© Getty Images/iStockphoto

Update vom ASH 2019 zu aggressiven Lymphomen

<p class="article-intro">Am vergangenen ASH wurden wieder zahlreiche neue Studien zum Thema aggressive Lymphome vorgestellt. Die relevantesten Ergebnisse, die die tägliche Praxis absehbar beeinflussen könnten, werden nachfolgend im Kontext etablierter Standardtherapien besprochen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ibrutinib best&auml;tigt sein Potenzial als X + R-CHOP bei DLBCL. Insbesondere Patienten mit Double-Expressor-Lymphomen (DEL) &ndash; eine Gruppe mit hohem Rezidivrisiko &ndash; scheinen davon zu profitieren.</li> <li>4 x R-CHOP etabliert sich als &bdquo;standard of care&ldquo; im Stadium I/II bei DLBCL.</li> <li>Registerstudien aus den USA zu CAR-T-Zellen bei aggressiven Lymphomen untermauern die gute Anwendbarkeit und Effektivit&auml;t in der klinischen Routine. ZUMA-2 definiert mit einem neuem CAR-T-Zell-Produkt einen m&ouml;glichen zuk&uuml;nftigen Therapiestandard beim R/R aggressiven Mantelzelllymphom.</li> <li>Mit Mosunetuzumab (BiTE) ergibt sich eine neue Option nach Versagen von CAR-TZell- Therapie.</li> </ul> </div> <h2>Ibrutinib als X + R-CHOP</h2> <p>Sechs Zyklen R-CHOP-21 gelten nach wie vor als therapeutische Standardstrategie f&uuml;r die Behandlung des diffusen gro&szlig;zelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL). Zahlreiche Studien, die nach dem Prinzip X + R-CHOP aufgebaut waren, sind in der k&uuml;rzeren Vergangenheit daran gescheitert, einen neuen &bdquo;standard of care&ldquo; zu definieren. Als Beispiele sind hier die REMoDL- B-Studie (Bortezumib), die ROBUST- Studie (Lenalidomid) oder die PHOENIX-Studie (Ibrutinib) zu nennen. Im Abstract #354 am ASH im vergangenen Jahr wurde nochmals eine Auswertung der PHOENIX-Studie, Bezug nehmend auf Double-Expressor-Lymphome, vorgenommen.<sup>1</sup> Untersuchungen der PHOENIX-Studie zum Benefit von Ibrutinib in Kombination mit R-CHOP (IR-CHOP) bei Non-GCB-Typ- DLBCL wurden schon am ASH 2018 pr&auml;sentiert. Die Rationale hierf&uuml;r besteht in der Inhibition des chronisch aktiven B-Zell- Rezeptor-Signalings des Non-GCB-Subtyps durch Ibrutinib. Zeigte sich bei der Auswertung 2018 in der ITT-Population zwar kein Benefit f&uuml;r Ibrutinib, so war in der Subgruppe der unter 60-J&auml;hrigen eine bemerkenswerte Verl&auml;ngerung der Zeit des ereignisfreien &Uuml;berlebens (EFS) und Gesamt&uuml;berlebens (OS) um etwa 10 % festzustellen. Nun zielte die Studie darauf ab, weitere Subgruppen, die von Ibrutinib profitieren k&ouml;nnten, zu definieren. &Uuml;ber 70 % aller Double-Expressor-Lymphome (DEL) &ndash; charakterisiert durch eine BCL2- und MYC-&Uuml;berexpression &ndash; geh&ouml;ren dem Non-GCB-Subtyp der &bdquo;Cell of origin&ldquo; (COO)-Genexpressionsanalyse (GEP) an und w&auml;ren theoretisch einer Ibrutinibbasierten Therapie zug&auml;nglich.<br /> Johnson et al. konnten in der Gesamtkohorte einen Effekt von Ibrutinib auf das ereignisfreie &Uuml;berleben, jedoch nicht auf das Gesamt&uuml;berleben zeigen; wiederum war in der Subgruppe der unter 60-J&auml;hrigen sowohl das EFS wie auch das OS verl&auml;ngert mit einer etwa 20 % igen Risikoreduktion (Abb. 1). Als Grund f&uuml;r die bessere Wirksamkeit bei unter 60-J&auml;hrigen wird wie in der Auswertung vom ASH 2018 die h&ouml;here Rate an Aufrechterhalten der Dosisintensit&auml;t von IR-CHOP bei den unter 60-J&auml;hrigen genannt.<br /> Ibrutinib bleibt somit weiterhin eine vielversprechende Substanz bei der Behandlung des DLBCL, allerdings sind die entsprechenden Subgruppenanalysen der PHOENIX-Studie mit Vorsicht zu bewerten und ben&ouml;tigen eine Best&auml;tigung in Folgestudien, damit Ibrutinib zugelassen werden und in die Praxis Einzug nehmen kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s14_abb1_doleschal.jpg" alt="" width="550" height="291" /></p> <h2>Lenalidomid als X + R-CHOP</h2> <p>Im Gegensatz zu Ibrutinib d&uuml;rfte Lenalidomid als X + R-CHOP keinerlei Zusatznutzen als Monosubstanz zeigen. Dies wurde schon im Rahmen der ROBUST-Studie gezeigt, die am ICML in Lugano im Juni 2019 pr&auml;sentiert wurde, und es wurde nun einige Monate sp&auml;ter am ASH durch die SENIOR-Studie rekapituliert.<sup>2</sup> Bei Patienten &uuml;ber 80 Jahre wurde die Kombination von Lenalidomid mit Rituximab plus niedrig dosiertem CHOP (R<sup>2</sup>-miniCHOP) verglichen mit R-miniCHOP. Ein OS-Benefit, der prim&auml;re Endpunkt der Studie, konnte nicht erbracht werden. Wie erwartet war auch das Nebenwirkungsprofil von Lenalidomid deutlich st&auml;rker ausgepr&auml;gt, mit einer h&ouml;heren Rate an Neutropenie und thrombembolischen Ereignissen.</p> <h2>Interims-PET-gesteuerte Therapie</h2> <p>Im limitierten Stadium I/II ohne &bdquo;bulky disease&ldquo; hat die FLYER-Studie am ASH 2018 einen neuen Therapiestandard bei unter 60-J&auml;hrigen gesetzt. Am ASH 2019 wurden diese Daten um die Resultate der S1001-Studie bei deutlich &auml;lteren Patienten mit ebenfalls geringer Tumormasse (&bdquo;stage modified&ldquo; IPI 0&ndash;3) erg&auml;nzt.<sup>3</sup> Die S1001- Studie basierte auf einer Interims- PET(iPET)-gesteuerten Therapie, die bei negativem iPET nach 3 x R-CHOP eine zus&auml;tzliche konsolidierende R-CHOP-Gabe vorsah, bei positivem iPET jedoch eine &bdquo;Involved field&ldquo;-Radiotherapie gefolgt von Ibritumomab Tiuxetan (IFRT-Zevalin). Nur in 11 % der F&auml;lle fanden sich im iPET noch positive Residuen, die nach Bestrahlungstherapie zu zwei Dritteln in PET-negative konvertiert wurden. Insgesamt zeigten sich bei iPET-positiven wie -negativen Patienten exzellente 5-Jahres-OS-Raten von &uuml;ber 90 % , sodass erstens eine Verk&uuml;rzung der R-CHOP-Therapie im limitierten Stadium auch bei nicht ganz so eng gefassten MinT-oder FLYER-Kriterien (Neue Therapien &ndash; CAR-T-Zellen und BiTE Neue therapeutische Ans&auml;tze beim DLBCL umfassen vor allem die Behandlung mit &bdquo;Chimeric antigen receptor&ldquo;(CAR)-T-Zellen &ndash; motiviert durch die Landmark- Studien JULIET und ZUMA-1 haben sie inzwischen einen festen Stellenwert beim rezidivierten/refrakt&auml;ren (R/R) DLBCL. Vielversprechende Ergebnisse lieferte in diesem Zusammenhang ein neues CAR-T-Zell- Produkt.</p> <p><strong>Lisocabtagene Maraleucel bei R/R DLBCL &ndash; NHL-001-Studie</strong><br /> Lisocabtagene Maraleucel (Liso-cel; JCAR017) besitzt eine 4-1BB kostimulierende Dom&auml;ne, vergleichbar mit Tisagenlecleucel (Kymriah<sup>&reg;</sup>) aus der JULIET-Studie, und wird als Besonderheit mit einer 1:1-Ratio von CD4- und CD8-Zellen verabreicht. Bei &uuml;ber 250 eingeschlossenen Patienten mit mindestens 2 Vortherapien konnten Gesamtansprechraten von &uuml;ber 70 % sowie Raten an kompletter Remission (CR) von &uuml;ber 50 % dokumentiert werden.<sup>4</sup> Verglichen mit dem schon zugelassenen Tisagenlecleucel, welches ebenfalls &uuml;ber eine 4-1BB-Dom&auml;ne verf&uuml;gt, l&auml;sst sich hier eine deutlich h&ouml;here Effektivit&auml;t abbilden.<br /> Bemerkenswerterweise ist Liso-cel mit der mit Abstand geringsten Nebenwirkungsrate aller drei CAR-T-Zell-Produkte verbunden, was sich auch in einem geringeren Einsatz an Tocilizumab und Steroiden ablesen l&auml;sst. Aufgrund der geringen Nebenwirkungsrate k&ouml;nnte bei diesem Produkt auch eine ambulante Verabreichung in Zukunft m&ouml;glich sein. In der Studie sind einige wenige Patienten dokumentiert und in Folgestudien<sup>5</sup> sind insgesamt schon &uuml;ber 100 Patienten eingeschlossen, die ambulant oder in nicht universit&auml;ren Zentren in den USA mit CAR-T-Zellen behandelt worden sind.</p> <p><strong>Real-World-Daten zur CAR-T-Zelltherapie</strong><br /> Dazu passend wurden erstmalig auch Real-World-Daten aus den USA zu CAR-T-Zellen bei aggressiven Lymphomen am ASH pr&auml;sentiert. Diese retrospektiv erhobenen Registerdaten von &uuml;ber 500 Patien&ndash; also deutlich mehr als in den Zulassungsstudien &ndash; konnten die Ergebnisse aus JULIET bzw. ZUMA-1 best&auml;tigen beziehungsweise teilweise noch &uuml;bertreffen (Abb. 2). Tisa-cel beeindruckt zus&auml;tzlich in der Praxis mit einer deutlich geringeren Nebenwirkungsrate (Neurotoxizit&auml;t, &bdquo;cytokine-release syndrome&ldquo;) im Vergleich zu Axi-cel. In dieser retrospektiven multizentrischen Analyse wurden weiters Patienten &uuml;ber 80 Jahre mit teils deutlich schlechterem ECOG Performance Status behandelt, was auf ein mit Tocilizumab und Steroiden gut behandelbares Nebenwirkungsprofil schlie&szlig;en l&auml;sst &ndash; zumal in dieser Registerstudie auch Zentren mit weniger Erfahrung mit CAR-T-Zellprodukten erfasst sind.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s15_abb2_doleschal.jpg" alt="" width="850" height="346" /></p> <p><strong>CAR-T-Zell-Therapie beim Mantelzelllymphom</strong><br /> Bisherige Zulassungen von CAR-T-Zell- Produkten umfassen R/R DLBCL, transformiertes follikul&auml;res Lymphom (tFL), prim&auml;r mediastinales B-Zell-Lymphom (PMBL) und akute lymphatische B-Zell- Leuk&auml;mie (B-ALL) &ndash; wie in den pivotalen Studien JULIET und ZUMA-1 eingeschlossen. Die nun am ASH 2019 vorgestellte ZUMA-2-Studie<sup>6</sup> zeigt die Effektivit&auml;tsdaten von KTE-X19 beim multipel vorbehandelten aggressiven Mantelzelllymphom. KTE-X19 besteht aus einem &bdquo;anti-CD19 single-chain variable fragment&ldquo; mit einer CD3-zeta-T-Zell-Aktivierungsdom&auml;ne und einer CD28-Signaling- Dom&auml;ne &ndash; &auml;hnlich dem Axi-cel (Yescarta<sup>&reg;</sup>) aus der JULIET-Studie.<br /> In dieser Phase-II-Studie wurden Mantelzelllymphompatienten mit 1&ndash;5 Vortherapien inklusive eines Bruton-Tyrosinkinase( BTK)-Inhibitors (Ibrutinib, Acalabrutinib) eingeschlossen. Die Ergebnisse bei diesen &bdquo;austherapierten&ldquo; Patienten waren mit einer Gesamtansprechrate (ORR) von &uuml;ber 90 % und einer CR von fast 70 % beeindruckend, bei gleichzeitig &uuml;berschaubarer Toxizit&auml;t (Abb. 2). F&uuml;r die ersten 28 Patienten besteht bereits ein Follow-up von mehr als 2 Jahren. Fast die H&auml;lfte von ihnen sind noch immer in Remission. Eine &bdquo;breakthrough therapy designation&ldquo; von der FDA sowie eine &bdquo;prime medicine designation&ldquo; von der EMA wurden aufgrund der Daten von ZUMA-2 bereits anerkannt und es ist damit zu rechnen, dass die CAR-T-Zell-Therapie beim BTK-refrakt&auml;ren Mantelzelllymphom einen neuen Standard darstellt.</p> <p><strong>Bispezifische T-Zell-Antik&ouml;rper (BiTE)</strong><br /> Welche Therapieoptionen bieten sich nach Versagen von CAR-T-Zellen? Auch auf diese Fragestellung ergeben sich aus Daten vom vergangenen ASH m&ouml;gliche Antworten. Mosunetuzumab, ein bispezifischer, gegen CD3 und CD20 gerichteter Antik&ouml;rper, der in der Plenary Session vorgestellt worden ist, zeigt jedenfalls gro&szlig;es Potenzial. Die einarmige Phase-I/Ib-Studie GO297817 umfasste gro&szlig;teils R/R DLBCL, aber auch tFL mit im Median 3 Vortherapien. BiTEs haben ja den Vorteil, als ein &bdquo;Off the shelve&ldquo;-Produkt unmittelbar einsatzbereit zu sein, ohne die zeitliche Verz&ouml;gerung zur Herstellung autologer CART- Zellen, was bei dringendem medizinischem Bedarf von Bedeutung sein k&ouml;nnte.<br /> Mosunetuzumab wird einmal w&ouml;chentlich w&auml;hrend des ersten Zyklus verabreicht und dann in bis zu 17 darauffolgenden Zyklen alle 3 Wochen einmal.<br /> In der Gruppe der aggressiven Lymphome ergaben sich eine ORR von knapp 40 % sowie eine CR-Rate von knapp 20 % . Komplette Remissionen waren bei einem Follow-up von 16 Monaten durchwegs anhaltend. Bemerkenswert war die Wirksamkeit in der Subgruppe von Patienten, die bereits mit CAR-T-Zellen vorbehandelt worden waren. Hier zeigten sich eine ORR von fast 40 % sowie eine anhaltende CR von &uuml;ber 20 % . Bei einigen Patienten, deren DLBCL trotz einer CAR-T-Zell-Therapie weiter fortgeschritten war, zeigte sich nach Applikation von Mosunetuzumab eine Expansion der zuvor zugef&uuml;hrten CAR-T-Zellen. Diese Beobachtung lasse vermuten, dass Mosunetuzumab die Wirkung einer vorangegangenen CAR-T-Zell-Therapie wieder verst&auml;rken k&ouml;nnte, so die Autoren der Studie.<br /> Bei knapp 30 % der Patienten wurde unter Mosunetuzumab ein &bdquo;cytokine-release syndrome&ldquo; (CRS) beobachtet, das zumeist Grad 1 erreichte. Moderate neurologische Nebenwirkungen kamen bei 4 % der Patienten vor. H&ouml;here Dosen von Mosunetuzumab korrelierten nicht mit einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r CRS oder neurologische Nebenwirkungen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>R-CHOP bleibt auch nach dem ASH 2019 weiterhin die Standard-First-Line- Therapie beim DLBCL. Bei limitierten Stadien best&auml;tigt sich die Dosisdeeskalation. Bei R/R-Stadien beeindruckt die CAR-T-Zell- Therapie durch exzellente Real- World-Daten und bei CAR-T-Zell-refrakt&auml;ren Patienten k&ouml;nnten sich durch BiTEs weitere Therapiem&ouml;glichkeiten er&ouml;ffnen.<br /> Die therapeutischen Entwicklungen bei den aggressiven Lymphomen bleiben jedenfalls spannend, einerseits betreffend die sich er&ouml;ffnenden Therapieoptionen im R/R-Setting und andererseits in Bezug auf die Frage, ob in naher Zukunft der R-CHOP-First-Line-Standard umgesto&szlig;en werden kann.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Johnson P et al.: ASH 2019, Abstr. #354 <strong>2</strong> Oberic L et al.: ASH 2019, Abstr. #352 <strong>3</strong> Persky DO et al.: ASH 2019, Abstr. #349 <strong>4</strong> Abramson JS et al.: ASH 2019, Abstr. #241 <strong>5</strong> Bachier CR et al.: ASH 2019, Abstr. #2868 <strong>6</strong> Wang ML et al.: ASH 2019, Abstr. #754 <strong>7</strong> Schuster S et al.: ASH 2019, Abstr. #6</p> </div> </p>
Back to top