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„Update CML“ vom ASH Annual Meeting 2016
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Andreas Petzer
Ordensklinikum Linz<br> Barmherzige Schwestern Linz<br> Betriebsges. m. b. H.<br> Onkologisches Leitspital für Oberösterreich<br> Seilerstätte 4, 4010 Linz<br> E-Mail: andreas.petzer@ordensklinikum.at
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
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<p class="article-intro">Am ASH-Meeting 2016 wurden einerseits Beiträge vorgestellt, welche sich mit einer Optimierung der CML-Therapie, im Speziellen der Imatinib-Therapie, befassten, andererseits lag ein zweiter Schwerpunkt auf Präsentationen zum Absetzen des Tyrosinkinasehemmers (TKI) nach Erreichen einer tiefen molekularen Remission.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Optimierte Anwendung von Imatinib (TIDEL-II-Studie) – finale Analyse (5-Jahres-Auswertung)</h2> <p>Die TIDEL-II-Studie ist konzeptionell interessant, weil sie versucht, den Einsatz von Imatinib zu optimieren. Dies geschieht erstens dadurch, dass anstelle einer üblichen Anfangsdosierung von 400mg einmal täglich mit einer Dosierung von 600mg täglich gestartet wird. Zum Zweiten wird entgegen dem üblichen Gebrauch der Imatinib-Talspiegel nach 22 Tagen Therapie gemessen. Beträgt dieser <1.000ng/ml, wird die Imatinib-Dosis auf 800mg gesteigert. Dies passiert ebenfalls, wenn nach drei, sechs bzw. zwölf Monaten die durch das europäische Leukämienetz (European Leukemia Net, ELN) vorgegebenen Therapieziele nicht erreicht werden. Werden diese Zielwerte auch unter der 800mg-Imatinib-Dosierung nicht erreicht, wird im Anschluss daran auf den Zweitgenerationstyrosinkinasehemmer (2<sup>nd</sup>G TKI) Nilotinib 400mg zweimal täglich gewechselt.<br /> In einer zweiten Kohorte wurde bei Nichterreichen der entsprechenden ELNTargets nicht mehr auf Imatinib 800mg gesteigert, sondern sofort auf Nilotinib 400mg zweimal täglich gewechselt. Beide Kohorten (mit und ohne Steigerung auf Imatinib 800mg täglich) beinhalten jeweils 105 Patienten. Nach 60 Monaten waren noch 63 % aller Patienten in der Studie, davon zwei Drittel auf Imatinib und ein Drittel auf Nilotinib. Die restlichen 37 % schieden aufgrund von unerwünschten Ereignissen (9 % ), Tod (3 % ), Therapieversagen (12 % ) oder anderen Ursachen (13 % ) aus. Unter diesem Vorgehen erreichten kumulativ über fünf Jahre 86 % der Patienten eine „major“ molekulare Remission (MMR bzw. MR<sup>3</sup>), 75 % der Patienten eine MR<sup>4</sup> bzw. 60 % eine MR<sup>4,5</sup>. Patienten, welche alle ELN-Targets erfüllten bzw. infolge von Imatinib-Intoleranz auf Nilotinib gewechselt hatten, erreichten zu 100 % innerhalb eines Jahres zumindest eine MMR (MR<sup>3</sup>), zu 90 % auch diejenigen Patienten, die nach zwölf Monaten keine MMR (MR3) erreichten und im Anschluss daran auf Nilotinib umgestellt wurden. Diejenigen Patienten, die nach drei Monaten den BCR-ABL-IS-Wert von 10 % bzw. nach sechs Monaten von <1 % nicht erreichten, erzielten auch über den weiteren Verlauf trotz Imatinib-Dosissteigerung und/oder Wechsel auf Nilotinib nur zu 44 % bzw. zu 58 % eine MMR (MR<sup>3</sup>). Die Patientengruppe, die aufgrund von Intoleranz auf Nilotinib wechselten bzw. Patienten, die alle ELN-Targets erzielten, erreichen interessanterweise auch zu 83 % eine tiefe molekulare Remission von MR<sup>4,5</sup>. Das Gesamtüberleben nach fünf Jahren beträgt 92 % und ist vergleichbar mit dem Fünfjahresüberleben in der DASISIONbzw. ENESTnd-Studie bei Verwendung von Upfront-2<sup>nd</sup>G-TKI Dasatinib (91 % ) und Nilotinib (94 % ). In Summe erreichen in der TIDEL-II-Studie nach fünf Jahren 86 % der Patienten eine MMR (MR3) bzw. 60 % eine MR<sup>4,5</sup>.<br /><br /> <strong>Fazit</strong><br /> Die TIDEL-II-Studie zeigt somit, dass mit optimiertem Einsatz von Imatinib und einem selektiven Wechsel auf den 2<sup>nd</sup>GTKI Nilotinib hohe molekulare Responseraten sowie ein exzellentes Gesamtüberleben erreicht werden können. Dies ist aus zweierlei Hinsicht von Bedeutung: zum einen, da wir bezüglich Imatinib mittlerweile über 15 Jahre Behandlungserfahrung besitzen, in dieser Zeit auch keine neuen Langzeittoxizitäten aufgetreten sind und der Einsatz von Imatinib als sehr sicher gilt. Zum anderen stellt Imatinib eine zukünftig günstige Behandlungsoption zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie dar, zumal das Patent mit Jahresende ausgelaufen ist und Imatinib dadurch deutlich günstiger verfügbar wird (aktuell wurde der Preis von Glivec<sup>®</sup> mit 1.1.2017 um 50 % reduziert), da mehrere Imatinib-Generika zur Verfügung stehen.</p> <h2>Erfahrung mit Imatinib-Generika in der Behandlung der CML in Polen</h2> <p>In Polen stehen seit Längerem verschiedene generische Formen von Imatinib (zum Zeitpunkt der Analyse 12, mittlerweile >20) zur Verfügung. Die Erfahrungen mit Imatinib-Generika wurden prospektiv in einem Register gesammelt und am ASH Meeting präsentiert. Dabei wurden zwei Gruppen gebildet. Gruppe A analysierte die Effektivität von generischem Imatinib bei neu diagnostizierten Patienten in chronischer Phase (CP). Es zeigte sich an 92 Patienten, dass 65,2 % ein frühes molekulares Ansprechen (<10 % BCR-ABL nach drei Monaten) mit generischem Imatinib erreichten. Diese Daten sind vergleichbar mit Ergebnissen aus der ENESTnd-, DASISION- oder der BELA-Studie (66 % , 65 % , 65 % ), in denen das Imatinib- Original Glivec<sup>®</sup> verwendet wurde. Nach zwölf Monaten erzielten 53 % der Patienten eine MMR (MR3). Gruppe B untersuchte die Effizienz bei Patienten, die initial mit Glivec<sup>®</sup> behandelt und im weiteren Verlauf auf generisches Imatinib umgestellt wurden (n=627). Bei 65 % wurde dabei das molekulare Ansprechen erhalten, bei weiteren 19 % der Patienten das Ansprechen weiter verbessert und bei 15 % aller Patienten kam es zu einer Verschlechterung des molekularen Ansprechens. Die Autoren schließen aus diesen Daten, dass generisches Imatinib gleich effektiv wie das Originalpräparat Glivec<sup>®</sup> zu sein scheint. Es wurden keine neuen Nebenwirkungen beobachtet.<br /><br /> <strong>Fazit</strong><br /> Generisches Imatinib scheint eine valide Option in der Behandlung der CML in CP zu sein.</p> <h2>Absetzen eines TKI nach Erreichen einer tiefen molekularen Remission (EURO-SKI-Studie)</h2> <p>Mehrere kleinere Absetzstudien haben bislang gezeigt, dass bei Patienten in tiefer molekularer Remission (meist MR<sup>4,5</sup>) das Absetzen des TKI möglich und sicher ist. Die EURO-SKI-Studie ist eine große paneuropäische Studie, in der 755 Patienten nach dem Erreichen einer tiefen molekularen Remission analysiert wurden. Im Gegensatz zu früheren Absetzstudien wurde als Einschluss lediglich das Erreichen einer MR4 (nicht einer MR<sup>4,5</sup>) gefordert, welche zumindest ein Jahr vor Absetzen bestehen musste (Abb. 1). Eingeschlossen wurden lediglich CML-Patienten in erster CP. Es durfte auch nur ein TKI vor dem Absetzen verwendet werden, eine Ausnahme bestand lediglich bei Intoleranz. Die Vorbehandlung mit einem TKI musste mindestens drei Jahre bestehen. Von einem molekularen Relaps wird ebenfalls erst ausgegangen, wenn eine MR<sup>3</sup> verloren gegangen ist (Abb. 1). Unter diesen Voraussetzungen beträgt das molekulare relapsfreie Überleben 61 % nach sechs Monaten bzw. 55 % nach zwölf Monaten. Das molekulare relapsfreie Überleben im Anschluss bleibt relativ stabil und beträgt ca. 50 % nach zwei Jahren. Es kam zu keinem Auftreten von Akzeleration oder Blastenkrise und zu keinen Todesfällen, welche durch die CML hervorgerufen worden waren. 86 % bzw. 80 % der Patienten erreichten neuerlich eine MMR (MR<sup>3</sup>) bzw. eine MR4 nach molekularem Relaps und Wiederbeginn mit einer TKI-Therapie. Patienten, welche eine lang dauernde Imatinib- Vortherapie aufweisen (=5,8 Jahre) bzw. welche eine lang bestehende MR4 vor dem Absetzen aufweisen, haben eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit für ein langes relapsfreies Überleben bzw. für eine lange behandlungsfreie Remission („treatment-free remission“, TFR). <br /><br /><strong>Fazit</strong><br /> Diese Studie, welche in zahlreichen europäischen Ländern und Zentren durchgeführt wurde, zeigt, dass auch unter Bedingungen, die dem klinischen Alltag sehr nahe kommen, ein Absetzen des TKI möglich und sicher zu sein scheint. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Einschlusskriterien eingehalten werden und ein strenges, engmaschiges Monitoring nach dem Absetzen besteht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1701_Weblinks_s26_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="918" /></p></p>
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