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Rauchentwöhnung

Zumindest der Umwelt zuliebe

Medizinischem Personal obliegt auch die Verantwortung, Patient*innen in Lebensentscheidungen, die mit ihrer Gesundheit zusammenhängen, zu beraten – so auch bei der Nikotinsucht. Dass es nicht einfach ist, gegen eine Sucht zu argumentieren, ist bekannt. Dass es trotzdem etwas bringt, zeigen wieder einmal neueste Forschungsergebnisse.

Schon alleine, weil die meisten Menschen bereits um die Schädlichkeit des Rauchens wissen, stoßen Argumente für die Nikotinentwöhnung oft auf taube Ohren. Wenn jedoch die Diagnose Lungenkrebs gestellt wurde und das eigene Überleben in direkten Zusammenhang mit dem Zigarettenkonsum gebracht werden kann, können sich neue Blickwinkel ergeben.

Für Ihre Patient*innen finden Sie im Folgenden Informationen zur Sinnhaftigkeit dessen, auch nach Lungenkrebsdiagnose mit dem Rauchen aufzuhören, und zu Irrwegen und Erfolgsrezepten bei der Entwöhnung.

Besser spät als nie

Eine systematische Literaturanalyse, die diesen Mai im Journal of Thoracic Oncology erschienen ist, bestätigt wieder einmal: Es ist nie zu spät, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Schlussfolgerung aus der Auswertung von 21 wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit über 10000 Patient*innen zwischen 1980 und 2019 ist, dass auch eine Nikotinentwöhnung in zeitlicher Nähe zur Lungenkrebsdiagnose die Gesamtüberlebensrate erhöht.1

Das zusammengefasste relative Risiko (SSR) war beim nichtkleinzelligen (SRR 0,77, 95% CI: 0,66–0,90, Studien: 8), beim kleinzelligen (SRR 0,75, 95% CI: 0,57–0,99, Studien: 4) und beim histologisch uneindeutigen Lungenkrebs (SRR 0,81, 95% CI: 0,68–0,96, Studien: 6) gleichermaßen verringert, wenn Patient*innen im Zeitraum der Diagnose mit dem Rauchen aufgehört hatten. Auch die Raten des progressionsfreien und des krankheitsfreien Überlebens erhöhten sich mit dem Rauchstopp in einem Großteil der Studien.1

Im Mittel waren die in den Studien inkludierten Patient*innen zum Zeitpunkt der Diagnose zwischen sechzig und siebzig Jahre alt. Der Anteil an männlichen Betroffenen bewegte sich zwischen 40,2% und 91,8%. Die kürzeste Nachbeobachtungszeit lag bei zwölf Monaten, die längste bei 27,7 Jahren.1

Eine US-amerikanische Kohortenstudie aus diesem Jahr analysierte Daten von 868 Krebspatient*innen, um herauszufinden, welche Kriterien sich günstig auf die Nikotinentwöhnung auswirkten. Einer der einflussreichsten Faktoren war, ob Patient*innen ihre Krebserkrankung selber mit ihrem Nikotinkonsum in Zusammenhang brachten: Bei jenen mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs ergab sich eine dreifach höhere Wahrscheinlichkeit, das Rauchen aufzugeben, als bei solchen mit Krebsarten, die nicht direkt mit dem Rauchen in Verbindung zu stehen schienen.2 Das bedeut jedoch nicht, dass zwischen anderen Krebsarten und Nikotingenuss kein Zusammenhang auszumachen ist. So ist zum Beispiel nachgewiesen, dass Rauchen unter den Lifestyle-Faktoren einen den größten Risikofaktoren für Brustkrebs darstellt.3

Es mag also von Vorteil sein, Patient*innen gegenüber sowohl die Kausalität zu betonen als auch sie darauf hinzuweisen, dass nachgewiesen wurde, dass ein Rauchstopp auch dann noch sinnvoll ist, wenn die erschreckende Diagnose bereits gestellt wurde.

Trugschluss E-Zigaretten

In einem Aufklärungsgespräch ist es auch wichtig, sich neuester Trends in der Rauchentwöhnung bewusst zu sein. So versuchen seit dem Aufkommen der E-Zigaretten viele Raucher*innen, diese zur Entwöhnung zu nutzen. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt jedoch, dass durch den Wechsel auf die E-Zigarette oder auf erhitzte Tabakprodukte das Suchtproblem sogar noch verstärkt werden kann: Die damit assoziierte Abhängigkeit ist größer als bei Zigaretten. Außerdem enthalten die modernen Zigaretten-Alternativen ebenso viele toxische Substanzen und Teer wie herkömmliche Tabakprodukte.4

„Weder ist ein positiver Effekt auf die Nikotinabstinenz feststellbar noch sind die freigesetzten Inhaltsstoffe alles andere als unproblematisch“, bestätigt Prim. Assoz. Prof. Priv.-Doz. Christopher Lambers vom Ordensklinikum Linz Elisabethinen, Leiter des Arbeitskreises Umwelt-, Arbeitsmedizin und Tabakrestriktion. „Daher muss zusammenfassend gesagt werden, dass alle erhitzten Tabakprodukte sowohl abhängig machen als auch grundlegend karzinogen für den Menschen sind. Dies gilt auch für E-Zigaretten.“4

Nikotin mit Nikotin zu bekämpfen ist also nur bei den manchmal unbeliebten Nikotinkaugummis und -pflastern ein Weg zum Erfolg.

Die Last der Kosten

Es ist nur schwer möglich, eine Sucht abzulegen wie ein Paar Handschuhe. Oftmals braucht es nicht nur einen starken Willen, sondern auch externe Unterstützung, um mit dem Rauchen aufzuhören.

Neben einer Menge kostenloser Angebote wie zum Beispiel Apps oder Selbsthilfegruppen gibt es auch Hilfsmaßnahmen, die teuer werden können: Medikamentöse Unterstützung, Therapien und Kuren fallen in diese Kategorie. Im deutschsprachigen Raum besteht jedoch in vielen Fällen die Möglichkeit, eine Kostenübernahme durch Krankenkassen zu beantragen.

In der Schweiz werden zum Beispiel nikotinhaltige Medikamente von der Grundversicherung gezahlt, wenn die Einnahme von einer dreimonatigen Verhaltenstherapie begleitet wird. Auch eine alleinstehende Verhaltenstherapie wird unterstützt. Ausgenommen von dieser Regelung sind jedoch leichte Raucher, also solche, die weniger als zehn Zigaretten pro Tag oder erst seit Kurzem rauchen. Diese können erst bei einer Erkrankung mit der finanziellen Unterstützung der Kassen rechnen.4

In Deutschland werden von den Krankenkassen die Kosten für Gesundheitskurse übernommen. Das geschieht meist anteilig, wobei die Höhe des Selbstbehalts von der jeweiligen Krankenkasse abhängt. Zwei solcher Kurse zur Rauchentwöhnung werden Kassenpatient*innen in der Regel pro Jahr gewährt. Alternativ ist eine Verhaltenstherapie möglich. Chance auf die Erstattung von Nikotinersatzprodukten besteht in Deutschland nicht.6

In Österreich können ebenfalls Kurse zur Rauchentwöhnung in Anspruch genommen werden – oft werden diese direkt von den Krankenkassen organisiert und veranstaltet. Auch Online-Kurse und Expert*innengespräche werden angeboten. Je nach Kasse fällt jedoch ein geringer Selbstbehalt an.7,8

In allen drei Ländern werden die Kosten für Akupunktur- und Hypnosetherapien nicht übernommen. Ein grenzübergreifender Tipp für Raucher*innen ist, Zusatzversicherungen abzuschließen.

Zusammen ist man weniger allein

Ein besonderes Angebot in Österreich ist das Rauchfrei Telefon. Ein Team von Gesundheitspsychologinnen steht Entwöhnungswilligen an Werktagen telefonisch kostenfrei zur Verfügung. Sie beraten, begleiten und informieren.9

Möchten Ärzt*innen Informationsmaterial für ihre Patient*innen bestellen oder mehr über Gesprächsstrategien zur Nikotinentwöhnung erfahren, ist auch für sie das Rauchfrei Telefon die richtige Nummer. Außerdem können sie über das „Rauchfrei Ticket“ direkt während der Sprechstunde online oder per Formular einen Gesprächstermin mit den Expertinnen buchen, die sich dann zum vereinbarten Zeitpunkt telefonisch bei den Patient*innen melden.10

Auch weitere Möglichkeiten zur Überweisung gilt es, im Auge zu behalten: Manchmal sind die Gründe fürs Rauchen Stresssituationen, psychische Schwierigkeiten oder andere Suchterkrankungen. Doch auch wenn Rauchen wie eine gesundheitsschädliche, aber effiziente Methode für Stressabbau und Entlastung wirken mag, ist genau das Gegenteil der Fall. Eine Überblicksstudie aus dem Jahr 2014 zeigte durch eine systematische Analyse und Metaanalyse von 26 Studien, dass sich ein Rauchstopp positiv in Hinblick auf Depression, Angst, Stress, Stimmung und Lebensqualität auswirkt.11

Mit Engelszungen

Große Überredungskünste scheinen aber nicht nötig zu sein, um bei manchen Raucher*innen den Stein der Entwöhnung ins Rollen zu bringen. Auf der Seite des Rauchfrei Telefons ist zu lesen: „Auch wenn im Alltag manchmal der Eindruck entsteht, die Empfehlung zum Rauchstopp wird nicht umgesetzt, können Sie darauf vertrauen, dass schon Ihre kurze Empfehlung das Rauchen zu beenden die Motivation zum Rauchstopp und die Rauchstoppversuche signifikant erhöht.“9

Und sollten sich Ihre Patient*innen wenig um ihre eigene Gesundheit sorgen, können Sie immer noch an ihr Umweltbewusstsein appellieren. Denn Zigarettenkonsum schadet nicht nur dem menschlichen Gewebe, sondern trägt auch maßgeblich zum Klimawandel bei. „Tabakanbau, Herstellung und Vertrieb der Zigaretten sowie der Abfall, die Zigarettenstummel, machen den Ökosystemen der Erde massiv zu schaffen“, erklärt Christopher Lambers.4

Mit dem Rauchen aufzuhören ist also in jedem Falle eine gute Idee.

1 Caini et al.: Quitting smoking at or around diagnosis improves the overall survival of lung cancer patients: a systematic review and meta-analysis. J Thorac Oncol 2022; 17(5): 623-36 2 Gummerson et al.: The characteristics of patients who quit smoking in the year following a cancer diagnosis. J Cancer Surviv 2022; 16: 111-18 3 Kispert S et al.: Recent insights into cigarette smoking as a lifestyle risk factor for breast cancer. Breast Cancer 2017; 9: 127-32 4 Österreichische Gesellschaft für Pneumologie: Studie zeigt: E-Zigaretten eignen sich nicht zur Rauchentwöhnung. Urban & Schenk 2022 5 Mit dem Rauchen aufhören: Welche Massnahmen bezahlt die Krankenkasse? Online unter https://www.versicherung-schweiz.ch/ratgeber/rauchen-aufhoeren-krankenkasse . Abgerufen am 20.06.2022 6 Schlicht A: Raucherentwöhnung – So unterstützt Sie die Krankenversicherung. Online unter https://www.krankenversicherung.net/raucher . Abgerufen am 20.06.2022 7 Endlich rauchfrei! Die BVAEB unterstützt Sie dabei. Online unter https://www.bvaeb.at/cdscontent/?contentid=10007.840452# . Abgerufen am 20.06.2022 8 Raucherentwöhnung der Österreichischen Gesundheitskasse. Online unter https://www.svs.at/cdscontent/?contentid=10007.835015 . Abgerufen am 20.06.2022 9 Rauchfrei Telefon. Online unter https://rauchfrei.at/ . Abgerufen am 20.06.2022 10 Registrierung und Anmeldung Rauchfrei Ticket. Online unter https://rauchfrei.at/fuer-gesundheitsberufe/das-rauchfrei-ticket-fuer-gesundheitsprofessionisten/ . Abgerufen am 20.06.2022 11 Taylor G et al.: Change in mental health after smoking cessation: systematic review and meta-analysis. BMJ 2014; 348: g1151

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