliformis, bei der ein von proximal nach distal verlaufender Spalt im Nagel zu sehen ist, von dem aus sich schräg nach proximal laufende Furchen erstrecken, sodass das Bild eines umgedrehten Weihnachtsbaums entsteht.
Integraler Bestandteil des Nagelapparates sind das distale Interphalangealgelenk sowie dessen Sehnen, Aponeurosen und Ligamente; dies wird besonders deutlich bei der psoriatischen Arthritis. Für chirurgische Eingriffe am Nagelapparat sind die genauen anatomischen Beziehungen von Matrix zur darunterliegenden Strecksehne des Fingers wichtig; hier beträgt der Abstand etwa 0,8 bis 1mm.1
Voraussetzung eines Eingriffs am Nagel ist eine ausreichende Anästhesie. Wir bevorzugen Ropivacain 0,5–1%, das so schnell wirkt wie Lidocain und so lange wie Bupivacain. Grundsätzlich für alle Nageloperationen geeignet ist ein proximaler Block, an den Fingern 2 bis 4 als sog. transthekaler Block.1
Diagnostik von Nagelveränderungen
Viele Hautkrankheiten gehen mit unschönen Nagelveränderungen einher. Sie sind nicht immer einfach zu diagnostizieren, besonders wenn nur der Nagel betroffen ist. Eine Biopsie des Nagelorgans kann angezeigt sein, um eine korrekte Diagnose zu stellen und eine geeignete Behandlung einleiten zu können.
Zahlreiche Biopsiemethoden stehen zur Verfügung: Mit einem einfachen Nagelclipping lassen sich Onychomykosen meist von anderen Erkrankungen sicher abgrenzen, eine Nagelpsoriasis diagnostizieren und verschiedene andere Onychopathien vermuten oder ausschließen. Das Nagelmaterial kann trocken in einem Briefumschlag zum Histopathologielabor geschickt werden. Veränderungen im Nagelbett können mit einer Stanz- oder längs orientierten spindelförmigen Biopsie diagnostiziert werden. Matrixveränderungen können ebenfalls gestanzt werden, der Durchmesser sollte jedoch 3mm keineswegs überschreiten, um eine postbioptische Nageldystrophie zu vermeiden.
Für den seitlichen Nagel einschließende Veränderungen eignet sich die laterale longitudinale Nagelbiopsie, die von der distalen dorsalen Falte des distalen Interphalangealgelenks bis zum Hyponychium reicht. Sie ermöglicht die Diagnose praktisch aller Erkrankungen von Nagelwall, Matrix, Nagelbett und Hyponychium. Dabei muss darauf geachtet werden, keinen lateral-proximalen Matrixanteil zu hinterlassen, der zu einem Nagelspiculum führen würde. Mit Rückstichnähten im proximalen Anteil des lateralen Nagelwalls lässt sich dieser einfach wiederherstellen.2
Für oberflächliche Veränderungen der Matrix, insbesondere bei Melanonychia longitudinalis oder Onychopapillom, ist die superfizielle tangentiale Matrixbiopsie geeignet, die eine ausgedehnte oberflächliche Gewebsentnahme ohne Risiko für eine postoperative Nageldystrophie erlaubt (Abb. 1). Dafür wird zunächst der proximale Nagelwall zurückgeklappt, um den Ursprung der Melanonychie sichtbar zu machen, dann wird der proximale Nagelanteil vorsichtig abgehoben und zur Seite geklappt. Nun kann der Melanozytenherd der Matrix mit einem der Verdachtsdiagnose angepassten Sicherheitsabstand tangential mit einer Dicke von etwa 0,8mm horizontal abgetragen werden (Abb. 2); das erlaubt die vollständige histopathologische Untersuchung des dünnen Exzisats und ist bei benigner Lentigo oder junktionalem Nävus auch therapeutisch ausreichend. Anschließend werden der Nagel und Nagelwall zurückgelegt und mit Nähten fixiert.1, 3
Abbildung 3 zeigt die Tangentialexzision eines Onychopapilloms, den Status prae und post OP zeigt Abbildung 4.
Abb. 3: Onychopapillom. A: Klinischer Aspekt. B: Scharfe Abtrennung der Nagelplatte über dem Onychopapillom. C: Tangentialexzision des benignen Nageltumors. D: Das Onychopapillom ist horizontal von der Mitte der Matrix bis einschließlich zum Hyponychium entfernt
Abb. 4: Onychopapillom. A: vor der Operation; B: 3 Monate postoperativ; C: 10 Monate nach der Operation
Myxoide Pseudozysten
Zu den häufigsten tumorösen Veränderungen gehört die myxoide Pseudozyste, die als noduläre Muzinose beginnt und sich allmählich zu einer zystisch anmutenden Veränderung im proximalen Nagelwall ausdehnt. Durch Druck auf die darunterliegende Matrix entsteht im Nagel eine längs verlaufende Rinne; sollte es zur Ruptur in die Nageltasche kommen, wird diese Rinne unregelmäßig entsprechend dem nachlassenden Druck. In einem hohen Prozentsatz entwickelt sich eine Verbindung mit dem Gelenk, die man mittels intraartikulärer Methylenblauinjektion sichtbar machen kann, manchmal lässt sich dann der Zysteninhalt in das Gelenk drücken.
Die Therapie kann konservativ mit Injektion von Triamcinolonacetonid oder Aethoxysklerol plus anschließendem Druckverband oder chirurgisch erfolgen. In Leitungsanästhesie wird die Pseudozyste U-förmig umschnitten und nach vorsichtiger Präparation in toto entfernt, der U-Lappen wird zurückgelegt und mit einem Druckverband versorgt. Wenn die bedeckende Haut zu dünn ist, wird ein kleiner Transpositionslappen gebildet, um den Defekt zu decken. Während die Erfolgsrate bei Lokalisation am Finger 90–95% beträgt, besteht bei Pseudozysten an den Zehen ein Rezidivrisiko von bis zu 20%, da diese Veränderungen offensichtlich unter relativ hohem Druck stehen.4
Subunguale Exostosen
Subunguale Exostosen können prinzipiell an allen Zehen oder Fingern auftreten, sind klassischerweise jedoch an der distalen medialen Endphalanx des Hallux lokalisiert. Die Diagnose lässt sich klinisch mittels Inspektion, Palpation und Diaphanoskopie stellen; ein Röntgenbild ist zur genauen Bestimmung des Sitzes und der Größe der Basis erforderlich.
In Blockanästhesie wird ein bogenförmiger Schnitt am Rand der Exostose vorgenommen und diese vom Weichgewebe sorgfältig und großzügig abpräpariert. Eine spitz zulaufende Nagelzange eignet sich hervorragend zur Entfernung der Exostose vom Knochen, eventuelle Reste können mit einem Luer entfernt werden, um eine glatte Oberfläche zu erhalten; auch kleinste Residuen können zum Rezidiv führen. Die über der Exostose liegende Haut des ehemaligen Nagelbetts ist meist pergamentartig verdünnt und kann entfernt werden. Die Zehenspitzenhaut lässt sich mit transungualen Nähten sehr gut adaptieren. Das funktionelle und ästhetische Resultat ist hervorragend.1
Weitere Nageltumoren
Die Zahl verschiedener Tumoren des Nagels ist enorm, wenn auch die meisten von ihnen eher selten sind. Unguale Fibrokeratome können sowohl auf als auch in und unter dem Nagel wachsen und sehen dann sehr unterschiedlich aus. Allen gemeinsam ist, dass sie einen fibrösen, bis praktisch auf den Knochen reichenden Kern haben. Die chirurgische Entfernung ist je nach Lokalisation und Größe unterschiedlich einfach bis schwierig: je oberflächlicher und je größer, desto einfacher. In Längsrichtig des Fibrokeratoms wird es mit einem spitzen Skalpell bis zum Knochen umschnitten und mit einer gebogenen spitzen Irisschere abgetrennt. Eine Wundnaht ist nur bei sehr großen Fibrokeratomen erforderlich.1
Maligne Tumoren des Nagels sind in erster Linie Morbus Bowen und Plattenepithelkarzinom (PE-Ca) sowie Melanom. Die Therapie der Wahl ist die mikroskopisch kontrollierte Chirurgie beim M. Bowen und PE-Ca, beim Melanom die komplette Exstirpation des Nagelapparates mit 6mm Sicherheitsabstand um seine anatomischen Grenzen; bei Vorliegen eines Hutchinson-Zeichens empfehlen wir einen Sicherheitsabstand von 10mm um den sichtbaren Rand der Pigmentierung. Es gibt zahlreiche Methoden des Wundverschlusses, von Sekundärheilung durch gezielte Granulation über sofortige oder verzögerte Deckung mit Vollhaut bis zu verschiedenen Lappenplastiken; für den Patienten ist das Abwarten einer ausreichenden Granulation zum Ausgleich des Gewebsdefektes und spätere Vollhautdeckung meist sowohl funktionell als auch ästhetisch am besten.
Fazit
Dieser kurze Abriss über einige Möglichkeiten der Nagelchirugie kann natürlich nur sehr wenige Facetten dieses großen, aber leider noch unterentwickelten Gebietes der dermatologischen und plastischen Chirurgie erwähnen. Wichtig ist, dass grundsätzlich jeder nagelchirurgische Eingriff wie eine ästhetische Operation geplant wird. Ein schöner Nagel ist auch funktionell hochwertig.
Literatur:
1 Richert B, Di Chiacchio N, Haneke E: Nail Surgery. New York/London: Informa healthcare, 2011 2 Haneke E: Reconstruction of the lateral nail fold after lateral longitudinal nail biopsy. In: Robins P (ed): Surgical Gems in Dermatology. New York: Journal Publ Group, 1988. 91-3 3 Di Chiacchio N et al.: La extirpación tangencial para el diagnostic y tratamiento de melanoniquia longitudinal. Tangential excision for the diagnosis and/or treatment of longitudinal melanonychias. (Engl & Span) Dermatol Rev Mex 2013; 57: 289-93 4 Haneke E: Operative Therapie der myxoiden Pseudozyste. In: Haneke E, Ed.: Gegenwärtiger Stand der operativen Dermatologie. Fortschritte der operativen Dermatologie 4, Heidelberg: Springer, 1988. 221-7
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