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Weitere klinisch bedeutsame Studiendaten vom SABCS 2019
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru
Klinische Abteilung für Gynäkologie<br> Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: edgar.petru@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
05.03.2020
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<p class="article-intro">Beim SABCS 2019 wurden Studiendaten präsentiert, die unseren klinischen Alltag durchaus beeinflussen können. Vier repräsentative Studien werden in diesem Artikel dargestellt.</p>
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<p class="article-content"><h2>Risiko der Strahlentherapieinduzierten Sekundärmalignome bei Patientinnen mit BRCAKeimbahnmutationen</h2> <p>Keimbahnmutationen im <em>BRCA</em>-Gen sind mit einer hohen Inzidenz und der frühen Entstehung von Brust- und Eierstockkrebs assoziiert. Es existiert die Hypothese, <em>BRCA</em>-Mutationsträgerinnen könnten empfindlicher dafür sein, Strahlungs-induzierte Sekundärmalignome zu entwickeln.<br /> Patientinnen mit <em>BRCA</em>-Keimbahnmutation (<em>BRCA1</em>: 68 % , <em>BRCA2</em>: 28 % , <em>BRCA1+2</em>: 3 % ) und einem Mammakarzinom im Stadium 0–III, die zwischen 1991 und 2012 eine adjuvante Strahlentherapie der Brust bzw. der Thoraxwand mit einer Nachbeobachtungszeit von >5 Jahre erhalten hatten, wurden aus einer multizentrischen israelischen Datenbank identifiziert.<sup>1</sup> Patientinnen, die eine prophylaktische Radiotherapie (RT) der kontralateralen Brust innerhalb einer nationalen Studie erhielten, wurden inkludiert.<br /> 230 Patientinnen stellten die Studienpopulation dar. Das mediane Alter der Patientinnen bei Diagnose des Mammakarzinoms betrug 46 Jahre und die mediane Nachbeobachtungdauer 11 Jahre (Spannweite: 5–27 Jahre; gesamt 3042 Frauenjahre). 84 % der Patientinnen wurden unilateral bestrahlt und 7 % beidseitig wegen bilateralen Mammakarzinoms. 9 % erhielten neben der Bestrahlung der betroffenen Seite auch eine prophylaktische RT der kontralateralen, nicht neoplastisch befallenen Brust. Bei 79 % der Patientinnen wurde die Gesamtbrust und bei 21 % die Thoraxwand bestrahlt. Die Dosis für die meisten Patientinnen betrug 50 Gy.<br /> Es wurden 6 nicht-<em>BRCA</em>-bezogene Malignome der oberen Körperhälfte nach einer medianen Zeit von 138 Monaten nach Strahlentherapie diagnostiziert. Von diesen lag nur eines im RT-Feld und war stark RT-bezogen: ein Schilddrüsenkarzinom 204 Monate nach RT der Brust und der regionären Lymphknoten. Es traten 2 Fälle von Lymphomen des Thorax außerhalb des RT-Feldes auf (nach 84 bzw. 132 Monaten). Außerdem gab es 360 Monate nach Therapie eines bilateralen Mammakarzinoms ein gastrointestinales Adenokarzinom. Ein Magenkarzinom 54 Monate nach RT und ein linksseitiges Bronchuskarzinom 144 Monate nach der RT der rechten Brust wurden ebenso diagnostiziert.</p> <p><strong>Klinische Interpretation und Konsequenzen:</strong><br /> Die bisher größte Serie zu Sekundärmalignomen nach RT der Brust von <em>BRCA</em>-mutierten Patientinnen mit über 3000 Frauenjahren einer Nachbeobachtung ergab kein Signal für erhöhte Inzidenz von Sekundärmalignomen. Die therapeutische und prophylaktische RT dürfte bei <em>BRCA</em>-Mutation nicht mit einem erhöhten Risiko von Sekundärmalignomen assoziiert und damit sicher sein.</p> <h2>Todesursachen von Brustkrebspatientinnen</h2> <p>Wenn Patientinnen mit Mammakarzinom eine bessere Prognose aufweisen, kommt den Todesursachen durch andere Krankheiten als Brustkrebs besondere Bedeutung zu. Die vorliegende Studie umfasste 50 481 finnische Patientinnen, die zwischen 1971 und 2000 diagnostiziert worden waren und deren Krankheitsdaten Einzug in ein Register erfuhren.<sup>2</sup><br /> 30 841 Todesfälle traten auf. 41 % der Patientinnen starben an Ursachen, die keinen Bezug zum Mammakarzinom aufwiesen (SMR, standardisierte Mortalitätsrate: 2,71). Bei Frauen vor dem 50. Lebensjahr betrug die SMR für andere Malignome wie das Magenkarzinom 2,25, für Karzinome des Larynx, der Trachea und der Lunge 1,84 und für das Ovarialkarzinom 1,49. Bei Frauen nach dem 50. Lebensjahr trat nur das Magenkarzinom signifikant häufiger auf (SMR: 1,31). Die SMR für Erkrankungen des respiratorischen Systems traten signifikant vermehrt nur in der Gruppe von >50-Jährigen auf.</p> <p><strong>Klinische Interpretation und Konsequenzen:</strong><br /> Die vorliegende Studie weist bezüglich der Todesursachen erstens eine hohe Rate von nicht-Brustkrebs-assoziierten Erkrankungen auf. Dabei waren Variationen beim Alter, der Histologie und der Nachbeobachtungszeit zu erkennen. Genetische und Umweltfaktoren könnten hier eine Rolle spielen.</p> <h2>Leptomeningeale Karzinomatose bei Patientinnen mit Mammakarzinom und Prognose</h2> <p>Eine Leptomeningeose kann aufgrund von Invasion auch kleiner Herde des Gehirns oder der Knochen per contingentatem auftreten. Auch kann eine Leptomeningeose hämatogen ausgelöst sein. Bisher betrug die Prognose 1–4 Monate. Leptomeningeose wird nur zu 60 % durch den Nachweis maligner Tumorzellen im Liquor diagnostiziert.<br /> In einer amerikanischen Institution wurden während eines 10-jährigen Zeitraums 69 Patientinnen mit Mammakarzinom und Leptomeningeose diagnostiziert. Das mediane Alter der Patientinnen betrug 56 Jahre, der ECOG-Status betrug bei 86 % 0–2. Das mediane Alter zwischen Diagnosestellung des Mammakarzinoms bei der ersten Metastasierung und der Leptomeningeose betrug 9 Monate. Von den Patientinnen mit Lumbalpunktion wiesen 52 % eine positive CSF-Zytologie auf. Bei 99 % der Patientinnen war das MRT positiv. 41 % der Patientinnen erhielten eine Systemtherapie, RT (35 % ) und ebenso 35 % eine intrathekale Chemotherapie. Das mediane Überleben betrug 2,4 Monate bei Patientinnen mit ER/PR-positiven Tumoren. Diese Patientinnen wiesen ein längeres Überleben als jene mit HER2-Überexpression (HER2: 1,3 Monate) und mit tripelnegativen Tumoren auf.<sup>3</sup> Patientinnen mit negativer Liquorzytologie wiesen ein längeres Gesamtüberleben im Vergleich zu jenen mit positiven Liquorzellen auf (9,8 versus 0,7 Monate). Patientinnen mit Wechsel der Systemtherapie wiesen ein verlängertes Gesamtüberleben auf.</p> <p><strong>Klinische Interpretation und Konsequenzen:</strong><br /> Tripelnegative und HER2-positive Patientinnen mit Leptomeningeose weisen eine besonders ungünstige Prognose auf.</p> <h2>(In)Effektivität von Staging-Untersuchungen bei asymptomatischen Patientinnen mit Brustkrebs in der Nachsorge</h2> <p>Beim Brustkrebs existieren keine Daten, die die Wertigkeit anderer Untersuchungen als die jährliche Mammografie wie Labortests, andere radiologische Untersuchungen in der Nachsorge bewiesen haben. Cruz et al. führten in einer retrospektiven Untersuchung während 5 Jahren bei 576 Patientinnen in der Nachsorge Staging- Untersuchungen einschließlich Knochenszintigrafie, Thorax-Röntgen, Leberultraschall oder Computertomogramm des Thorax und der Leber sowie einer Bestimmung des CA 15/3 durch, um asymptomatische Rezidive zu entdecken.<sup>4</sup><br /> Alle Patientinnen wiesen die Stadien I–III auf. Das mediane Alter betrug 59 Jahre. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 43 Monate (Spannweite: 24,6–61,4 Jahre). 2,1 % der Staging-Untersuchungen waren positiv (9/433), davon 8/9 (89 % ) aufgrund von Knochenmetastasen. Das progressionsfreie Überleben (PFS) dieser 9 Patientinnen betrug 30 Monate und die Rate des 5-Jahres-Überlebens war 63 % . Während der Nachbeobachtung nach der Entlassung aus der Nachsorge entwickelten 24 von 549 Patientinnen (4 % ) ein Rezidiv, 3,1 % (17/549) mit Fernmetastasen. Letztere umfassten zu 71 % viszerale Metastasen und zu 29 % Knochenmetastasen. Die 17 Patientinnen wiesen ein PFS von 16 Monaten auf. Bei Patientinnen mit Knochenmetastasen unterschied sich das mediane PFS zwischen asymptomatischen und symptomatischen Patientinnen nicht (p=0,37), wohl aber war das Überleben asymptomatischer Patientinnen günstiger als jenes mit symptomatischen Metastasen (p=0,029).</p> <p><strong>Klinische Interpretation und Konsequenzen:</strong><br /> Die Rate der Entdeckung asymptomatischer Rezidive war niedrig und umfasste v.a. Knochenmetastasen. Dennoch schien sie im Vergleich zu symptomatischen Knochenmetastasen das Gesamtüberleben positiv zu beeinflussen. Viszerale Metastasen wurden häufiger bei symptomatischen Patientinnen festgestellt. Neue Studien sind notwendig, um die Wertigkeit von Staging-Untersuchungen in der Nachsorge zu evaluieren, insbesondere die Kosteneffektivität eines solchen Vorgehens.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Schlosser S et al.: Risk of radiation-induced secondary malignancies in gBRCA carriers following breast cancer therapy. SABCS 2019, Abstr. #PD6-4 <strong>2</strong> Katuwal et al.: Causes of death among breast cancer patients and their relationship to etiology of breast cancer. SABCS 2019, Abstr. #P5-07-13 <strong>3</strong> Rinehardt et al.: Assessment of leptomeningeal carcinomatosis management and outcomes in patients with advanced breast cancer from 2005 to 2015. SABCS 2019, Abstr. #P2-20-P07 <strong>4</strong> Cruz A et al.: The (in)effectiveness of staging exams in asymptomatic breast cancer. SABCS 2019, Abstr. #P2-03-01</p>
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