<p class="article-intro">Das 38. internationale Breast Cancer Symposium in San Antonio zeichnete sich nicht durch viele „Blockbuster-Studien“ aus, sondern lieferte eine Reihe von kleinen Bausteinen, die unser Verständnis für die Erkrankung Mammakarzinom vertiefen. Einer der Schwerpunkte der Tagung lag in der Tumorimmunologie, wobei einerseits neue Daten zu den tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) und andererseits Phase-I-Studien zu Immuntherapeutika präsentiert wurden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) sind ein unabhängiger prognostischer Marker beim tripelnegativen Mammakarzinom.</li> <li>PD-1- und PD-L1-Antikörper sind gut verträglich, zeigen allerdings beim metastasierten Mammakarzinom als Monotherapie nur geringe Ansprechraten, da ein funktionierender prädiktiver Marker fehlt und die Immunogenität des Mammakarzinoms (insbesondere des ER-positiven) gering ist.</li> <li>EPclin liefert genauere prognostische Informationen als Oncotype DX<sup>®</sup> für das ER-positive Mammakarzinom und identifiziert eine Niedrigrisikogruppe mit exzellenter Prognose.</li> <li>Luminal-A-Karzinome profitieren nicht von einer adjuvanten Chemotherapie, auch wenn das Tumorstadium weit fortgeschritten ist.</li> </ul> </div> <h2>Tumorinfiltrierende Lymphozyten</h2> <p>In mehreren Studien konnte bereits gezeigt werden, dass ein hohes Ausmaß an tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) mit einer besseren Prognose assoziiert ist. Dies gilt allerdings nur für tripelnegative und HER2-positive Karzinome, hingegen konnte beim Östrogenrezeptor(ER)-positiven Subtyp keine statistische Assoziation zwischen TIL und Prognose beobachtet werden. In anderen Studien wurde darüber hinaus nachgewiesen, dass TIL mit einem besseren Ansprechen auf eine neoadjuvante Chemotherapie und somit einer höheren Rate an pathologisch kompletten Remissionen (pCR) assoziiert sind. Kürzlich sind erstmals Empfehlungen einer internationalen TIL-Working-Group publiziert worden, in denen versucht wird, die Bestimmung und Quantifizierung von TIL zu vereinheitlichen. Gemäß dieser Empfehlung wird zwischen intratumoralen und stromalen TIL unterschieden – je nachdem, ob sie direkten Kontakt zu Tumorzellen aufweisen oder sich im Stroma des Tumors befinden.<br /> Beim SABCS 2015 wurde über die Ergebnisse von zwei Studien beim tripelnegativen Mammakarzinom (TNBC) und eine Studie beim lobulären (zumeist ER-positiven) Mammakarzinom berichtet.<br /> Sherene Loi aus Melbourne präsentierte eine gepoolte Analyse<sup>1</sup> von TIL bei TNBC (n=991) aus fünf Studien zur adjuvanten Chemotherapie. Diese bisher größte Analyse für diesen Mammakarzinomsubtyp bestätigte den hohen prognostischen Wert von stromalen TIL mit einer 12 % igen Risikoreduktion pro 10 % Zunahme der TIL für alle Endpunkte: „invasive disease-free survival“ (iDFS), Fernmetastasen-freies DFS und Gesamtüberleben (OS) in der Multivariatanalyse. Dabei konnte gezeigt werden, dass TIL eine zusätzliche prognostische Information zu Tumorgröße, Nodalstatus und Alter liefern. Zudem wurde eine Subgruppe nodal-negativer, tripelnegativer Karzinome mit ≥20 % stromalen TIL identifiziert, die eine exzellente Prognose aufwies (5-Jahres-DFS: 92 % ). Einschränkend muss allerdings angemerkt werden, dass der „TIL-Effekt“ linear ist und somit der Cut-off-Wert von 20 % wahllos gewählt wurde. Intratumorale TIL waren seltener als stromale (im Median 1 % vs. 13 % ) und lieferten ebenfalls prognostische Information, sie scheinen jedoch keine zusätzliche Information zu stromalen TIL zu geben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite99_1.jpg" alt="" width="553" height="391" /></p> <p>Des Weiteren wurde eine Biomarker-Analyse<sup>2</sup> der BEATRICE-Studie präsentiert. Diese Phase-III-Studie untersuchte die Wirksamkeit von Bevacizumab als adjuvante Therapie beim TNBC, ohne einen Effekt der VEGF-Blockade auf Rezidivrisiko und Gesamtüberleben zeigen zu können. Es handelte sich hierbei um eine explorative retrospektive Biomarker-Analyse für prognostische Marker aus dem Tumormaterial von Patientinnen beider Studienarme (Chemotherapie mit und ohne Bevacizumab), wobei einerseits mikroskopische Untersuchungen und andererseits Genexpressionsprofile auf mRNA-Ebene durchgeführt wurden. Auch in dieser Auswertung waren TIL mit einer besseren Prognose hinsichtlich des iDFS (HR: 0,69) assoziiert. Umgekehrt war ein hoher Anteil an Stromazellen mit einem höheren Rezidivrisiko verknüpft. Mittels der Genexpressionsanalysen versuchte man daraufhin, die Subklassen der tumorinfiltrierenden Immunzellen zu identifizieren, und stellte fest, dass sämtliche Immunzellsubtypen die Prognose verbessern, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß (zytotoxische T-Lymphozyten > B-Lymphozyten > Makrophagen).<br /> Die erste größere Auswertung von TIL beim lobulären Mammakarzinom<sup>3</sup> (n=614) zeigte überraschenderweise konträre Ergebnisse im Sinne einer Verschlechterung der Prognose durch vermehrte TIL. Einschränkend muss angemerkt werden, dass invasiv lobuläre Mammakarzinome ein sehr geringes lymphozytäres Infiltrat aufweisen (im Median 5 % , nur 15 % der Tumoren mit >10 % TIL) und eine Assoziation von TIL mit negativen prognostischen Faktoren festgestellt wurde (Tripelnegativität, G3, erhöhte Proliferation, niedrigeres Alter und positive Lymphknoten). Deshalb bleibt unklar, ob der beobachtete prognostische Unterschied auf einen echten TIL-Effekt zurückzuführen ist oder lediglich ein Begleitphänomen der genannten Prognosefaktoren darstellt.</p> <h2>Immuntherapie</h2> <p>Die Immuntherapie in der Onkologie ist zurzeit aufgrund der großen Erfolge, die beim metastasierten Melanom, beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), beim Nierenzellkarzinom, beim Urothelkarzinom und beim Morbus Hodgkin gefeiert werden konnten, in aller Munde. Checkpoint-Inhibitoren wie CTLA4- und PD1- und PD-L1-Antikörper, die die Bremse des Immunsystems lösen und damit eine bereits vorhandene antitumorale Immunantwort entfesseln, zeigten bei diesen Entitäten nicht nur eine Verbesserung des medianen OS, sondern zum Teil auch anhaltende Remissionen der metastasierten Erkrankung. Bereits am SABCS-Kongress 2014 wurden erste Daten für den PD1-Antikörper Pembrolizumab und den PD-L1-Antikörper Atezolizumab beim TNBC präsentiert, bei denen Responseraten im Ausmaß von 18 % bzw. 19 % erzielt und ebenso anhaltende Remissionen nachgewiesen worden sind (Tab. 1). Mit entsprechend hoher Spannung wurden die ersten Studienergebnisse zum Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren beim ER-positiven Mammakarzinom erwartet.<br /> In der groß angelegten Phase-Ib-Studie JAVELIN zur Untersuchung des PD-L1-Antikörpers Avelumab<sup>4</sup> wurden Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom aller Subtypen (n=168) eingeschlossen, die mit mindestens einem Taxan und einem Anthrazyklin vorbehandelt waren (TNBC: 35 % ; ER<sup>+</sup>/HER2<sup>–</sup>: 43 % , HER2<sup>+</sup>: 16 % ). Zudem musste vor Studieneinschluss eine Biopsie zur Bestimmung der PD-L1-Expression durchgeführt werden, die Patientinnen wurden jedoch unabhängig von der PD-L1-Expression in die Studie eingeschlossen. Alle Patientinnen erhielten den Anti-PD-L1-Antikörper Avelumab in einer Dosierung von 10mg/kg alle 2 Wochen intravenös. Die Verträglichkeit war relativ gut. Fatigue, Infusionsreaktionen, Übelkeit und Durchfall wurden als häufigste Nebenwirkungen dokumentiert. Nebenwirkungen der Grade 3/4 waren insgesamt selten (14 % ). Die objektive Responserate (ORR) lag allerdings in der Gesamtkohorte bei nur 4,8 % , die klinische Benefitrate (CBR) betrug 28 % (Abb. 1 und Tab. 1). Auch in der tripelnegativen Subgruppe lag das Ansprechen bei nur 8,6 % , bei ER-positiven Karzinomen sogar bei 2,8 % . Enttäuschenderweise wies zudem die PD-L1-Expression durch Tumorzellen keinen prädiktiven Wert für das Ansprechen auf die Immuntherapie auf, sodass weiterhin kein Biomarker zur Patientenselektion zur Verfügung steht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite100.jpg" alt="" width="640" height="308" /></p> <p>In der Phase-Ib-Studie KEYNOTE-028<sup>5</sup> wurde die Wirksamkeit des PD1-Antikörpers Pembrolizumab beim ER-positiven metastasierten Mammakarzinom (n=25 Patientinnen) untersucht. Im Gegensatz zur JAVELIN-Studie konnten in diese Studie nur Patientinnen mit PD-L1-positiven Karzinomen (membranständige PD-L1-Expression in ≥1 % der Tumorzellen oder jegliche Färbung von Stromazellen) eingeschlossen werden. 19,4 % aller gescreenten Patientinnen erfüllten dieses Kriterium. Der Großteil der Patientinnen war stark vorbehandelt (44 % hatten ≥5 Therapielinien), wobei auch 2 Erstlinien-Patientinnen eingeschlossen wurden. Auch diese Studie zeigte ein akzeptables Verträglichkeitsprofil mit Übelkeit und Fatigue als einzigen Nebenwirkungen mit einer Inzidenz >10 % und wenigen Grad-3/4-Toxizitäten (16 % ). Das Ansprechen lag in dieser Studie bei 12 % und die CBR bei 20 % . <br /> Zusammenfassend ist zu sagen, dass die neuen Daten zur Immuntherapie äußerst ernüchternd sind. Ohne einen funktionierenden prädiktiven Marker oder eine Methode, welche die Immunogenität des Tumors steigert, hat diese Therapieform v.a. beim ER-positiven Mammakarzinom keine Zukunft.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite99_2.jpg" alt="" width="647" height="342" /></p> <h2>Gensignaturen</h2> <p>Mit Spannung wurden auch die ersten prospektiven Daten zu einer prognostischen Gensignatur, die Ergebnisse der MINDACT-Studie, die den prädiktiven Wert von MammaPrint<sup>®</sup> untersucht, erwartet. Leider wurde die Präsentation kurz vor dem Kongress aufgrund fehlender Events zurückgezogen. Das Highlight beim 38. SABCS war stattdessen die TransATAC-Studie, der Vergleich von EndoPredict<sup>®</sup> (EPclin) mit Oncotype DX<sup>®</sup> innerhalb der ATAC-Studie.<sup>6</sup><br /> EndoPredict<sup>®</sup> ist eine Gensignatur der dritten Generation, welche die Prognose des ER-positiven Mammakarzinoms anhand der Expression von 11 Genen voraussagen kann (5 ER-assoziierte Gene, 3 Proliferationsgene und 3 Referenzgene). Mit der zusätzlichen Information über Tumorgröße und Nodalstatus wird der EPclin-Score berechnet, der bereits in den ABCSG-Studien 6 und 8 einen hohen prognostischen Wert bewiesen hat. Oncotype DX<sup>®</sup>, der vor allem in den USA großflächig eingesetzt wird, ist ein Test der ersten Generation und verwendet 16 tumorassoziierte und 5 Referenzgene, um das ER-positive Mammakarzinom in drei Risikogruppen einzuteilen. Bei 928 der 9.366 postmenopausalen Patientinnen der adjuvanten ATAC-Studie (Anastrozol + Placebo vs. Tamoxifen + Placebo vs. Anastrozol + Tamoxifen) wurden diese beiden Gensignaturen direkt miteinander verglichen. Die Analyse zeigte ein klares Ergebnis: EPclin liefert genauere prognostische Informationen als Oncotype DX<sup>®</sup>, insbesondere bei nodal-positiven Patientinnen, und EPclin identifiziert eine Low-Risk-Gruppe (73 % bei N0 und 19 % bei N+, Abb. 2) mit einer exzellenten Prognose (10-Jahres-DRFS [„distant recurrence-free survival“] >94 % ), bei der eine zusätzliche Chemotherapie kaum zu einem Benefit führen würde. Über den prädiktiven Wert für eine adjuvante Chemotherapie in der High-Risk-Gruppe kann naturgemäß keine Aussage getroffen werden, da keine Patientin innerhalb der ATAC-Studie mit einer solchen behandelt wurde. Der prädiktive Wert von Oncotype DX<sup>®</sup> für die Wirksamkeit einer adjuvanten Chemotherapie wird zurzeit in den beiden prospektiven Studien TailorX (NCT00310180) und RxPonder (NCT01272037) untersucht. Entsprechend schwierig ist es, die Frage zu beantworten, welche Rückschlüsse diesbezüglich aus der TransATAC-Studie gezogen werden können, da noch offen ist, ob TailorX und RxPonder positiv ausfallen.<br /> Der Pathologe Torsten Nielsen präsentierte eine retrospektive Auswertung der DBCG(Danish Breast Cancer Cooperative Group)-Studie 77B zur Chemotherapie bei Luminal-A-Tumoren.<sup>7</sup> Diese alte Studie, für die zwischen 1977 und 1983 prämenopausale Patientinnen mit Hochrisikoprofil (Tumoren >5cm oder nodal-positiv) rekrutiert worden sind, untersuchte die Wirksamkeit von CMF (Cyclophosphamid, MTX, 5-FU) im Vergleich zu oralem Cyclophosphamid (C) und dem Anthelminthikum und Immunmodulator Levamisol. Das Besondere an dieser Studie ist der Kontrollarm mit Probanden, die keine adjuvante Systemtherapie erhielten. Die Studie zeigte im Langzeit-Follow-up, das im Jahr 2010 publiziert wurde, dass beide Chemotherapiearme (C + CMF) zu einer signifikanten Verlängerung des 10-Jahres-iDFS und des 25-Jahres-OS (HR: 0,70) führten, während Levamisol ohne Wirksamkeit war. Die Gruppe der University of British Columbia nutzte das archivierte Tumormaterial dieser Patientinnen, um den Benefit einer adjuvanten Chemotherapie bei Luminal-A-Karzinomen zu untersuchen. Die Definition von Luminal A erfolgte jedoch nicht auf Genexpressionsbasis (PAM50), sondern auf immunhistochemischer Ebene, wobei ein Luminal-A-Tumor folgende Kriterien erfüllen musste: ER-positiv, PR>20 % , HER2-negativ und Ki-67 <14 % . 165 der 633 eingeschlossenen Patientinnen (26 % ) erfüllten dieses Kriterium. Erwartungsgemäß verbesserte eine adjuvante Chemotherapie weder das iDFS (HR: 1,07) noch das 25-Jahres-OS dieser Patientinnen. Natürlich können diese Daten nicht 1:1 auf moderne Taxan- und Anthrazyklin-haltige Chemotherapieschemata übersetzt werden, jedoch mehren sich die Hinweise, dass Luminal-A-Karzinome aufgrund ihrer Biologie nicht von einer adjuvanten zytostatischen Therapie profitieren, auch wenn das Stadium weit fortgeschritten ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1601_Weblinks_Seite101.jpg" alt="" width="652" height="433" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Universitätsklinik für Innere Medizin III mit
Hämatologie, internistischer Onkologie,
Hämostaseologie, Infektiologie,
Rheumatologie und Onkologisches Zentrum<br/>
Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg<br/>
E-Mail: s.gampenrieder@salk.at<br/>
Quelle:<br/>
3. Post-SABCS, 8. Jänner 2016, Wien
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Loi S et al: SABCS 2015; Abstract #S1-03 + oral presentation<br /><strong>2</strong> Molinero L et al: SABCS 2015; Abstract #S1-01 + oral presentation<br /><strong>3</strong> Desmedt C et al: SABCS 2015; Abstract #S1-02 + oral presentation<br /><strong>4</strong> Dirix LYY et al: SABCS 2015; Abstract #S1-04 + oral presentation<br /><strong>5</strong> Rugo HS et al: SABCS 2015; Abstract #S5-07 + oral presentation<br /><strong>6</strong> Dowsett M et al: SABCS 2015; Abstract #S3-01 + oral presentation<br /><strong>7</strong> Nielsen TO et al: SABCS 2015; Abstract #S1-08 + oral presentation<br /><br /><strong>Weitere Literatur beim Verfasser</strong></p>
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