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Was gibt es Neues beim Ovarialkarzinom?
Jatros
Autor:
OA Dr. Christian Schauer
Abteilung für Gynäkologie<br> KH der Barmherzigen Brüder, Graz<br> E-Mail: christian.schauer@bbgraz.at
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-intro">Im Wesentlichen möchte ich im Folgenden die vier meistbeachteten Diskussionen zum Thema Ovarialkarzinom im Rahmen des Annual Meetings der ASCO 2016 zusammenfassen und dem Leser näherbringen. Die Berichte wurden sehr kontroversiell diskutiert, und Änderungen für den klinischen Alltag konnten größtenteils nicht erkannt werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Intraperitoneale Chemotherapie</h2> <p>Im März des heurigen Jahres wurden im Rahmen des Women’s Cancer Meetings in San Diego die Ergebnisse der Studie GOG252 vorgestellt.<sup>1</sup> Die Studie war in eindrücklicher Art negativ. Ein Vorteil für die IP-Chemotherapie konnte nicht nachvollzogen werden, die Daten der Armstrong-Studie GOG172 konnten einmal mehr nicht untermauert werden (Abb. 1).<br /> Von vielen Kliniken wurde die intraperitoneale Chemotherapie für tot erklärt. Somit beschäftigte sich auch ein ganzer Block von Vorträgen im Rahmen des ASCO-Meetings mit der intraperitonealen Chemotherapie. Helen J. MacKay aus Toronto beschäftigte sich mit der Frage, wohin die Reise der intraperitonealen Chemotherapie nach diesen neuen Ergebnissen geht. Sie legte dar, dass die Diskussion noch immer kontroversiell ist, die Überlebensdaten der Studie GOG 252 abgewartet werden müssen und bis dahin die IP-Therapie, kombiniert mit IC-Chemotherapie, noch immer eine Behandlungsoption für Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarial- oder Tubenkarzinom ist.<br /> Charlie Gourley aus dem Cancer Research Team der University Edinburgh erklärte, dass die Idee, eine erhöhte Dosis Carboplatin mittels IP-Chemotherapie an die Krebszelle zu bringen, eine gute ist und nicht gleich verworfen werden sollte. Vielmehr muss die genaue Krebsbiologie erforscht werden und die Frage, für welche Fälle die IP-Chemotherapie von besonderem Nutzen ist, geklärt werden.<br /> Tatsache ist, dass in Österreich laut einer Umfrage im Juni in allen Zentren mit Ausnahme des BHB Graz keine IP-Therapie mehr verwendet wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite120.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>MITO-8-Ergebnisse wurden am ASCO 2016 präsentiert</h2> <p>Ziel der MITO-8-Studie<sup>2</sup> ist es, den Effekt der Verzögerung des platinfreien Intervalls bei rekurrentem Ovarialkarzinom nach 6–12 Monaten zu zeigen. Hintergrund dafür ist eine Diskussion, die über 20 Jahre geführt wurde und in der der Verdacht geäußert wurde, dass die Verlängerung des platinfreien Intervalls zu einem besseren Ansprechen auf Platin insgesamt und folglich zu einem verlängerten Überleben führen kann. Bei der Gruppe der sogenannten partiell Sensitiven hat man daher versucht, Einzelsubstanzen wie Topotecan, Caelyx, Gemcitabin, Taxane oder neuerlich Trabectedin zu verabreichen, um das platinfreie Intervall zu verlängern und danach eine platinhaltige Kombination zu verabreichen. Diese These stützt sich auf retrospektive Beobachtungen in der sogenannten SOKRATES-Studie. Prospektive Daten gab es bis zu MITO-8 nicht. Ergebnisse: Der primäre Endpunkt von MITO-8 ist das Gesamtüberleben, die sekundären Endpunkte sind PFS, gesamte Ansprechrate, Lebensqualität, Toxizitäten und PFS 1. Die Studie rekrutierte von 2009 an und musste wegen langsamer Rekrutierung 2015 mit 215 eingeschlossenen Patientinnen geschlossen werden. Nach 141 Events wurde die finale Analyse durchgeführt. Das PFS 1 lag im Platinarm bei 9 Monaten, im Non-Platinarm bei 5 Monaten. Beim PFS 2 wurde der Platinarm, der auf Nichtplatinsubstanz wechselte, mit 16,4 Monaten angegeben und der Non-Platinarm, der auf Platin wechselte, mit 12,8 Monaten. Für das OS ergab das 25,4 vs. 21,8 Monate für die gleich mit Platin behandelten Patientinnen. Eine HR von 1,38 ergab somit eine deutliche Signifikanz trotz verminderter Patientenzahlen.<br /> Schlussfolgerung: Künstliche Verlängerung des platinfreien Intervalls mit nicht platinhältigen Substanzen verbessert nicht das Ansprechen und das Outcome von OC-Patientinnen, sondern verschlechtert es sogar. Die sofortige Therapie mit einer platinhältigen Chemotherapie bleibt Standard bei der Behandlung partiell sensitiver Ovarialkarzinome. Für diese sehr überzeichnete Feststellung erntete Sandro Pignata jedoch deutliche Kritik. Die Studie ist durch die schlechte Rekrutierung „underpowered“ und somit für kritische Betrachtungen offen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite121_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>PARP-Inhibitoren</h2> <p>Jonathan Lederman präsentierte die interimistische Overall-Survival(OS-)Analyse der Studie 19.<sup>3</sup> Die Ergebnisse der Studie 19 waren der Grund für die Zulassung von Olaparib für platinsensitive Rezidive beim Ovarialkarzinom. Olaparib ist ein potenter PARP-Inhibitor, der „base-excision repair“ blockiert und die DNA-Replikation in der Tumorzelle verhindert. Außerdem induziert Olaparib synthetische Letalität bei defizienten HRR sowie bei BRCA1 und BRCA2.<br /> In der Studie 19 wurde eine Olaparib-Maintenancetherapie im Vergleich mit Placebo getestet, wobei der primäre Endpunkt das progressionsfreie Überleben (PFS) war. Der sekundäre Endpunkt beinhaltete unter anderem das Gesamtüberleben (OS) (Abb. 3). Nach sieben Jahren ist dies derzeit die dritte interimistische OS-Analyse mit einer 77 % igen Datensicherheit. Mehrfach wurde erwähnt, dass diese Studie nicht gemacht wurde, um einen Überlebensvorteil zu zeigen, und es daher auch schwierig sein wird, eine statistische Signifikanz zu erreichen. Insgesamt gibt es mit einer HR von 0,73 einen deutlichen Trend zur OS-Verlängerung, obwohl der geforderte p-Wert von p<0,0095 nicht erreicht wurde.<br /> Der größte Überlebensvorteil wurde in der Gruppe der BRCA-mutierten Patientinnen mit einer HR von 0,62 gesehen. Sogar hier wurde die statistische Signifikanz nicht erreicht. Ein weiteres sekundäres Ziel war, die Zeiten bis zur ersten und zweiten Behandlung nach Olaparib-Therapie zu beobachten – TFST („time to first subsequent treatment“) und TSST („time to second subsequent treatment“). Beide Intervalle waren wesentlich verlängert im Vergleich zur Placebogruppe, wobei auch hier die BRCA-mutierte Gruppe am meisten profitierte. Hervozuheben ist auch, dass es eine Patientengruppe von 13 % gibt, die zumindest 5 Jahre Olaparib-Maintenancetherapie erhalten hat. Insgesamt waren die Therapien gut verträglich und es gab keine neuen Nebenwirkungsprofile.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite121_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>„Low grade serous carcinoma“ (LGSC) bei Ovarialkarzinom und Hormon­behandlung</h2> <p>LGSC ist eine kleine Subgruppe der Ovarialkarzinome (2–3 % ). Im Unterschied zu den HGSC treten sie vor allem im jüngeren Alter auf, sind chemoresistent und haben trotzdem ein längeres Gesamtüberleben im Vergleich zu den HGSC. Außerdem zeigten Wong et al eine hohe Frequenz an ER- und PR-Rezeptoren in dieser seltenen Gruppe von Karzinomen.<br /> Dies veranlasste David Gershenson vom MD Anderson, in einer retrospektiven Studie über die Jahre 1981–2013 zu untersuchen, ob eine Therapie mit hormonaler Maintenance einen Einfluss auf PFS und OS hat.<sup>4</sup> Von 544 Patientinnen waren 204 geeignet, an der Studie teilzunehmen. 134 waren in der Beobachtungsgruppe und 70 in der Hormondauertherapie. Alle Patientinnen im Stadium II–IV hatten eine zytoreduktive Therapie, gefolgt von einer platinhaltigen Chemotherapie. Die Ergebnisse waren sowohl beim PFS als auch beim OS (Abb. 4) bemerkenswert und machen Hoffnung auf eine einfache neue Therapieoption in dieser seltenen Gruppe von Ovarialkarzinomen. Angemerkt wurde die Retrospektivität als Schwäche der Studie, und es wurde somit der Ruf nach einer prospektiven Beobachtung laut.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite122.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Aus meiner Sicht sind bis auf die Hormondauertherapien beim „Low grade serous carcinoma“ des Eierstocks keine praxisändernden Therapien aus den rezenten Daten herauszulesen. Einige Studien werden jedoch in den nächsten 2–3 Jahren vor allem in der zielgerichteten Therapie die Praxis verändernde Ergebnisse bringen. In diesem Sinne heißt es weiter möglichst viele Patientinnen in Studien einzubringen. Sollte dies in Österreich nicht gelingen, muss man damit rechnen, an großen internationalen Studien in Zukunft nicht mehr so teilnehmen zu können, wie es bisher der Fall war.<br /> Daher nochmals der Appell: Patientinnen mit Eierstockkrebs sollten in hohem Maße an prospektiven randomisierten Studien teilnehmen!</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Walker JL et al: A phase III clinical trial of bevacizumab with IV versus IP chemotherapy in ovarian, fallopian tube and primary peritoneal carcinoma NCI-supplied agent(s): bevacizumab (NSC #704865, IND #7921) NCT01167712 a GOG/NRG trial (gog 252), 2016. <br /><strong>2</strong> Pignata S et al: The MITO8 phase III international multicenter randomized study testing the effect on survival of prolonging platinum-free interval (PFI) in patients with ovarian cancer (OC) recurring between 6 and 12 months after previous platinum-based chemotherapy: A collaboration of MITO, MANGO, AGO, BGOG, ENGOT, and GCIG. Presented ASCO 2016, J Clin Oncol 2016: 34: (suppl; abstr 5505)<br /><strong>3</strong> Edermann J et al: Olaparib maintenance therapy in patients with platinum-sensitive relapsed serous ova­rian cancer: a preplanned retrospective analysis of outcomes by BRCA status in a randomised phase 2 trial. Lancet Oncol 2014; 15(8): 852-61. Epub 2014 May 31<br /><strong>4</strong> Gershenson DM et al: Hormonal therapy for recurrent low-grade serous carcinoma of the ovary or peritoneum. Gynecol Oncol 2012; 125(3): 661-6. doi: 10.1016/j.ygyno.2012.02.037. Epub 2012 Mar 6<br /><br /></p>
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